Dissertation Unterstützung expliziter Articulation Work Interaktive Externalisierung und Abstimmung mentaler Modelle ausgeführt zum Zwecke der Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der technischen Wissenschaften unter der Leitung von o. Univ.-Prof. DI Dr. Christian Breiteneder E188 – Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme o. Univ.-Prof. DI Dr. Christian Stary Institut für Wirtschaftsinformatik – Communications Engineering Johannes Kepler Universität Linz eingereicht an der Technischen Universität Wien Fakultät für Informatik von Stefan Oppl 0055503 Reithoffergasse 2d/3, 4400 Steyr Diese Dissertation haben begutachtet o. Univ.-Prof. DI Dr. Christian Breiteneder o. Univ.-Prof. DI Dr. Christian Stary Steyr, am 28. Juni 2010 Die approbierte Originalversion dieser Dissertation ist an der Hauptbibliothek der Technischen Universität Wien aufgestellt (http://www.ub.tuwien.ac.at). The approved original version of this thesis is available at the main library of the Vienna University of Technology (http://www.ub.tuwien.ac.at/englweb/). Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Steyr, am 28. Juni 2010 Kurzfassung Der Erfolg von (kooperativer) Arbeit beruht auf einem gemeinsamen Verständnis der be- troffenen Abläufe durch die beteiligten Personen. Dieses gemeinsame Verständnis wird der Theorie von Strauss zufolge durch die ständige und unbewusste Durchführung von Tätigkeiten zur Abstimmung mit anderen Individuen erreicht. Beim Auftreten von Situa- tionen, die von den Beteiligten als komplex und problematisch wahrgenommen werden, müssen nach Strauss bewusst dezidierte Aktivitäten der Abstimmung und zum Errei- chen einer gemeinsamen Sichtweise durchgeführt werden. Sowohl die Identifikation der Notwendigkeit von Abstimmungsaktivitäten als auch deren Durchführung werden maß- geblich von den individuellen Wahrnehmungen der beteiligten Personen beeinflusst. Auf diesen Aspekt geht Strauss nicht ein, so dass auch Arbeiten, die sich bei der Entwicklung von Instrumenten der Unterstützung der Abstimmung auf dessen Arbeiten beziehen, die individuelle Dimension nicht explizit berücksichtigen. Wird diese individuelle Dimension ignoriert, so hat dies negative Auswirkungen auf das Arbeitsergebnis. Ziel dieser Arbeit ist deshalb die Unterstützung der Abstimmungsprozesse über Arbeitsabläufe unter ex- pliziter Berücksichtigung der Bedürfnisse der beteiligten Individuen. Zu diesem Zweck werden Methoden aus der Theorie der mentalen Modelle nach Johnson-Laird mit den Anforderungen aus der Abstimmung von Arbeitsabläufen zusammengeführt. Um die Abstimmung zu unterstützen, setzt der hier vorgestellte Ansatz die koopera- tive Bildung und Diskussion diagrammatischer Modelle ein. Dieser Zugang ist aus der Theorie der Bildung und Veränderung mentaler Modelle abgeleitet. Die Externalisie- rung der mentalen Modelle in Form von diagrammatischen Modellen ist nach Seel ein Weg zur Reflexion und Kommunikation derselben und ermöglicht so die Entwicklung einer gemeinsamen Sichtweise auf den kooperativen Arbeitsablauf. Methodisch baut die Arbeit auf Strukturlegetechniken und Concept Mapping auf, welche sich zur Externa- lisierung mentaler Modelle eignen. Die dort vorgeschlagenen Methoden werden unter Bezugnahme auf die Abstimmung von individuellen Sichtweisen auf Arbeitsabläufe zu- sammengeführt. Wesentlich für die kooperative Anwendung ist deren Durchführung auf einer durch mehrere Personen unmittelbar und gleichzeitig manipulierbaren Modellie- rungsoberfläche. Die entwickelte Methodik wird deshalb durch ein Tabletop Interface – eine horizontale Interaktionsoberfläche mit rechnerbasierten Unterstützungsfunktionen – zu einem Instrument ergänzt, mit dem die Durchführung von Abstimmungsaktivitäten unterstützt werden kann. Das Tabletop Interface ermöglicht die kooperative Bildung von Modellen mittels physi- schen Bausteinen, die auf der Interaktionsoberfläche platziert werden. Das Modell kann so unmittelbar und simultan von mehreren Personen erfasst und manipuliert werden. Technologisch basiert das System auf der Identifikation der Bausteine mittels Markern, die durch eine Kamera in Echtzeit erfasst werden. Die erfasste Information wird durch das System interpretiert, so dass Aktivitäten zur Modellbildung identifiziert werden kön- nen. Die Darstellung von Information zum erstellten Modell erfolgt durch Rückprojektion auf die Interaktionsoberfläche und einen Bildschirm, der als erweiterter Ausgabekanal für nicht auf der Oberfläche darstellbare Information dient. Durch zusätzliche Rechnerun- terstützung werden kooperationsunterstützende Maßnahmen wie die Wiederherstellung vergangener Modellzustände ermöglicht. Die persistente Ablage der erstellten Modelle erfolgt als Topic Map, einem standardisierten Datenformat zur flexiblen Repräsentation semantischer Netze, das eine Wieder- und Weiterverwendbarkeit der erstellten Modelle gewährleistet. Die Effektivität der Unterstützung von Abstimmungsaktivitäten durch das System wird im Rahmen einer empirischen Untersuchung untersucht. Dabei wird die Verwend- barkeit des interaktiven Systems selbst, dessen Nutzen bei der Abstimmung mentaler Modelle sowie letztendlich die Auswirkungen bei der Durchführung von Abstimmungs- aktivitäten in Arbeitsprozessen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass das Werkzeug verständlich und benutzbar ist und das Instrument in seiner Gesamtheit sowohl positi- ve Wirkungen auf die Kooperation zwischen den beteiligten Personen hat als auch die Bildung einer gemeinsamen Sichtweise auf den betrachteten Arbeitsablauf hat. Abstract Successful (cooperative) work requires that the involved workers develop a common understanding of the modalities of their interaction. According to Strauss, common un- derstanding emerges from continuously and unconsciously conducted activities for ali- gnment of understanding. In situation perceived to be complex or problematic by the involved persons, Strauss suggests that alignment activities have to triggered and con- ducted deliberately. Individual perceptions affect both, the identification of the need for alignment and alignment itself. Strauss does not explicitly address this aspect in his theory. Approaches that support alignment based upon Strauss’ work thus also largely ignore the individual, cognitive dimension of alignment. Ignoring the individual dimen- sion, however, has negative impact on the success of work processes. Accordingly, this work aims at extending the scope of alignment support by explicitly considering the per- ceptions and needs of individuals. The theory of mental models here is used to extend Strauss’ concepts and develop effective support for developing a common understanding of work processes. Following the theory of mental model development by Seel, the cooperative creation of diagrammatic models as representations of mental models can aid their alignment and the development of a common understanding. Suitable methods for building representa- tions of mental models include structure elaboration techniques and concept mapping. Both methods have properties that are support the cooperative creation of models. In this work, they are integrated to form a method that is useable in the context of the alignment of cooperative work. The main feature for cooperation support is that mo- deling takes places on a simultaneously accessible and physically manipulable modeling surface. The method thus is complemented with a tabletop interface – a horizontally mounted interaction surface that is augmented with computer support – to effectively support the alignment of individual views on cooperative work processes. Tangible tokens are used to cooperatively build models on the interaction surface. By physically placing the tokens, the model can be manipulated simultaneously by several people. Token identification is based on visual markers that are tracked by a camera in real time. The gathered information is interpreted by the system to identify modeling activities. Model information is displayed by back-projecting it onto the surface from underneath. An traditional screen is provided as an additional output channel for in- formation that cannot be displayed directly on the interaction surface. Cooperation is further supported by additional features like reconstruction support for former model states. Persistent model representation is based upon the standardized XML Topic Map format, which allows for a reusable, self-contained representation of generic semantic networks. The systems’s effectiveness in supporting the alignment of work is tested in an empi- rical study. In three steps, the system’s usability, its effects on the alignment of mental models and the effectiveness in supporting the development of a common understanding of work processes are examined. The results of the study show that the system is com- prehensible and useable. Positive effects on both, the cooperation among people during modeling and the alignment of individual views of cooperative work, have been observed. für Felix und Sabrina Vorwort Arbeiten wie diese entstehen nie ohne Unterstützung und Einfluss von außen. Zahlreiche Menschen haben mich auf meinem Weg zum Abschluss dieser Arbeit begleitet. Diesen Menschen möchte ich an dieser Stelle danken. Prof. Alois Ferscha habe ich zu verdanken, dass sich das Feld der Forschung als per- sönliche und berufliche Perspektive für mich auftat. Er nahm mich noch während meines Informatik-Studiums an seinem Institut auf und ermöglichte mir erste Erfahrungen im wissenschaftlichen Alltag zu sammeln. Für seine Anleitung und Unterstützung möchte ich mich bedanken. Andreas Auinger hat mir den Weg in in die interdisziplinäre Forschung eröffnet, indem er zum richtigen Zeitpunkt an mich dachte und mich für meine heutige Stelle vorschlug. Er stand mir danach als Bürokollege und Freund mit Rat und Tat zur Seite und ist mir auch heute noch ein wichtiger Diskussionspartner. Meinen ehemaligen Kollegen Pe- ter Eberle und Jeannette Hemmecke danke ich für die Erweiterung meines fachlichen Horizonts, die Rückspiegelung meiner Arbeit aus anderen Disziplinen und ihren me- thodischen Input zu den Grundlagen und zum empirischen Teil dieser Arbeit. In Peter Eberles Garage entstand außerdem unter seiner federführenden Mitwirkung der Tisch, der ein zentrales Element des hier vorgestellten Systems ist. Simon Vogl begleitet mich seit Beginn meiner Tätigkeit an der Universität Linz und trug mit seinen Ideen und tech- nischen Kenntnissen wesentlich zum aktuellen Entwicklungsstand des hier vorgestellten Werkzeugs bei. Matthias Neubauer war und ist mir als Studierender, Diplomand und nun Kollege eine große Stütze, wertvoller Diskussionspartner und Freund. Auch meinen übrigen ehemaligen und aktuellen Arbeitskollegen gebührt Dank für ih- re Unterstützung, ihr Verständnis und ihre Bereitschaft, meine Experimente über sich ergehen zu lassen. An dieser Stelle ist auch den unzähligen Studierenden zu danken, die an der Evaluierung des entwickelten Werkzeugs mitgewirkt haben. Ohne die Unter- stützung meiner Diplomanden Florian Furtmüller, Thomas Feiner, Matthias Neubauer, Josef Bohninger, Daniel Bindreiter und Patrick Wahlmüller wäre das Werkzeug heute funktional nicht so erweiterbar und so umfassend evaluiert, wie es sich nun darstellt. Prof. Christian Stary hat mich in den vergangenen fünf Jahren in meiner Denk- und Arbeitsweise geprägt und diese fundamental verändert. Seiner Führung und Anleitung ohne Vorgaben zu machen, seinem Vorbild und seiner Sichtweise auf wissenschaftliche Arbeit ist es zu verdanken, dass diese Dissertation in der vorliegenden Form fertigge- stellt wurde. Er hat mir ermöglicht, meinen fachlichen Horizont zu erweitern, über den Tellerrand der Informatik hinaus zu sehen und „Unberechenbarkeit“ als wesentliches Prinzip der Wissenschaften und den dort handelnden Akteuren zu erkennen. Nicht nur in Forschung und Lehre habe ich von ihm fürs Leben gelernt. Prof. Christian Breiteneder hat mich in seiner Arbeitsgruppe an der TU Wien aufge- nommen, als meine interdisziplinären Ansprüche die Möglichkeiten an der Kepler Uni- versität Linz überstiegen. Für seine Offenheit, seine jederzeitige Bereitschaft zur Unter- stützung und die Begutachtung dieser Arbeit möchte ich mich herzlich bedanken. Prof. Markus Peschl danke ich für die zahlreichen Diskussionen, die Motivation in Zeiten, in denen kein Fortschritt erkennbar war und der Möglichkeit, mein System in einem Beitrag zu seinem Buch über Kognition und Technologie im kooperativen Lernen zu beschreiben. Dieser Beitrag bildete den Nukleus für die Niederschrift der Dissertation und zwang mich, endlich mit dem Explizieren meiner Arbeit zu beginnen. Die leider viel zu seltenen Treffen mit Prof. Tom Gross und Jürgen Steimle waren stets motivierend für mich und bestärkten mich, die Dissertation endlich zu einem guten Abschluss zu bringen. Neben all diesen Personen aus dem beruflichen Umfeld gebührt vor allem meiner Fami- lie besonderer Dank. Meine Eltern haben mir meine Neugier mit auf den Weg gegeben, mir meine Ausbildung ermöglicht und mich immer in meinen Entscheidungen bestärkt. Meiner Mutter danke ich außerdem für die tagelange akribische Korrektur dieser Arbeit, durch die der Lesefluss nun nicht mehr durch Buchstabendreher und verirrte Beistriche beeinträchtigt wird. Sabrina hat mit mir seit nunmehr beinahe 10 Jahren alle privaten und beruflichen Hö- hen gefeiert und Tiefen durchgestanden. Sie ergänzt und kompensiert meine chaotische Ader perfekt und hat mir wann immer notwendig die vollkommene Vertiefung in die Arbeit an meiner Dissertation ermöglicht. Gleichzeitig hat sie immer dafür gesorgt, dass ich das „echte“ Leben nicht aus den Augen verliere und war dann ein Regulativ, wenn mir der Blick für die Verhältnismäßigkeit meines Tuns abhanden kam. Danke für deine Unterstützung und dein Verständnis. Seit zweieinhalb Jahren zeigt mir Felix, was im Leben wirklich wesentlich ist. Sein sonniges Gemüt und seine bedingungslose Liebe waren und sind mir ein stetiger Quell der Freude und Motivation. Steyr, am 28. Juni 2010 Inhaltsübersicht 1. Einführung 1 I. Methoden zur Unterstützung der Abstimmung kooperativer Arbeit 19 2. Articulation Work 22 3. Mentale Modelle 76 4. Methodik und Anwendungszenarien 98 II. Interaktive Externalisierung und Abstimmung 112 5. Anforderungen an ein Werkzeug 115 6. Grundlagen der Realisierung und verwandte Arbeiten 121 7. Eingabe und Interpretation 173 8. Ausgabe 238 9. Persistierung 271 III. Evaluierung des Instruments 300 10.Konzeptuelle Einordnung des Werkzeugs 302 ix 11.Überblick über die empirische Untersuchung 328 12.Evaluierung der Verwendbarkeit des Werkzeugs 352 13.Evaluierung der Anwendung des Instruments 399 14.Evaluierung der durchgeführten Articulation Work 431 15.Schlussbetrachtungen 452 Anhang 476 A. Literatur zum Themengebiet Articulation Work 477 B. Daten der empirischen Untersuchung 492 Verzeichnisse 532 Abbildungsverzeichnis 532 Tabellenverzeichnis 535 Abkürzungsverzeichnis 537 Bildquellen 539 Publikationen im Kontext dieser Arbeit 542 Literaturverzeichnis 545 Lebenslauf 566 x . xi Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 1 1.1. Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.2. Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.2.1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.2.2. Zusammenfassung der Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Methoden zur Unterstützung der Abstimmung kooperativer Arbeit 19 2. Articulation Work 22 2.1. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.2. Ausprägungen von Articulation Work . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.2.1. Unterscheidung nach Fjuk, Smørdal und Nurminen . . . . . . . . 28 2.2.2. Unterscheidung nach Hampson und Junor . . . . . . . . . . . . . 31 2.2.3. Unterscheidung nach Færgemann et al. . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.2.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.3. Abzustimmende Arbeitsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.4. Unterstützung von Articulation Work . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.4.1. Vorgehen zur detaillierten Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.4.2. Modeling Articulation Work in Software Engineering Processes . 45 2.4.3. Taking CSCW seriously: Supporting Articulation Work . . . . . . 48 2.4.4. Supporting articulation work using software configuration ma- nagement systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.4.5. Coordination Mechanisms: Towards a Conceptual Foundation of CSCW Systems Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2.4.6. Taking Articulation Work Seriously: An Activity Theoretical Ap- proach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2.4.7. TeamSpace: an environment for team articulation work and vir- tual meetings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.4.8. Supporting different dimensions of adaptability in workflow mo- deling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 xii Inhaltsverzeichnis 2.4.9. Mundane knowledge management and microlevel organizational learning: An ethological approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2.4.10. Modelling Cooperative Work: Chances and Risks of Structuring . 61 2.4.11. Recursive Articulation Work in Ariadne: The Alignment of Mea- nings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2.4.12. Combining Communication and Coordination Toward Articulati- on of Collaborative Activities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2.4.13. Interactive Process Models . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.4.14. Torres, a Conceptual Framework for Articulation Work across Boundaries . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2.4.15. Gegenüberstellung und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . 70 2.5. Thought processes und Articulation Work . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2.6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.6.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2.6.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Mentale Modelle 76 3.1. Articulation Work und mentale Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.2. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.3. Bildung und Veränderung mentaler Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3.4. Externalisierung mentaler Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3.4.1. Methode des lauten Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3.4.2. Strukturlegetechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.4.3. Concept Mapping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.5.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3.5.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 97 4. Methodik und Anwendungszenarien 98 4.1. Durchführungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.2. Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4.2.1. Einarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4.2.2. Konzeptsammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4.2.3. Konzeptstrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4.2.4. Restrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4.3. Anwendungsszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.3.1. Verfeinerung mentaler Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4.3.2. Wissenstransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4.3.3. Abstimmung mentaler Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4.3.4. Aushandlung mentaler Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4.4.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 xiii Inhaltsverzeichnis 4.4.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Interaktive Externalisierung und Abstimmung 112 5. Anforderungen an ein Werkzeug 115 5.1. Anforderungen aus Strukturlegetechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 5.2. Anforderungen aus Concept Mapping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 5.3. Anforderungen aus Articulation Work . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 5.4. Grundlegende Technologieentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 5.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5.5.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5.5.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 119 6. Grundlagen der Realisierung und verwandte Arbeiten 121 6.1. Historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 6.2. Lernprozesse und Tangible Interfaces . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 6.3. Kooperation und Tangible Interfaces . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 6.3.1. Intuitive und simultane Manipulierbarkeit . . . . . . . . . . . . . 126 6.3.2. Fokus-stärkende Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 6.3.3. Awareness, Gestik und performative Bedeutung der Handlungen . 128 6.3.4. Externalisierungsfunktion und Rolle als Boundary Object . . . . 128 6.3.5. Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces . . . . . . 130 6.4.1. Bricks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 6.4.2. Graspable User Interfaces . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 6.4.3. Tangible Bits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 6.4.4. Containers, Tokens und Tools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 6.4.5. Tangible Objects Meaning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 6.4.6. Das MCRpd Interaktions-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 6.4.7. Tokens und Constraints nach Ullmer . . . . . . . . . . . . . . . . 143 6.4.8. Degree of Coherence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 6.4.9. Tokens und Constraints nach Shaer et al. . . . . . . . . . . . . . 147 6.4.10. Kategorien von TUI-Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6.4.11. Taxonomie für Tangible User Interfaces . . . . . . . . . . . . . . . 150 6.4.12. Tangible Bits: Beyond Pixels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 6.4.13. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 6.5. Tabletop Interfaces . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 6.5.1. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 6.5.2. Aktuelle Plattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 6.6. Tabletop Interfaces zur Erstellung diagrammatischer Modelle . . . . . . . 166 6.6.1. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 xiv Inhaltsverzeichnis 6.6.2. Aktuelle verwandte Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 6.7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 6.7.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 6.7.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 171 7. Eingabe und Interpretation 173 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion . . . . . . . . . . . 174 7.1.1. In Frage kommende technologische Ansätze . . . . . . . . . . . . 174 7.1.2. In Frage kommende Frameworks . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 7.1.3. Technologieentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten . . . . . . . . . . 196 7.2.1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 7.2.2. Tokens und Input-Werkzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 7.2.3. Eingabe auf der Tischoberfläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 7.3. Benutzerinteraktion mit dem Werkzeug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 7.3.1. Hinzufügen und Verändern von Modellelementen . . . . . . . . . 211 7.3.2. Benennen von Modellelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 7.3.3. Verbinden von Modellelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 7.3.4. Löschen von Elementen und Verbindungen . . . . . . . . . . . . . 215 7.3.5. Einbettung von Zusatzinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 7.3.6. Kontrolle der Modellierungshistorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software . . . . . . . . . . . . . 218 7.4.1. Interpretation der Rohdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 7.4.2. Stabilisierung der Erkennungsleistung . . . . . . . . . . . . . . . 221 7.4.3. Erkennung von Markierungen und Verbindungen . . . . . . . . . 226 7.4.4. Erkennung von geöffneten Tokens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 7.4.5. Benennung von Modellelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 7.4.6. Festlegung der Bedeutung von Modellelementen . . . . . . . . . . 233 7.4.7. Tracking des Modellzustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 7.4.8. Verteilung des Modellzustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 7.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 7.5.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 7.5.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 237 8. Ausgabe 238 8.1. Auszugebende Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 8.2. Technologische Grundlage der Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 8.2.1. Ansätze zur kohärenten Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 8.2.2. Ansätze zur entkoppelten Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 8.2.3. Technologie-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 8.2.4. Frameworks zur Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 8.3. Ausgabe von Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 xv Inhaltsverzeichnis 8.3.1. Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 8.3.2. Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 8.3.3. Ausgabe von Information zum Modell . . . . . . . . . . . . . . . 253 8.3.4. Ausgabe zur Kontrolle des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 8.4. Umsetzung der Ausgabe mit Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 8.4.1. Ausgabe des Modellzustands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 8.4.2. Ausgabe der Modellierungshistorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 8.4.3. Umsetzung der Wiederherstellungsunterstützung . . . . . . . . . 267 8.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 8.5.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 8.5.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 270 9. Persistierung 271 9.1. Topic Maps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 9.1.1. Topics, Subjects, Topic Names und Variants . . . . . . . . . . . . 275 9.1.2. Associations und Roles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 9.1.3. Occurrences und Datatypes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 9.1.4. Metamodellierung in Topic Maps . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 9.1.5. Statements und Scopes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 9.1.6. Reification . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 9.1.7. Merging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 9.2. Abbildung von Modellen auf Topic Maps . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 9.2.1. Grundlegende Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 9.2.2. Abbildung des Metamodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 9.2.3. Abgrenzung von Submodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 9.2.4. Flexibilisierung der Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 9.3. Technische Umsetzung der Persistierung von Modellen . . . . . . . . . . 290 9.3.1. Topic Map Engine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 9.3.2. Dynamische Metamodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 9.4. Export graphischer Repräsentationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 9.4.1. Ausgabeformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 9.4.2. Technische Umsetzung des graphischen Exports . . . . . . . . . . 296 9.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 9.5.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 9.5.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 299 III. Evaluierung des Instruments 300 10.Konzeptuelle Einordnung des Werkzeugs 302 10.1. Einordnung in den Bricks-Designraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 10.2. Bestimmung der Eigenschaften des Graspable User Interfaces Ansatz . . 305 xvi Inhaltsverzeichnis 10.3. Betrachtung im Lichte des Tangible Bits Ansatzes . . . . . . . . . . . . . 306 10.4. Einordnung in das Ordnungssystem von Holmquist et al. . . . . . . . . . 308 10.5. Einordnung in das Object-Meaning-Kontinuum . . . . . . . . . . . . . . 309 10.6. Betrachtung im Lichte des MCRpd-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . 310 10.7. Einordnung in den Tokens+Constraints Kontext . . . . . . . . . . . . . . 312 10.8. Einordnung in das Framework nach Koleva et al. . . . . . . . . . . . . . 314 10.9. Spezifikation des TAC-Schemas nach Shaer et al. . . . . . . . . . . . . . 316 10.10.Einordnung in die Kategorien von TUI-Anwendungen . . . . . . . . . . . 319 10.11.Einordnung in die Taxonomie von Fishkin . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 10.12.Betrachtung im Lichte der Retrospektive von Ishii . . . . . . . . . . . . . 324 10.13.Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 10.13.1.Eignung der konzeptuellen Ansätze zur Beschreibung von TUIs . 325 10.13.2.Verbesserungspotential für das Werkzeug . . . . . . . . . . . . . . 326 10.13.3.Beitrag zur globalen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 10.13.4.Weitere Verwendung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 327 11.Überblick über die empirische Untersuchung 328 11.1. Zu untersuchende Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 11.1.1. Evaluierung der Verwendbarkeit des Werkzeugs . . . . . . . . . . 330 11.1.2. Evaluierung der Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 11.1.3. Evaluierung der Effekte der Articulation Work . . . . . . . . . . . 331 11.2. Globales Untersuchungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 11.2.1. Block 1: Technische Evaluierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 11.2.2. Block 2: Aushandlung von Zusammenarbeit 1 . . . . . . . . . . . 335 11.2.3. Block 3: Concept Mapping 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 11.2.4. Block 4: Aushandlung von Zusammenarbeit 2 . . . . . . . . . . . 339 11.2.5. Block 5: Concept Mapping 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 11.3. Eingesetzte Werkzeuge und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 11.3.1. Werkzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 11.3.2. Signifikanztests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 11.3.3. Korrelationstest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 11.3.4. Fragebögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 11.3.5. Interaktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 11.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 11.4.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 11.4.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 351 12.Evaluierung der Verwendbarkeit des Werkzeugs 352 12.1. Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 12.1.1. Konzeptuell begründete Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . 353 12.1.2. Explorativ gebildete Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 12.2. Untersuchungsdesign und Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 xvii Inhaltsverzeichnis 12.2.1. Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 12.2.2. Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 12.3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 12.3.1. Repräsentation diagrammatischer Modelle . . . . . . . . . . . . . 364 12.3.2. Kooperatives Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 12.3.3. Einsetzbarkeit in unterschiedlichen Kontexten . . . . . . . . . . . 373 12.3.4. Wiederherstellung vergangener Modellzustände . . . . . . . . . . 376 12.3.5. Nicht-Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 12.3.6. Gewöhnung an das Werkzeug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 12.3.7. Herstellung von Verbindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 12.3.8. Verwendung des Löschtokens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 12.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 12.4.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 12.4.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 398 13.Evaluierung der Anwendung des Instruments 399 13.1. Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 13.1.1. Konzeptuell begründete Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . 400 13.1.2. Explorativ gebildete Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 13.2. Untersuchungsdesign und Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 13.2.1. Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 13.2.2. Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 13.3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 13.3.1. Keine semantische Einschränkung der Externalisierung . . . . . . 411 13.3.2. Repräsentation beliebig umfangreicher Modelle . . . . . . . . . . 415 13.3.3. Reflexion des Modellierungsverlaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 13.3.4. Wirkung auf die Kooperation bei der Modellerstellung . . . . . . 420 13.3.5. Abbildung von Zusammenhängen ohne Verbinder . . . . . . . . . 424 13.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 13.4.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 13.4.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 430 14.Evaluierung der durchgeführten Articulation Work 431 14.1. Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 14.1.1. Konzeptuell begründete Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . 432 14.2. Untersuchungsdesign und Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 14.2.1. Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 14.2.2. Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 14.3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 14.3.1. Abstimmung individueller Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 14.3.2. Auswirkungen auf die Ergebnisse kooperativer Arbeit . . . . . . . 441 14.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 xviii Inhaltsverzeichnis 14.4.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 14.4.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 451 15.Schlussbetrachtungen 452 15.1. Zusammenfassung der Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 15.2. Zusammenfassung der Evaluierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 15.2.1. Empirische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 15.2.2. Gegenüberstellung der empirischen und konzeptuellen Untersuchung457 15.3. Erfüllung der Anforderungen an das Werkzeug . . . . . . . . . . . . . . . 460 15.4. Bewertung hinsichtlich der globalen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . 465 15.4.1. Wie kann die Durchführung undWirkung von „ArticulationWork“ charakterisiert werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 15.4.2. Wie kann explizite „Articulation Work“ effektiv unterstützt werden?467 15.4.3. Globale Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 15.5. Offene Aspekte und Entwicklungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 15.5.1. Entwicklungspotential des Werkzeugs . . . . . . . . . . . . . . . . 472 15.5.2. Prüfung der effektiven Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . 473 15.5.3. Alternative Anwendungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 15.6. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 Anhang 476 A. Literatur zum Themengebiet Articulation Work 477 A.1. Literaturquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 A.2. Relevante Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 B. Daten der empirischen Untersuchung 492 B.1. Verfügbare Rohdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 B.2. Durchgeführte Auswertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 B.2.1. Überblicksauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 B.2.2. Interaktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 B.2.3. Deskriptive Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 B.2.4. Signifikanztests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 B.2.5. Codierung offener Items . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 B.3. Verwendete Fragebögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 B.3.1. Fragebögen aus Evaluierungsblock 1 . . . . . . . . . . . . . . . . 498 B.3.2. Fragebögen aus Evaluierungsblock 4 . . . . . . . . . . . . . . . . 506 B.3.3. Fragebögen aus Evaluierungsblock 5 . . . . . . . . . . . . . . . . 523 Verzeichnisse 532 xix Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 532 Tabellenverzeichnis 535 Abkürzungsverzeichnis 537 Bildquellen 539 Publikationen im Kontext dieser Arbeit 542 Literaturverzeichnis 545 Lebenslauf 566 xx 1. Einführung „No one person embodies the requisite knowledge to comprehend complex organizational problems, or the requisite variety to clarify equivocal issues“ (Tyre und Von Hippel, 1997) An dieser Aussage begründen Tyre und Von Hippel die unbedingte Notwendigkeit zur Kooperation bei der Durchführung von Arbeit in Organisationen. Arbeit in Organisation ist ein inhärent kooperatives System (Helmberger und Hoos, 1962) zur Erreichung eines Ziels (Semmer und Udris, 2004), in dem das Ziel nur durch das Zusammenwirken der Beiträge aller beteiligten Individuen erreicht werden kann (Strauss, 1985) (Tyre und Von Hippel, 1997). Diese Individuen haben unterschiedliche Kenntnisse, Fähigkeiten und Interessen, die zusammengeführt und aufeinander abgestimmt werden müssen um Kooperation zu ermöglichen (Schmidt, 1994). Griffin und Hauser (1992) fassen in ihrer Arbeit eine Reihe von Studien zusammen, die eine starke Korrelation zwischen funktionierender Kommunikation und Kooperati- on in Unternehmen und dem Erfolg neuer Produkte belegen. Auch bei Untersuchungen von Arbeitsabläufen selbst konnte die Relevanz von Kooperation zwischen Individuen bestätigt werden. Hinsichtlich der Relevanz von Kooperation zwischen Organisationen beschreiben Kumar und Van Dissel (1996) die Risiken, die in organisationsübergreifen- den Arbeitsprozessen auftreten können. Sowohl in klassischen organisationsübergreifen- den Wertschöpfungsketten als auch in stärker vernetzten Organisationen sind den Au- toren zufolge potentiellen Kosten der Kooperation zwischen den beteiligten Instanzen im Allgemeinen als das Auftretens von unterschiedlichen Interpretationen der Modalitä- ten der Zusammenarbeit im Speziellen wesentliche zu berücksichtigende Aspekte. Tsai (2002) zeigt in einer empirischen Studie die positive Wirkung von kooperationsfördern- den Maßnahmen auch für Anwendungsfälle innerhalb von Organisationen. Insbesondere Tätigkeiten zur Wissensteilung und Informationsaustausch können sich demnach positiv auf Fähigkeiten der Organisation („organizational capabilities“) auswirken. Phua und Rowlinson (2004) weisen die Relevanz von Kooperation auf Ebene der beteiligten Perso- nen für Projekte im Baugewerbe empirisch nach. Roy (2001) zeigt anhand von Studien, dass die Abstimmung der Zusammenarbeit in Organisationen ein kritischer Erfolgsfak- tor ist. Erfolgt sie nicht oder ist sie nicht erfolgreich, so leidet darunter die Fähigkeit zur Zielerreichung. Individuen, die ähnliche Denkmuster („cognitive processes“) entwickelt haben, arbeiten besser zusammen und liefern bessere Ergebnisse, als Gruppen, in denen dies nicht der Fall ist (Roy, 2001). 1 1. Einführung Eine Beschäftigung mit den Möglichkeiten zur Unterstützung kooperativer Arbeit und der Verbesserung derselben ist deshalb ein vielfach adressiertes Thema der Forschung vor allem in der Soziologie (etwa Strauss (1993) oder Suchman (1995)) oder den Or- ganisationswissenschaften (etwa Argyris und Schön (1978), Kim (1993) oder Firesto- ne und McElroy (2003)) und führte auch zur Bildung neuer Forschungsfelder wie der „Computer-supported Cooperative Work“ (CSCW – nach Grudin (1994) etwa ab Mitte der 1980er-Jahre). Die Einbindung von Informationtechnologie zur Unterstützung ko- operativer Arbeit eröffnet neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und beseitigte viele Hindernisse – vor allem jene im Zusammenhang, die im Zusammenhang mit Kommunika- tion und der Verfügbarkeit von Information stehen (Grudin, 1988). Bei der Entwicklung von Systemen, die kooperative Arbeit unterstützen, müssen nach Grudin (1988) zwei As- pekte beachtet werden: der Verständnis der zu unterstützenden Phänomene und Abläufe in der Arbeitsrealität der betroffenen Personen1 sowie das Verständnis der Arbeitsweise der betroffenen Individuen selbst2. Ein Ansatz, der im Rahmen von CSCW zur Erklärung kooperativer Arbeit und zur Ableitung von Unterstützungsmaßnahmen herangezogen wurde Schmidt und Bannon (1992), ist das Konzept der „Articulation Work“ Strauss (1985). „Articulation Work“ erklärt die nach Roy (2001) – wie oben zitiert – erfolgskritischen Prozesse der Abstim- mung von Zusammenarbeit und bildet die Grundlage für eine Vielzahl von Ansätzen zur Unterstützung derselben (etwa (Cabitza et al., 2006), Raposo et al. (2004) oder Davenport (2002)). In der Literatur sind jedoch keine Arbeiten zu identifizieren, die den Zusammenhang zwischen der Verwendung von „Articulation Work“ als Grundlage der Entwicklung von Unterstützungsmaßnahmen und der Berücksichtigung beider von Grudin (1988) formulierten Forderungen untersuchen bzw. bestätigen. Dies ist jedoch notwendig, um die Unterstützung kooperativer Arbeit in ihrer Gesamtheit – also un- ter Berücksichtigung sowohl der kooperativen Arbeitsprozesse sowie der Beiträge der beteiligten Individuen – sicherstellen zu können (Grudin, 1988). Das Konzept „Articulation Work“ wird von Strauss (1985) zur Beschreibung der un- terschiedlichen Qualitäten von Tätigkeiten im Rahmen kooperativer Arbeit eingeführt. Es werden damit all jene Tätigkeiten erfasst, die der Planung und gegenseitigen Ab- stimmung kooperativer Arbeit sowie der Auflösung etwaig auftretender Unklarheiten oder Hindernisse bei der Zielerreichung dienen. Komplementär dazu bezeichnet Fujimura (1987) jenen Anteil an Arbeit, der der unmittelbaren Zielerreichung bzw. der Wertschöp- fung dient, als „Production Work“. Im Sinne von Strauss dient die „Articulation Work“ also dazu, die „Production Work“ zu ermöglichen und aufrecht zu erhalten oder deren 1„We need to have a better understanding of how groups and organizations function and evolve than is reflected in most of the systems that have been developed. [. . . ] [One approach is to] start out with a problem situation defined by workers, and work beside them a long time in order to develop a new system that is ’owned’ by the workers. . . “ (Grudin, 1988, S.90) 2„If we are going to support groups that include any diversity at all, we will have to learn much more about how different kinds of people work.“(Grudin, 1988, S.91) 2 1. Einführung Durchführbarkeit wieder herzustellen. Entsprechend der Grundannahme von (Strauss, 1985), dass jeder Arbeitsablauf ein inhärent kooperativer Vorgang ist, ermöglicht bzw. erhält „Articulation Work“ also eine funktionierende Kommunikation und Zusammen- arbeit in Arbeitsabläufen. Zentral ist dabei vor allem die gegenseitigen Offenlegung der Annahmen aller beteiligten Personen, die den individuellen Arbeitsbeiträgen zugrunde liegen3. Die Arbeiten von Strauss haben rein deskriptiven Charakter, sie beschreiben das beobachtbare Phänomen des Auftretens von „Articulation Work“, treffen aber keine Aussagen über deren Wirkmechanismen oder etwaige Möglichkeiten zur Unterstützung derselben. „Articulation Work“ ist nach Strauss integraler Bestandteil jedes kooperativen Ar- beitsablaufs. Jene sozialen, unbewusst ausgeführten Tätigkeiten, die der Abstimmung der individuellen Arbeitsbeiträge dienen, bezeichnet Strauss (1988) bzw. Fjuk et al. (1997) als implizite „Articulation Work“. Mit steigender Komplexität der „Production Work“ steigt auch der Aufwand der dazu notwendigen „Articulation Work“ an (Strauss, 1988). Die Komplexität steigt hier mit der Anzahl der benötigten Arbeitsschritte, den dazu benötigten Kompetenzen und der Anzahl der involvierten Personen. Je komplexer („problematic“) eine Interaktion ist, desto notwendiger wird nach (Strauss, 1988) eine explizite Beschäftigung mit dem Vorgang der Artikulation. Werden Tätigkeiten in die- sem Rahmen bewusst durchgeführt, so spricht man von expliziter „Articulation Work“ (Strauss, 1988) (Fjuk et al., 1997). Der Begriff der „problematischen Interaktion“ bedarf einer näheren Betrachtung, um als Kriterium der Abgrenzung zwischen impliziter und expliziter „Articulation Work“ herangezogen werden zu können. Strauss zitiert diesbezüglich Hughes unmittelbar nach seiner Definition von „problematic interaction“: „[O]ne man’s routine of work is made up of the emergencies of other people“ (Hughes, 1971, zitiert nach (Strauss, 1993)). Das Merkmal, an dem die Notwendigkeit der Durchführung expliziter „Articulation Work“ begründet wird, ist demnach also ausschließlich durch individuelle Wahrnehmung beur- teilbar. Die bewusste Durchführung von Abstimmungsaktivitäten ist immer dann not- wendig, wenn zumindest eine der beteiligten Personen die Arbeitssituation als „proble- matisch“ wahrnimmt. Wie bereits oben erwähnt, beschreibt Strauss in seinen Arbeiten zwar das Phänomen „Articulation Work“ und dessen Wirkung (also im Wesentlichen was „Articulation Work“ ist), verzichtet aber auf eine detaillierte Betrachtung der Abläufe und Tätigkeiten bei der Durchführung der derselben (also wie „Articulation Work“ funk- tioniert). Insbesondere ignoriert er den individuellen Aspekt von „Articulation Work“, also jene die kognitiven Phänomene, die durch „Articulation Work“ beeinflusst werden bzw. die die Auslöser für deren Durchführung sind. Strauss ist sich dieser Auslassung 3„Reconciling incommensurate assumptions and procedures in the absence of enforceable standards is the essence of articulation.“(Gerson und Star, 1986, S. 266) 3 1. Einführung bewusst4, und bezeichnet diese kognitiven Vorgänge in späteren Arbeiten (etwa (Strauss, 1993)) als wichtig für das Verständnis der Abläufe bei der Durchführung von „Articula- tion Work“, ohne jedoch näher auf diese einzugehen. Diese Auslassung führt dazu, dass die von Grudin (1988) formulierte Forderung nach einem Verständnis der individuellen Arbeitsweisen bei kooperativer Arbeit bei der ausschließlichen Verwendung des Konzepts der „Articulation Work“ nicht erfüllt werden kann. Dies hat Auswirkungen auf spätere Arbeiten anderer Autoren, die sich der Unterstützung von „Articulation Work“ wid- men (etwa Schmidt und Bannon (1992), Simone et al. (1999) oder Baker und Millerand (2007)). Durch die Fokussierung auf die soziale Dimension von Arbeit im Allgemeinen und „Ar- ticulation Work“ im Besonderen berücksichtigen die vorgeschlagenen Unterstützungsan- sätze ebenfalls vorrangig auf die Unterstützung sozialen (Kommunikations-)Prozesse. Als Konsequenz sind die meisten Ansätze vor allem zur Unterstützung impliziter „Articulati- on Work“ geeignet und berücksichtigen die Möglichkeit des Auftretens „problematischer Interaktionen“ nicht explizit. Deutlich wird dies beispielsweise bei den Arbeiten von (Sa- rini und Simone, 2002a) – die Autoren schlagen ein System vor, dass die Durchführung von „Articulation Work“ in domänenübergreifenden Arbeitssituationen unterstützen soll – ein wesentliches Problem ist den Autoren zufolge hier die Sicherstellung eines gemeinsa- men Begriffsverständnisses. Der Ansatz der Unterstützung im Arbeitsablauf selbst wird detailliert beschrieben. Durch die rechnerbasierte Identifikation und Anzeige analoger Begrifflichkeiten aus den betroffenen Domänen soll der soziale Kommunikationsprozess ermöglicht bzw. erleichtert werden. Der Aspekt der Erhebung der Begrifflichkeiten und deren Zuordnung zueinander – also jener Aspekt, der die einzelnen Individuen und de- ren Wahrnehmung der Domänen involviert – wird nur am Rande und eher oberflächlich behandelt5. Arbeiten, die sich mit dem Vorgang der Abstimmung von Arbeit beschäftigen, oh- ne sich explizit auf Strauss’ Konzept von „Articulation Work“ zu beziehen (wie et- wa (Jørgensen, 2004)), berücksichtigten häufig auch stärker den Aspekt der konkreten Durchführung von „Articulation Work“ und eignen sich durch ihren Fokus auf die dezi- dierte Unterstützung des Abstimmungsprozesses an sich (und nicht nur die Schaffung der dazu notwendigen Rahmenbedingungen) auch für explizite „Articulation Work“. Auch in diesen Fällen erfolgt jedoch die Berücksichtigung der Rolle der beteiligten Individuen und deren Unterstützung nur in Einzelfällen (etwa bei Herrmann et al. (2002)), womit die Forderung von Grudin (1988) wiederum nicht erfüllt werden können. 4„[. . . ] many social scientist pay almost no attention to interior activity: ignoring it, taking it for granted, but leaving it unexamined, or giving it the kind of abstract but not very detailed analysis [. . . ]“(Strauss, 1993, S. 131) 5„For sake of testing the integration we are aiming at, we defined the simplest protocol: all the users involved in the reconciliation process can communicate among themselves to define the correspon- dences, while a single Actor assumes the Role of Manager of the Reconciliation Artifact and is in charge of keeping it updated.“(Sarini und Simone, 2002a, S. 10) 4 1.1. Forschungsfragen Die Unterstützung expliziter „Articulation Work“ ist also ein bislang nur selten ex- plizit adressiertes Themenfeld. Durch die historische Entwicklung des Forschungsgebiets bedingt wurde die Rolle der beteiligten Individuen dabei nur am Rande berücksichtigt (was wiederum zur Fokussierung auf Maßnahmen zu führt, die auf die Unterstützung von sozialen Abstimmungsprozessen im Arbeitsablauf – also impliziter „Articulation Work“ – abzielen). In dieser Arbeit werden deshalb die Möglichkeiten zur Unterstützung explizi- ter „Articulation Work“ durch die Berücksichtigung der Rolle der beteiligten Individuen erfasst und daraus ein konkretes Unterstützungsinstrument entwickelt. Um die tatsäch- liche Unterstützung von „Articulation Work“ nachzuweisen, wird dessen Effektivität im Kontext der „Production Work“ geprüft. Zusammengefasst kann die globale Zielsetzung dieser Arbeit wie folgt beschreiben werden: Globale Zielsetzung In der vorliegenden Arbeit sind die Möglichkeiten zur methodischen Unter- stützung von expliziter Articulation Work unter Berücksichtigung relevanter Theoriebildungen zur Rolle der beteiligten Individuen zu erfassen, auf Ba- sis dieser Erkenntnisse geeignete Methoden auszuwählen, diese in einem Instrument umzusetzen und dessen Effektivität im Kontext der Production Work zu prüfen. 1.1. Forschungsfragen Aus der oben formulierten globalen Zielsetzung müssen zur strukturierten Bearbeitung detaillierte Fragestellungen abgeleitet werden. Die formulierten Forschungsfragen und deren detaillierte Fragestellungen bilden die Ankerpunkte des inhaltlichen Aufbaus dieser Arbeit und werden in allen folgenden Kapiteln referenziert, um den Bezug zur globalen Zielsetzung herzustellen. In Abbildung 1.1 sind die Forschungsfragen und Fragestellun- gen sowie deren Beziehung untereinander nochmals graphisch dargestellt. In der globalen Zielsetzung wird die Unterstützung expliziter „Articulation Work“ ge- fordert. Um diese Forderung zu erfüllen, ist es notwendig, das Konzept der „Articulation Work“ zu untersuchen, um Ansatzpunkte für die exakte Abgrenzung expliziter „Articu- lation Work“, deren Unterstützung sowie der Beurteilung der effektiven Durchführung derselben zu erfassen. Dies ist Gegenstand der ersten Forschungsfrage. 5 1.1. Forschungsfragen Forschungsfrage 1 Wie kann die Durchführung und Wirkung von „Articulation Work“ charak- terisiert werden? Im Rahmen der ersten Forschungsfrage können mehrere voneinander unabhängig zu bearbeitende Fragestellungen identifiziert werden, deren Beantwortung und Verknüpfung letztendlich zur Beantwortung der Forschungsfrage selbst führt. Ein Aspekt der ersten Forschungsfrage ist die Klärung des Begriffs „Articulation Work“ selbst. Oben wurde bereits angedeutet, wie „Articulation Work“ von anderen Teilen eines Arbeitsablaufs abgegrenzt werden kann. Die Beschreibung der Durchführung von „Arti- culation Work“, also der möglichen Tätigkeiten und Rahmenbedingungen, bedarf aber einer detaillierten Betrachtung der existierenden Literatur. Die Wirkung von „Articula- tion Work“ (also: „Woran zeigen sich Konsequenzen der Durchführung von Articulation Work und wie können diese ausgeprägt sein?“) muss ebenfalls Gegenstand der Betrach- tung sein, um Ansatzpunkte zur Beurteilung deren Effektivität identifizieren zu können. Aus diesen beiden Aspekten ergibt sich Fragestellung 1. Fragestellung 1 Was ist „Articulation Work“ und wie wirkt sie im Arbeitsprozess? „Articulation Work“ dient der Beseitigung „problematischer“ Situationen in der „Pro- duction Work“. Die Einschätzung, ob eine Situation „problematisch“ ist und ob die „Pro- bleme“ beseitigt wurden, obliegt jedoch der subjektiven Einschätzung der handelnden Individuen. Auch die Entscheidung zur Durchführung expliziter „Articulation Work“ (aufgrund von implizit nicht auflösbaren wahrgenommenen „Problemen“) obliegt den involvierten Personen. Die Durchführung von „Articulation Work“ ist damit wesentlich von den handelnden Individuen beeinflusst, wird von diesen angestossen und auch wieder beendet. Für die Betrachtung der Möglichkeiten zur Unterstützung von „Articulation Work“ ist es deshalb von Interesse, wie die beteiligten Individuen beurteilen, ob eine Situation „problematisch“ ist und ob dies nach der Durchführung von Tätigkeiten im Rahmen von „Articulation Work“ nicht mehr der Fall ist (und diese deshalb beendet werden kann). Der Aspekt der individuellen Wahrnehmung und Denkprozesse wird von Strauss (1993, S. 131) als wichtig für die Erklärung von „Articulation Work“ bezeichnet, jedoch explizit nicht weiter betrachtet. Zur Beantwortung der Fragestellung 2 ist des- halb die Betrachtung anderer, auf die Wahrnehmungs- und Denkprozesse der beteiligten Individuen eingehender Theorien notwendig. 6 1.1. Forschungsfragen Fragestellung 2 Wie kann die Wahrnehmung von Arbeitsabläufen durch die an diesen beteiligten Individuen erklärt werden? Die Beantwortung der beiden bisher formulierten Fragestellungen ermöglicht eine um- fassende Charakterisierung von „Articulation Work“ sowohl hinsichtlich deren Durch- führung als auch deren Wirkung auf die „Production Work“. Die Beantwortung der Forschungsfrage geht insofern über den aktuellen Stand der Literatur hinaus, als dass sie auch die beteiligten Individuen vor, während und nach der Durchführung von „Ar- ticulation Work“ in die Betrachtung mit einbezieht. Durch die Erweiterung des Be- trachtungsbereichs ergeben sich potentiell neue Ansatzpunkte für die Unterstützung von „Articulation Work“, die in der zweiten Forschungsfrage erfasst werden sollen. Forschungsfrage 2 Wie kann explizite „Articulation Work“ effektiv unterstützt werden? Auch die zweite Forschungsfrage bedarf zur umfassenden Bearbeitung der Untertei- lung in mehrere Fragestellungen, die sich aus der Formulierung der globalen Zielsetzung ergeben. Im Gegensatz zur ersten Forschungsfrage sind die Fragestellung hier nicht un- abhängig voneinander bearbeitbar sondern bauen zum Teil aufeinander auf. Die ersten beiden Fragestellungen beschäftigen sich mit der Unterstützung von „Articulation Work“ und stellen sowohl die methodischen Möglichkeiten als auch die konkrete Umsetzung dar. Die zweiten beiden Fragestellungen fokussieren auf die geforderte „effektive Unterstüt- zung“. Hier wird im ersten Schritt geklärt, woran sich die effektive Unterstützung von „Articulation Work“ zeigt und wie diese beurteilt werden kann. Im zweiten Schritt wird das umgesetzte Instrument in diesem Sinne geprüft. Bei der Betrachtung der Unterstützungsmöglichkeiten für „Articulation Work“ muss zwischen deren impliziter und expliziter Ausprägung unterschieden werden. Implizite „Articulation Work“ ist ein nicht formalisierter Prozess, der von den beteiligten In- dividuen unbewusst durchgeführt wird. Die Unterstützungsmöglichkeiten beschränken sich hier auf die Schaffung der sozialen bzw. technologischen Rahmenbedingungen, die die Durchführung impliziter „Articulation Work“ ermöglichen. Explizite „Articulation Work“ basiert hingegen auf der bewussten Beschäftigung der Individuen mit der „pro- blematischen“ Arbeit. Sie hat das Ziel, einen Zustand herzustellen, in dem implizite „Articulation Work“ (wieder) möglich ist, d.h. in dem die beteiligten Individuen die Situation nicht mehr als zu komplex bzw. „problematisch“ wahrnehmen. Bei der Unter- stützung expliziter „Articulation Work“ ist es deshalb sinnvoll, vor allem auch Methoden 7 1.1. Forschungsfragen zur Unterstützung der Individuen im Prozess der Durchführung von „Articulation Work“ zu erfassen. Fragestellung 3 Welche Methoden können zur Unterstützung von „Articulation Work“ herangezogen werden? Wie oben bereits erwähnt, ist die Unterstützung impliziter „Articulation Work“ ein umfassend erforschtes Gebiet, während kaum Arbeiten zur Unterstützung expliziter „Ar- ticulation Work“ vorhanden sind. Diese Hypothesen werden durch die Beantwortung der Fragestellung 3 verifiziert. Gelingt dies, kann an dieser Stelle auf die Unterstüt- zung expliziter „Articulation Work“ fokussiert werden. Die ermöglicht gleichzeitig eine Fokussierung auf Methoden, die im Sinne der obigen Ausführungen die beteiligten In- dividuen bei der Durchführung von expliziter „Articulation Work“ unterstützen. Diese Methoden sind in der Folge in einem Instrument umzusetzen. Als „Instrument“ wird an dieser Stelle die Gesamtheit aller Maßnahmen zur Unterstützung der Durchführung der Methoden bezeichnet. Die Auswahl der geeigneten Methoden sowie die Umsetzung in einem Instrument sind Gegenstand der Fragestellung 4. Fragestellung 4 Wie kann ein Instrument zur Unterstützung von expliziter „Articula- tion Work“ umgesetzt werden? Die Forderung nach einer effektiven Unterstützung von expliziter „Articulation Work“ bedingt die Festlegung des Effektivitätskriteriums. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen sind einerseits die Durchführung (sowohl deren grundsätzliche Ermögli- chung als auch die Durchführung im Sinne der vorgeschlagenen Methodik) und ande- rerseits die Wirkung der „Articulation Work“ (sowohl auf individueller Ebene als auch auf Ebene der „Production Work“) mögliche Merkmale, die hinsichtlich der Effektivität der Unterstützung beobachtet werden können. Die Festlegung der konkreten Form der Beurteilung hängt von den Ergebnissen der Forschungsfrage 1 ab und wird im Rahmen der Bearbeitung von Fragestellung 5 beantwortet. Fragestellung 5 Wie kann die Effektivität der Unterstützung von expliziter „Articula- tion Work“ beurteilt werden? Die Beurteilung des umgesetzten Instruments anhand des Kriteriums der effektiven Unterstützung von „Articulation Work“ bildet den letzten Schritt in der Bearbeitung der Forschungsfrage 2. Die Beantwortung der Forschungsfrage ist nur dann möglich, wenn das aus der Theorie abgeleitete Instrument tatsächlich eine Möglichkeit zur effektiven Unterstützung von „Articulation Work“ darstellt. Zur Bearbeitung dieser Fragestellung müssen sowohl die Fragestellung 4 als auch die Fragestellung 5 abgeschlossen sein. Fragestellung 6 Ermöglicht das Instrument die effektive Durchführung von expliziter „Articulation Work“? 8 1.1. Forschungsfragen Die Beantwortung der Forschungsfrage 2 erfolgt durch die Darstellung eines möglichen Instruments für die Unterstützung expliziter „Articulation Work“. Kann die Effektivität der Unterstützung durch dieses Instruments bestätigt werden, so kann bei Beantwortung aller vorangegangener Fragestellungen auch die globale Zielsetzung als erfüllt angesehen werden. Die Zusammenhänge zwischen der globalen Zielsetzung, den Forschungsfragen und den einzelnen Fragestellungen sind in Abbildung 1.1 nochmals graphisch zusammengefasst. Abbildung 1.1.: Forschungsfragen und Fragestellungen 9 1.2. Aufbau der Arbeit Diese Fragestellungen müssen im Rahmen der Durchführung dieser Arbeit beantwortet werden. Dazu wird in der Zusammenfassung jedes Kapitels auf diese Fragen referenziert und der jeweilige Beitrag zu deren Beantwortung identifiziert. In den Schlussbetrach- tungen in Kapitel 15 ist die globale Zielsetzung schließlich wieder aufzugreifen und einer abschließenden Bewertung hinsichtlich ihrer Erfüllung zu unterziehen. 1.2. Aufbau der Arbeit In diesem Abschnitt wird die Struktur der Arbeit auf globaler Ebene dargestellt. Zusätz- lich wird der inhaltliche Aufbau der einzelnen Kapitel zueinander in Beziehung gesetzt und so der rote Faden durch die Arbeit transparent gemacht. Die hier vorgestellte Struktur ist auszugsweise auch am Beginn jedes Kapitels beschrie- ben und graphisch dargestellt, um die Einordnung der Kapitel in den Gesamtzusammen- hang der Arbeit zu erleichtern. 1.2.1. Überblick Die Arbeit gliedert sich inhaltlich in drei große Teile, die durch das Einleitungs- und Schlusskapitel eingerahmt werden. Teil I behandelt die der Unterstützung von „Articulation Work“ zugrunde liegenden Forschungsgebiete und erfasst die in diesen vorgeschlagenen konkreten Maßnahmen und Methoden zur Unterstützung. Der Teil deckt damit die Beantwortung der ersten oben formulierten Forschungsfrage ab und trägt durch die Betrachtung des methodischen Teils der Unterstützung bereits zur Beantwortung der Forschungsfrage 2 bei. Im Einzelnen umfasst Teil I ein Kapitel über „Articulation Work“ (Fragestellung 1, Kapitel 2) und ein Kapitel über „Mentale Modelle“ (Fragestellung 2, Kapitel 3). Teil I endet mit einem Kapitel über Methodik der Anwendungsszenarien, in dem beschrieben wird, wie mentale Modelle für die Verwendung für „Articulation Work“ externalisiert und abgestimmt wer- den können und trägt damit bereits zur Forschungsfrage 2 bei (Fragestellung 3, Kapitel 4). Teil II behandelt die Umsetzung des Werkzeugs selbst. Er trägt damit wesentlich zur Beantwortung der zweiten oben formulierten Forschungsfrage bei, indem er das bislang auf methodischer Ebene beschriebene Unterstützungsinstrument technisch vervollstän- digt. Das erste Kapitel greift die Ergebnisse des ersten Teils auf und leitet daraus die Anforderungen an das Werkzeug ab (Teil der Beantwortung der Fragestellung 4, Kapitel 5). In Kapitel 6 werden die konzeptuellen Grundlagen für die Implementierung aus dem Kontext von Tangible Interfaces heraus aufgearbeitet. Die Kapitel 7, 8 und 9 beschreiben nacheinander die technische Umsetzung des Werkzeugs – beginnend von den Eingabe- 10 1.2. Aufbau der Arbeit kanälen über die Ausgabekanäle bis zu Persistierung der Modelle. Sie beantworten also die Fragestellung 4. Teil III behandelt die Evaluierung des Werkzeugs. Er deckt damit im Wesentlichen den zweiten Teil der zweiten Forschungfrage ab, klärt das Konzept der „effektiven Un- terstützung von Articulation Work“ und prüft diese für das entwickelt Instument. Da- bei beginnt Kapitel 10 mit einer konzeptuellen Betrachtung des umgesetzten Systems (also einer theoretischen Einordnung des Werkzeugs auf Basis der Ergebnisse von Ka- pitel 6, den konzeptuellen Grundlagen der Implementierung). In Kapitel 11 werden die grundsätzliche Ausrichtung der empirischen Untersuchung und die durchgeführten Eva- luierungen beschrieben. Die Kapitel 12, 13 und 14 beschäftigen sich mit der Ableitung der Hypothesen und deren Prüfung auf den unterschiedlichen Untersuchungsebenen der Arbeit. Dies beginnt mit der Prüfung der grundsätzlichen Verwendbarkeit des Systems (Kapitel 12), setzt mit der Prüfung der Eignung für die Externalisierung mentaler Mo- delle fort (Kapitel 13) und endet mit der Prüfung der Eignung für „Articulation Work“ selbst (Kapitel 14). In der Zusammenfassung jedes Kapitels wird auf die betroffenen Fragestellung refe- renziert und der jeweilige Beitrag zur Erreichung der globalen Zielsetzung identifiziert. Der Schlussteil (Kapitel 15) fasst die Ergebnisse der Arbeit nochmals zusammen und spiegelt diese in ihrer Gesamtheit auf die ursprüngliche Zielsetzung zurück. Die Gesamtstruktur dieser Arbeit ist in Abbildung 1.2 nochmals zusammenfassend dargestellt. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Kapiteln sind als Pfeile zwischen den einzelnen Blöcken dargestellt, wobei jeweils der Endpunkt Ergebnisse des Startpunktes als Grundlage für die weiteren Ausführungen verwendet. Anhang A ist als Ergänzung zu Kapitel 2 (Articulation Work) zu sehen und stellt die gesamte zu diesem Gebiet erschienene Literatur strukturiert dar. Anhang B ergänzt die Evaluierungskapitel in Teil III durch eine Zusammenfassung der im Rahmen der Untersuchung erhobenen Daten. 1.2.2. Zusammenfassung der Zusammenhänge Dieser Abschnitt stellt die wesentlichen inhaltlichen Zusammenhänge der Arbeit dar und vermittelt so ein erstes Bild des roten Fadens durch die Arbeit. Er ergänzt somit die im letzten Abschnitt dargestellte Struktur der Arbeit um eine detaillierte inhaltliche Sicht und fasst das Vorgehen bei der Bearbeitung der in Abschnitt 1.1 formulierten Forschungsfragen zusammen. Kapitel 2 beginnt mit einer generellen Begriffsbestimmung zum Themenfeld „Articu- lation Work“. Diese bildet die Grundlage für den nächsten Abschnitt, in dem auf Basis der Literatur geklärt wird, wie sich „Articulation Work“ manifestiert und in welchen 11 1.2. Aufbau der Arbeit Abbildung 1.2.: Zusammenhänge zwischen den Kapiteln der Arbeit 12 1.2. Aufbau der Arbeit unterschiedlichen Ausprägungen sie das tut. Das Ergebnis ist in Abbildung 2.3 zusam- mengefasst und spannt die in dieser Arbeit verwendete Taxonomie auf. In den beiden folgenden Abschnitten wird auf Basis der Literatur dargestellt, was (welche Arbeitsas- pekte) Gegenstand von „Articulation Work“ ist und wie „Articulation Work“ unterstützt werden kann (siehe dazu auch Anhang A für eine Gesamtübersicht über die zu „Articula- tion Work“ verfügbare Literatur). Schließlich greift der letzte Abschnitt die Ergebnisse der Literaturstudien wieder auf und identifiziert eine konzeptuelle Lücke bei der Be- trachtung von kooperativer Arbeit anhand der Theorie von Strauss, die auch schon im Rahmen der Einleitung identifiziert wurde – nämlich die bislang vernachlässigte Rolle des Individuums bei „Articulation Work“ und dessen konkrete Tätigkeiten. Zu diesem Aspekt existieren wenige Aussagen in der Literatur zu „Articulation Work“, Strauss (1993) selbst weist jedoch darauf hin, dass eine konzeptuelle Lücke entsteht, wenn auf die sozialen und organisationalen Aspekte von „Articulation Work“ fokussiert wird, die individuellen „thought processes“ aber außer Acht gelassen werden. In Kapitel 3 wird die identifizierte Lücke aufgegriffen und konzeptuell mit dem Er- klärungsmodell der mentalen Modelle (Johnson-Laird, 1981) hinterlegt. Im Kontext von „Articulation Work“ sind mentale Modelle jener Beitrag, den jedes beteiligte Individu- um einbringt und der in der Folge Gegenstand der Abstimmung und Aushandlung sein muss, um eine gemeinsame Sichtweise zu entwickeln und „contingencies“ aufzulösen (was letztendlich das Ziel von „Articulation Work“ ist (Gerson und Star, 1986)). Dementspre- chend beschäftigt sich der nächste Abschnitt mit der Bildung und Veränderung mentaler Modelle, wobei als wesentliches Hilfsmittel dazu die Externalisierung derselben identi- fiziert wird (Seel, 1991). Zur Externalisierung werden drei in der Literatur genannte Ansätze vorgestellt (Ifenthaler, 2006). Diesen sind Strukturlegetechniken (Dann, 1992) sowie Concept Mapping (Novak und Cañas, 2006) zuzurechnen, die in der Folge durch ihre kooperative Anwendbarkeit als die für „Articulation Work“ am besten geeigneten Ansätze identifiziert werden (vor allem Strukturlegetechniken unterstützen inhärent den Abstimmungsprozess von mentalen Modellen (Groeben und Scheele, 2000)). Dies führt zu Kapitel 4, in dem auf Basis der beiden Ansätze die Methoden zur Exter- nalisierung von mentalen Modellen beschrieben werde. Diese werden den Eigenschaften von „Articulation Work“ gegenüber gestellt und daraus ein Vorgehen abgeleitet, dass Strukturlegetechniken und Concept Mapping in einer Methodik zusammenführt. Diese Methodik soll möglichst offen (im Sinne von prozedural und inhaltlich flexibel) die Exter- nalisierung und Abstimmung mentaler Modelle ermöglichen. Der zweite Teil des Kapitels stellt mögliche Anwendungsszenarien vor, die im Kontext von „Articulation Work“ auf- treten können. Diese Anwendungsszenarien schlagen die Brücke zu den Anwendungen im Rahmen der Evaluierung (siehe Kapitel 11), da diese den einzelnen Evaluierungsteilen zugeordnet werden können. Das Methodik-Kapitel leitet in Teil II der Arbeit über, wo die konkrete Unterstützung von „Articulation Work“ durch ein Werkzeug besprochen wird. Als Ausgangspunkt für das Kapitel 5 wird auf Teil I und dort speziell auf das Kapitel zur Methodik zurückge- 13 1.2. Aufbau der Arbeit griffen und aus den dortigen Ergebnissen Anforderungen an ein Werkzeug abgeleitet, das die vorgeschlagene Vorgehensweise unterstützt. Konzeptuell ist hier zwischen Anforde- rungen zu unterscheiden, die aus der Concept Mapping Methodik stammen (im Wesent- lichen „Flexibilität der Repräsentation“), Anforderungen, die von Strukturlegetechniken abzuleiten sind (im Wesentlichen „Physikalität der Repräsentation“) und jenen, die di- rekt aus „Articulation Work“ abgeleitet werden können (im Wesentlichen „Kooperative Bedienbarkeit“). Die Festlegung dieser Anforderungen ist die Grundlage der konkreten Umsetzung des Werkzeugs. Kapitel 5 endet mit der Feststellung, dass aufgrund der Anforderungen aus allen drei Bereichen ein „Tangible Tabletop Interface“ geeignet ist, entsprechende Werk- zeugunterstützung zu liefern. „Tangible“ motiviert sich dabei aus der in Strukturlege- techniken geforderten Physikalität der Abbildung, „Tabletop“ aus der unmittelbaren kooperativen Bearbeitbarkeit, die durch „Articulation Work“ selbst gefordert wird und „Interface“ (in diesem Kontext ist darunter die Rechnerunterstützung zu verstehen) durch die im Rahmen von Concept Mapping vorgeschlagenen Maßnahmen zur Model- lierungsunterstützung, die nur durch Funktionen im Rechner realisiert werden können. Vor der konkreten Umsetzung geht das folgende Kapitel (Kapitel 6) detailliert auf die Thematik der „Tangible Tabletop Interfaces“ ein. Neben einem historischen Über- blick schlägt Abschnitt 6.2 ausgehend von der eher technologiezentrierten Sichtweise der „Tangible Interface“-Forschung die Brücke zurück zu den mentalen Modellen und Lern- prozessen, die in Kapitel 3 („Mentale Modelle“) besprochen wurden. Einige der genann- ten Aspekte lassen sich auch auf die Anforderungen von „Articulation Work“ abbilden, was im zweiten Teil dieses Abschnitts beschrieben wird. Als zweiten Brückenschlags in den Grundlagenteil wird die Forschung zu den Auswirkungen von „Tangible Interfaces“ auf die Kooperation der Anwender betrachtet – ein Bereich der unmittelbar für „Articu- lation Work“ selbst relevant ist und damit die Brücke zurück zu Kapitel 2 schlägt. Mit diesen beiden Abschnitten (6.2 und 6.3) wird nochmals (aus „technischer“ Sicht) be- gründet, das „Tangible Interfaces“ für den geplanten Anwendungsbereich (kooperative Externalisierung und Abstimmung mentaler Modelle) geeignet sind. Der zweite Teil von Kapitel 6 (ab Abschnitt 6.4) beschäftigt sich mit Ansätzen, „Tan- gible Interfaces“ konzeptuell zu betrachten. Dazu wird die existierende Literatur um- fassend aufgearbeitet und strukturiert dargestellt. Dieser Teil wird in Kapitel 10 wieder aufgegriffen und zur Einordnung des entwickelten Systems in den Designraum der „Tan- gible Interface“-Forschung verwendet. Auch in den Kapiteln 7 und 8, die die konkrete Umsetzung des Werkzeugs beschreiben, wird auf einzelne dieser konzeptuellen Erklä- rungsmodelle zurückgegriffen, die explizit für die Unterstützung der Konzeption von Tangible Interfaces entwickelt wurden. Teil 3 von Kapitel 6 wird wieder konkreter und engt den Betrachtungsbereich von „Tangible Interfaces“ auf „Tabletop Interfaces“ ein, um letztendlich auf „Tabletop In- terfaces zur Erstellung diagrammatischer Modelle“ zu fokussieren, was im Wesentlichen 14 1.2. Aufbau der Arbeit die unmittelbare „Related Work“ zu der vorliegenden Arbeit aus technischer Sicht dar- stellt. Auch dazu wird jeweils die verfügbare Literatur (aus historischer Sicht sowie den „State of the Art“) aufgearbeitet. Nach diesem umfassenden Überblickskapitel behandeln die Folgekapitel die konkrete technische Umsetzung des Werkzeugs. Das Werkzeug wurde dazu konzeptuell in drei Blöcke unterteilt. Kapitel 7 beschäftigt sich mit der Eingabe von Information über das „Tabletop Interface“ und der Aufbereitung und Interpretation der Eingabedaten für den spezifischen Anwendungsfall (also der „Modellierung“). Dabei erfolgt die Beschreibung vom Allgemeinen ins Spezielle und beginnt mit der Darstellung der grundlegenden Mög- lichkeiten, auf einem „Tabletop Interface“ Benutzereingaben zu ermöglichen. Auf Basis der Anforderungen aus Kapitel 5 wird eine Technologieentscheidung getroffen (optische Erkennung der Bausteine). Dazu werden in der Folge die in diesem Bereich verfügbaren Softwareframeworks dargestellt und wiederum strukturiert gegenübergestellt. Die folgen- de Framework-Entscheidung für das ReacTIVision-System (Kaltenbrunner und Bencina, 2007) ermöglicht die Festlegung des konkrete Hard- und Softwaredesign für die Erken- nung von Benutzereingaben. In den folgenden Abschnitten wird die Implementierung beginnend von der Benutzungsschnittstelle (in diesem Fall Hardware) hin zur Richtung Software zur Erkennung und Interpretation der Benutzereingaben dargestellt. Nach der Beschreibung der Hardware in Abschnitt 7.2 wird in Abschnitt 7.3 die Interaktion der Benutzer mit dem Werkzeug beschrieben. Damit kommt die Anwendungssicht (also die „Modellierung“) ins Spiel, die benötigt wird, um die Interpretation der Eingabedaten zu beschreiben. Dies erfolgt in Abschnitt 7.4. Das Kapitel endet an jenem Punkt, wo auch in der Software eine Schnittstelle zur Entkopplung und Modularisierung eingeführt wurde – bei der Übergabe der interpretierten und auf Modellierungsaktivitäten abstrahierten Eingabedaten an die weiterverarbeitenden Schichten (siehe Abbildung 7.19). Kapitel 8 widmet sich der Ausgabe und ist analog zu Kapitel 7 aufgebaut. Beginnend von den grundsätzlichen Möglichkeiten zur Ausgabe immer weiter fokussiert, bis die kon- kreten Umsetzung der Informationsausgabe mittels dem JHotDraw-Framework (Gamma und Eggenschwiler, 1996) dargestellt werden kann. Wo in Kapitel 7 durch Beschreibung der Benutzerinteraktionen auf den konkreten Anwendungsfall der Technologie fokussiert wurde, wird hier zum gleichen Zweck die Beschreibung und Zuordnung der auszuge- benden Information in Abschnitt 8.3 beschrieben und die Unterscheidung getroffen, ob die Ausgabe direkt auf der Tischoberfläche oder disloziert auf einer separaten Darstel- lungsfläche zu passieren hat. Die Feststellung, dass mehrere Ausgabekanäle benötigt werden, um die auszugebende Information darstellen zu können, führt zum konkreten Softwaredesign in Abschnitt 8.4. Dieses ist durch den Einsatz eines Dispatchers modular aufgebaut und erweiterbar angelegt (siehe Abbildung 8.3 bzw. Abbildung 8.11). In Kapitel 9 wird die Persistierung der erstellten Modelle und der gewonnenen Me- tainformation besprochen. Dazu identifiziert der einleitende Abschnitt auf Basis der Not- wendigkeit einer flexiblen Repräsentationsform „Topic Maps“ (ISO JTC1/SC34/WG3, 2008) als ein geeignetes Mittel für die Abbildung. In der Folge wird wieder auf den 15 1.2. Aufbau der Arbeit konkreten Anwendungsfall eingegangen. Nach der Beschreibung von „Topic Maps“ wird die Abbildung der erstellten Modelle auf „Topic Maps“ und letztendlich die konkrete Implementierung der Persistierung dargestellt. Abschnitt 9.4 stellt die unterschiedlichen Möglichkeiten zum graphischen Export der Modelle dar, der für die unmittelbare Do- kumentation des Modellierungsprozesses und -ergebnisses notwendig ist. Dieses Kapitel schließt Teil II der Arbeit ab. In Teil III wird die Evaluierung des Werkzeugs behandelt. Dies beginnt mit der kon- zeptuellen Einordnung des erstellten Werkzeugs. Dazu werden sämtliche Ansätze zur Konzeptualisierung von Tangible Interfaces aus Abschnitt 6.4 herangezogen und das Werkzeug in seiner aktuellen Implementierung in diese eingeordnet. Das Ziel ist da- bei einerseits, das Werkzeug in die bisherige Forschung einzuordnen, andererseits aber auch etwaiges Verbesserungspotential zu identifizieren, das etwa durch Inkonsistenzen der Ausprägungen innerhalb der jeweiligen Betrachtungsdimensionen aufgedeckt wer- den kann. Während die Einordnung in allen 12 betrachteten Ansätzen möglich ist, kann Verbesserungspotential nur in 7 Ansätzen identifiziert werden. In der Zusammenfassung des Kapitels wird einerseits die Eignung eines Ansatzes zur Einordnung des vorliegen- den Systems und der ggf. entstehenden Mehrwert besprochen. Andererseits wird das Verbesserungspotential aufgezeigt, das sich aus der rein konzeptuellen Betrachtung des Systems ableiten lässt. Im Rahmen der empirischen Untersuchung in den folgenden Ka- piteln werden diese Punkte aufgegriffen und hinsichtlich ihrer tatsächlich in der Praxis aufgetretenen Relevanz betrachtet. Die Kapitel 11 bis 14 beschreiben die empirische Untersuchung. Kapitel 11 ist dabei wiederum als Übersichtskapitel konzipiert. Dort werden die zu untersuchenden Aspekte aus der Zielsetzung abgeleitet und die Einteilung in die Kapitel 12 bis 14 argumen- tiert. Untersuchungen werden auf Ebene des Werkzeugs (Benutzbarkeit), der „Mentalen Modelle“ (Eignung des Werkzeugs zur Externalisierung) sowie von „Articulation Work“ selbst (Unterstützung des Aushandlungsprozesses) durchgeführt. Für jeden dieser Blöcke wird eingeführt, auf Basis welcher Literatur die Untersuchung angelegt werden kann. In der darauf folgenden Beschreibung des globalen Untersuchungsdesigns werden alle durch- geführten Untersuchungen vorgestellt. Diese Vorstellung umfasst den Anwendungskon- text, die Aufgabenstellung sowie die Beschreibung der Teilnehmer bzw. deren Hinter- grund. Die Zuordnung zwischen den Untersuchungen und den untersuchten Aspekten erfolgt im Rahmen der Vorstellung der jeweiligen Untersuchung und zusammengefasst nochmals im letzen Abschnitt des Kapitels. Nach der Vorstellung der Untersuchungen werden die eingesetzten empirischen und statistischen Methoden beschrieben, auf die in den Kapiteln 12 bis 14 nur noch namentlich verwiesen wird. Die Kapitel 12 bis 14 widmen sich der Prüfung der drei identifizierten Untersuchungs- ebenen. Alle drei Kapitel sind identisch aufgebaut. Im jeweils ersten Abschnitt werden die zu prüfenden Hypothesen abgeleitet. Diese Ableitung erfolgt aus der Zielsetzung, hinterlegt mit den konzeptuellen Grundlagen der Arbeit aus Teil I. Zusätzlich werden explorativ gebildete Hypothesen formuliert, die nicht unmittelbar aus der Zielsetzung ab- 16 1.2. Aufbau der Arbeit leitbar sind, die aber Auffälligkeiten abbilden, die im Rahmen der ersten, explorativen Untersuchungen des Werkzeugs offensichtlich wurden und die an dieser Stelle nochmals dezidiert geprüft werden sollen, um die Vermutungen zu bestätigen oder diese widerlegen zu können. Im auf die Formulierung der Hypothesen folgenden Abschnitt über Untersu- chungsdesign und Durchführung werden einerseits die Hypothesen operationalisiert (d.h. deren konkrete Prüfung vorgestellt und argumentiert) und in der Folge die Durchführung der Untersuchungen beschrieben. An dieser Stelle wird auf die im vorhergehenden Kapi- tel vorgestellten Untersuchungen zurückgegriffen und der jeweils relevante Teil im Detail beschrieben. Der dritte Abschnitt jedes Kapitels präsentiert die Ergebnisse der Untersu- chung. Für jede Hypothese wird die Auswertung durchgeführt, das Ergebnis diskutiert und in einem separaten Unterabschnitt nochmals zusammengefasst. Die Beschreibung der Auswertung umfasst dabei sowohl quantitative Daten (z.T. graphisch aufbereitet) als auch qualitative Ergebnisse, die meist in der Form von Transkripten von Auszügen aus Modellierungsprozessen eingefügt werden. In den Schlussbetrachtungen in Kapitel 15 werden die Ergebnisse der Evaluierung zu- sammengefasst und auf Anforderungen an das Werkzeug sowie die globale Zielsetzung rückgespiegelt. Aufbauend darauf werden weitere Entwicklungsmöglichkeiten des Werk- zeugs aufgezeigt und weiterführende Anwendungsszenarien beschrieben. Eine Reflexion des gesamten Entstehungsprozesses schließt diese Arbeit ab. Abbildung 1.3 stellt die Bezüge zwischen den Kapitel und den zu bearbeitenden Fra- gestellungen nochmals graphisch dar. Die hier abgebildeten Bezüge werden auch in den Zusammenfassungen der jeweiligen Kapitel beschrieben und inhaltlich argumentiert. 17 1.2. Aufbau der Arbeit Abbildung 1.3.: Zusammenhang zwischen Zielsetzung und Struktur der Arbeit 18 Teil I. Methoden zur Unterstützung der Abstimmung kooperativer Arbeit 19 Methodik zur Unterstützung der Abstimmung kooperativer Arbeit Einleitung In diesem Teil werden die Möglichkeiten zur methodischen Unterstützung der Durch- führung von „Articulation Work“ umfassend erhoben und dargestellt. Dazu werden die Grundlagen der relevanten Forschungsgebiete aufgearbeitet und deren möglicher Beitrag zur Konzeption eines Unterstützungsinstruments identifiziert. Dies beantwortet die erste in Kapitel 1 formulierte Forschungsfrage („Wie kann die Durchführung und Wirkung von Articulation Work charakterisiert werden?“). Bei der Betrachtung dieser Forschungsge- biete liegt der Fokus in diesem Teil auf in der Literatur vorgeschlagenen Maßnahmen zur Unterstützung von „Articulation Work“, wodurch durch die Erfassung der metho- dischen Alternativen bereits hier ein Beitrag zur Beantwortung der zweiten Forschungs- frage („Wie kann explizite Articulation Work effektiv unterstützt werden?“) geleistet wird. Wie bereits in Kapitel 1 beschrieben, baut diese Arbeit auf dem Konzept „Articu- lation Work“ auf. „Articulation Work“ ist ein Erklärungsmodell für jenen Anteil an (vornehmlich kooperativer) Arbeit, in dem die Tätigkeiten zur eigentlichen Zielerrei- chung abgestimmt werden und etwaig auftretende Probleme aufgelöst werden, so dass die „produktive Arbeit“, die der Zielerreichung dient, wieder aufgenommen werden kann. Die Durchführung von „Articulation Work“ ist ein alltäglicher Vorgang in jedem Arbeits- prozess und wird zumeist unbewusst und ungeplant durchgeführt. In bestimmten, als besonders „problematisch“ wahrgenommenen Situationen ist die implizite Durchführung jedoch nicht möglich, es ist notwendig, sich explizit mit der Abstimmung der problema- tischen Situation zu beschäftigen. Im Rahmen der Aufarbeitung der Grundlagen dieser Arbeit ist es notwendig, jene Situationen zu identifizieren, die zur Notwendigkeit von „expliziter Articulation Work“ führen können, deren konkrete Ausgestaltung zu unter- suchen und die in der Literatur vorgeschlagenen Möglichkeiten zur Unterstützung von „Articulation Work“ aufzuarbeiten. Auf Basis dieser Ergebnisse kann letztendlich iden- tifiziert werden, welche Aspekte bei der Unterstützung „expliziter Articulation Work“ als wichtig zu erachten sind. Ein Aspekt, auf die Theorie von „Articulation Work“ nicht eingeht, ist die Rolle und Aktivität der an der Durchführung der „Articulation Work“ beteiligten Individuen (Strauss, 1993). Aus individueller Sicht ist die Durchführung von „ArticulationWork“ ein Mittel, die jeweiligen kognitiven Erklärungsmodelle für die Durchführung der Arbeit (die „mentalen Modelle“) so aufeinander abzustimmen bzw. zu ergänzen, dass eine gemeinsa- me Sichtweise auf die durchzuführenden Aktivitäten und zu beachtenden Schnittstellen erreicht wird. Für die Unterstützung von „Articulation Work“ bedeutet dies, dass das Forschungsgebiet der „mentalen Modelle“ und vor allem deren Veränderung hinsichtlich möglicher methodischer Ansätze untersucht werden muss. Wesentlich bei der Veränderung mentaler Modelle ist in kooperativen Arbeitssituatio- nen die Externalisierung der mentalen Modelle (Seel, 1991). Die Externalisierung (als 20 Methodik zur Unterstützung der Abstimmung kooperativer Arbeit Prozess und Ergebnis) ermöglicht die Reflexion der eigenen Sichtweise auf die reale Welt und die dortigen Handlungsalternativen als auch deren Kommunizierbarkeit. Im Sin- ne der Unterstützung von „Articulation Work“ ist von Interesse, welche Methoden zur Externalisierung vorgeschlagen werden und welche sich besonders für den Einsatz in kooperativen Situationen eignen. Aus diesen Methoden ist in der Folge eine für die Un- terstützung von „Articulation Work“ geeignete Variante auszuwählen bzw. abzuleiten. Diese bildet in der Folge zusammen mit einer zu entwickelnden technischer Werkzeugun- terstützung ein Instrument, dass eine effektive Unterstützung von „Articulation Work“ ermöglicht. Kapitel 2 arbeitet die Grundlagen des Themengebiets „Articulation Work“ auf und geht auf die Konzeptbildung in diesem Bereich, die unterschiedlichen Ausprägungen und die Möglichkeiten der Unterstützung ein. In Kapitel 3 wird die individuelle Dimension der Durchführung von „Articulation Work“ betrachtet und mit dem Konzept der „men- talen Modelle“ ein Erklärungsansatz für die in diesem Zusammenhang ablaufenden bzw. durchzuführenden Prozesse beschrieben. Die Beschreibung der Methoden zur Externali- sierung mentaler Modelle leitet schließlich über zu Kapitel 4, in dem eine Methodik zur Unterstützung der Durchführung von „Articulation Work“ abgeleitet und beschrieben wird. Diese Methodik bildet die Grundlage für die in Kapitel 5 abgeleiteten Anforde- rungen an ein Werkzeug zur Unterstützung derselben. Die Abbildung der Methodik in konkreten Anwendungsszenarien, die unterschiedliche Kontext der Durchführung von „Articulation Work“ abdecken, bildet wiederum die Grundlage für das in Kapitel 11 beschriebenen Design der im Rahmen der empirischen Untersuchung durchgeführten Anwendungen des entwickelten Werkzeugs. 21 2. Articulation Work In diesem Kapitel wird das Konzept „Articulation Work“ dargestellt und in den Kon- text von menschlicher Arbeit gestellt. Der erste Teil geht auf die historische Entwicklung des Begriffs „Articulation Work“ und die unterschiedlichen Herangehensweisen zu des- sen Verständnis ein. Der zweite Teil des Kapitels widmet sich den Aktivitäten, die im Rahmen von „Articulation Work“ durchgeführt werden, den Merkmalen, an denen sich effektive „Articulation Work“ zeigt, sowie den Möglichkeiten der Unterstützung von „Articulation Work“ durch organisationale und technische Maßnahmen. Abbildung 2.1 stellt dieses Kapitel und dessen Aufbau im Kontext der anderen inhaltlich vor- und nachgelagerten Kapitel dar. Abbildung 2.1.: Kapitel „Articulation Work“ im Gesamtzusammenhang 2.1. Begriffsbestimmung Das Konzept „Articulation Work“ wurde als Erklärungsmodell für eine bestimmte Art von menschlicher Arbeit Mitte der 1980er Jahre von Strauss (1985) eingeführt. Neben 22 2.1. Begriffsbestimmung Strauss (1985) tragen auch die Arbeiten von Gerson und Star (1986) und Fujimura (1987) wesentlich zur Begriffsbestimmung und Konzeptbildung bei. Die vorhandene Li- teratur, die Bezug auf „Articulation Work“ nimmt (siehe Anhang A), referenziert im Wesentlichen auf eine oder mehrere dieser drei Arbeiten. Der Kontext, in dem die Ent- wicklung der im Folgenden vorgestellten Konzepte erfolgte, war die komplexe, von viel Interaktion an zahlreichen Schnittstellen geprägte Arbeit in Krankenhäusern (Strauss, 1985), in der Wissenschaft (Fujimura, 1987) und in Versicherungsunternehmen (Gerson und Star, 1986), die die jeweiligen Autoren in mehreren Fallstudien untersuchten. Um in der Folge einen einheitlichen Begriffsraum aufspannen zu können, ist vorab der Begriff „Arbeit“ zu klären. Die eben genannten Autoren führen keine explizite Definition an, weshalb hier auf eine Definition zurückgegriffen wird, die im Kontext der folgenden Ausführungen zur „inneren“ Struktur von Arbeit nach „außen“ hinreichend umfassend ist1. Semmer und Udris (2004) definieren vor dem Hintergrund der Organisationspsy- chologie „Arbeit“ wie folgt: „Arbeit ist zielgerichtete menschliche Tätigkeit zum Zwecke der Transformation und Aneignung der Umwelt aufgrund selbst- oder fremddefinierter Aufgaben, mit gesellschaft- licher, materieller oder ideeller Bewertung, zur Realisierung oder Weiterentwicklung in- dividueller oder kollektiver Bedürfnisse, Ansprüche und Kompetenzen.“ Arbeit ist also ein menschliches Phänomen, Träger von Arbeit sind immer Menschen. Arbeit definiert sich außerdem durch ihre Zielgerichtetheit und findet immer in Inter- aktion mit der Umwelt statt. Die Ziele, auf die Arbeit ausgerichtet ist, leiten sich aus Aufgaben ab, die sich Menschen selbst setzten können oder die ihnen vorgegeben werden. Diese Aufgaben dienen der Erreichung von individuellen oder kollektiven Bedürfnissen und Ansprüchen bzw. der (Weiter-)Entwicklung von Kompetenzen. Die Bewertung der Zielerreichung muss nicht unbedingt aus materieller Perspektive erfolgen sondern kann auch ideell oder gesellschaftlich begründet sein. In dieser Arbeit wird der Begriff „Arbeit“ vor allem auch im organisationalen Kontext gesehen. Ein wesentlicher Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Arbeitsteilung, also die koordinierte Tätigkeit mehrerer Individuen um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Dies stellt die obige Definition nicht in Frage (Schmidt, 1994), erweitert jedoch den Betrachtungsbereich explizit auch auf Arbeit, die gemeinschaftlich durchgeführt wird2. „Articulation Work“ ist jener Anteil der gesamten durchgeführten Arbeit, der der Abstimmung mit anderen Individuen dient. Diese Abstimmung ist notwendig, um das eigentliche Arbeitsziel erreichen zu können. Arbeit wird von den oben angeführten Au- toren als inhärent kooperativer Prozess gesehen, der immer auf Interaktion mit anderen 1Auf eine umfassende Literaturstudie und die Entwicklung eines darauf aufbauenden „Arbeits“-Begriffs wurde hier verzichtet, da dies über den Betrachtungsbereich und Anspruch dieser Arbeit hinausgeht 2„[. . . ] work is an individual phenomenon in so far as labor power happens to be tied to individuals and cannot be separated from the individuals. That is, a cooperative work process, is performed by individuals with individual interests and motives.“(Schmidt, 1994, S. 353) 23 2.1. Begriffsbestimmung Menschen basiert bzw. diese bedingt (Strauss formuliert diese Annahme in Bezugnahme auf Hughes (1971) prägnant mit der Aussage „work rests ultimately on interaction“). Diese Annahme ist insofern zulässig, als dass selbst Arbeitsabläufe, die selbst keine Kooperation mit anderen Menschen mit sich bringen, zumindest auf den Ergebnissen anderer Arbeitsabläufe aufbauen oder als Grundlage weiterer Arbeitsabläufe dienen. Interaktion tritt also in jedem Arbeitsprozess zumindest zu Beginn und am Ende in un- mittelbarer oder mittelbarer3 Form auf. Diese Annahme wird auch von Schmidt (1994) unterstützt, der darauf hinweist, dass individuelle Arbeit und kooperative Arbeit oft nicht klar abgrenzbar sind bzw. dynamisch ineinander übergehen4. Jener Teil von Arbeit, der der eigentlichen Zielerreichung dient, wird im hier vorgestell- ten Erklärungsmodell als „Production Work“ bezeichnet (Fujimura, 1987). „Production Work“ ist komplementär zu „Articulation Work“ zu sehen und umfasst alle Aktivitäten, die der „Wertschöpfung“ im wörtlichen Sinn dienen. „Production Work“ sind also alle Tätigkeiten, die mit der Schaffung jener Werte (oder Ergebnisse) befasst sind, die durch den Arbeitsablauf erreicht werden sollen. Abbildung 2.2.: Konzeptualisierung von Arbeitsabläufen Teile eines Arbeitsablaufs dienen also der Zielerreichung an sich („Production Work“). Andere Teile dienen der Abstimmung zwischen den involvierten Akteuren, um ein ge- meinsames Verständnis über die jeweiligen Schnittstellen – also die Berührungspunkte zwischen den Tätigkeiten – zu entwickeln (siehe Abbildung 2.2). Diese Entwicklung eines 3Unter „mittelbar“ ist hier Interaktion zu verstehen, die nicht im direkten Kontakt zwischen Indivi- duen abläuft, sondern lediglich indirekt durch die Ergebnisse eines Arbeitsprozesses (Materialien, Dokumente, . . . ) vermittelt wird. 4„Cooperative work and individual work should not be conceived of as different work domains. In daily work practice, cooperative and individual activities are inextricably interwoven. [. . . ] More than that, the boundary between individual and cooperative work is dynamic in the sense that people enter into cooperative work relations and leave them according to the requirements of the current situation and the technical and human resources at hand.“(Schmidt, 1994, S. 352) 24 2.2. Ausprägungen von Articulation Work gemeinsamen Verständnisses bzw. diese „Koordination“ ist kritisch für den Erfolg von kooperativer Arbeit (Strauss, 1993) und wird als „Articulation Work“ bezeichnet.5 „Articulation Work“ ermöglicht also funktionierende Kommunikation und Zusammen- arbeit im eigentlichen Arbeitsablauf. Zentral ist dabei vor allem die gegenseitigen Offen- legung der Annahmen aller beteiligten Personen, die den individuellen Arbeitsbeiträgen zugrunde liegen6. „Articulation Work“ ist keine Tätigkeit, die zu einem bestimmten Zeitpunkt im Ar- beitsprozess durchgeführt wird und dann als abgeschlossen betrachtet werden kann7. Vielmehr wird „Articulation Work“ immer auch begleitend zur eigentlichen produkti- ven Arbeit durchgeführt und umfasst neben planenden und koordinierenden Tätigkeiten auch das Erkennen von Fehlentwicklungen bzw. von Situationen, in denen eine erneute Koordination notwendig ist8. Der Begriff „Articulation Work“ ist im Englischen zweideutig und von Strauss auch bewusst so gewählt. Einerseits wird damit ausgedrückt, dass Arbeit („Work“) artikuliert wird, andererseits zeigt der Begriff, das die Artikulation selbst ebenfalls Arbeit ist (also Zeit und Ressourcen in Anspruch nimmt) und auch also solche wertgeschätzt werden muss (Fujimura, 1987). Gleichzeitig kennzeichnet er auch die rekursive Natur von „Arti- culation Work“, die somit jederzeit selbst Gegenstand von „Articulation Work“ werden kann (Star und Strauss, 1999). „Articulation Work“ ist kein klar abgegrenztes und struk- turiertes Konzept – sie tritt je nach Arbeitssituation in unterschiedlichen Spielarten auf. Die Unterscheidung dieser Arten von „Articulation Work“ ist für die Unterstützung derselben relevant und wird daher im folgenden Abschnitt genauer betrachtet. 2.2. Ausprägungen von Articulation Work Wie bereits von Gerson und Star (1986) angeführt, argumentiert auch Strauss, dass Ar- tikulation immer passieren muss (und passiert), wo Menschen zusammenarbeiten, um zu vermeiden, dass unbekannte Aspekte Probleme bei der Durchführung der Arbeit ver- ursachen (Strauss, 1988). „Articulation Work“ ist kein revolutionäres Konzept, sondern fasst Tätigkeiten unter einem Begriff zusammen, die seit jeher Teil jeder Zusammen- arbeit zwischen Menschen sind (Strauss, 1988). Grundsätzlich geht Strauss davon aus, 5„Since the plurality of tasks making up their totality, as well as the relations of actors to tasks, are not automatically articulated, actors must do that too, and often in complex ways. We call the work of doing this ”articulation work” – a supra-type of work.“(Strauss, 1985) 6„Reconciling incommensurate assumptions and procedures in the absence of enforceable standards is the essence of articulation.“(Gerson und Star, 1986, S. 266) 7„The articulation work involves the pre-articulation of the tasks, their management and post- articulation.“(Raposo et al., 2004, S. 121) 8„Articulation consists of all the tasks involved in assembling, scheduling, monitoring, and coordinating all of the steps necessary to complete a production task.“(Gerson und Star, 1986, S. 266) 25 2.2. Ausprägungen von Articulation Work dass „Articulation Work“ immer abläuft, egal wie einfach oder kompliziert, wie einge- spielt oder neuartig eine (Zusammen-)Arbeit ist (Strauss, 1988). Sehr wohl existieren jedoch Unterschiede in der Qualität der Arbeit, die sich auf die Form der Artikulation auswirken, die zu deren Abstimmung notwendig ist: „A useful fundamental distinction between classes of interaction is between the routine and the problematic. Problematic interactions involve ’thought’, or when more than one interactant is involved then also ’discussion’.“ (Strauss, 1993, S. 43). Dieses Zitat zeigt im Übrigen auch, dass „Interac- tion“ im Sinne von Strauss nicht unbedingt ein kollektives Phänomen ist, sondern auch individuell (im Bezug auf die (unbelebte) Umgebung) auftreten kann. Je komplexer („problematic“) eine Interaktion ist, desto notwendiger wird laut Strauss eine explizite Beschäftigung mit dem Vorgang der Artikulation. Bei einfachen, eingespiel- ten („routine“) Interaktionen bleibt die Artikulation zumeist implizit, verborgen und in- formell9 (Hampson und Junor, 2005). Ein grundlegendes Problem, dass Artikulation für jeden noch so also einfach wahrgenommenen Arbeitsvorgang potentiell relevant macht, spricht Strauss mit den Worten von Hughes unmittelbar nach der Definition von „pro- blematic interaction“ an: „[O]ne man’s routine of work is made up of the emergencies of other people“ (Hughes, 1971) zitiert nach (Strauss, 1993). „Articulation Work“ tritt also in zwei Qualitäten auf. Ist der Bedarf zur Abstimmung bekannt und werden Tätigkeiten zur Abdeckung dieses Bedarf bewusst durchgeführt, so spricht man von expliziter „Articulation Work“ (Strauss, 1988) (Fjuk et al., 1997). Die Abstimmung von Tätigkeiten, die ständig während der Zusammenarbeit unbewusst ausgeführt wird, bezeichnet man als implizite „Articulation Work“10. Letztgenannte Art ist es auch, die von den Arbeitenden „automatisch“ zur Anwendung gebracht wird, sobald Änderungen in der Arbeitsumgebung oder Probleme auftreten (Strauss, 1988). Implizite „Articulation Work“ stößt aber an ihre Grenzen, wenn die Arbeitssituation als „problematisch“ (Strauss, 1988) oder „komplex“ (Schmidt, 1990, S. 23f) wahrgenommen wird. Es wird dann notwendig, dezidierte Abstimmungs-Aktivitäten anzustoßen, also explizite „Articulation Work“ durchzuführen. Diese Abstimmungs-Aktivitäten können konkret wiederum unterschiedliche Ausprä- gungen annehmen (Gasser, 1986): Fitting (bzw. „Accomodation“ (Bendifallah und Scacchi, 1987)) Tätigkeiten zur Pla- nung bzw. Anpassung der Arbeitspraxis an gegebene bzw. veränderte Umweltbe- dingungen. 9entsprechend der „Sozialisation“ im aus der Domäne der Wissensgenerierung und -teilung stammen- den SECI-Zyklus (Nonaka und Takeuchi, 1995) 10The explicit articulation is thus connected to the planning and decisions regarding the salient dimen- sions of work – who, what, when, how – while implicit articulation is invaluable when carrying out activities in situated circumstances, in order to handle contingencies.(Fjuk et al., 1997, S.5) 26 2.2. Ausprägungen von Articulation Work Augmenting (bzw. „Negotiation of additional [maintainance] activities“ (Bendifallah und Scacchi, 1987)) Planung von zusätzlichen kurz- oder mittelfristigen Tätigkei- ten, um das Auftreten von erkannten Problemen zu verhindern. Working around Entwicklung von Strategien zur Vermeidung des Auftretens von Si- tuationen, in denen Probleme auftreten, ohne deren Ursache zu beseitigen. In einer späteren Arbeit geht Strauss auf den bislang nicht betrachteten temporalen As- pekte des Auftretens von expliziter „Articulation Work“ ein (Corbin und Strauss, 1993) und unterscheidet dabei zwischen „Working out Original Arrangements“ (also der erst- maligen Vereinbarung der Modalitäten einer Zusammenarbeit) und „Reworking Arran- gements“ (also der Veränderung von getroffenen Vereinbarungen, die durch Änderungen im Arbeitskontext nicht mehr angewandt werden können). Während der Ausgangspunkt in diesen beiden Fällen unterschiedlich ist, ist doch die Zielsetzung die gleiche – Ziel ist es, die individuellen Standpunkte und Sichtweisen („stances“) soweit abzugleichen, dass eine Zusammenarbeit möglich ist. Diese Aktivitäten unterscheiden sich insofern von der laufend im Arbeitsablauf durchgeführten „Articulation Work“, als dass sie die Indivi- duen dazu zwingen, aus dem Arbeitssystem herauszusteigen und dieses als Gesamtes zum Gegenstand der „Articulation Work“ zu machen (Corbin und Strauss, 1993). Dies umfasst auch die Aushandlung der Modalitäten der im Arbeitsablauf durchgeführten „Articulation Work“, wodurch deren rekursive Natur (Star und Strauss, 1999) deutlich wird. Sarini und Simone (2002a) beschäftigen sich explizit mit „rekursiver Articulation Work“ und führen als wesentliche Ziele die Entwicklung eines gemeinsamen Verständ- nisses über die Arbeitsdomäne („alignment of meaning“) sowie die Abstimmung des Arbeitsablaufs selbst („alignment of procedures“) an. Diesem breiten Verständnis von „Articulation Work“ schließen sich auch Baker und Millerand (2007) aufgrund empiri- scher Erkenntnisse an. Die Schritte, die im Rahmen von der Erarbeitung von „arrangements“ durchgeführt werden müssen, geben Corbin und Strauss (1993) wie folgt an (und beziehen sich dabei im Wesentlichen auf jene Tätigkeiten, die von Sarini und Simone (2002a) als „alignment of procedures“ bezeichnet werden): 1. Jedes beteiligte Individuum definiert für sich, welche Aspekte der Arbeit verein- bart werden müssen und legt seine Position dazu („stance“) fest. Mögliche Aspekte betreffen die durchzuführenden Schritte, mögliche Verantwortlichkeiten und benö- tigte Ressourcen11. 2. Die beteiligten Individuen interpretieren die explizierten Standpunkte und Sicht- weisen („stances“) der jeweils anderen. 11„what needs to be done, by whom, what resources are needed, what one has to offer, what one expects from others, who has what power, and so forth“(Corbin und Strauss, 1993, S. 76) 27 2.2. Ausprägungen von Articulation Work 3. Basierend auf diese Interpretation passt das Individuum seine Standpunkte und Sichtweisen an oder behält diese bei und verändert ggf. seine Verhandlungsstrate- gie. 4. Die Schritte 1-3 werden wiederholt, bis eine für alle Individuen akzeptable Verein- barung erreicht ist. Die zeitliche und konzeptuelle Unterscheidung zwischen „Working out Original Arran- gements“ und „Reworking Arrangements“ lässt jedoch die häufiger auftretende „Arti- culation Work“ im Arbeitsprozess (die durchgeführt wird, ohne aus dem Arbeitssystem heraus zu steigen) außen vor. Während eines Arbeitsablaufs kann neben „Reworking Ar- rangements“ (das als Eskalationsstufe bei der Behandlung von Vereinbarungen zu sehen ist, auf deren Basis die Arbeit nicht mehr fortgesetzt werden kann und gleichbedeutend mit den Tätigkeiten „augmenting“ und „working around“ in (Gasser, 1986) ist) auch das Lösen von problematischen Situationen im Rahmen der aktuellen Vereinbarungen („resolving contingencies“ (Gerson und Star, 1986) bzw. „fitting“ (Gasser, 1986)) im Rahmen von „Articulation Work“ durchgeführt werden. Neben den beschriebenen Unterscheidungen führt Strauss keine weitere systematische Betrachtung von „Articulation Work“ hinsichtlich deren Ausprägungen durch. In der Literatur konnten drei weitere Ansätze zur Differenzierung zwischen unterschiedlichen Arten von „Articulation Work“ auf Basis einer unterschiedlichen Konzeptualisierung der abzustimmenden Arbeit identifiziert werden (siehe Anhang A für eine umfassende Dar- stellung der zu „Articulation Work“ verfügbaren Literatur). Fjuk et al. (1997) stellen „Articulation Work“ der „Activity Theory“ (Leont’ev, 1978) gegenüber und unterschei- den so verschiedene Ebenen in Arbeitsabläufen, die abzustimmen sind. Hampson und Junor (2005) führen ein Raster ein, das „Articulation Work“ hinsichtlich der Art des Ar- beitsprozesses unterschiedet, in dem sie zur Anwendung kommt. Færgemann et al. (2005) unterscheiden Varianten von „Articulation Work“ nach der organisationalen „Reichwei- te“ der zugrunde liegenden Arbeitsprozesse. Alle drei Ansätze werden in der Folge im Detail beschrieben. Das Ziel ist es hier, die unterschiedlichen Konzeptualisierungen von „Articulation Work“ so umfassend darzustellen, dass es in der Folge möglich wird, diese in einem gemeinsamen Modell zusammenzuführen und aufbauend auf diesem identifizie- ren zu können, wo bzw. welche Aktivitäten unterstützt werden können. 2.2.1. Unterscheidung nach Fjuk, Smørdal und Nurminen Fjuk et al. (1997) betrachten „Articulation Work“ im Kontext von CSCW12 und versu- chen ein konzeptuelles Framework zu entwickeln, das die Rolle von Computersystemen im Kontext individueller und kollektiver Tätigkeiten erklärt – sie entwickeln also ein Erklärungsmodell für die Funktionsweise sozio-technischer Systeme (Emery und Trist, 1960). Während die Implikationen von „Articulation Work“ für CSCW an dieser Stel- 12Computer Supported Cooperative Work 28 2.2. Ausprägungen von Articulation Work le nicht näher von Belang sind (siehe dazu Abschnitt 2.4.6), ist aber das theoretische Framework, das die Autoren ihren Ausführungen zu Grunde legen von Interesse. Fjuk et al. (1997) bauen ihre Überlegungen auf die „Activity Theorie“ (Tätigkeits- Theorie) auf, die maßgeblich von Leont’ev (1972) geprägt wurde. Die Autoren argu- mentieren, dass diese einen Ansatzpunkt biete, die von Strauss als relevant erkannten aber nicht näher behandelten „externen Faktoren“, die Arbeit beeinflussen, zu berück- sichtigen. Der Begriff der „externen Faktoren“ umfasst alle Einflussfaktoren, die nicht unmittelbar Teil des Arbeitsablaufs, sondern technologischer, organisationaler, kulturel- ler, wirtschaftlicher oder physiologischer Natur sind. Ohne an dieser Stelle näher auf die „Activity Theory“ 13 einzugehen, seien hier die drei Kernkonzepte der Theorie erwähnt: • Activity (Tätigkeit) • Action (Aktion) • Operation (Operation) Diese drei Konzepte bilden eine Hierarchie, in denen eine „Activity“ an oberster Stelle steht. Eine „Activity“ ist eine menschliche Tätigkeit, die durch ein Motiv getrieben ist und der (vorerst) individuellen Bedürfnisbefriedigung dient. Eine „Activity“ setzt sich aus mehreren „Actions“ zusammen, die jede für sich ein aus dem Motiv heraus begründ- bares Ziel haben und zur Bedürfnisbefriedigung direkt oder indirekt beitragen. „Actions“ setzen sich wiederum aus „Operations“ zusammen, also einzelnen, nicht mehr bewusst ausgeführten Handlungen, die durch die Bedingungen des jeweiligen Umgebungskontexts bestimmt werden. Während Individuen lernen, transformieren sie laufend „Actions“ zu „Operations“, automatisieren also deren Ausführung, sodass sich die kognitive Belastung verringert (als klassisches Beispiel kann hier das Erlernen des Autofahrens dienen). Die „Activity Theory“ beschreibt als psychologisches Modell vorerst das Individuum und dessen Verhalten. In sozialen Systemen, die auf Interaktion basieren, stößt das Mo- dell jedoch an die Grenzen der erklärbaren Phänomene. Engeström (1987) baut auf der klassischen „Activity Theory“ auf und erweitert diese um den Aspekt der Gemeinschaft sowie der Interaktion in dieser sowie der Rolle von Artefakten („Objects“) in derar- tigen Settings. Fjuk et al. (1997) bemängeln aber in ihrer Arbeit, dass Engeström in seinen Ausführungen abstrakt bleibt und nicht den Konkretisierungsgrad der originä- ren „Activity Theory“ erreicht, was das Zusammenspiel der unterschiedlichen Ebenen („Activity“, „Action“ und „Operation“) betrifft. Hinsichtlich der näheren Betrachtung von „Articulation Work“ unterscheiden Fjuk et al. (1997) in Bezugnahme auf Strauss (1993) zwei Ebenen („levels“) von „Articulation Work“, namentlich „planned“ und „situated Articulation Work“. Diese Unterscheidung korrespondiert den Autoren nach im Wesentlichen mit der Unterscheidung zwischen „ex- 13für eine allgemein verständliche Einführung unter Berücksichtigung der praktischen Implikationen siehe Dahme und Raeithel (1997) oder Nardi und Kaptelinin (2006) 29 2.2. Ausprägungen von Articulation Work pliziter“ und „impliziter Articulation Work“. „Planned“ bezieht sich hier darauf, dass die „Articulation Work“ der Koordination eines vordefinierten Arbeitsablaufs dient, also nicht zur unmittelbaren Bewältigung von aufgetretenen Problemen dient. „Situated Ar- ticulation Work“ hingegen läuft ad-hoc im Arbeitsablauf bei Bedarf (d.h. zur Beseitigung von aufgetretenen Problemen) ab. Aufgrund dieser Definitionen (die auch der unabhän- gig davon getroffenen Unterscheidung zwischen „ad-hoc alignment“ und „coordination of predefined work“ bei Schmidt und Simone (2000) entspricht), ist eine Gleichsetzung dieser Unterscheidung mit dem Unterschied zwischen impliziter und expliziter „Arti- culation Work“ im Sinne von Strauss (1993) fragwürdig. Die Autoren relativieren die strikte Entsprechung auch selbst mit späteren Aussagen in der Arbeit, in der auf „si- tuated Articulation Work“ Bezug genommen wird, die aber ob der herausfordernden Natur des Arbeitsablaufs „expliziter“ abzulaufen habe (Fjuk et al., 1997, S. 15). Die Unterscheidung zwischen „situated“ und „planned Articulation Work“ wird hier des- halb als eigenständig und orthogonal zu impliziter und expliziter „Articulation Work“ betrachtet. Unter Einbeziehung der „Activity Theory“ und basierend auf der Unterscheidung zwi- schen „Activity“, „Action“ und „Operation“ führen Fjuk et al. (1997) außerdem zwei unterschiedliche Arten von „Articulation Work“ ein, die sich in ihren Bezugspunkten unterschieden und jeweils für den Fall individueller und kollektiver Tätigkeiten bzw. Aktionen betrachtet werden. Articulation of action within individual activity Die Artikulation von Aktionen inner- halb einer Tätigkeit entspricht einer bewussten Planung eines Vorgehens zur Er- reichung von definierten Zielen. Diese Form von „Articulation Work“ ist per De- finition explizit. Sie umfasst lediglich Planungsaktivitäten eines Individuums und umfasst die Klärung der Fragen „wer“ (in diesem Zusammenhang das Individuum selbst oder andere) „was“ (im Sinne des zu erreichenden Ziels) „wo“ (im Sinne des örtlichen, zeitlichen oder organisationalen Kontexts) „wie“ (im Sinne der Opera- tionalisierung der Aktionen zur Zielerreichung) arbeitet. Articulation of operation within action in individual activities Die Auswahl und Aus- führung von Operationen im Kontext einer Aktion erfolgt zumeist nicht bewusst basierend auf Erfahrungswissen. Tatsächlich kann die Auswahl von adäquaten Ope- rationen als ein permanenter Fluss von, mit der produktiven Arbeit verwobenen, „Articulation Work“-Vorgängen gesehen werden, der implizit auch in individuellen Arbeitssituationen abläuft. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass Operationen in „problematischen“ Situationen (im Sinne von Strauss) zu Ak- tionen werden können, die nicht mehr unbewusst und automatisiert ablaufen kön- nen. Mit dieser Transformation wird auch die „Articulation Work“ explizit und muss das individuelle Vorgehen der geänderten Situation anpassen. Articulation of individual action within collective activity Die Artikulation von Ak- tionen innerhalb eine kollektiven Tätigkeit geht in den Gegenständen der Artikula- 30 2.2. Ausprägungen von Articulation Work tion über die im individuellen Fall zu berücksichtigenden Planungsaspekte („wer“, „was“, „wann/wo“, „wie“) hinaus. Zusätzlich müssen um Zuge der Artikulation die Regeln der Kommunikation und Arbeitsteilung zwischen den am Arbeitsprozess Beteiligten artikuliert werden. Die Artikulation umfasst hier auch die die gegen- seitige Offenlegung und Kenntnisnahme der individuellen „kognitiven Strukturen“ und existierender Annahmen über den Arbeitsablauf. Articulation of individual operation within action in collective activity Im Gegensatz zur individuellen Artikulation von Operationen im Kontext von Aktionen ist die- se im kollektiven Fall seltener implizit abzuwickeln. Unterschiedliche Auffassungen über Herangehensweisen oder Missverständnisse bedürfen zum Teil einer expliziten Klärung, um die Zielerreichung zu gewährleisten. Operationen werden hier damit oft auf die Ebene von Aktionen gehoben und bewusst ausgehandelt. Articulation of collective action in collective activity Die Kategorie der kollektiven Aktion wird von (Fjuk et al., 1997) nicht im Detail behandelt, da die „Activi- ty Theory“ selbst diese nicht behandelt und auch keinerlei anderen diesbezüglich verwendbaren Forschungsergebnisse verwendbar wären. Jede Tätigkeit involviert auch kollektive Aktionen wie Aushandlungen, Konsensfindung oder gemeinsame Problemlösung. Bei der Artikulation von kollektiven Aktionen müssen alle betei- ligten Individuen ihre Perspektive, ihr Wissen und ihre Überlegungen einbringen, um die gemeinschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Fjuk et al. (1997) treffen hier keine Aussagen hinsichtlich der Implikationen für „Articulation Work“. Articulation of operations within collective actions in collective activity Bei Zusam- menarbeit auf Aktionsebene kann es zu konfliktionären Situationen kommen, wenn die per Definition nicht bewusst geplante Durchführung der individuellen Opera- tionen zur Zielerreichung nicht zu der kollektiven Aktion beiträgt. Vor allem, wenn die individuellen Vorstellungen des Arbeitsablaufs divergieren („weak common con- ceptual structures“), kann es notwendig sein, explizite „Articulation Work“ anzu- stoßen, um diese Vorstellungen offenzulegen und abzugleichen. Innerhalb eines Arbeitsablaufs können auch mehrere der hier beschriebenen Kategori- en auftreten. Teile von Arbeitsabläufen können durch Änderungen im Arbeitskontext die Kategorie wechseln und somit mehr oder weniger explizite „Articulation Work“ notwen- dig machen. Durch die Unterscheidung zwischen kollektiver Tätigkeit und Aktion wird es möglich, „Articulation Work“ je nach Enge der Interaktion und den damit auftretenden unterschiedlichen Artikulationsbedürfnissen entsprechend auszulegen. 2.2.2. Unterscheidung nach Hampson und Junor Hampson und Junor (2005) verwenden „Articulation Work“ als Framework zur Erklä- rung von „interactive customer service“, also jenen Kundenbeziehungen, bei denen die Interaktion zwischen Anbieter und Kunden im Vordergrund steht. Im Rahmen ihrer 31 2.2. Ausprägungen von Articulation Work Arbeit zeigen die Autoren auch die historische Entwicklung des Begriffs „Articulation Work“ auf und entwickeln einen Raster zur Einordnung unterschiedlicher Ausprägungen von Arbeit, die wiederum unterschiedliche Arten von „Articulation Work“ bedingen. Dieses Raster ist hier von Interesse. Bezugnehmend auf Strauss (1993) unterschieden die Autoren einerseits zwischen Ar- beitsabläufen, die routine sind, und solchen, die non-routine sind. Außerdem kann zwi- schen Arbeitsabläufen unterschieden werden, die visible oder invisible sind (Star und Strauss, 1999). Während visible work all jene Arbeitsabläufe umfasst, die als solche wahr- genommen werden, bezieht sich invisible work auf alle Arbeitsabläufe, die stattfinden, aber nicht „offiziell“ wahrgenommen werden (also etwa nicht in einem Prozessmodell repräsentiert sind). Daraus ergeben sich vier zu unterscheidende Settings, in denen „Ar- ticulation Work“ stattfindet und die sich sowohl in der konkret als „Articulation Work“ ausgeführten Tätigkeit, als auch in der möglichen methodischen und/oder technischen Unterstützung unterscheiden. Visible routine work beschreibt jene Arbeitsabläufe, die von klassischen Management- Ansätzen erfasst werden, formalisiert werden können und in Unternehmen oft nor- miert vorgegeben sind (etwa in Form von Prozessmodellen oder durch die Vor- gaben eines Workflow-Management-Systems). „Articulation Work“ findet hier zu definierten Zeitpunkten und explizit ausgelöst statt, um die normierten Abläufe zu definieren bzw. diese an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Visible non-routine work beschreibt Arbeitsabläufe in Umgebungen, die so dynamisch sind, dass normierte Abläufe aufgrund der raschen, nicht absehbaren Veränderun- gen der Anforderungen nicht sinnvoll einsetzbar sind. „Articulation Work“ tritt hier regelmäßig implizit und explizit auf, da jede Veränderung eine – je nach Aus- maß der Veränderung implizite oder explizite – Neuabstimmung der Zusammen- arbeit nach innen und außen benötigt. Invisible routine work umfasst all jene Arbeitsabläufe in Unternehmen, die zwar eta- bliert sind, von den traditionellen Steuer- und Kontroll-Werkzeugen im Unterneh- men jedoch nicht erfasst werden. Sie sind formal nicht normiert, treten jedoch so regelmäßig auf, dass sich eine routinemäßige Herangehensweise herausbildet. „Ar- ticulation Work“ läuft hier bei Veränderungen der Rahmenbedingungen zumeist implizit ab und sorgt dafür, dass die Interaktion zwischen den Beteiligten weiter funktioniert. Explizite „Articulation Work“ unter Einbeziehung der betroffenen Personen kann hier dafür sorgen, Arbeitsabläufe dieser Kategorie in den Bereich der „visible routine work“ überzuführen. Invisible non-routine work umfasst jene Arbeitsabläufe, die zur Behandlung von unvor- hergesehenen Anforderungen durchgeführt werden und die nach außen hin nicht sichtbar wird. Typisch treten derartige Situationen bei Ausnahmefällen in eta- blierten Arbeitsabläufen auf, bei denen die Tätigkeiten zu Wiederherstellung einer „regelkonformen“ Situation oft nicht durch Steuer- und Kontrollelemente erfasst 32 2.2. Ausprägungen von Articulation Work werden und durch die Einzigartigkeit der Ausnahme oder des Kontexts, in dem diese auftritt, keine etablierten Handlungsmuster existieren. „Articulation Work“ ist hier ad-hoc notwendig, um adäquat auf die Anforderungen der Umwelt re- agieren zu können. Sowohl explizite und implizite „Articulation Work“ kann hier zu Anwendung kommen, wobei als Entscheidungskriterien zwischen diesen bei- den Ausprägungen die wahrgenommene Komplexität der Situation sowie die zur Lösung zur Verfügung stehende Zeit zu berücksichtigen sind. In unterschiedlichen Arbeitssituationen können diese vier Kategorien auch kombiniert auftreten. Zudem können manche Arbeitsabläufe durch erfolgreich durchgeführte „Arti- culation Work“ in eine andere Kategorie verschoben werden, wo der Bedarf an laufender ad-hoc Abstimmung geringer oder nicht vorhanden ist. Andere Arbeitsabläufe sind ih- rer Natur nach nicht strukturierbar und formalisierbar, so dass „Articulation Work“ ein inhärenter Bestandteil des Ablaufs ist und trotz wiederholter Durchführung auch bleibt. 2.2.3. Unterscheidung nach Færgemann et al. Færgemann et al. (2005) sprechen einen Aspekt von „Articulation Work“ an, der von anderen Autoren in dieser Form nicht erwähnt wird. Das strukturierende Merkmal ist in diesem Fall die „Reichweite“ der Arbeit, die zu koordinieren ist. Die „Reichweite“ (grob unterteilt in „lokal“ und „global“) beschreibt, ob die kooperierende Instanzen (Individu- en oder Organisationseinheiten) miteinander vertraut sind, im täglichen Arbeitsverlauf ständig kooperieren und auch Zugriff auf die gleichen Informationsquellen haben und diese identisch interpretieren. Ist dies nicht der Fall, liegt ein „globales“ Arbeitssetting vor, in dem „Articulation Work“ anders als in lokalen Settings unterstützt werden muss. Die Autoren führen dementsprechend vier unterschiedliche „Reichweiten“ von „Arti- culation Work“ an: internal beschreibt „Articulation Work“, die zwischen ständig eng zusammenarbeiten- den Individuen in einem etablierten Arbeitskontext durchgeführt wird. semi-internal beschreibt die „Articulation Work“, die zwischen eng kooperierenden, aber organisational getrennten Einheiten auftritt. semi-external bezeichnet die „Articulation Work“, die zwischen sporadisch interagie- renden, organisational getrennten Einheiten auftritt, die jedoch noch unter einem gemeinsamen konzeptuellen Dach (also z.B. innerhalb eine bestimmen Arbeitsdo- mäne) arbeiten. external bezeichnet jene „Articulation Work“, die über organisationale Grenzen hin- weg durchgeführt wird, und in der auch kein gemeinsames Domänenwissen mehr vorausgesetzt werden kann. 33 2.2. Ausprägungen von Articulation Work Je weiter die Reichweite der „Articulation Work“ gefasst ist, desto expliziter und for- malisierter muss diese den Autoren zufolge auch durchgeführt werden14 2.2.4. Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurden vier Arbeiten näher vorgestellt, die sich der Strukturierung des Konzepts „Articulation Work“ widmen. Die grundlegende Strukturierung bietet be- reits Strauss (1985) (bzw. Strauss (1988) und Strauss (1993)). Die drei übrigen Arbeiten bauen auf Strauss auf und vertiefen das Verständnis von „Articulation Work“ weiter, in dem sie vor allem den im Zuge von „Articulation Work“ behandelten Gegenstand weiter detaillieren und strukturieren. Die drei Arbeiten gehen hierbei unterschiedliche Wege. Fjuk et al. (1997) setzen „Articulation Work“ in Beziehung zur aus der Psychologie stammenden „Activity Theory“ während Hampson und Junor (2005) und Færgemann et al. (2005) im Kontext der Soziologie bleiben und neben den Arbeiten von Strauss z.B. auch auf (Star und Strauss, 1999) aufbauen. Fasst man die Konzepte zur Strukturierung von „Articulation Work“ aus allen hier besprochenen Arbeiten zusammen, so ergibt sich folgender Überblick: • Ausprägung der „Articulation Work“ – implizit vs. explizit15 • Ziel der „Articulation Work“ – situated vs. planned16 bzw. ad-hoc alignment vs. coordination of predefined work17 – working out original arrangements vs. reworking arrangements18 vs. resolving contingencies19 • Reichweite der „Articulation Work“ – internal vs. semi-internal vs. semi-external vs. external20 • Gegenstand der „Articulation Work“ – alignment of procedures vs. alignment of meanings21 14„local articulation work often is based on immediate access and visibility [. . . ] articulation work across unit boundaries is [. . . ] much more demanding and is more dependent on a high degree of formalization in the interaction and coordination undertaken.“ (Færgemann et al., 2005, S. 178f) 15in (Strauss, 1993) 16in (Fjuk et al., 1997) 17in (Schmidt und Simone, 2000) 18in (Corbin und Strauss, 1993) 19z.B. in (Gerson und Star, 1986) 20in (Færgemann et al., 2005) 21in (Sarini und Simone, 2002a) 34 2.2. Ausprägungen von Articulation Work – routine vs. non-routine work22 bzw. routine vs. problematic interaction (mit der belebten oder unbelebten Um- welt) 23 – visible vs. invisible work24 – individual activity vs. collective activity vs. collective action25 • Abstraktionsgrad des Gegenstandes der „Articulation Work“ – activity-action vs. action-operation26 Bezüglich des Ziels von „Articulation Work“ sind im Wesentlichen zwei Gegensatz- paare zu identifizieren. „Situated Articulation Work“ wird während des Arbeitsablaufs beim Auftreten von unvorhergesehenen Problemen durchgeführt und dient der ad-hoc- Abstimmung der Beteiligten. Obwohl diese in den meisten Fällen implizit abläuft, sind doch Fälle vorstellbar, in denen eine explizite, d.h. bewusst durchgeführte, „Articulation Work“ sinnvoll bzw. notwendig ist (siehe weiter unten – Gegenstand der „Articulation Work“). „Planned Articulation Work“ dient der Koordination von vordefinierten Ar- beitsabläufen und kann – je nach Arbeitskontext – implizit oder explizit auftreten. Ein Großteil der Autoren, die den Begriff „Articulation Work“ prägen (u.a. (Strauss, 1985), (Gerson und Star, 1986) und z.T. auch (Schmidt und Bannon, 1992)), schränken diese auf deren Durchführung zur Lösung von im Arbeitsprozess aufgetretenen Probleme (also „situated“) ein. Die Durchführung von „Articulation Work“ zur Koordination von Ar- beitsabläufen wird nur selten und erst in späteren Arbeiten explizit angesprochen (etwa bei (Grinter, 1996) oder (Fjuk et al., 1997)). Die Unterscheidung zwischen „working out arrangements“, „reworking arrangements“ und „resolving contingencies“ ist eine weitere Kategorisierung der Zielsetzung von „Ar- ticulation Work“, die sich auf den Zeitpunkt der Durchführung bezieht. Die beiden erstgenannten Ausprägungen sind dabei im Regelfall explizit, da sie eine bewusste Be- schäftigung mit dem Arbeitsablauf bedingen, und steigen aus dem Arbeitssystem heraus. „Resolving contingencies“ wird im aktuellen Arbeitskontext durchgeführt und kann je nach wahrgenommener Komplexität des Problems implizit oder explizit auftreten. „Re- working arrangements“ ist wie „resolving contingencies“ immer „situated“, da es im- mer aufgrund einer im Arbeitsprozess auftretenden problematischen Situation ausgelöst wird, die die Durchführung der bis dahin geltenden Modalitäten der Zusammenarbeit unmöglich macht. „Working out arrangements“, also die initiale Festlegung der Moda- litäten einer Zusammenarbeit, kann nicht in die Unterscheidung zwischen „situated“ und „planned“ eingeordnet werden, da die „Articulation Work“ in diesem Fall weder 22in (Hampson und Junor, 2005) 23in (Strauss, 1993) 24u.a. in (Suchman, 1995), (Suchman, 1999), (Star und Strauss, 1999), (Hampson und Junor, 2005) 25in (Fjuk et al., 1997) 26in (Fjuk et al., 1997) 35 2.2. Ausprägungen von Articulation Work auf aufgetretenen Problemen beruht, noch die Koordination eines bereits bestehenden Arbeitsablaufs zum Ziel hat. Die Reichweite von „Articulation Work“ ist orthogonal zu den bereits genannten Un- terscheidungen zu nennen, da diese alle in einer der vier Reichweiten-Kategorien auf- treten können. Tendenziell ist „Articulation Work“ mit größerer Reichweite (also „semi- external“ oder „external“) eher explizit, da der Abstimmungsbedarf im Allgemeinen größer ist. Hinsichtlich des Gegenstandes von „Articulation Work“ sind fünf unterschiedliche Ka- tegorisierungen zu identifizieren. Die jeweiligen Ausprägungen weisen in der Folge auf die Art der durchzuführenden „Articulation Work“ hin. Die Unterscheidung zwischen „routine“ und „non-routine work“ bezieht sich darauf, ob der fragliche Arbeitsablauf für die beteiligten Personen alltäglich ist und unter be- kannten Rahmenbedingungen stattfindet oder nicht. Je stärker der „non-routine“-Anteil in einem Arbeitsablauf zum Tragen kommt, desto expliziter muss im Allgemeinen die „Articulation Work“ sein – bei Routine-Arbeit ist der Bedarf an Articulation gering und beschränkt sich auf implizit durchführbare Detailabstimmungen zwischen den Beteilig- ten. Obwohl vordergründig unterschiedlich, bezieht sich die nächste Kategorisierung „rou- tine vs. problematic interaction“ auf den gleichen Sachverhalt. Strauss (1993), von dem diese Unterscheidung stammt, bezeichnet Interaktion als die Grundlage von Arbeitsab- läufen und als wesentlichen Bestandteil derselben. Der hier verwendete „routine“-Begriff kann deshalb mit jenem der zuvor beschriebenen Unterscheidung gleichgesetzt werden. Der Begriff der „problematic interaction“ beschreibt insofern das gleiche Phänomen wie jener der „non-routine work“ als dass er sich ebenfalls auf die erhöhte kognitive Belas- tung der beteiligten Personen bei der Zielerreichung bezieht. Dementsprechend impliziert „problematic interaction“ eine meist explizite „Articulation Work“, während „routine in- teraction“ meist durch implizite „Articulation Work“ produktiv gehalten werden kann. Die Unterscheidung zwischen „visible“ und „invisible work“ bezieht sich auf die Sicht- barkeit eines Arbeitsablaufs in seinem Durchführungskontext und dessen Wahrnehmung durch andere – vor allem auch übergeordnete – organisationale Instanzen. Während „visible work“ der Erfüllung definierter Aufgaben dient, formalisiert werden kann und durch Steuer- und Kontrollinstrumente oder organisationale Unterstützungswerkzeuge erfasst werden kann, bleibt „invisible work“ im organisationalen Kontext verborgen und ist nur für die handelnden Individuen sichtbar (und wird dementsprechend auch orga- nisational nicht unterstützt und wertgeschätzt). Für „Articulation Work“ hat dies per se keine unmittelbaren Auswirkungen, außer dass „visible work“ immer ein Ergebnis ex- pliziter „Articulation Work“ ist. Dies bedeutet gleichzeitig, dass explizite „Articulation Work“ (unter Einbeziehung sowohl der unmittelbar am Arbeitsablauf beteiligten Per- sonen als auch der „übergeordneten“ Instanzen) dazu beitragen kann, „invisible work“ zu „visible work“ zu machen (siehe dazu auch (Fujimura, 1987)). „Articulation Work“ 36 2.2. Ausprägungen von Articulation Work ist somit ein Mittel, einen Abgleich zwischen dem offiziellen (organisational festgeschrie- benen) Verständnis eines Arbeitsablaufs und dem tatsächlichen Ablauf, wie er in der Praxis ausgeführt wird, durchzuführen. „Articulation Work“ kann damit eine Reali- sierung eines organisationalen Lernschritts sein, der im Sinne von Argyris und Schön (1978) die „espoused theories“ (die offiziell veröffentlichten Theorien über Arbeit) mit den „theories-in-use“ (die tatsächlich handlungsleitenden Theorien) abgleicht bzw. im Sinne von Sachs (1995) einen „tacit organisational view“ in einen „explicit organisatio- nal view“ überführen (siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel 1). Die Enge der notwendigen Kooperation bei der Durchführung eines Arbeitsablaufs (festgemacht an den Handlungs-Kategorien der „Activity Theory“) ist Gegenstand der letzten Kategorie. „Individual activity“ beschreibt Arbeitsabläufe, die im Wesentlichen von einem Individuum ausgeführt werden und lediglich an den Schnittstellen zu Beginn und am Ende Interaktion benötigen. „Collective Activity“ beschreibt Arbeitsabläufe, in denen mehrere Individuen klar abgegrenzte Teile der Arbeit übernehmen und Inter- aktion an festgelegten Schnittstellen bzw. zu festgelegten Zeitpunkten stattfindet. Dies entspricht im Wesentlichen der klassischen Arbeitsteilung in Unternehmen im tayloris- tischen Sinne. „Collective Action“ beschreibt tatsächlich kooperative Arbeit im engeren Sinn, deren Durchführung nur durch enge Interaktion mehrere Individuen auch in Detail- aspekten notwendig ist. Je enger die Kooperation, desto notwendiger wird „Articulation Work“, wobei diese in allen Fällen sowohl in ihrer impliziten als auch expliziten Ausprä- gung zum Einsatz kommen kann. Zur Identifikation der im Einzelfall sinnvollen Variante von „Articulation Work“ (im- plizit oder explizit) ist die Berücksichtigung der letztgenannten Unterscheidung hinsicht- lich des Abstraktionsgrades der „Articulation Work“ notwendig. Beschäftigt sich „Ar- ticulation Work“ mit der abstrakteren Ebene zwischen „activity“ und „action“, steht die Betrachtungsdimension „Was?“ (also die Ziele und das generelle Vorgehen) im Zen- trum. Bei Arbeitsabläufen, die „non-routine“ sind, kommt eher explizite „Articulation Work“ zum Einsatz. Bei „routine“-Arbeitsabläufen ist „Articulation Work“ auf dieser abstrakten Ebene implizit nicht und explizit nur dann notwendig, wenn der Ablauf selbst nicht mehr anwendbar ist (also „problematic“ bzw. „non-routine“ wird) und hinterfragt werden soll („reworking arrangements“). Auf der konkreten Ebene zwischen „action“ und „operation“ (also der Frage nach dem „Wie?“) kommt in individuell abgehandelten Arbeitsabläufen vorrangig implizite „Articulation Work“ zum Einsatz. Treten unvor- hergesehene Probleme auf oder werden etablierte Operationen als nicht mehr adäquat wahrgenommen, kommt zur Klärung wieder explizite „Articulation Work“ zum Ein- satz. In kollektiven Arbeitsprozessen ist die Enge der Interaktion entscheidend. Bei klar separierbaren Arbeitsanteilen (also bei Interaktion auf „activtiy“-Ebene) bleibt die Ent- scheidung zur konkreten Umsetzung beim Individuum und die „Articulation Work“ im Normalfall implizit (für Ausnahmen siehe die Ausführungen zu individuellen Arbeitsab- läufen in Abschnitt 2.2.1). Bei Arbeitsabläufen mit enger Interaktion auf Aktionsebene muss diese im Normalfall im Vorhinein („working out arrangements“) durch explizite 37 2.2. Ausprägungen von Articulation Work „Articulation Work“ ausgehandelt werden. Während des Arbeitsablaufs kann wieder- um implizite „Articulation Work“ zurückgegriffen werden, wobei auf Grund der Anzahl der beteiligten Personen die Wahrscheinlichkeit steigt, dass ein beteiligtes Individuum die Interaktion als „problematic“ empfindet und dies wiederum explizite „Articulation Work“ notwendig macht. Zusammenfassend können die in den letzen Abschnitten beschriebenen Zusammen- hänge wie in Abbildung 2.3 dargestellt beschrieben werden. Diese Darstellung stellt den Versuch einer Strukturierung des Konzepts „Articulation Work“ dar, um deren mögliche Ausprägungen in unterschiedlichen Arbeitskontexten zu zeigen. Sie ist keine Beschrei- bung der möglichen Abläufe eines „Articulation Work“-Prozesses. In der Abbildung sind die wesentlichen Inhalte der oben behandelten Einteilungen abgebildet. Abbildung 2.3.: Articulation Work im Durchführungskontext Die erste Unterscheidung, die am oberen Rand der Grafik dargestellt ist, betrifft den Zeitpunkt der Durchführung von „Articulation Work“. Während von den meisten Auto- ren lediglich jene Phasen eines Arbeitsprozesses zu „Articulation Work“ gezählt werden, die während der Durchführung der „Production Work“ auftreten, bezeichnen Corbin und Strauss (1993) selbst auch den Vorlauf eines Arbeitsprozesses (also die Konzeptions- und Planungsphase) als „Articulation Work“ (auch die ursprüngliche Definition von Stauss 38 2.2. Ausprägungen von Articulation Work schließt diese Phase nicht aus). Nach Corbin und Strauss (1993) ist „Articulation Work“ in dieser Phase immer explizit (entsprechend dem in dieser Arbeit angegebenen Schema). Obwohl grundsätzlich nichts gegen eine implizite Durchführung dieser Phase spräche (bei „einfachen“ Arbeitsaufgaben, die von (etablierten Gruppen von) Individuen übernom- men werden), wird diese Variante von den Autoren nicht erwähnt und deshalb in der Abbildung nicht dargestellt. Je nach Kontext, in dem die „Articulation Work“ durch- geführt wird (organisational, d.h. in offiziellem Rahmen oder informell ausschließlich in der lokalen Arbeitsumgebung) führt sie zu „visible“ oder „invisible work“. „Articulation Work“, die im Zuge des Arbeitsablaufs ausgeführt wird, kann zwei Zwe- cken dienen. Einerseits kann sie im Falle etablierter Arbeitsabläufe („routine“) der Ko- ordination der ohnehin definierten Abläufe dienen (die nicht notwendigerweise „visible“ sein müssen). Dies wird im Regelfall implizit ablaufen, lediglich bei komplexen Arbeits- abläufen oder etwa in verteilt organisierten Arbeitsumgebungen (vgl. (Carstensen und Schmidt, 1999)) wird eine explizite Beschäftigung mit der Koordination notwendig sein. Andererseits kann „Articulation Work“ auch in Situationen („ad-hoc“) zur Anwendung kommen, in denen keine etablierten Arbeitsabläufe existieren oder diese aufgrund von Veränderung in der Arbeitsumgebung nicht adäquat sind. Dieser Fall beschreibt „Ar- ticulation Work“ im engeren Sinne, die der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in Situationen dient, in denen die Ausführung von „Production Work“ (aus welchen Grün- den auch immer) nicht mehr möglich ist. Bei der „ad-hoc“-Anwendung von „Articulation Work“ sind unterschiedliche Eskala- tionsstufen zu unterscheiden. In vielen Situationen, die von einzelnen beteiligten Indivi- duen als „problematisch“ oder „non-routine“ wahrgenommen werden, ist die Auflösung dieser Bedenken durch einfache implizite „Articulation Work“, also ohne bewusste Be- schäftigung im Rahmen der üblichen sozialen Interaktion möglich. Wird die aktuelle Arbeit als so „problematisch“ wahrgenommen, dass sie nicht durchgeführt bzw. aufrecht erhalten werden kann, muss eine explizite (d.h. bewusste) Beschäftigung mit der Situati- on erfolgen, um die „Production Work“ wieder in einen operativen Zustand zu versetzen oder verbleibende Unklarheiten implizit beseitigen zu können. Es können jedoch Situation auftreten, in denen die aktuelle Arbeitspraxis nicht mehr soweit angepasst werden kann, dass die „Production Work“ wieder aufgenommen werden kann. Dies ist vor allem in Situationen der Fall, in denen es zu massiven Veränderungen des Arbeitskontexts gekommen ist (etwa durch veränderte Vorschriften, neue Werkzeuge oder Personaländerungen). In diesen Fällen muss die Arbeitspraxis selbst hinterfragt werden, was nach (Corbin und Strauss, 1993) im Wesentlichen einer Neuplanung unter Berücksichtigung der bislang gemachten Erfahrungen entspricht. Diese Überarbeitung ist immer explizit und kann je nach Durchführungskontext wiederum zu „visible“ oder „invisible work“ führen. Sie umfasst je nach Art des aufgetretenen Problems „alignment of meaning“ (also die Entwicklung einer gemeinsamen Sicht aller beteiligten Individuen auf die Arbeitsdomäne) und / oder „alignment of procedures“ (also die Abstimmung der Modalitäten der Zusammenarbeit). 39 2.2. Ausprägungen von Articulation Work An dieser Stelle ist es wichtig, nochmals darauf hinzuweisen, dass die getroffenen Unterscheidungen keine strikte, präskriptive Kategorisierung von „Articulation Work“ darstellen. Wie auch von Schmidt und Simone (2000) angemerkt27, sind die Grenzen zwi- schen den unterschiedlichen Ausprägungen von „Articulation Work“ fließend. Auch die Kontexte, die zur Durchführung einer bestimmten Ausprägung führen, sind dynamisch und können sich während der Durchführung der „Articulation Work“ selbst ändern. Für diese Arbeit bedeutet dies, das sich die Unterstützung von „Articulation Work“ nicht auf eine bestimmte Ausprägung beschränken darf – vielmehr muss ein Weg gefunden werden, unterschiedliche Anforderungen an die gegenseitige Abstimmung in unterschiedlichen Kontexten zu realisieren. In der Darstellung nicht enthalten sind die Unterscheidungen, die nach (Fjuk et al., 1997) auf die „Activity Theory“ zurückzuführen sind. Es sind dies die Unterscheidung nach Kooperations-Art der Arbeit („individuell“ vs. „lose kooperativ“ vs. „eng koopera- tiv“) und dem Abstraktionsgrad der „Articulation Work“ (abstrakt zwischen „activity“ und „action“ vs. konkret zwischen „action“ und „operation“). Hintergrund der Entschei- dung, diese Unterscheidungen in der Abbildung zu vernachlässigen, ist deren fehlende Wirkung auf die Ausprägung der durchgeführten „Articulation Work“ (implizit oder ex- plizit). In allen Kooperations-Arten ist die Durchführung von sowohl impliziter als auch expliziter „Articulation Work“ auf beiden Abstraktionsstufen denkbar. Es ändert sich lediglich die konkrete Ausgestaltung der „Articulation Work“ bzw. die Notwendigkeit einer eventuellen Unterstützung. Außerdem fehlt in der Darstellung die Unterscheidung anhand der Reichweite von „Articulation Work“ nach (Færgemann et al., 2005). Diese hat durchaus Einfluss auf die Ausprägung der durchgeführten „Articulation Work“, steht aber vollständig orthogonal zu den abgebildeten Unterscheidungen. Die Komplexität der Darstellung wäre deshalb durch die Integration dieser Unterscheidung auf ein Maß angestiegen, das eine sinn- volle Interpretation der Grafik nicht mehr zugelassen hätte. Die Reichweite ist deshalb implizit in der Unterscheidung nach „routine“ und „non-routine work“ codiert, da domä- nenübergreifende Arbeitssituationen tendenziell eher „non-routine“ bzw. „problematic“ sind und dadurch eher zu expliziterer „external Articulation Work“ führen. Auf Basis dieser dargestellten Struktur werden die im folgenden Abschnitt beschrie- benen Arbeitsaspekte in unterschiedlichen Ausprägungen von „Articulation Work“ ab- gestimmt bzw. koordiniert. Jede dieser Ausprägungen muss in den unterschiedlichen Kontexten, in denen sie auftreten können, verschieden stark und mit unterschiedlichen Mitteln unterstützt werden. Abschnitt 2.4 widmet sich auf Basis einer Literaturstudie 27„As already indicated, the general modalities of articulation work which we for the sake of clarity discussed separately — ad hoc alignment and improvisation on the basis of mutual awareness versus action constrained by coordinative artifacts and protocols — are not ‘natural kinds’ in the Aristotelian sense: they do not exist as distinct domains of action, they are analytical distinctions.“(Schmidt und Simone, 2000, S. 7) 40 2.3. Abzustimmende Arbeitsaspekte dem State-of-the-Art der Möglichkeiten dieser Unterstützung aus organisationer, metho- discher und technischer Sicht. 2.3. Abzustimmende Arbeitsaspekte Bei der Durchführung von „Articulation Work“ ist das Ziel etwaige im Rahmen eines Arbeitsablaufs aufgetreten Unklarheiten oder Probleme aufzulösen. Diese Probleme und Unklarheiten können unterschiedliche Aspekte der Arbeit (etwa die durchzuführenden Schritte, die beteiligten Personen und Verantwortlichkeiten oder die zu verwendenden Ressourcen) betreffen. Um „Articulation Work“ umfassend zu beschreiben und eine fun- dierte Unterstützung gewährleisten zu können, ist eine nähere Beschäftigung mit diesen potentiell abzustimmenden Arbeitsaspekten notwendig. Abbildung 2.4 zeigt eine Übersicht über Aspekte, die im Rahmen von „Articulation Work“ Gegenstand der Abstimmung zwischen den beteiligten Individuen sein können (entnommen aus (Schmidt und Simone, 1996)). In Abbildung 2.5 sind diese Aspekte nochmals hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen ihnen diagrammatisch dargestellt. Obwohl diese Übersicht aus Beobachtungen induktiv abgeleitet ist und keinen An- spruch auf Vollständigkeit erhebt, zeigt sie doch eine Anzahl von konkreten Ausprägun- gen der von Strauss angeführten Dimensionen von Arbeit, die im Rahmen von „Arti- culation Work“ abzustimmen sind („Wer?“, „Was?“, „Wann/Wo?“ und „Wie?“). Die Autoren klären also, welche Aspekte von Arbeit konkret von der Abstimmung betroffen sein können. Mit der Unterscheidung zwischen den nominalen Aspekten von Arbeit und der konkreten Manifestation eines Arbeitsablaufs im organisationalen Kontext stellen die Autoren einen in dieser Form bislang nicht explizit angesprochenen Unterschied bei der Durchführung von „Articulation Work“ dar. Konzeptuell unterscheiden die Autoren auch zwischen Arbeitsaspekten, die den Ar- beitsablauf an sich betreffen („cooperative work arrangement“) und Aspekten, die den Durchführungsrahmen der Arbeit, also deren Umfeld oder organisationalen Kontext be- schreibt („field of work“). Die Berücksichtigung beider Aspekte wird bereits bei Strauss (1988) als ein wesentliches Merkmal von „Articulation Work“ identifiziert, bei Schmidt und Simone (1996) aber erstmals in dieser expliziten Form dargestellt und abgegrenzt. Konkret nimmt also die Frage nach dem „Womit?“ – also den Arbeitsmitteln, den Ressourcen bzw. dem Arbeitsumfeld an sich – sowohl auf konzeptueller als auch auf konkreter Ebene eine großen Stellenwert ein. Die Behandlung dieses Aspektes dient vor allem der Bildung einer gemeinsamen Sichtweise auf den Arbeitskontext, in dem der betreffende Arbeitsablauf abgehandelt wird. 41 2.3. Abzustimmende Arbeitsaspekte Abbildung 2.4.: Abzustimmende Arbeitsaspekte (entnommen aus (Schmidt und Simone, 1996)) 42 2.4. Unterstützung von Articulation Work Abbildung 2.5.: Zusammenhänge zwischen Arbeitsaspekten (entnommen aus (Divitini und Simone, 2000)) Von Interesse sind auch die den einzelnen Aspekten zugeordneten Prädikate, die eine Aussage über die konkret durchzuführenden Aktivitäten zulassen. Diese Aktivitäten sind sowohl dem Bereich der „Production Work“ (z.B. „do“, „use“) als auch der „Articula- tion Work“ zuzuordnen (z.B. „assign to“, „allocate“). Zum Teil sind auch Beziehungen zwischen den Aspekten angeführt, die eine notwendige Abstimmung über die Grenzen der einzelnen Aspekte hinweg anzeigen (z.B. „Task realized by Activity“ oder „Role responsible for Task“). Für diese Arbeit ist die Beschreibung der abzustimmenden Aspekte von Interesse, als dass an diesen die Effektivität der Durchführung von „Articulation Work“ beobachtet werden kann. Diese Effektivität ist dann gegeben, wenn eine gemeinsame Sichtweise auf die abzustimmenden Gegenstände, konkret also die relevanten Aspekte des Arbeitsab- laufs selbst sowie jene aus dessen Umfeld, entwickelt wurde. 2.4. Unterstützung von Articulation Work Nach den ersten Arbeiten von Strauss zum Thema „Articulation Work“ wurde das Kon- zept bald als Erklärungsmodell für die Vorgänge aufgenommen, die im Zuge kooperativer Arbeit ablaufen. Bereits 1986 verweisen Gerson und Star auf die Notwendigkeit einer expliziten Unterstützung von „Articulation Work“28. Anhand der historischen Entwick- lung von Mitte der 1980er-Jahre bis Ende des ersten Jahrzehntes des neuen Jahrtausends werden in den folgenden Abschnitten Maßnahmen zur Unterstützung beschrieben und in den jeweiligen Anwendungskontext gesetzt. Hierbei werden alle Arbeiten berücksichtigt, die sich direkt auf den von Strauss geprägten „Articulation Work“-Begriff beziehen. 28„Methods for analyzing due process means, in this perspective, explicit procedures for evaluating and reconciling incompatibilities among different bodies of tacit local knowledge.“(Gerson und Star, 1986, S. 266) 43 2.4. Unterstützung von Articulation Work In der Literatursuche wurden dazu Datenbanken aus den Bereichen Informatik, Psy- chologie, Soziologie, den Wirtschaftswissenschaften sowie der Organisationslehre durch- sucht (für eine detaillierte Auflistung siehe Abschnitt A.1). Nach der initialen Suche wurde jeweils auch die in den gefundenen Arbeiten referenzierte Sekundärliteratur auf- gearbeitet. Des weiteren wurden mit Hilfe von rückwärts verlinkenden Datenbanken (wo vorhanden) Publikationen erfasst, die die bislang gefundenen Arbeiten referenzieren und diese hinsichtlich ihrer Relevanz überprüft. Insgesamt ergab sich so eine Sammlung von 70 Publikationen (inklusive der grundlegenden Arbeiten, die bereits oben beschrieben wurden). Von diesen 70 Publikationen wurden 13 Arbeiten im Kontext dieses Abschnitts einer näheren Betrachtung unterzogen, da sie Aussagen zur Unterstützung von „Arti- culation Work“ treffen. Die übrigen Publikationen geben hierzu keine Aussage ab oder sind im Kontext größerer Forschungsvorhaben entstanden, die bereits durch eine reprä- sentative Arbeit in der detaillierten Betrachtung enthalten sind. Sämtliche Arbeiten sind in Anhang A hinsichtlich ihres Inhalts beschrieben und ihrer Relevanz für die Unterstützung von „Articulation Work“ beurteilt. In Anhang A ist außerdem eine Übersichtsgrafik zu finden, die das gesamte Feld an Publikationen zum Thema „Articulation Work“ visualisiert und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Arbeiten und Forschungsvorhaben aufzeigt. 2.4.1. Vorgehen zur detaillierten Betrachtung Zur strukturierten Betrachtung der Unterstützung von „Articulation Work“ wird ein einheitlicher Raster angewandt, anhand dessen die aus unterschiedlichen Forschungs- gebieten stammenden und in unterschiedlichen Anwendungsdomänen angewandten Ar- beiten einander gegenüber gestellt werden können. Neben den eigentlichen Unterstüt- zungsmaßnahmen ist zur Bewertung derselben auch Kontextinformation notwendig, die die unterschiedlichen Ansätze offenlegt. Folgende Merkmale bzw. Inhalte einer Arbeit werden dazu betrachtet: Kontext Forschungsgebiet aus dem das Konstrukt „Articulation Work“ betrachtet wird bzw. in dessen Kontext es zur Anwendung gebracht wird und / oder abstraktes oder konkretes Problemfeld, in dem „Articulation Work“ als Analysedimension oder zur Ableitung von Maßnahmen angewandt wird. Unterstützung Konkrete oder abstrakte Maßnahmen oder Werkzeuge, die zur Unter- stützung von „Articulation Work“ vorgeschlagen und/oder umgesetzt werden. Ggf. unterschieden in • organisationale Unterstützung • methodische Unterstützung • technische Unterstützung 44 2.4. Unterstützung von Articulation Work Auswirkungen Tatsächliche oder vermutete Auswirkungen der Unterstützung auf die durchgeführte „Articulation Work“. Bewertung Zusammenfassung des Beitrags der Arbeit zur Unterstützung von „Articu- lation Work“ hinsichtlich der unterstützten Ausprägungen inklusive einer Beur- teilung der möglichen Generalisierbarkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen bzw. vorgestellten Werkzeuge. Die als relevant betrachteten Publikationen sind methodisch unterschiedlich ausgerich- tet. Ein großer Anteil beschreibt rein empirisch-deskriptiv ein beobachtetes Phänomen und zieht Schlüsse hinsichtlich möglicher bzw. notwendiger Ausprägungen von „Articu- lation Work“ in bestimmten Anwendungsdomänen. Ein anderer Teil fokussiert auf die organisationale und/oder technische Unterstützung von „Articulation Work“, zum Teil ohne auf eigene empirische Ergebnisse aufzubauen oder diese zu erheben. Aus diesem Grund kann das oben angegebene Raster nicht immer vollständig befüllt werden. Wo hin- sichtlich einer bestimmten Dimension keine Information vorhanden ist, wird explizit im Text darauf hingewiesen. Wo mehrere Publikation eines Autors oder einer Gruppe zum gleichen Forschungsgegenstand existieren, wurden die umfassendsten Arbeiten (i.A. jene, die das jeweilige Forschungsvorhaben abschließend beschreiben) herausgegriffen und ex- emplarisch detailliert ausgearbeitet. Alle übrigen Arbeiten des Forschungsgegenstandes A sind in entsprechend der jeweils hier beschriebenen Publikation zugeordnet. 2.4.2. Modeling Articulation Work in Software Engineering Processes Die erste Publikation, die sich mit der organisationalen Unterstützung von „Articulation Work“ in Form der expliziten Berücksichtigung von „Articulation Work“ in formalisier- ten Ablaufmodellen beschäftigt, ist die Arbeit von Mi und Scacchi (1991). Kontext Mi und Scacchi (1991) betrachten „Articulation Work“ im Kontext der Softwareentwick- lung und argumentieren für deren explizite Berücksichtigung in Software Engineering Prozessen. In einer Literaturstudie zeigen sie, dass (die zum Zeitpunkt der Erstellung) verfügbaren Software-Engineering-Prozess-Modellierungs-Techniken die Einbindung von „Articulation Work“ in die Vorgehensmodelle nicht ermöglich29. Die Autoren selbst ha- ben ihren Hintergrund ebenfalls in der Domäne des Software Engineering und wählen ihren Zugang zu Thematik dementsprechend, indem sie eine formale Abbildung des „Ar- 29„After we compare these findings with the process modeling techniques, it becomes apparent that current software process modeling techniques do not directly address articulation work.“(Mi und Scacchi, 1991, S. 192) 45 2.4. Unterstützung von Articulation Work ticulation Work“-Prozesses und eine Unterstützung durch regelbasierte Heuristiken zur Lösungsfindung vorschlagen. Unterstützung Die Autoren formalisieren im ersten Schritt den Ablauf von „Articulation Work“ im Kontext von Softwareengineering (siehe Abbildung 2.6). Die einzelnen Schritte leiten sie aus drei empirischen Studien ab, die sowohl hinsichtlich ihres Inhalts als auch ihrer Durchführung nicht näher beschrieben werden. Abbildung 2.6.: Artikulations-Prozess (entnommen aus (Mi und Scacchi, 1991)) Die Autoren beziehen sich also offensichtlich auf explizite „Articulation Work“, die „ad-hoc“ – beim Auftreten eines Problems im Software Engineering Prozess – ausgelöst wird. Zur Durchführung dieses Prozesses schlagen die Autoren einen Satz von regelbasier- ten Heuristiken vor, aus denen die betroffenen Individuen (hier: „agents“) auswählen können. Diese Heuristiken beschreiben mögliche Tätigkeiten im Zuge der „Articulati- on Work“ (ausdefiniert durch ECA30-Regelsätze). Dabei geben die Autoren Heuristiken zur Problemlösung („problem-solving heuristics“, die der direkt Behebung der aufgetre- tenen Probleme dienen) und Heuristiken zur Auswahl geeigneter Lösungen („selection heuristics“) an. 30Event-Condition-Action 46 2.4. Unterstützung von Articulation Work Auswirkungen Das vorgeschlagene System wurde auf konzeptueller Ebene entwickelt und nicht prak- tisch umgesetzt. Insofern existieren keinerlei reale Erfahrungen mit dem Ansatz. Anhand eines hypothetischen Beispiels demonstrieren die Autoren jedoch die Anwendung des Modells und der Heuristiken. Der Vorteil liegt im Wesentlichen darin, dass der „Articulation Work“-Prozess durch seine Formalisierung bekannt ist („visible“ in Sinne der Ausführungen in Abschnitt 2.2.2) und dementsprechend auch offiziell auftreten „darf“. Durch den vorgegebenen Satz an Heuristiken sind außerdem die Alternativen zur Problembehandlung und deren Durch- führung bekannt. Die Autoren geben diese Heuristiken für den Bereich des Software- Engineering an, betonen aber deren exemplarischen Charakter – die Heuristiken und vor allem deren konkrete Umsetzung (durch die Spezifikation von ECA-Regeln) müssen an die jeweilige Arbeits-Domäne angepasst werden. Bewertung Das vorgeschlagene Prozess-Modell von „Articulation Work“ bildet den Ablauf auf so abstrakter Ebene ab, dass es für „ad-hoc explicit Articulation Work“ zur Lösung unmit- telbar auftretender Probleme allgemein (d.h. unabhängig von der Anwendungsdomäne) anwendbar ist und auch in mit den von Corbin und Strauss (1993) genannten Schritten bei der Durchführung expliziter „Articulation Work“ in Einklang gebracht werden kann. Die Angabe von (exemplarischen) Heuristiken zur Durchführung des Artikulations- Prozesses ist insofern sinnvoll, als dass diese domänen- und organisations-spezifische Lösungsstrategien auch für unerfahrene Teilnehmer zugänglich machen können. In Bezug auf die Generalisierbarkeit des Ansatzes problematisch zu sehen ist jedoch die Verwendung von ECA-Regeln zur Spezifikation der Durchführung der einzelnen Heu- ristiken. Die Angabe derartiger Regeln ist nicht in allen Anwendungsbereichen in einem sinnvollen Detaillierungsgrad möglich. Vor allem soziale Prozesse in kooperativen Um- gebungen, auf die die Autoren der ursprünglichen Literatur zum Thema „Articulation Work“ stark Bezug nehmen, können in diesen Regeln nicht sinnvoll (im Sinne einer Durchführungsvorschrift) abgebildet werden. Kontext Unterstützung von Software Engineering Art von AW ad-hoc explizit Unterstützung organisational durch Formalisierung und a-priori- Spezifikation des Articulation-Prozesses („Was?“) und dessen Ausgestaltung („Wie?“) Auswirkungen Definiertes Vorgehen, wie „Articulation Work“ durchge- führt werden muss 47 2.4. Unterstützung von Articulation Work 2.4.3. Taking CSCW seriously: Supporting Articulation Work Schmidt und Bannon (1992) begründen mit dieser Arbeit eine Entwicklungsrichtung der CSCW, die neben der Unterstützung der eigentlichen produktiven Arbeit auch auf die Unterstützung von „Articulation Work“ fokussiert. Sie beschreiben damit erstmals Anforderungen an die und Möglichkeiten der technische Unterstützung von „Articulation Work“. Kontext Schmidt und Bannon (1992) widmen sich in ihren Ausführungen der kooperativen Arbeit und der Unterstützung derselben durch Computersysteme. Sie argumentieren, dass zum Zeitpunkt der Erstellung der Arbeit CSCW auf einer sehr formalisierten, strukturierten Sichtweise von kooperativer Arbeit aufbaut (z.B. im Sinne einer präskriptiven Workflow- Unterstützung) und Aspekte wie individuelle Arbeitsweise und Kommunikation unter den Beteiligten vernachlässigt. Dieser Sichtweise setzen sie einen Ansatz entgegen, der auch die Unterstützung von „Articulation Work“ berücksichtigt und damit den handeln- den Individuen selbst die Kontrolle über die Interaktion gibt31. Die Autoren selbst arbeiten vor ihrem Hintergrund aus der Informatik, der Soziolo- gie und den Arbeitswissenschaften. Sie stellen die Technologie nicht ins Zentrum ihrer Überlegungen, sondern betonen deren unterstützende Funktion für Individuen, die in Or- ganisationen arbeiten. Die Untersuchungsdomäne ist dabei explizit nicht eingeschränkt, kooperative Arbeit wird in allen ihren Ausprägungen und in beliebigen Kontexten be- trachtet32. Unterstützung Bei ihren Ausführungen zur unterstützenden Wirkung von CSCW bei „Articulation Work“ konzentrieren sich die Autoren auf zwei Aspekte von CSCW und zeigen, wie diese ausgestaltet sein müssen, um „Articulation Work“ zuzulassen bzw. zu unterstützen. Der erste Aspekt, auf den eingegangen wird, ist die Unterstützung von Workflows durch Computersysteme. Um hier „Articulation Work“ zu berücksichtigen, ist die Unter- stützung der Selbst-Organisation der kooperierenden Personen ein zentraler Punkt33. In 31„Thus, by entering into cooperative work relations, the participants must engage in activities that are, in a sense, extraneous to the activities that contribute directly to fashioning the product or service and meeting requirements.“(Schmidt und Bannon, 1992, S. 8) 32„In sum, we certainly want CSCW to address the aspects of computer support for cooperative work wherever they occur.“(Schmidt und Bannon, 1992, S. 11) 33„Computer support of cooperative work should aim at supporting self-organization of cooperative ensembles as opposed to disrupting cooperative work by computerizing formal procedures.“(Schmidt und Bannon, 1992, S. 17) 48 2.4. Unterstützung von Articulation Work diesem Sinne argumentieren die Autoren gegen einen fixen, unveränderlich vorgegebenen Workflow mit a-priori definierten Zuständigkeiten, sondern schlagen die Ermöglichung bzw. Unterstützung von Aushandlungsprozessen vor, in denen der Arbeitsablauf ent- sprechend dem aktuellen Arbeitskontext angepasst und kooperativ abgearbeitet werden kann. Anhand der angeführten Beispiele wird deutlich, dass dabei eher von „Articulation Work“ zur Koordinierung etablierter Arbeitsprozesse ausgegangen wird, die vorgeschla- gene Unterstützungsfunktionalität ist jedoch auch für „ad-hoc Articulation Work“ sinn- voll anzuwenden (in Klammer jeweils die Zuordnung zur Art von „Articulation Work“): • Offenlegung des der Workflowunterstützung zugrunde liegenden Modells und Un- terstützung der Interpretation und Reflexion desselben („ad-hoc implicit and ex- plicit Articulation Work“) • Unterstützung der Anpassung des Modells an den aktuellen Arbeitskontext („ex- plicit resolving contingencies“) • Ermöglichung der flexiblen Anwendung bzw. dynamischen Veränderung des Mo- dells während der Ausführung des Arbeitsablaufs („implicit and explicit coordina- tion of predefined work“) • Unterstützung zur Veränderung bzw. Neuerstellung von Modellen, um die Arbeit an veränderte organisationale Rahmenbedingungen anzupassen („reworking arran- gements“) • Dokumentation und Kommunikation aller Veränderungen des Modells oder Ab- weichungen während der Ausführung (in allen Fällen) • Unterstützung der Aushandlung eines gemeinsamen Verständnisses des Modells („ad-hoc explicit Articulation Work“) Der zweite Aspekt, auf den näher eingegangen wird, ist jener der Kooperation mit- tels geteilter Informationsräume, also Ablagesysteme für Informationen, auf die mehrere Personen Zugriff haben. Als zentral wird hier die Unterstützung der Entwicklung einer einheitlichen Interpretation der verfügbaren Information gesehen34. Die Autoren führen hier drei Funktionen an, die ein CSCW-System unterstützen muss: • Unterstützung der Identifikation des Erstellers die Information • Offenlegung der Kontexts der Information (im Sinne einer Relation zur Ursprungs- bzw. Anwendungsdomäne) • Kontrolle über den Zugriff auf Information durch den Ersteller Die genannten Aspekte zielen allesamt nicht auf die Unterstützung direkter Interaktion ab, sondern ermöglichen durch die Erfassung von Metadaten im Wesentlichen eine Beur- teilung von geteilt verfügbarer Information durch Individuen, während diese damit arbei- 34„At the level of the objects themselves, shareability may not be a problem, but in terms of their interpretation, the actors must attempt to jointly construct a common information space which goes beyond their individual personal information spaces.“(Schmidt und Bannon, 1992, S. 21) 49 2.4. Unterstützung von Articulation Work ten. Die „Articulation Work“, die hier unterstützt wird, ist durch die semi-automatisierte Erfassbarkeit bzw. die automatisierte Anzeige zumeist implizit. Auswirkungen Aufgrund der konzeptuellen Natur der Arbeit stehen keine Angaben zu etwaigen Aus- wirkungen der Maßnahmen zur Verfügung. Bewertung Schmidt und Bannon (1992) sind die ersten, die sich mit der technischen Unterstüt- zung von „Articulation Work“ in beliebigen Anwendungsdomänen und in all ihren Aus- prägungen beschäftigen. Sie geben dabei Anforderungen („Was?“) an diese technische Unterstützung an, gehen jedoch nicht auf deren Umsetzung („Wie?“) ein. Auf Anforderungsebene wird jedoch umfassend hinsichtlich unterschiedlicher Artikulations- Bedürfnisse argumentiert, so dass die Arbeit als Grundlage zur Konzeption einer kon- kreten technischen Unterstützung von „Articulation Work“ herangezogen werden kann. Kontext Umsetzung von CSCW-Systemen (Workflow-Support, Shared Information Spaces, Cooperative Tools) Art von AW alle Arten und Ausprägungen von „Articulation Work“ (Workflow Planung und Unterstützung), implizit (Infor- mation Sharing) Unterstützung technisch durch Maßnahmen, die sowohl die selbstge- steuerte Anpassung von Arbeitsabläufen an den aktu- ellen Arbeitskontext als auch die Entwicklung eines ge- meinsamen Verständnis über den Arbeitsablauf und die verwendeten Arbeitsartefakte ermöglicht Auswirkungen — 2.4.4. Supporting articulation work using software configuration management systems Grinter (1996) führt in dieser Arbeit die Ideen von Bendifallah und Scacchi (1987) und Schmidt und Bannon (1992) weiter und zeigt, wie die Softwareentwicklung als koopera- tiver Prozess durch computerbasierte Werkzeuge unterstützt werden kann. 50 2.4. Unterstützung von Articulation Work Kontext Die Autorin betrachtet die Rolle von „Articulation Work“ im Kontext der Softwareent- wicklung und zeigt anhand zweier qualitativer empirischer Studien die Auswirkungen eines computerbasierten Configuration Management Systems bei der kooperativen Er- stellung von Software. Grinter beschäftigt sich mit zwei Arten von Aufgaben, die im Rahmen eines Software- Entwicklungs-Prozesses im Rahmen von „Articulation Work“ zu bewältigen sind. Einer- seits ist die tägliche Arbeit abzustimmen, so dass sichergestellt ist, dass die gerade erstell- te Software korrekt funktioniert. Andererseits muss sichergestellt werden, dass auch das gesamte Produkt als Einheit funktioniert. Während die erstere Herausforderung durch das in den Fallstudien eingesetzte Configuration Management System unterstützt wurde (im Rahmen von „resolving contingencies“, die sowohl implizit als auch explizit war), waren im zweiten Fall organisationale Maßnahmen wie die Bildung von Koordinations- Kommitees (also „explicit coordination of predefined work“) notwendig. Unterstützung In der Arbeit detailliert beschrieben sind die Eigenschaften und Auswirkungen des Con- figuration Management Systems, so dass hier nur dessen Unterstützungsleistung berück- sichtigt werden kann. Konkret muss hier weiter auf jene Fälle von „resolving contingen- cies“ eingeschränkt werden, die von Problemen in Arbeitsabläufen ausgelöst werden, die auf konfliktionierende (Teil-)Ergebnisse der produktiven Arbeit zurückzuführen sind (hier: simultan editierter Source-Code, der nicht automatisiert zusammengeführt werden kann) Während der Entwicklung von Software wird durch das Configuration Management System dargestellt, ob bzw. durch wen ein bestimmter Teil des Source Codes zur Zeit bearbeitet wird. So kann die simultane und potentiell zu Konflikten führende Bearbei- tung durch andere Personen vermieden werden. Diese Information muss weder explizit ins System eingepflegt noch abgerufen werden und ist deshalb als Unterstützung von impliziter „Articulation Work“ zu klassifizieren. Sind bereits Konflikte aufgetreten, unterstützt das System die Auflösung derselben durch eine adäquate Darstellung der betroffenen Teile des Source Codes, so dass den zusammenarbeitenden Individuen eine Grundlage zur Erörterung und Auflösung des Konflikts zur Verfügung steht. Diese Darstellung muss „geeignet“ sein – welche Arten von Zusatzinformation und welche Form der Darstellung dies gewährleistet, ist domä- nenabhängig. Im konkreten Fall wird die zusätzliche Angabe einer Begründung für Än- derungen in Source Code Teilen empfohlen, um bei der Auflösung der Konflikte fundiert argumentieren zu können. 51 2.4. Unterstützung von Articulation Work Auswirkungen Den Software Entwicklern wird die Freiheit gelassen, Konflikte durch sequentielle Bear- beitung zur vermeiden oder diese (z.B. aus Zeitdruck) bewusst in Kauf zu nehmen und deren Auflösung ggf. in einem separaten Schritt durchzuführen. Bewertung Die Arbeit von Grinter (1996) geht auf einen Spezialfall von „resolving contingencies“ ein und zeigt, welche Unterstützungsleistung ein Software-Werkzeug bei der Ausgestal- tung eines Arbeitsprozesses leisten kann, in dem sich die produktive Arbeit stark an Artefakten (hier: Source-Code) materialisiert. In derartigen Arbeits-Umgebungen sind die vorgeschlagenen bzw. beschriebenen technischen Maßnahmen sinnvoll und führten in den angeführten Fällen zum Erfolg. Kontext Unterstützung von Software Entwicklung Art von AW „resolving contingencies“ implizit und explizit (zur Ver- meidung bzw. zur Beseitigung von konfliktionierenden Arbeitsergebnissen) Unterstützung resolving contingencies implizit: Visualisierung aktuell durch andere Personen bearbeitete bzw. verwendete Ar- beitsgegenstände; resolving contingenciesv explizit: ad- äquate Darstellung der konfliktionierenden Ergebnisse (Darstellung domänenabhängig) Auswirkungen Wahlfreiheit der interagierenden Individuen bei der Aus- gestaltung ihres Arbeitsablaufs. 2.4.5. Coordination Mechanisms: Towards a Conceptual Foundation of CSCW Systems Design Schmidt und Simone (1996) entwickeln in ihrer Arbeit ein generisches Vorgehen zur Kon- zeption von technischer Unterstützung von „Articulation Work“. Aufbauend auf früheren Arbeiten der Autoren (z.B. (Schmidt, 1990) und (Schmidt und Bannon, 1992)) formu- lieren die Autoren eine Notation zur Spezifikation von CSCW-Systemen, die auf der Unterstützung von „Articulation Work“ aufbauen. Kontext Die Arbeit führt den in früheren Arbeiten der Autoren bereits propagierten Ansatz der Konzeption von CSCW-Systemen zur Unterstützung von „Articulation Work“ fort. Die Herangehensweise ist stark technisch orientiert, begründet sich jedoch immer aus dem 52 2.4. Unterstützung von Articulation Work jeweiligen Anwendungskontext oder theoretischen Überlegungen aus den Arbeitswissen- schaften. Unterstützung Die Autoren legen einen klaren Fokus auf die technische Unterstützung von „Articulation Work“ in der Form von CSCW-Systemen, für die sie eine Notation zur Spezifikation derselben entwickeln. Bevor sie jedoch im Detail auf deren Entwicklung eingehen, führen sie – als Grundlage für die weitere Entwicklung und als historischen Kontext – etablierte organisationale Maßnahmen zur Unterstützung von „Articulation Work“ an. Bei den angeführten organisationalen Maßnahmen führen die Autoren die Nützlich- keit von Artefakten, die für ihren Anwendungsbereich die notwendige Durchführung von „Articulation Work“ formalisieren und definieren und damit die Komplexität der alltäglich Interaktion reduzieren35. Beispiele für derartige Artefakte sind etwa Check- listen, Formulare zur Meldung von Fehlern o.ä.. Die Artefakte sind dabei immer Teil eines „Koordinationsmechanismus“, der den Umgang mit einer aufgetretenen Situation oder einer Aufgabe beschreibt. Neben dem Artefakt enthält dieser Mechanismus auch ein „Koordniationsprotokoll“, das den Ablauf bzw. das Vorgehen und den Umgang mit dem Artefakt beschreibt. Diese Protokolle sind dabei nicht als strikt vorgegebenen Ab- laufmuster zu verstehen, sondern sollen Individuen ermöglichen, in Standardfällen ohne Planungsaufwand ein fixes Vorgehen zur Verfügung zu haben und bei Bedarf dieses an den jeweiligen Fall anpassen zu können (in Sinne von „situated action“ (Suchman, 1987))36. Die Rolle des Artefakts ist dabei die „Vergegenständlichung“ des Protokolls und damit die Erhöhung der Zugänglichkeit desselben. Außerdem repräsentiert das Ar- tefakt während der Durchführung der „Articulation Work“ deren aktuellen Status und Fortschritt. Aus all diesen Ausführungen kann abgeleitet werden, dass sich die Autoren immer auf explizite „Articulation Work“ im Arbeitsablauf beziehen. Der eigentliche Schwerpunkt der Arbeit ist jedoch die technische Unterstützung von „Articulation Work“. Aufbauend auf den zuvor ausgeführten organisationalen Maßnah- men wird gezeigt, wie diese durch technische Mittel umgesetzt und unterstützt bzw. verbessert werden können. Die Grundidee besteht darin, sowohl die Artefakte als auch Teile der Protokolle in den Rechner zu transferieren und durch die digitale Repräsenta- tion die Flexibilität zu gewinnen, die bei „coordination of predefined work“ im konkre- 35„Faced with a high degree of complexity of articulation work, cooperating actors typically use a special category of artifacts which, in the context of a set of conventions and procedures, stipulate and mediate articulation work and thereby are instrumental in reducing its complexity and in alleviating the need for ad hoc communication.“(Schmidt und Simone, 1996, S. 159) 36„As a generalization, we find that a protocol stipulates the articulation of distributed activities by conveying affordances and constraints to the individual actor which the actor, as a competent member of the particular ensemble, can apply without further contemplation and deliberation unless he or she, again as a competent member, has accountable reasons not to do so.“(Schmidt und Simone, 1996, S. 173) 53 2.4. Unterstützung von Articulation Work ten Arbeitsablauf notwendig ist. Die grundlegenden Anforderungen an ein technisches System, das „Articulation Work“ unterstützt, sind deshalb auch die Formbarkeit der Koordinationsmechanismen („malleability“, also die Anpassbarkeit an den aktuellen Ar- beitskontext), sowie die Verknüpfbarkeit der Koordiniationsmechnismen untereinander („linkability“), um die in komplexen Arbeitssituationen notwendige Durchführung von mehreren voneinander abhängigen Koordinationsmechnismen zu unterstützen. Diese Forderungen werden im Rahmen des „Ariadne“-Ansatzes umgesetzt, der in (Schmidt und Simone, 1996) konzeptuell beschrieben ist. Die tatsächliche Implemen- tierung von „Ariadne“ wird unter anderem in (Divitini und Simone, 2000) und (Sarini, 2003) beschrieben und ist Gegenstand von Abschnitt 2.4.11. Auswirkungen Da keine konkrete Anwendung des Systems beschrieben wird (bzw. dessen Implemen- tierung zum Zeitpunkt der Erstellung der Arbeit nicht abgeschlossen war), können hier keine praktischen Auswirkungen des Ansatzes angegeben werden. Generell ist zu erwarten, dass durch die Einführung von Koordinationsmechanismen der Aufwand für „coordination of predefined work“ sinkt bzw. deren Komplexität redu- ziert wird. Durch die technische Unterstützung ist es möglich, die notwendige Flexibilität zu wahren, um die spezifizierten Koordinationsmechanismen an den aktuelle Arbeitskon- text anzupassen, sowie den gesamten Verlauf eines „Articulation Work“-Prozesses durch die Verknüpfbarkeit mehrerer Koordinationsmechanismen und dabei trotzdem die Über- nahme der jeweils relevanten Kontextinformation nahtlos zu unterstützen. Bewertung Schmidt und Simone (1996) zeigen umfassend die Unterstützung von expliziter „Arti- culation Work“ unmittelbar in Arbeitsabläufen – die vorgeschlagenen Konzepte können jedoch ebenso auf „Articulation Work“ im Vorfeld von Arbeitsabläufen zu deren Konzep- tion angewandt werden. Die vorgestellte technische Unterstützung setzt die organisatio- nalen Maßnahmen um und ermöglicht die Realisierung von flexiblen, an den jeweiligen Kontext angepassten bzw. anpassbaren Werkzeugen. Vor allem die Konzeptualisierung von Koordinationsmechanismen in Protokolle und Artefakte ist ein wesentlicher Beitrag zum Verständnis der Koordination von Individuen in Arbeitsabläufen und ein Ansatzpunkt zur Reduktion der Komplexität von Abstim- mungsprozessen bzw. deren Vermeidung. Die formulierten Anforderungen an ein technisches System („malleability“ und „linka- bility“) sind vor allem für den unmittelbaren Einsatz in Arbeitsprozessen als wesentliche Erfolgskriterien für die praktische Einsetzbarkeit eines derartigen Systems. 54 2.4. Unterstützung von Articulation Work Kontext Umsetzung von CSCW-Systemen Art von AW explizit, im Regelfall im Arbeitsablauf Unterstützung organisational durch Koordinationsmechanismen, die aus einem vorgeschlagenen Vorgehen („Protokoll“) und einem zugehörigen „Artefakt“ (als Repräsentant des Protokolls und zur Dokumentation) bestehen; technisch durch Umsetzung der Koordinationsmechanismen im Rechner mit dem Ziel, die geforderte Flexibilität und Verknüpfbarkeit derselben zu gewährleisten Auswirkungen Reduktion der Komplexität der „Articulation Work“, Flexibilität bei der Durchführung von „expliziter Arti- culation Work“ 2.4.6. Taking Articulation Work Seriously: An Activity Theoretical Approach Neben den in Abschnitt 2.2.1 bereits beschriebenen konzeptuellen Arbeiten zu „Articu- lation Work“ enthält die Arbeit von Fjuk et al. (1997) auch Ansätze zur Unterstützung von „Articulation Work“. Kontext Fjuk et al. (1997) beschäftigen sich mit der technischen Unterstützung von „Articulation Work“ mittels CSCW-Systemen. Ihre Ansätze leiten sie aus der „Activity Theory“ ab, die ihre Wurzeln in der Psychologie (Leont’ev, 1972) bzw. in ihrer erweiterten Variante in den Arbeitswissenschaften (Engeström, 2000) hat. Unterstützung Entsprechend den in Abschnitt 2.2.1 bereits beschriebenen unterschiedlichen Arten von Arbeit, in denen „Articulation Work“ auftreten kann (individuelle Arbeit, lose und eng gekoppelte kooperative Arbeit), unterscheiden die Autoren auch bei der Betrachtung der Unterstützung von „Articulation Work“ nach diesen drei Gruppen. Im Falle individueller Arbeit kann „Articulation Work“ auf abstrakter Ebene („ac- tion within activity“) durch die automationsgestützte Verwaltung von Arbeitsorganisa- tionswerkzeugen wie Kalendern und Todo-Listen unterstützt werden. Die „Articulation Work“ auf konkreter Ebene („operation within action“) kann – im Falle der computerge- stützten Abwicklung der zugehörigen „Production Work“ insofern unterstützt werden, als dass die Benutzungsschnittstelle so an die Arbeitsdomäne angepasst ist, dass die 55 2.4. Unterstützung von Articulation Work Notwendigkeit der Beschäftigung mit den technischen Eigenschaften und der Bedienung des Systems geringer wird. Bei lose gekoppelter kooperativer Arbeit zielt die geforderte Unterstützung von „Arti- culation Work“ auf die Organisation der Arbeitsteilung ab. Dabei muss unter anderem die Zuordnung von organisationalen Rollen zu beteiligten Individuen, die Erteilung von Zugriffsrechten, sowie die Festlegung von Schnittstellen zwischen den Beteiligten be- rücksichtigt werden. Während des Arbeitsprozesses ist die Verfügbarkeit von expliziten Kommunikationskanälen und Mitteln zur Teilung von Daten notwendig. Bei eng gekoppelter kooperativer Arbeit steigen die Anforderungen an Werkzeuge zur Unterstützung von „Articulation Work“ insofern noch weiter, als dass hier zusätzlich die Aushandlung der Durchführung von konkreten Arbeitsschritten, sowie die Abstimmung untereinander in synchroner Zusammenarbeit unterstützt werden muss. Auswirkungen Die Arbeit beschreibt die Unterstützung von „Articulation Work“ auf rein konzeptueller Ebene und führt keinerlei Auswirkungen derselben auf den Arbeitsprozess an. Bewertung Die Vorschläge der Autoren stehen weitgehend in Einklang mit dem Ausführungen von Schmidt und Simone (1996) (siehe oben). Dies ist insofern bemerkenswert, als dass die Ableitung der Maßnahmen auf Basis der „Activity Theory“ erfolgt, auf die in der anderen Arbeit nicht Bezug genommen wurde. Fjuk et al. formulieren Anforderungen an die technische Unterstützung von „Arti- culation Work“ (in allen Kontexten, vorrangig explizit, in Teilaspekten auch implizit) und führen exemplarisch Werkzeuge an, mit denen diese erfüllt werden können. Sie ge- ben jedoch (im Gegensatz zu Schmidt und Simone (1996)) kein Konzept an, wie die Unterstützung von „Articulation Work“ allgemein (d.h. unabhängig von jeweiligen An- wendungsfall) realisiert werden kann. Kontext Umsetzung von CSCW-Systemen auf Basis der Activity Theory Art von AW alle Unterstützung durch computerunterstützte Werkzeuge zur Arbeitsor- ganisation, Kommunikation und Aushandlung von Zu- sammenarbeit Auswirkungen keine angeführt 56 2.4. Unterstützung von Articulation Work 2.4.7. TeamSpace: an environment for team articulation work and virtual meetings Fuchs et al. (2001) beschreiben ein technisches System, dass die Zusammenarbeit in Gruppen durch Unterstützung von „Articulation Work“ erleichtern soll. Kontext Die Autoren beschreiben die technische Unterstützung von „Articulation Work“ in (ver- teilt arbeitenden) Gruppen mittels CSCW-Technologie. Ihr Anwendungsbereich ist die Softwareentwicklung, in deren Kontext die Teams von Programmierern, die geographisch verteilt sind, bei deren Zusammenarbeit unterstützen. Im Rahmen dieses Anwendungs- gebietes wurde auch eine Studie zur Erhebung der Anforderungen an die technische Unterstützung durchgeführt. Unterstützung Fuchs et al. (2001) präsentieren ein konkret umgesetztes System, das eine Reihe von Werkzeugen zur Unterstützung von „Articulation Work“ bietet: • „Task structured workspace“ Werkzeug zum Aufgabenmanagement und zur geteil- ten Bearbeitung von Informations-Objekten. Dient außerdem als Container für die übrigen Werkzeuge. • „Place-based adaptation to work modes“ Die Autoren unterscheiden unterschied- liche zu unterstützende „work modes“ („work“, „meeting“, „social“) und unter- stützen diese unterschiedlich, indem die Benutzungsschnittstelle an den jeweiligen Modus und dessen Artikulations-Anforderungen adaptiert wird. • „Synchronous and asynchronous communication and awareness“ Werkzeug zur Planung und Durchführung von virtuellen Meetings (inkl. Audio- und Video- Übertragung) sowie Anzeige des aktuellen Tätigkeits- und Verfügbarkeitsstatus von Mitarbeitern. Auswirkungen Das System wurde zum Zeitpunkt der Erstellung des Artikels nicht operativ eingesetzt. Die Autoren treffen auch keine expliziten Aussagen zu den erwarteten Effekten des Sys- tems. 57 2.4. Unterstützung von Articulation Work Bewertung Die Autoren gehen sehr konkret auf einzelne Werkzeuge zur Unterstützung von „Ar- ticulation Work“ ein (ohne diese im Detail abzugrenzen und die zu unterstützenden Aspekte zu motivieren). Sie beziehen sich auf Schmidt und Bannon (1992) und unter- stützen auch die dort genannten wesentlichen Aspekte von „Articulation Work“. Die konzeptuelle Aussagekraft ist ob der Fokussierung auf eine konkrete Implementierung eher gering einzuschätzen. Domäne Umsetzung von CSCW-Systemen zur Unterstützung von Software-Entwicklung Art von AW implizite und explizite „coordination of predefined work“, expliztes „ad-hoc alignment“ Unterstützung technisch Werkzeuge zur aufgaben- und kontextorien- tierten Anpassung der Benutzungsschnittstelle, Werk- zeuge zur Kommunikation und zur Herstellung von Awa- reness Auswirkungen keine angeführt 2.4.8. Supporting different dimensions of adaptability in workflow modeling Divitini und Simone (2000) stellen ein System zur Unterstützung von etablierter koope- rativer Arbeit in Form eines adaptiven Workflow-Systems vor, dessen Verhalten durch die Durchführung von „Articulation Work“ beeinflusst werden kann bzw. die Durchfüh- rung derselben unterstützt. Kontext Die Autoren bauen in ihrer Arbeit auf die von Schmidt und Simone (1996) vorgestellten Konzepte auf und konkretisieren den Aspekt der Koordination von etablierten Arbeits- abläufen („coordinating predefined work“). Dabei nehmen sie Bezug auf die Verwendung von Workflow-Management-Systemen und integrieren die in diesem Bereich etablierten Konzepte mit dem „Ariadne“-Ansatz von Schmidt und Simone (1996). Die Unterstüt- zung von „Articulation Work“ erfolgt damit klar mit technischen Hintergrund. Unterstützung An dieser Stelle werden lediglich jene Unterstützungs-Maßnahmen beschrieben, die über die in der Besprechung der Arbeit von Schmidt und Simone (1996) bereit genannt wur- den, hinausgehen. Die Autoren schlagen vor, verteilte Arbeit bzw. deren Abstimmung 58 2.4. Unterstützung von Articulation Work anstatt mit WfMS37 mit „Computational Coordination Mechanisms“ zu unterstützen. Diese Koordinations-Mechanismen sind an den jeweiligen Anwendungsfall angepasste computerbasierte Werkzeuge, die die Abstimmung der beteiligten Individuen während der Durchführung eines Arbeitsablaufs unterstützten sollen. Wesentlich ist, dass das hier vorgeschlagene Konzept die domänenabhängige Spezifikation dieser „Computational Co- ordination Mechanisms“ umfasst bzw. auf diesem basiert. Aufbauend auf den in Abschnitt 2.3 bereits beschriebenen abzustimmenden Arbeitsas- pekten (hier: „Categories of Articulation Work“) können abhängig vom abzustimmenden Aspekt Sprachen entworfen bzw. existierenden Sprachen auf diese Aspekte abgebildet werden. Dies ermöglicht eine domänengerechte Spezifikation von „Computational Coor- dination Mechanisms“ und damit die Unterstützung von „Articulation Work“ bereits in der Phase der Planung eines Arbeitsablaufs. Das so spezifizierte System unterstützt in der Folge die Ausführung von Arbeitsabläu- fen. Es erlaubt auch (gesteuert durch ein festgelegtes Berechtigungssystem) unterschied- lich starke, temporäre oder permanente Änderungen des spezifizierten Koordinations- mechanismus. Auswirkungen Die Autoren machen keine Angaben über eine konkrete Anwendung des Ansatzes in der Praxis. Durch die flexible Spezifikationsmöglichkeit der Koordinationsmechanismen ist laut den Autoren eine reduzierte Komplexität bei der Spezifikation bzw. die exaktere Abbildung der relevanten Information möglich38. Bewertung Die vorliegende Arbeit nimmt erstmals auf die Rolle von Modellen bei der technischen Unterstützung von „Articulation Work“ Bezug. Die Autoren argumentieren, dass die Ad- äquatheit der Repräsentationsform von Information im Rahmen expliziter „Articulation Work“ ein wesentliches Erfolgskriterium ist. Obwohl die konkrete technische Umsetzung nicht beschrieben ist, ist diese konzeptuelle Anforderung für das weitere Vorgehen be- rücksichtigenswert. 37Workflow-Management-System 38„[. . . ] overcome some of the limits of almost all current approaches to process modeling [. . . ]: either a restricted language focusing on a specific type of representation or a language comprehensive of all potentially needed features, requiring the user to manage an overwhelming complexity.“(Divitini und Simone, 2000, S. 377) 59 2.4. Unterstützung von Articulation Work Kontext Integration von CSCW-Konzepten mit WfMS-Ansätzen Art von AW „working out original arrangements“, explizite „coordi- nation of predefined work“, explizites „resolving contin- gencies“ sowie „reworking arrangements“ Unterstützung methodisch: Auswahl bzw. Definition einer adäquaten Modellierungssprache, um Koordinationsmechanismen zu spezifizieren, technisch: Möglichkeit der Ausführung und Anpassung dieser Koordinationsmechanismen Auswirkungen Vereinfachte Spezifikation der Koordinationsmechanis- men, flexible Koordination bei der Ausführung des Ar- beitsablaufs 2.4.9. Mundane knowledge management and microlevel organizational learning: An ethological approach Davenport (2002) beschreibt „Articulation Work“ als eine Form von „alltäglichem Wis- sensmanagment“, mit Hilfe dessen beteiligte Individuen im Arbeitsprozess lernen und ihre Kompetenzen erweitern („situated learning“). Kontext Davenport (2002) betrachten „Articulation Work“ aus einer Lern-Perspektive (unter Bezugnahme auf „situated learning“ (Lave und Wenger, 1991)) und bezeichnen es als alltägliches Wissensmanagement („mundane knowledge management“). Sie führt in wei- terer Folge aus, inwiefern „situated learning“ in geographisch verteilten Gruppen durch Informationstechnologie unterstützt werden kann und beziehen sich dabei auf das Kon- zept der „Communities of Practice“ (Wenger, 1999). Die Autorin verfolgt dabei eine enge Auffassung von „Articulation Work“ und bezieht sich lediglich auf „routine interaction“ in Gruppen von Individuen. Unterstützung Anhand einer Fallstudie identifiziert die Autorin die unterschiedlichen Handlung-Phasen, die im Rahmen eines Lernprozesses im Rahmen von „Articulation Work“ auftreten und zeigt, wie diese im konkreten Fall unterstützt wurden. Wesentlich ist hier nicht die konkrete technische Unterstützung, die sich auf die Bereitstellung einer Kommunikation- Plattform beschränkte, sondern der verfolgte methodische Ansatz, die auf die Konzepte der „Communities of Practice“ zurückgreift. Während der eigentliche Arbeitsdurchführung arbeitet die betreffende Gruppe von In- dividuen selbstgesteuert und koordiniert sich selbst. In Fällen, in denen ein Problem auf- 60 2.4. Unterstützung von Articulation Work tritt („resolving contingencies“), erweist sich das Eingreifen eines „facilitators“ im Sinne von Wenger (1999) als hilfreich. Dieser übernimmt die Aufgabe, die durchzuführende „Articulation Work“ zu koordinieren und zu moderieren, so dass die aufgetretene pro- blematische Situation gelöst werden kann. Die Rolle des „facilitators“ kann dabei auch dynamisch von einem bereits beteiligten und in dieser Hinsicht kompetenten Individuum übernommen werden und muss nicht permanent besetzt werden. „Kompetent“ bedeutet in diesem Zusammenhang, die eingesetzten technischen Werkzeuge zu beherrschen, Do- mänenwissen zu haben und Kompetenz in der Extraktion und Zusammenfassung von Wissen der einzelnen beteiligten Individuen zu haben. Auswirkungen In der Arbeit sind keine konkreten Ergebnisse der getroffenen Maßnahmen angeführt. Die Generalisierbarkeit der aus der Fallstudie abgeleiteten Maßnahmen wird explizit nicht behandelt und bleibt offen. Bewertung Die Arbeit führt das Konzept der „Communities of Practice“ mit jenem der „Arti- culation Work“ zusammen. Die Autorin zeigt, dass die nicht formalisierte Interaktion in Communities ein geeignetes Mittel ist, um zumindest die einfacheren (im Sinne von „unproblematischen“) Fälle von „Articulation Work“ zu bewältigen. Inwieweit sich diese Organisationsform auch für komplexere Problemfälle eignet, bleibt offen. Die Arbeit zeigt jedoch als eine von wenigen Ansätzen einen nicht durch Technik getriebenen Weg der Unterstützung von „Articulation Work“ auf und ist aus diesem Grund berücksichtigenswert. Kontext „situated learning“, Wissensmanagement, „Commu- nities of Practice“ Art von AW „coordinating predefined work“ & „resolving contingen- cies“ Unterstützung durch die organisationale und technische Unterstützung von „Communities of Practice“ Auswirkungen — 2.4.10. Modelling Cooperative Work: Chances and Risks of Structuring 61 2.4. Unterstützung von Articulation Work Herrmann et al. (2002) beschäftigen sich mit Modellen von soziotechnischen Arbeits- prozessen und zeigen auf, dass zu deren (kooperativen Erstellung) „Articulation Work“ notwendig ist. Kontext Herrmann et al. (2002) beschreiben die (kooperative) Bildung von diagrammatischen Modellen in sozio-technischen Systemen und deren Auswirkung auf den realen Arbeits- ablauf. Sie beziehen sich dabei nur am Rande auf „Articulation Work“ (im Kontext der CSCW-Forschung von Schmidt und Bannon (1992)) und bezeichnen damit jene Vorgän- ge, die notwendig sind, um die individuellen Sichtweisen der am Arbeitsablauf beteiligten Personen abzustimmen und in einem gemeinsamen Modell zu repräsentieren („articu- lating and negotiating“ – siehe Abbildung 2.7). In anderen Publikationen der Autoren wird ein Modellierungswerkzeug (Herrmann et al., 2004a) und eine Methode (Herrmann et al., 2004b) beschrieben, die diesen Vorgang unterstützen soll. Abbildung 2.7.: Mentale Modelle im Kontext der Arbeitsmodellierung (entnommen aus (Herrmann et al., 2002)) Unterstützung Im Rahmen mehrerer Fallstudien zeigen die Autoren, dass die Verwendung von diagram- matischen Modellen als externalisierte Repräsentation von individuellen Sichten auf Ar- beitsabläufe bei deren Abstimmung und Verbesserung – also bei der Durchführung von „Articulation Work“ – hilfreich ist. Externalisierte Modelle bringen jedoch auch Risiken 62 2.4. Unterstützung von Articulation Work mit sich, die durch eine adäquate Unterstützung des Modellierungsprozesses gemindert werden müssen. Konkret erwähnen die Autoren die schwierige Veränderbarkeit einmal niedergeschriebener Arbeitsabläufe, die potentiell fehlerhafte oder unzureichende Ab- bildung des Arbeitsablaufs im Modell sowie (im Kontext der kooperativen Erstellung) jene Unzulänglichkeiten des Modells, die durch bewusst falsch oder nicht offengelegte Arbeitsaspekte aus „politischen“ Gründen entstehen. In der Folge entwickeln Herrmann et al. Anforderungen an einen Modellierungspro- zess sowie eine Modellierungssprache, die diese Risiken so weit möglich vermeiden und „Articulation Work“ unterstützen: • Modelle müssen „aus dem Arbeitsablauf heraus“ entstehen, also von den unmit- telbar betroffenen Personen entwickelt werden und dürfen nicht von „außerhalb“ übergestülpt werden. • Die Modellierungssprache muss es erlauben, die Dynamik der abgebildeten Struk- turen darzustellen. • Sie muss sowohl zur Abbildung (präskriptiver) exakter Arbeitsabläufe („scripts“) als auch zur Abbildung des (Orientierung gebenden) Arbeitskontext („maps“) ge- eignet sein. • Detaillierungs- und Abstraktionsgrad der Abbildung müssen frei wählbar sein. • Information über den Modellierungsverlauf selbst muss im Modell abbildbar sein. • Die Modellierungssprache muss die Abbildung beliebiger Aspekte von Arbeit (nicht nur Aktivitäten und Ressourcen, sondern z.B. auch Rollen oder Kompetenzen) erlauben. • Der Modellierungsvorgang muss durch ein flexibles Werkzeug unterstützt werden, das die Verwendung der Unterstützungsfunktionalitäten ermöglicht aber nicht er- zwingt. • Das Werkzeug sollte den Export der Modelle in beliebige Datenformate ermögli- chen, um deren Weiterverarbeitbarkeit zu gewährleisten. Auswirkungen Anhand der Fallstudien zeigen die Autoren, dass das ein Vorgehen nach den beschriebe- nen Richtlinien, sowie eine entsprechende Werkzeugunterstützung bei der Abstimmung von kooperativen Arbeitsabläufen hilfreich ist (siehe dazu auch (Herrmann et al., 2000)). Bewertung Die Arbeit kann als ein Beitrag zur Unterstützung von „Articulation Work“ im Sinne von „making agreements“ verstanden werden, auch wenn dies nicht explizit so benannt 63 2.4. Unterstützung von Articulation Work wird. In diesem Zusammenhang führen die Autoren die Nützlichkeit von externalisierten Modellrepräsentation bei der Abstimmung und Aushandlung von Arbeitsabläufen an. Für diese Form der Unterstützung werden konkrete Anforderungen sowohl methodischer als auch technischer Natur gegeben, was diese Arbeit zu einer wertvollen Quelle für die weiteren Ausführungen in der vorliegenden Arbeit macht. Kontext Modellierung von Arbeit, Art von AW explizites „agreement making“ Unterstützung flexible Modellierung von Arbeitsabläufen unter Einbe- ziehung der unmittelbar beteiligten Individuen Auswirkungen Erleichterung bzw. Ermöglichung der Abstimmung oder Aushandlung von kooperativen Arbeitsabläufen 2.4.11. Recursive Articulation Work in Ariadne: The Alignment of Meanings (Sarini und Simone, 2002a) beschäftigen sich mit „recursive Articulation Work“, also jener Form, deren Gegenstand selbst wiederum „Articulation Work“ ist. Die Autoren leiten Anforderungen an die Unterstützung dieser Form von „Articulation Work“ ab und zeigen die konkrete Umsetzung als Teil des „Reconciler“-Systems. Kontext Die Arbeit baut auf den oben bereits beschriebenen Arbeiten (Schmidt und Bannon, 1992) und (Divitini und Simone, 2000) auf und beschäftigt sich mit der technischen Unterstützung von „Articulation Work“ durch CSCW-Systeme. Konkret wird auf jene Fälle von „Articulation Work“ eingegangen, wo „alignment of meaning“ (also die Ab- stimmung der individuellen Verständnisse der Arbeitsdomäne) notwendig ist. Es ist kein spezifischer Anwendungsbereich angeführt, das Konzept hat den Anspruch, generisch anwendbar zu sein. Unterstützung Die Arbeit behandelt zwei unterschiedliche Phasen von „Articulation Work“: jene, in denen die beteiligten Individuen die auftretende Probleme abgrenzen, detailliert spezifi- zieren und (Teil-)Lösungen aushandeln („agreement making“) und jene, in denen Koordi- nationsprobleme durch die gesammelte Information bereits vor dem Auftreten verhindert werden („coordination of predefined work“). Während zweitere Unterstützung an dieser Stelle nicht näher behandelt wird, da es sich bei der vorgeschlagenen Implementierung lediglich um ein Vorschlagssystem für Begriffe an der Benutzungsschnittstelle handelt, muss erstere Unterstützungsform näher betrachtet werden. 64 2.4. Unterstützung von Articulation Work Der dabei angestoßene Unterstüzungsprozess ist ein Koordinationsmechanismus im Sinne von Divitini und Simone (2000). Im Rahmen der Ausführung desselben wird ein „Reconciliation Artifact“ generiert und enthält eine Abbildung der individuellen Begriffswelten der beteiligten Individuen, die untereinander in Korrespondenz gesetzt werden. Wie die Externalisierung der Begriffe, sowie deren Assoziation untereinander ablaufen, schränkt der Ansatz bewusst nicht ein bzw. legt sich nur vorläufig fest39. Das „Reconciler“-System unterstützt dabei die Erfassung und Verwaltung der offengelegten Begriffe. Wie es den Artikulationsprozess konkret unterstützt, ist in Mark et al. (2002a) angeführt, hier aber nicht Gegenstand einer detaillierteren Betrachtung, da vorrangig technische Implementierungsdetails beschrieben wurden. Auswirkungen In der vorliegenden Arbeit werden keine Aussagen hinsichtlich der tatsächlichen Aus- wirkungen der Unterstützung getroffen. Auch Mark et al. (2002a) kommen auf Basis einer empirischen Studie zu dem Schluss, dass die Unterstützungleistung nicht allgemein nachgewiesen werden kann und ist stark von der individuellen Nutzungsbereitschaft ab- hängig. Bewertung Die Autoren gehen auf die Unterstützung jenes Teils von „Articulation Work“ ein, der zur Abstimmung der individuellen Sichten auf den Arbeitsablauf und der jeweiligen Begriffswelten eingesetzt wird. Auch wenn sie in der konkreten methodischen Umsetzung vage bleiben, ist erstmals eine explizite Beschäftigung mit der Unterstützung dieser Phase vorhanden. Kontext CSCW Art von AW explizites „agreement making“, „coordination of prede- fined work“ Unterstützung durch die Abstimmung der individuellen Sichten auf ei- ne Domäne, der Offenlegung des Vokabulars in einem geteilten Artefakt und dessen Verwendung während der Arbeit Auswirkungen — 39„For sake of testing the integration we are aiming at, we defined the simplest protocol: all the users involved in the reconciliation process can communicate among themselves to define the correspon- dences, while a single Actor assumes the Role of Manager of the Reconciliation Artifact and is in charge of keeping it updated.“(Sarini und Simone, 2002a, S. 10) 65 2.4. Unterstützung von Articulation Work 2.4.12. Combining Communication and Coordination Toward Articulation of Collaborative Activities Raposo et al. (2004) decken in ihrer Arbeit zur (technischen) Unterstützung kooperativer Arbeit explizit alle Zeitpunkte, in denen „Articulation Work“ auftreten kann, ab („pre- articulation“, „coordination“, „post-articulation“). Kontext Die Autoren schlagen eine technische Unterstützung von „Articulation Work“ mittels CSCW-Werkzeugen vor. Sie fassen dabei das Konzept „Articulation Work“ sehr weit und inkludieren neben der Planungs- und Durchführungsphase eines Arbeitsablaufs auch dessen Nachlauf („post-articulation“), in dem die durchgeführte Koordination reflektiert wird. Zur Unterstützung verfolgen die Autoren einen formalisierten Ansatz, der auf Konzepten der theoretischen Informatik aufbaut. Das Anwendungsgebiet ihres Ansatzes schränken die Autoren nicht ein und berücksichtigen explizit lose wie auch eng gekop- pelte kooperative Arbeitsabläufe mit beliebig vielen beteiligten Individuen. Unterstützung Je nach Phase der „Articulation Work“ unterscheiden die Autoren zwischen unterschied- lichen Arten der Unterstützung. Für die „pre-“ und „post-articulation“-Phase wird die Verwendung von „conversation clichés“ zur Aushandlung von „commitments“ vorge- schlagen. Während der „coordination“-Phase werden die „commitments“ automations- gestützt zur Anwendung gebracht. „Conversation clichés“ sind im Wesentlichen Zustandsautomaten, die den Rahmen einer Konversation zwischen Individuen vorgeben. Sie dienen jeweils der Erreichung einer bestimmten Art von „commitment“. „Commitments“ sind logische Konstrukte, in denen die individuelle Zustimmung oder Ablehnung zu Aussagen ausgedrückt werden kann, die die Koordination beschreiben. Weiters ist es möglich, explizit kein „commitment“ zu einer Aussage abzugeben. Auf Basis dieser „commitments“ bestimmt ein Algorithmus die Modalitäten der Zusammenarbeit. Während der „coordination phase“ kommt ein „task/interdependency-model“ zum Einsatz, das im Wesentlichen einem auf die „commitments“ abgestimmten Aktivitäts- diagramm entspricht. In diesem Modell werden letztlich die durchzuführenden Aufgaben und deren gegenseitige Abhängigkeiten definiert. Während der Ausführung kann das System dann auf diese Abhängigkeiten hinweisen bzw. die notwendigen Koordinations- mechanismen auslösen. 66 2.4. Unterstützung von Articulation Work Auswirkungen Konkrete Auswirkungen werden in der Publikation nicht angeführt. Die Autoren er- wähnen die Simulierbarkeit und Verifizierbarkeit der erstellten Modelle als Vorteil der formalen Repräsentation. Bewertung Die Autoren verfolgen einen – im Gegensatz zu anderen Arbeiten – stark regulatorischen Ansatz zur Unterstützung von „Articulation Work“. Die vorgeschlagenen Mechanismen zur Abstimmung und Koordination von kooperativer Arbeit versuchen, den Arbeitsver- lauf durch computergestützte Vorgaben in einem definierten Rahmen zu halten und so das Auftreten von problematischen Situationen zu verhindern. Der Vorteil dieses eher restriktiven Vorgehens liegt in der Formalisierbarkeit der In- teraktionsmuster und Arbeitsabläufe und der damit verbundenen Verifizierbarkeit und Simulierbarkeit der erstellten Modelle. Kontext CSCW, Formale Modelle von Interaktion Art von AW explizites „making arrangements“, explizite „coordina- tion of predefined work“ Unterstützung „making arrangements“: Aushandlungsunterstützung durch „Conversation Clichés“, „coordination“ durch die Ausführung der ausgehandelten Aufgabenmodelle Auswirkungen formale Verifizierbarkeit und Simulierbarkeit 2.4.13. Interactive Process Models Jørgensen (2004) beschreibt die Verwendung von „interaktiven“ Prozessmodellen in or- ganisationalen Arbeitsprozessen und die Veränderung dieser Prozesse durch Modellie- rungsvorgänge. Dabei bezeichnet er den Modellierungsvorgang als „Articulation Work“. Kontext Im Gegensatz zu den anderen hier behandelten Arbeiten steht bei Jørgensen (2004) nicht die Unterstützung der Koordination von Arbeitsprozessen im Vordergrund. Die Arbeit beschäftigt sich mit Prozessmodellen (also ablauforientierten Modellen von Arbeit) und sieht „Articulation Work“ als jene Tätigkeit, die zur Erstellung dieser Modelle notwendig ist. Die Rückwirkung der Modelle auf die reale Arbeitswelt wird als „Model Activation“ bezeichnet. Modellierung ist hierbei eine Aktivität, die von den betroffenen Personen selbst ausgeführt wird, die erstellten Modelle bilden dementsprechend die individuelle Sicht auf eine Arbeitsablauf ab. Insofern ist der vorgestellt Ansatz tatsächlich als eine 67 2.4. Unterstützung von Articulation Work Form von „making arrangements“ (als Variante von expliziter, planender „Articulation Work“) zu sehen. Unterstützung Jørgensen führt Anforderungen an eine Modellierungssprache an, die „ArticulationWork“ unterstützt. Diese sollte: • einfach sein und nur wenige Basiselemente enthalten. Elemente der realen Welt sollten eindeutig in das Modell abgebildet werden können. Die Aussage des Modells sollte möglichst intuitiv erschließbar sein. • visuell bzw. graphisch darstellbar sein. Die Darstellung sollte sowohl einen Über- blick über das Gesamtmodell als auch detaillierte an sichten einzelner Ausschnitte ermöglichen. • Konstrukte enthalten, die auf die jeweilige Anwendungsdomäne der Modellierenden abgebildet bzw. angepasst werden können. • nicht statisch hinsichtlich der Bedeutung der verwendeten Modellelemente sein. Die Bedeutung der Modellelemente kann sich während der Erstellung der Modelle durch Aushandlung oder Reflexion verändern. Der Autor führt zur Erfüllung dieser Anforderungen eine Modellierungssprache ein, die den Ansatz des „semantic holism“ verfolgt. In Sprachen, die den Ansatz des „semanti- schen Holismus“ berücksichtigen, haben Modellelemente keine eindeutige, fix vorgegebe- nen Bedeutung. Vielmehr erschließt sich der Bedeutung der einzelnen Elemente erst aus dem Gesamtzusammenhang des Modells, also aus dem Zusammenspiel aller Elemente. Auch im Feld der „coordination of predefined work“ liefert Jørgensen (2004) Ansät- ze zur Unterstützung von Articulation Work, indem er die erstellten Modelle semi- automatisiert („interactive“) ausführbar macht („activation“). Auswirkungen Der Autor führt keine konkrete Evaluierung seines Ansatzes an, weshalb keine Aussa- gen zu den Auswirkungen des Ansatzes in der Praxis gemacht werden können. Aus der zugrunde liegenden Literatur leitet er jedoch ab, dass der gewählte Ansatz zur Modellie- rung eine adäquatere und einfachere Abbildung der Realität durch in der Modellierung ungeübte Individuen ermöglicht als andere gängige Modellierungs-Methoden. Bewertung Die Fokussierung auf Modellbildung als Aktivität im Rahmen von „Articulation Work“ ist ein Alleinstellungsmerkmal dieser Arbeit. Jørgensen berücksichtigt die für „Articula- 68 2.4. Unterstützung von Articulation Work tion Work“ notwendige Flexibilität in der technischen und methodischen Unterstützung derselben und stellt Anforderungen auf, die eine Modellierungssprache erfüllen muss, um „Articulation Work“ adäquat zu unterstützen. Die Unterstützung der Ausführung der Modelle in interaktiver Form ohne die im WfMS üblichen strikten Abläufe kommt einer flexiblen Koordination des eigentlichen Arbeitsablaufs ebenfalls entgegegen. Kontext Prozessmodellierung, Workflow-Managment Art von AW explizites „making arrangements“, „coordinating prede- fined work“ Unterstützung „making arrangements“: durch flexible, anwenderzen- trierte Modellbildung, „coordinating“: durch interaktive Ausführung der erstellten Modelle Auswirkungen adäquate und einfache Abbildung sowie intuitive Inter- pretierbarkeit der Modelle und damit Unterstützung von expliziter „Articulation Work“ durch Modelle von Ar- beit 2.4.14. Torres, a Conceptual Framework for Articulation Work across Boundaries Cabitza et al. (2006) stellen mit „Torres“ ein Framework vor, das sich speziell zur Un- terstützung von „globaler Articulation Work“ eignet. Kontext Cabitza et al. (2006) entwickeln den weiter oben beschriebenen Ansatz von Sarini und Simone (2002a) weiter und wenden ihn unter Bezugnahme auf Færgemann et al. (2005) auf „globale Articulation Work“ an. Die Autoren stehen damit in der Tradition der tech- nischen Unterstützung von „Articulation Work“ durch CSCW-Werkzeuge und wenden diese im speziellen auf Situationen an, in denen Individuen oder Organisationseinheiten kooperieren müssen, die außerhalb des betreffenden Arbeitsablaufs keine kooperativen Tätigkeiten durchführen. Unterstützung Die Autoren bleiben grundsätzlich bei dem Ansatz von Sarini und Simone (2002a), die Koordination von Arbeit mittels Artefakten zu unterstützten, die auf den jeweiligen An- wendungsfall angepasst sind. „Torres“ ist dabei ein Framework zur Erstellung derartiger Artefakte. Dazu wird ein zweistufiger Prozess vorgeschlagen, der die domänenübergrei- fende Verständlichkeit der artikulierten Information sicherstellen soll. 69 2.4. Unterstützung von Articulation Work In der ersten Phase werden von jedem beteiligten Individuum bzw. von jeder betei- ligten Instanz „Local Formal Representations“ der jeweiligen Domäne erstellt werden. Diese enthalten nicht Modelle der Arbeitsabläufe selbst sondern lediglich die wesentli- chen Konzepte der Domäne, die potentiell missverständlich sein können. In der zweiten Phase werden die „Local Formal Representations“ zu einem einheit- lichen, vorgegebenen Modell von „Articulation Work“ mittels ebenfalls vorgegebener Relationen in Beziehung gesetzt. Dadurch ist es möglich, etwaig auftretende Missver- ständnisse automationsgestützt aufzulösen bzw. zu vermeiden. Auswirkungen Die Autoren leiten die Eigenschaften ihres Systems aus den Beobachtungen in einer Fallstudie aus dem medizinischen Bereich ab. Die Implementierung war jedoch zum Zeitpunkt der Publikation nicht abgeschlossen, auch in Folgepublikationen (z.B. (Ca- bitza et al., 2009)) ist keine explizite Beschreibung von Auswirkungen des Systems im praktischen Einsatz vorhanden. Bewertung Die Autoren entwickeln den in Sarini und Simone (2002a) vorgeschlagenen „Reconciler“- Ansatz weiter und detaillieren vor allem jene Phase, in der „alignment of meanings“ durchgeführt wird. Methodisch schlagen die Autoren einen individuell durchzuführende zweistufigen Prozess vor, dessen Ergebnisse automatisiert mit den Ergebnissen der ande- ren Individuen zusammengeführt werden. Methodisch ist dies der detaillierteste Ansatz der Arbeiten der Gruppe rund um Simone und wird deswegen an dieser Stelle betrach- tet. Kontext CSCW Art von AW „making arrangements“ Unterstützung methodisch: Abstimmung unterschiedlicher Domänen- modelle und Erstellung von Informations-Artefakten, die domänenübergreifend verständlich sind Auswirkungen — 2.4.15. Gegenüberstellung und Zusammenfassung Die Möglichkeiten zur Unterstützung von „Articulation Work“ sind ob der großen Spann- weite möglicher Ausprägungen vielfältig. Im Allgemeinen zeigt sich die Tendenz, dass die Unterstützung bei einfacheren Formen (wie „coordination of predefined work“) eher mittels rein organisationalen Mitteln erfolgen kann, während bei komplexeren Formen 70 2.4. Unterstützung von Articulation Work von „Articulation Work“ zusätzlich auch technische Mittel eingesetzt werden und me- thodische Unterstützung angeboten wird. Außerdem soll durch technische Unterstützung der Phase, die dem eigentlichen Arbeitsablauf voraus geht (Planung, „making original arrangements“) das Auftreten von problematischen Situationen (und damit der Bedarf nach komplexen Formen von „Articulation Work“) während der Durchführung des Ar- beitsablaufs vermieden werden. Für einfache Formen von „Articulation Work“, in denen etablierte Arbeitsabläufe ko- ordiniert bzw. kleine Unklarheiten oder Hindernisse beseitigt werden müssen, werden in der Literatur immer wieder soziale Mechanismen als ausreichendes Regulativ be- schrieben (z.B. in (Raposo et al., 2001) oder (Schmidt, 1994)). Davenport (2002) nennt „Communities of Practice“ (Wenger, 1999) als mögliches Instrument zur Institutionali- sierung dieser sozialen Mechanismen. Einen Spezialfall stellen hier jene Arbeitsabläufe dar, die verteilt durchgeführt werden und in denen deshalb die sozialen Mechanismen durch technische Mittel ermöglicht werden müssen (Færgemann et al., 2005). In die- sen Fällen werden auch einfache Formen von „Articulation Work“ technisch unterstützt (z.B. bei (Divitini und Simone, 2000) oder (Fuchs et al., 2001)). Je komplexer die Arbeitssituation wahrgenommen wird, desto notwendiger wird eine explizite Beschäftigung mit den abzustimmenden Arbeitsaspekten (auch bei Arbeits- abläufen, die nicht oder nur in Teilaspekten kooperativ bearbeitet werden (Fjuk et al., 1997)). Letztendliches Ziel ist es immer, einen Status (wieder-)herzustellen, in dem sozia- le, implizite Mechanismen zur Koordination ausreichen. Organisationale (z.B. bei (Grin- ter, 1996)) oder auch technische Unterstützung (z.B. bei (Schmidt und Simone, 2000) und allen auf dieser Publikation aufbauenden Arbeiten) kann hierbei hilfreich sein. Bei der technischen Unterstützung von „Articulation Work“ können zwei Ansatzpunk- te unterschieden werden. Einerseits kann die Lösung von aufgetretenen Problemen unter- stützt werden (z.B. bei (Grinter, 1996)) oder deren Auftreten von vorneherein verhindert werden (z.B. bei (Raposo et al., 2004)). Andererseits kann „Articulation Work“ bei der Planung von Arbeitsprozessen unterstützt werden, wobei unter anderem die Koordinati- onsmechanismen während der Durchführung des Arbeitsablaufs vereinbart werden (z.B. bei Sarini und Simone (2002b) und den darauf aufbauenden Arbeiten). Ziel ist es hier, schon im Vorfeld den Arbeitsablauf bzw. die unterschiedlichen Sichten darauf soweit ab- zustimmen, dass die Koordination möglichst unproblematisch und implizit abgehandelt werden kann. Diese Form von „Articulation Work“ wird vom Großteil der in diesem Bereich tätigen Autoren durch Modelle der zu koordinierenden Arbeit als explizite Artefakte im Arti- kulationsprozess unterstützt (z.B. bei (Divitini und Simone, 2000), (Sarini und Simone, 2002a), (Raposo et al., 2004) oder (Jørgensen, 2004)). Diese Modelle werden von den beteiligten Personen erstellt und müssen syntaktisch einfach bzw. intuitiv zu handha- ben und semantisch flexibel sein (Herrmann et al., 2002) (Jørgensen, 2004). Der Inhalt der Modelle kann sowohl der eigentliche Arbeitsablauf sein (Divitini und Simone, 2000) 71 2.5. Thought processes und Articulation Work als auch die allgemeinen Struktur der Arbeitsdomäne konzeptuell abbilden (Sarini und Simone, 2002a). Die existierenden Arbeiten in diesem Bereich setzten allerdings die Existenz dieser Modelle voraus bzw. schaffen die konzeptuellen Rahmenbedingungen, um die Erstel- lung derartiger Modelle zu ermöglichen. Dabei sind sie immer durch den Anspruch ein- geschränkt, die Modelle automationsgestützt zur Unterstützung der Koordination im Arbeitsablauf selbst weiterzuverarbeiten. Die Anforderung an die Modellierungssprache sind also nur zum Teil aus den Bedürfnissen der Benutzer abgeleitet, sondern vielmehr ein Kompromiss zwischen den Anforderungen des technischen Systems und der Bedürf- nisse der Benutzer. Mit der konkreten Erstellung der Modelle selbst beschäftigen sich lediglich Herrmann et al. (2002) sowie Jørgensen (2004), auch sie gehen aber nicht auf die konkrete Unterstützung der Individuen im Modellierungsprozess ein. Die Unterstützung der an einem Arbeitsablauf beteiligten Individuen bei Modellbil- dung und -abstimmung als „Articulation Work“ weist an dieser Stelle also Lücken auf, die bislang nicht behandelt wurden. Dies ist insofern problematisch, als dass vor allem komplexe Formen von „Articulation Work“ auf externe Repräsentationen zurückgreifen, um die Abstimmung zu erleichtern. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird deswegen versucht, methodische und technische Hilfsmittel zu entwickeln, die auf Modellen ba- sierende „Articulation Work“ unterstützen kann. Einen möglichen Ansatzpunkt dazu liefert bereits Strauss (1993). 2.5. Thought processes und Articulation Work Zur Zielsetzung von „Articulation Work“ und deren Unterstützung treffen die im letzten Abschnitt betrachteten Arbeiten klare Aussagen. Offen bleiben jedoch vor allem bei der Unterstützung komplexerer Formen von „Articulation Work“ explizite Aussagen zu den notwendigen Leistungen der Individuen im Prozess der Artikulation, deren konkrete Ausgestaltung und der möglichen Unterstützung. Bereits Strauss ist sich dieser (konzeptuellen) Auslassung bewusst40, und beschäftigt sich in späteren Arbeiten (etwa (Strauss, 1993)) auch mit jenen kognitiven Vorgängen, die von ihm als „thought processes“ oder „mental activities“ bezeichnet werden und 40„[. . . ] many social scientist pay almost no attention to interior activity: ignoring it, taking it for granted, but leaving it unexamined, or giving it the kind of abstract but not very detailed analysis [. . . ]“(Strauss, 1993, S. 131) 72 2.6. Zusammenfassung die untrennbar mit jeder Art von Tätigkeit und Interaktion verbunden sind41 und diese beeinflussen42. Im Kontext der Abstimmung von Arbeitsabläufen kommt den „thought processes“ der Individuen große Bedeutung zu, da sie den sichtbaren individuellen Handlungen zugrun- de liegen bzw. diese beeinflussen. „Articulation Work“ wirkt sich also auf die „thought processes“ der beteiligten Individuen aus (wie auch von Davenport (2002) im Kontext des „situated learning“ erwähnt). Strauss interessiert sich allerdings ausschließlich für die dynamischen Aspekte der Interaktion zwischen Individuen, nicht aber für die Aus- gangspunkte und Ergebnisse der zugrunde liegenden „thought processes“.43 Die Repräsentationen, auf denen „thought processes“ beruhen und operieren, sind jedoch für die Unterstützung von „Articulation Work“ von Interesse. Vorhandene Ar- beiten (etwa (Herrmann et al., 2002) oder (Jørgensen, 2004)) beschäftigen sich lediglich mit bereits externalisierten Repräsentationen, gehen jedoch ebenfalls nicht auf deren Erstellung oder Ursprung ein. Die kognitions-wissenschaftlichen Ansätze zu Schemata ((Rumelhart und Norman, 1978) (vgl. nach Hanke, 2006)) und mentalen Modellen ((vgl. Seel, 1991)) sind ein Erklärungsansatz für diese Lücke (Herrmann et al., 2002). 2.6. Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurde „Articulation Work“ als ein Erklärungsmodell für die koordi- nierenden Abläufe bei kooperativer menschlicher Arbeit eingeführt. Nach einer Begriffs- klärung auf Basis der zur Thematik publizierten Literatur wurden die unterschiedlichen Ausprägungen beschrieben, in denen „Articulation Work“ auftreten kann und in welchen Situationen welche Ausprägung auftritt. Den Abschluss des allgemeinen Teils bildet eine Übersicht über die Gegenstände von „Articulation Work“, also jene Arbeitsaspekte, die potentiell abgestimmt werden müssen. Der zweite Teil des Kapitels beschreibt technische und methodische Möglichkeiten zur Unterstützung der Durchführung von „Articulation Work“. Die dort identifizierten An- sätze zeigen ein breites Spektrum von Möglichkeiten der Unterstützung für unterschied- liche Ausprägungen von „Articulation Work“. Vor allem im Bereich der Unterstützung von „explizter Aritculation Work“, also der bewusst angestossenen und durchgeführten Form von „Articulation Work“, kommen in einem Großteil der Arbeiten diagrammati- 41„These [thought processes] accompany visible action, as well as precede and follow in conditional and consequential modes“(Strauss, 1993, S. 146) 42„Even well-grooved, routine action and interaction may be accompanied by thought [. . . ] directly relevant to the work at hand. As I vacuum the house, barely noticing my movements, still I give myself commands [. . . ]“(Strauss, 1993, S. 132) 43„I use the gerund ’ing’ after ’symbol’ [bei der Beschreibung von ’symbolizing’, Anm.] to signify that my principal interest is, again, in interaction rather than its products, for symbols are precipitates of interaction“(Strauss, 1993, S. 149) 73 2.6. Zusammenfassung sche Modelle zum Einsatz. Diese erleichtern die Abstimmung und ermöglichen die ein- facherer und schnellere Entwicklung einer gemeinsamen Sichtweise auf den betrachteten Arbeitsablauf. 2.6.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung Hinsichtlich der in Kapitel 1 formulierten Forschungsfragen und Fragestellungen wurde in diesem Kaptitel vor allem die Fragestellung 1 („Was ist Articulation Work und wie wirkt sie im Arbeitsprozess“) behandelt. Die relevanten Konzepte und Untersuchungen wurden in den Abschnitten 2.1 und 2.2 erarbeitet und einander gegenübergestellt (auf Grundlage der in Anhang A aufgearbeiteten Literatur zum Themengebiet „Articulation Work“). Das Ergebnis der Aufarbeitung ist eine Konzeption von „Articulation Work“, in der alle in der Literatur genannten Auslöser, Ausprägungen und Zielsetzungen berücksichtigt wurden (siehe Abbildung 2.3). In Abschnitt 2.3 wurde mit der Betrachtung der im Rahmen von „Articulation Work“ abzustimmenden Aspekte der „Production Work“ jene Betrachtungsgegenstände identi- fiziert, an denen sich die Durchführung von „Articulation Work“ zeigt. Für diese Arbeit ist dies von Interesse, als dass an diesen die Effektivität der Durchführung von „Ar- ticulation Work“ beobachtet werden kann. Diese Effektivität ist dann gegeben, wenn eine gemeinsame Sichtweise auf die abzustimmenden Gegenstände, konkret also die re- levanten Aspekte des Arbeitsablaufs selbst sowie jene aus dessen Umfeld, entwickelt wurde. Dies ist ein erster Beitrag zur Bearbeitung der Fragestellung 5 („Wie kann die Effektivität der Unterstützung von expliziter Articulation Work beurteilt werden?“). Die in Abschnitt 2.4 dargestellte Literatur zum Themengebiet der Unterstützung von „Articulation Work“ konkretisiert einerseits die Beantwortung der Fragestellung 1 hin- sichtlich der Wirkungsweise in Arbeitsprozessen, trägt aber andererseits vor allem zur Er- arbeitung der Möglichkeiten zur methodischen Unterstützung von „Articulation Work“ bei (Fragestellung 3). Auf Basis der dortigen Ergebnisse zeigt sich, wie in Abschnitt 2.4.15 beschrieben, dass in existierenden Arbeiten zur Unterstützung von „Articulation Work“ nur auf die zu unterstützenden Phänomene und Abläufe eingegangen wurde. Die zweite von Grudin (1988) formulierte Forderung nach einer Berücksichtigung der Bedürf- nisse und Tätigkeiten der beteiligten Individuen (siehe Kapitel 1) wurde bislang nicht behandelt. Abschnitt 2.5 weist auf einen möglichen Ansatzpunkt hin, die Fragestellung 3 im Sinne von Grudin (1988) vollständiger bearbeiten zu können. 2.6.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse Die zur Unterstützung von „Articulation Work“ von mehreren Autoren vorgeschlagene Erstellung von diagrammatischen Modelle wird in existierenden Arbeiten methodisch nur teilweise behandelt. Vor allem die Rolle der beteiligten Individuen und deren Unter- 74 2.6. Zusammenfassung stützung im Erstellungsprozess bleibt unklar. Dies ist insofern problematisch, als dass die erfolgreiche Durchführung von „Articulation Work“ die Einbindung aller beteiligten Individuen bedingt und deren Sichtweise auf den abzustimmenden Arbeitsablauf berück- sichtigen muss. Als Ansatzpunkt, die Berücksichtigung dieser individuellen Beiträge bei der Durchführung von „Articulation Work“ sicherzustellen und methodisch sowie mit einem Werkzeug zu unterstützen, wurde das Konzept der „Mentalen Modelle“ als geeig- net identifiziert. In Kapitel 3 werden diese nun konzeptuell eingeführt und hinsichtlich der Anforderungen im Rahmen der Durchführung von „Articulation Work“ betrachtet. 75 3. Mentale Modelle In diesem Kapitel wird das Konzept der „mentalen Modelle“ eingeführt, das in dieser Ar- beit als Erklärungsansatz für jene Aspekte von „Articulation Work“ verwendet wird, die die nicht sichtbaren, kognitiven Beiträge eines beteiligten Individuums betreffen. Nach einer Einführung in die Begriffswelt der mentalen Modelle wird die Argumentation aus dem Kapitel „Articulation Work“ nochmals aufgegriffen und die mögliche Rolle men- taler Modelle für die Durchführung derselben erörtert. In der Folge werden Methoden eingeführt, mit denen mentale Modelle externalisiert und kommuniziert werden können. Basierend auf diesen Beschreibungen wird im letzten Teil des Kapitels untersucht, welche Herausforderungen sich bei der Anwendung dieser Methoden im Kontext von „Articu- lation Work“ ergeben können. Abbildung 3.1 stellt dieses Kapitel und dessen Aufbau im Kontext der anderen inhaltlich vor- und nachgelagerten Kapitel dar. Abbildung 3.1.: Kapitel „Mentale Modelle“ im Gesamtzusammenhang 76 3.1. Articulation Work und mentale Modelle 3.1. Articulation Work und mentale Modelle Wie bereits im vorgehenden Kapitel beschrieben, werden in vorhandenen Arbeiten zu „Articulation Work“ deren Auftreten, Kontext und Wirkung beschrieben, nicht aber jene Aspekte ihrer Durchführung, die die individuellen Aktivitäten betreffen. Der eigentliche Gegenstand der Abstimmung, die im Rahmen der „Articulation Work“ erfolgen soll, wird ebenfalls nicht konkret festgelegt. Strauss spricht von „putting together tasks, task sequences, task clusters - even aligning larger units such as lines of work and subprojects - in the service of work flow“ (Strauss, 1988, S. 2), und konkretisiert: „the specific questions about tasks of course include: what, where, when, how, for how long, how complex, how well defined are their boundaries, how attainable are they under current working conditions, how precisely are they defined in their operational details, and what is the expected level of performance. (Which of those are the most salient dimensions depends on the organizational work context under study, and we cannot emphasize too much that it is the researcher who must discover these saliences.)“ (Strauss, 1985, S. 6). Strauss lässt also offen, was es exakt ist, das abgestimmt werden muss bzw. verlagert diese Frage in den konkreten Einzelfall. Strauss spricht diese Auslassung in einer späteren Arbeit explizit an (Strauss, 1993, S. 131) und führt – wie im letzten Kapitel bereits erwähnt – das Konstrukt der „thought processes“ ein. Im Kontext der Abstimmung von Tätigkeiten kommt den „thought pro- cesses“ der Individuen insofern Bedeutung zu, als dass sie den sichtbaren individuellen Handlungen zugrunde liegen bzw. diese beeinflussen. „Articulation Work“ wirkt sich also auf die „thought processes“ der beteiligten Individuen aus. „Thought processes“ umfas- sen „images, imaginations, projections of scenes, [. . . ] flashes of insight, rehearsals of action, construction and reconstruction of scenarios, the spurting up of metaphors or comparisons, the reworking and reevaluating of past scenes and one’s actions within them, and so on and on“ (Strauss, 1993, S. 130) - also im Wesentlichen alle kogniti- ven Vorgänge, die unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang mit den sichtbaren Arbeitsaspekten, insbesondere den Tätigkeiten zur Zielerreichung und der wahrgenom- menen Arbeitsumgebung, stehen. Strauss interessiert sich allerdings ausschließlich für die dynamischen Aspekte der Interaktion zwischen Individuen, nicht aber für die Aus- gangspunkte und Ergebnisse der zugrunde liegenden „thought processes“ (Strauss, 1993, S. 149). 3.2. Begriffsbestimmung Das Konzept der „mentalen Modelle“ wird grundsätzlich verwendet, um zu erklären „wie Menschen die Welt verstehen – genauer: wie sie ihr Wissen benutzen, um sich bestimmte Phänomene der Welt subjektiv plausibel zu machen“ (Seel, 1991, S. VII). Mentale Modelle sind dabei Erklärungsmodelle der Welt, die von Menschen auf Basis 77 3.2. Begriffsbestimmung von Alltagserfahrungen, bisherigem Wissen und darauf basierenden Schlussfolgerungen gebildet werden. Ein mentales Modell wird dann vom jeweiligen Individuum als Basis verwendet, um die Welt zu verstehen und ggf. Vorhersagen über deren Verhalten zu bilden. (Seel, 1991, S. VII) Im Wesentlichen wurde das Forschungsfeld der mentalen Modelle durch zwei Arbeiten maßgeblich beeinflusst. Johnson-Laird (1981) sowie de Kleer und Brown (1981) führen den Begriff als eigenständigen Forschungsgegenstand ein und legen damit die Grundlage für einen Großteil der nachfolgenden Arbeiten in dem Gebiet. Im Kontext dieser Arbeit wird auf das von Seel (1991) vorgeschlagene Verständnis von „mentalen Modellen“ zu- rückgegriffen. Seel (1991) versucht, die unterschiedlichen Richtungen der Forschung im Bereich der mentalen Modelle zusammenzuführen und daraus die Bedeutung von Men- talen Modellen für Lernvorgänge (unter die – im breiten Verständnis von Seel – auch die hier relevanten Abstimmungsvorgänge fallen) und Möglichkeiten zu deren Unterstüt- zung abzuleiten. Die folgenden Ausführungen basieren deshalb auf den Ausführungen von Seel und seiner Mitarbeiter (Ifenthaler (2006), Pirnay-Dummer (2006) und Hanke (2006)). Mentale Modelle sind nach Ifenthaler (2006, S. 7) „kognitive Konstruktionen, die ab- hängig von der jeweiligen Situation und vom semantischen Wissen einer Persone ad hoc konstruiert werden“. Ein mentales Modell ist also kein permanentes kognitives Kon- strukt, sondern wird auf Basis vorhandenen Wissens in bestimmten Situationen ad-hoc gebildet (siehe dazu auch Abschnitt 3.3). In engem Zusammenhang mit dem Begriff der mentalen Modelle ist jener der „Schemata“ zu nennen. „Schemata“ unterscheiden sich ih- rer Definition nach nur in Detail von „mentalen Modellen“1 Ein „Schema“ repräsentiert nach Seel (2003b, S. 57) „das aufgrund vielfältiger Einzelerfahrungen mit Objekten, Per- sonen, Situationen und Handlungen erworbene verallgemeinerbare und abstrakte Wissen einer Person.“ Schemata werden benutzt um „Wissensstrukturen zu beschreiben, welche typische Zusammenhänge eines Realitätsbereiches repräsentieren.“ (Ifenthaler, 2006, S. 8). Auf Basis dieser „Schemata“ treffen Individuen treffen Handlungsentscheidungen in bestimmten Situationen. „Schemata“ sind dabei als „Vorlagen“ zu sehen, die adäquate Handlungen für einen bestimmten Situationstypus vorgeben (im Sinne der erwähnten „Verallgemeinerbarkeit“) und Individuen damit zur raschen, unmittelbaren Handlung befähigt, ohne ausführliche Planungstätigkeiten durchführen zu müssen. In Abgrenzung dazu werden „mentale Modelle“ ad-hoc in Situationen gebildet, wo keine Schemata vor- handen sind oder vorhandene nicht angewandt werden können. Ifenthaler (2006) beschreibt den Zusammenhang zwischen Schemata und mentalen Modellen wie in Abbildung 3.2 dargestellt. Er bezieht sich dabei auf das „Äquilibrations“- 78 3.2. Begriffsbestimmung Abbildung 3.2.: Schemata und mentale Modelle (entnommen aus Ifenthaler (2006, S. 10)) Prinzip nach Piaget (1976). Demnach entwickelt sich das Wissen eines Indiviuums durch die komplementären Prozesse „Assimilation“ und „Akkommodation.“ Solange eine wahrgenommene Situation auf existierende Schemata abgebildet wer- den kann und daraus unmittelbar Handlungen abgeleitet werden können, spricht man von „Assimilation“ der wahrgenommene Information. „Assimilation“ festigt bestehende Schemata, gestaltet diese ggf. in Details exakter aus oder um, stellt die grundlegenden Annahmen, die dem Schema zugrunde liegen, aber nicht in Frage. Kann die wahrge- nommene Information nicht auf existierende Schemata abgebildet werden, kommt es zur „Akkommodation“, also der (ad-hoc) Bildung eines mentalen Modells und darauf aufbauend zur „Restrukturierung, Veränderung und Neuorganisation“ (Ifenthaler, 2006) der betreffenden Schemata. Schemata und mentale Modelle können damit auch als jene Strukturen interpretiert werden, die beim „Single-“ bzw. „Double-Loop-Learning“ nach Argyris und Schön (1978) zum Einsatz kommen. Im Kontext von „Articulation Work“ sind mentale Modelle in jenen Situation von Interesse, die als so „problematisch“ wahr- genommen werden, dass keine Fortführung der operativen Arbeit mehr möglich ist (auf individueller Ebene also evtl. existierende „Schemata“ nicht mehr zum Einsatz gebracht werden können). In diesen Situationen muss „explizite Articulation Work“ durchgeführt werden, um auf Basis eines mentalen Modells dieses selbst zu verändern, auszugestalten und soweit mit der Umwelt abzustimmen, dass eine Wiederaufnahme der operativen 1Tatsächlich wird nach Ifenthaler (2006) der Begriff der „mentalen Modelle“ von manchen Autoren zugunsten von „Schemata“ als überflüssig bezeichnet, da zweitere die auftretenden kognitiven Phä- nomene ausreichend beschreibt. 79 3.3. Bildung und Veränderung mentaler Modelle Arbeit (bzw. die Bildung von adäquaten Schemata) möglich wird. Um auf die Durch- führung von „expliziter Articulation Work“ unter Bezugnahme auf die mentalen Modelle der Individuen näher eingehen zu können, werden im nächsten Abschnitt die Bildung und Veränderung mentaler Modelle näher betrachtet. 3.3. Bildung und Veränderung mentaler Modelle Nach Seel (1991) umfasst die Bildung mentaler Modelle zwei Komponenten: Eine de- klarative Komponente, in der bereichs- bzw. domänen-spezifisches Wissen in der Form von hier nicht näher spezifizierten, strukturierten Wissensbasen abgelegt wird und eine operative Komponente, in der auf Grundlage dieser Wissensbasen Schlüsse gezogen und neues Wissen abgeleitet wird, die über das ursprüngliche domänenspezifische Wissen hinausgeht. Das in den Wissensbasen repräsentierte Wissen kann auf Alltagserfahrung basieren oder durch Vermittlung oder Instruktion begründet werden. Im ersteren Fall ist das Wissen dann als konkret und handlungsbezogen anzusehen, im zweiten Fall ist das Wis- sen eher auf abstrakter, formaler Ebene anzusiedeln. Analog dazu kann auch in der operativen Komponente die Schlussfolgerung entweder induktiv auf Basis eines „intui- tionsbegründeten“ Regelsystems gezogen werden oder durch Deduktion mittels einem formal begründbaren Regelsystem gebildet werden (Seel, 1991). Die Modifikation und Erweiterung der eigenen Wissensbasen und die (Weiter-) Ent- wicklung der kognitiven Fähigkeiten, die für die Ableitung von Schlussfolgerungen not- wendig sind, bezeichnet Seel (1991) als „Lernen“. Lernen ist ”mit der Verarbeitung indivi- dueller Erfahrungen mit sowie vermittelter Information über die Welt, ihre Struktur und Evidenz verbunden und kann als ein Prozess permanenter konzeptueller Veränderungen verstanden werden.” (Seel, 1991, S. 23). Lernen setzt damit die Fähigkeit und Bereit- schaft voraus, ”vermittelte Weltauffassungen zu verstehen, zu akzeptieren und sodann den eigenen gedanklichen Konstruktionen zugrunde zu legen” (Seel, 1991, S. 23). Im We- sentlichen entspricht dies einer Verallgemeinerung jener Vorgänge, die im Rahmen von nicht rein koordinierender sondern abstimmender und vor allem planender „Articulation Work“ durchgeführt werden. In Zusammenhang mit diesem Verständnis von „Lernen“ sind verschiedene Arten von mentalen Modellen zu unterscheiden. Seel (1991) differenziert zwischen „Novizenmodel- len“ und „Expertenmodellen“ (diese Unterscheidung trifft implizit auch Norman (1983) im Kontext der Verwendung mentaler Modelle in der HCI2). Ein „Novizenmodell“ ist ein Alltagsmodell, dass ad-hoc in einer Problemsituation gebildet wird und dem Indivi- duum, das es gebildet hat, in der aktuellen Situation als plausibel wahrgenommen wird (auch wenn es objektiv falsch ist). Es reicht aus, um adäquate Reaktionen auf die gegebe- 2Human Computer Interaction 80 3.3. Bildung und Veränderung mentaler Modelle ne Situation abzuleiten, ohne dass notwendigerweise eine Begründung der Handlungen möglich wäre oder diese nicht mit dem tatsächlichen Grund der Problembewältigung übereinstimmen3. Je öfter die Anwendung eines „Novizenmodells“ zum Erfolg führt, umso stabiler wird es zur Grundlage des Handelns des Individuums in der jeweiligen Situation. „Expertenmodelle“ (oder „wissenschaftliche Modelle“) sind hingegen inhaltlich voll- ständiger und bilden die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge der beobachtbaren Realität ab (sind also „objektiv korrekt“). Sie sind im allgemeinen differenzierter und bedienen sich einer adäquateren mentalen Codierung – d.h. Begriffssystem – als „Novizensysteme“ (die sich i.A. vertrauter Begriffssysteme bedienen, auch wenn diese einer anderen Do- mäne entstammen oder objektiv inkorrekt sind). Auch die Kompetenz des Individuums im Umgang mit dem mentalen Modell ist in diesem Fall höher. Der Übergang von ei- nem „Novizenmodell“ zu einem „Expertenmodell“ erfolgt dabei durch „Lernen“ im oben genannten Sinn. (Ifenthaler, 2006) „Expertenmodelle“ müssen aber nicht immer den erwünschten Endzustand eines Lern- prozesses darstellen. Durch die gesteigerte Komplexität des Modells wird dessen ad-hoc- Anwendung schwieriger, die Nützlichkeit des Modells ist deshalb eingeschränkt (vgl. Ifenthaler, 2006, S. 20). Hier zeigt sich eine Analogie mit dem Bereich „Articulation Work“, wo es – wie im letzten Kapitel beschrieben – ebenfalls nicht als erforderlich angesehen wird, dass jedes beteiligte Individuum eine detaillierte Gesamtsicht auf den Arbeitsablauf hat. Vielmehr ist es ausreichend, die jeweils relevanten Schnittstellen zu abzustimmen und einen groben Überblick über den Gesamtzusammenhang zu haben. Ifenthaler (2006) erweitert deshalb die binäre Klassifikation durch „Erklärungsmodel- le“, die er konzeptuell zwischen „Novizen-“ und „Expertenmodellen“ ansiedelt. Ein „Er- klärungsmodell“ „beinhaltet alle notwendigen Informationen, um ein Problem bezüglich des Sachverhaltes und der Anforderungssituation richtig zu lösen. Einem Erklärungsmo- dell wird dabei ein hoher Grad an Nützlichkeit beigemessen, was in Bezug auf die kognitive Leistung zu einer ergonomischen Problemlösung führt. Je nach Komplexität des Sach- verhaltes und der damit verbundenen Anforderungssituation kann ein Erklärungsmodell einem Novizenmodell oder einem Expertenmodell sehr ähnlich sein“ (Ifenthaler, 2006, S. 21). „Erklärungsmodelle“ sind also je nach Art der zugrunde liegenden Problemstellung unterschiedlich aufgebaut. Ziel eines „Erklärungsmodells“ ist es immer, bestmöglich zur Problemlösung beizutragen, diese also für das Individuum im Kontext der jeweiligen Problemstellung möglichst einfach zu gestalten. Ein „Erklärungsmodell“ gewinnt dabei durch „Lernen“ an Reifegrad, es nähert sich einem „Expertenmodell“ immer weiter an. Im Kontext von „Articulation Work“ ist der Begriff des „Erklärungsmodells“ ein hilf- reiches Konstrukt. Je nach Reifegrad des betreffenden mentalen Modells wird eine be- stimmte Arbeitssituation als mehr oder weniger komplex wahrgenommen. Je komplexer 3„[. . . ] most people’s understanding of the devices they interact with is surprisingly meager, imprecisely specified, and full of inconsistencies, gaps and idiosyncratic quirks.“(Norman, 1983, S. 8) 81 3.3. Bildung und Veränderung mentaler Modelle eine Arbeitssituation wahrgenommen wird, desto größer ist der Bedarf nach expliziter „Articulation Work“, also der expliziten Beschäftigung mit dem Arbeitsprozess, dessen Reflexion und der Abstimmung der eigenen Wahrnehmung mit anderen beteiligten In- dividuen. Diese Beschäftigung mit dem Arbeitsprozess, also jene Tätigkeiten, die im Rahmen der „Articulation Work“ durchgeführt werden, entsprechen – wie oben bereits beschrieben – dem hier beschriebenen „Lernen“, wobei in kooperativen Arbeitssituati- on die Quellen „vermittelter Information“ vorrangig die anderen beteiligten Individuen oder organisationale Artefakte sind, die den Arbeitsablauf beschreiben. Die Veränderung mentaler Modelle weist zwei grundlegende Schwierigkeiten auf. Bei bereits als nicht adäquat erkannten mentalen Modellen (wie sie bei „Articulation Work“, die in „non-routine work“ bzw. „problematic work“ ausgeführt wird, auftreten), besteht grundsätzlich die Bereitschaft zur Veränderung (im Sinne einer „Akkommodation“ des mentalen Modells an die als verändert wahrgenommene Umweltbedingungen), die Her- ausforderung besteht aber darin, die notwendigen Informationen vermittelt zu bekom- men, also an diese zu gelangen und adäquat dargeboten zu bekommen. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich in Situationen, in denen nicht alle involvierten Individuen die Situation als „problematisch“ wahrnehmen und deshalb keine grundlegende Bereitschaft zeigen, ihre der Arbeit zugrunde liegenden Annahmen (also ihre mentalen Modelle) zu verändern (Ifenthaler (2006) spricht von „hoher Veränderungsresistenz“). Dies tritt vor allem im Situationen auf, in denen „Articulation Work“ nicht aus einer allgemein wahrgenommen Problemsituation heraus durchgeführt wird, sondern entweder mit rein planendem Charakter angestoßen wird oder nur für einzelnen beteiligte Individuen so stark „problematisch“ ist, dass eine explizite Beschäftigung mehrerer oder aller am Ar- beitsablauf beteiligten notwendig ist. Aus der Theorie der mentalen Modelle heraus begründet, müssen also drei Rahmen- bedingungen gegeben sein, um „explizite Articulation Work“ durchführen zu können: 1. Die Beteiligten müssen bereit sein, ihre mentalen Modelle abzustimmen und das individuelle Verständnis der Schnittstellen abzugleichen. 2. Die von den beteiligten Individuen benötigte Information über den Arbeitsablauf muss von den anderen Beteiligten zur Verfügung gestellt werden können oder in der Form organisationaler Artefakte vorliegen. 3. Die benötigte Information muss in adäquater Form dargeboten werden, um die individuellen mentalen Modelle mit diesen in Einklang zu bringen. Anforderung 1 ist eine Frage des sozialen Verhaltens der beteiligten Personen bzw. der Organisationskultur und kann ggf. durch organisationale Maßnahmen (z.B. durch die Förderung von „Communities of Practice“ (Wenger, 1999)) unterstützt werden. Anfor- derung 2 kann trivial zu erfüllen sein, wenn der Kontext des Arbeitsablaufs (d.h. das Umfeld, in dem die Arbeit durchgeführt wird, u.a. inkl. aller beteiligten Individuen) bekannt ist. In komplexen, neuartigen oder unbekannten Arbeitssituationen muss auch die Erfüllung dieser Anforderung unterstützt werden. Ansatzpunkte dafür liefert im Be- 82 3.3. Bildung und Veränderung mentaler Modelle reich von „Articulation Work“ etwa Grinter (1996) (siehe Abschnitt 2.4.4) oder Fuchs et al. (2001) (siehe Abschnitt 2.4.7), umfassend mit dieser Thematik beschäftigt sich der Forschungsbereich der „Organisational Memories“ (zur technischen Unterstützung siehe etwa (Abecker et al., 1998) oder (Diefenbruch et al., 2002)4). Anforderung 3 wird in der Forschung zum Thema „Articulation Work“ von Sarini und Simone (2002a) im Kontext des „alignment of meanings“ angesprochen, bei dem eine automationsgestützte Abbildung unterschiedlicher Domänenvokabulare die grundsätzli- che Verständigung bzw. die Vermeidung von Missverständnissen vermeiden soll. Diese Maßnahme ermöglicht allerdings erst die Abstimmung mentaler Modelle, unterstützt diese aber noch nicht unmittelbar. Im Sinne der adäquaten Form der Darbietung argu- mentieren auch Divitini und Simone (2000), (Jørgensen, 2004) und vor allem Herrmann et al. (2002) mit der Forderung von flexiblen bzw. an die Bedürfnisse der Benutzer an- passbaren Modellierungsprachen bei der Verwendung von externalisierten Modellen als Unterstützung der Durchführung von „Articulation Work“ (siehe dazu die Abschnitte 2.4.8, 2.4.13 und 2.4.10). Hinsichtlich Anforderung 3 argumentiert Seel (1991) im Bereich der mentalen Modelle für die Nützlichkeit externalisierter Repräsentationen zur Verbesserung von mentalen Modellen. Er vertritt die Auffassung, dass „die Externalisierung die Konstruktion ei- nes mentalen Modells ’vervollkommnet’“, was er darauf zurückführt, dass „erst aus der Zielsetzung heraus, sich einem anderen mitzuteilen, die Präzision einer gedanklichen Konstruktion resultiert, die für die Erklärung einer Weltergebenheit erforderlich ist“ (Seel, 1991, S. 155). Die Bildung von Externalisierungen mentaler Modelle verbessert also einerseits das individuelle mentale Modell, indem sie Lücken und Inkonsistenzen bewusst macht, und ermöglicht andererseits die Kommunikation mit anderen Individuen und ist damit die Grundlage der Vermittlung von Information und damit des „Lernens“ und „Articulation Work“ im hier beschriebenen Sinn. Seel (1991) lässt jedoch offen, in welcher Form die Repräsentation erfolgt, um die Vermittelbarkeit bestmöglich sicherzu- stellen5. Ifenthaler (2006), Hanke (2006) und Pirnay-Dummer (2006) weisen an dieser Stelle jedoch auf qualitative Unterschiede der Eignung unterschiedlicher externer Re- präsentationsformen mentaler Modelle zur Externalisierung und Vermittlung derselben hin. Auf diese unterschiedlichen Formen und deren Eignung wird im nächsten Abschnitt eingegangen. Grundsätzlich konnte jedoch hier gezeigt werden, dass „Articulation Work“ die men- talen Modelle der beteiligten Individuen verändert bzw. auf diesen aufbaut. In weiterer Folge wurde deutlich, dass zur expliziten Durchführung von „Articulation Work“ auch aus der Theorie der mentalen Modelle heraus die Verwendung von externalisierten Mo- dellen (wie bereits von Divitini und Simone (2000), Herrmann et al. (2002) und Jørgensen (2004) ohne den Hintergrund der mentalen Modelle vorgeschlagen) sinnvoll ist. 4eine detaillierte Darstellung des Forschungsgebiets ist in (Maier, 2008) zu finden 5„Internalisierung von Erkenntnismitteln setzen Zeichensysteme (auditiver, visueller oder anderer Natur) für die Verschlüsselung der semantischen Gebilde voraus“(Seel, 1991, S. 155) 83 3.4. Externalisierung mentaler Modelle Diese Forderung nach einer Externalisierung mentaler Modelle, um deren Abstimmung zu unterstützten wird auch durch die Ausführungen von Senge (1990) und Kim (1993) gestützt, die mentale Modelle6 als ein wichtiges Konzept im Kontext des organisationalen Lernens identifizieren. Mentale Modelle bilden dort die Grundlage für Handlungen von Individuen in Organisationen und müssen geteilt werden, um der Organisation selbst eine Weiterentwicklung (einen „organisationalen Lernschritt“) zu ermöglichen. 3.4. Externalisierung mentaler Modelle Die Externalisierung von „mentalen Modellen“ ist immer ein zweistufiger Prozess (siehe Abbildung 3.3), in dem jeweils eine Transformation des Kodierungssystems stattfindet. Die wahrgenommene Realität (das „Weltwissen“) wird (ad-hoc) in ein mentales Modell abgebildet werden. Soll dieses externalisiert werden, ist dazu ein weiterer Übersetzungs- bzw. Abbildungsschritt notwendig. Gleichzeitig führt nach Stachowiak (1973) jede Mo- dellbildung neben der „Abbildung“ auch zur „Verkürzung“, d.h. dass das Modell nicht die gesamte Information des Originals enthält, sondern nur jene Aspekte, die vom Er- steller als relevant wahrgenommen werden7. In diesem Sinne können sie nur in einem bestimmten (zeitlichen, personellen und operationalen) Kontext für das Original stehen („pragmatisches Merkmal“ – jedes Modells ist für einen bestimmten Zweck konstruiert8). Herausfordernd ist im Kontext von „Articulation Work“ das Abbildungsmerkmal, also die notwendige Übersetzungsleistung bei der Externalisierung eines mentalen Modells. Externalisierung umfasst nach Hanke (2006) immer die „Repräsentation“ als auch die „Kommunikation“ eines mentalen Modells. Die Relevanz dieser beiden Aspekte ver- schiebt sich je nach Kontext bzw. Zielsetzung der Externalisierung. Dient diese eher der individuellen Verständnisbildung, steht die „Repräsentation“ im Vordergrund (diesen Zweck erfüllt nach (Seel, 1991) auch bereits das mentale Modell selbst, die Externali- sierung hat schärfenden Charakter). Die externalisierte Repräsentation soll nach Seel (1991, S. 187) in Bezug auf das repräsentierte mentale Modell • vollständig • konzise 6in einem etwas breiteren Verständnis, welches im Wesentlichen auch Schemata umfasst: „[mental models are] deeply ingrained assumptions, generalizations, or even pictures and images that influence how we understand the world and how we take action.“Senge (1990) 7„Modelle erfassen im allgemeinen nicht alle Attribute des durch sie repräsentierten Originals, son- dern nur solche, die den jeweiligen Modellerschaffern und / oder Modellbenutzern relevant schei- nen.“(Stachowiak, 1973) 8„Modelle sind ihren Originalen nicht per se eindeutig zugeordnet. Sie erfüllen ihre Ersetzungsfunk- tion: für bestimmte — erkennende und / oder handelnde, modellbenutzende — Subjekte; innerhalb bestimmter Zeitintervalle und unter Einschränkung auf bestimmte gedankliche oder tatsächliche Ope- rationen.“(Stachowiak, 1973) 84 3.4. Externalisierung mentaler Modelle Abbildung 3.3.: Externalisierung mentaler Modelle (entnommen aus (Ifenthaler, 2006)) • kohärent und konkret • bedeutungshaltig und korrekt sein. Das Kodierungssystem muss hier also so gewählt werden, dass eine möglichst un- mittelbare Abbildung der mentalen Modelle auf die externalisierte Repräsentation (und vice versa) möglich ist. In Situationen, in denen mentale Modelle zusätzlich auch anderen Individuen ver- mittelt werden sollen, steht „Kommunikation“ im Vordergrund. Die „Kommunizierbar- keit“ eines mentalen Modells hat Auswirkungen auf die wählbaren Kodierungssysteme zur Externalisierung. Das gewählte Kodierungssystem muss allen beteiligten Individuen verständlich sein, während dieses Kriterium bei der individuellen Verständnisbildung ir- relevant ist (Hanke, 2006). Im Rahmen von „Articulation Work“ steht im Allgemeinen die „Kommunikation“ bei der Externalisierung im Vordergrund, wobei diese ohne eine adäquate „Repräsentation“ nicht möglich ist. Ziel muss es also sein, Kodierungssysteme zur Verfügung zu stellen, die • allen beteiligten Individuen verständlich sind, und • eine möglichst unmittelbare Abbildbarkeit der mentalen Modelle auf die externa- lisierte Repräsentation ermöglicht. Kodierungssysteme können „auditiver, visueller oder anderer Natur“ (Seel, 1991, S. 155) sein. Das gebräuchlichste Kodierungssystem ist die natürliche Sprache. Diese ist im Sinne der ersten Anforderung oft eine gute Wahl, bietet aber aufgrund ihrer Generizität nur wenig Möglichkeiten, sowohl den Repräsentations- als auch den Kommunikations- prozess bei der Externalisierung explizit zu unterstützen. Ifenthaler (2006) stellt mehrere Methoden vor, die sich spezifisch zum Zwecke der Externalisierung mentaler Modelle eig- nen und zu qualitativ höherwertigen Externalisierungsergebnisse führen sollen. Dies sind im Einzelnen: 85 3.4. Externalisierung mentaler Modelle • Methode des lauten Denkens • Strukturlegetechniken • Concept Mapping Auch (Huss, 2003) erwähnt diese Ansätze im Zusammenhang mit der Externalisierung „mentaler Repräsentationen“. In der Folge werden die genannten Ansätze detaillierter betrachtet. Dabei kommt folgender Raster zum Einsatz: Konzept beschreibt die grundlegenden Konzepte des Ansatzes und die darauf aufbau- ende Zielvorstellung Vorgehen beschreibt, wie die Zielerreichung methodisch sichergestellt werden soll. Unterstützung beschreibt, welche (technischen) Unterstützungsmaßnahmen vorgeschla- gen werden. Bewertung fasst die Eigenschaften der Methode zusammen und beurteilt sie hinsichtlich ihrer Eignung für „Articulation Work“ 3.4.1. Methode des lauten Denkens Die „Methode des lauten Denkens“ (Van Someren et al., 1994) beschreibt ein Vorgehen, bei dem Individuen während ihrer operativen Tätigkeit ihre Gedanken und die Motive für ihr Handeln verbalisieren. Konzept Die Grundidee der „Methode des lauten Denken“ basiert darauf, alle Gedanken, die eine Tätigkeit begleiten, laut auszusprechen ohne sich auf diese Verbalisierung explizit zu konzentrieren (und etwa über Formulierungen nachzudenken oder Interpretationen durchzuführen). Es werden keine Fragen gestellt, das externalisierende Individuum wird ggf. lediglich daran erinnert, seine Gedanken auszusprechen. Nach Van Someren et al. (1994) hat diese Form der Externalisierung keinen negativen Einfluss auf die Durchfüh- rung der eigentlichen Tätigkeit. Die „Methode des lauten Denkens“ wird immer mit dem Ziel durchgeführt, die kogniti- ven Prozesse in einer bestimmen Situation offenzulegen. Dazu muss eine Problemstellung ausgewählt werden, die diese Situation auslöst und möglichst keine oder geringe Neben- effekte aufweist. Zu diesen Nebeneffekten gehört etwa die kognitive Überforderung des Individuums, wenn die Aufgabe als zu schwierig wahrgenommen wird. Gleichzeitig führt eine zu einfache Aufgabe zu einer routinisierten Abarbeitung, deren kognitiven Prozesse zumeist implizit und schwer zu externalisieren sind (vgl. „Operations“ in der „Activity Theory“ (Leont’ev, 1978)). Der wahrgenommene Schwierigkeitsgrad der Aufgabe steht 86 3.4. Externalisierung mentaler Modelle in direktem Bezug zu der Expertise des Individuums (als unabhängige Variable), die damit bei der Auswahl der Problemstellung berücksichtigt werden muss. Die „Methode des lauten Denkens“ wird oft mit Retrospektion kombiniert. Retrospek- tion ist die angeleitete Reflexion über eine Tätigkeit im Nachhinein (also nach Abschluss der Tätigkeit). Im Falle der Kombination mit der „Methode des lauten Denkens“ wird diese Reflexion mit Protokollen der verbalisierten Gedanken durchgeführt, was Unklar- heiten in diesen Protokollen beseitigt und eine tiefergehende Reflexion ermöglichen kann. Die Ergebnisse der „Methode des lauten Denkens“ werden auf Basis von Audio- oder Video-Aufnahmen möglichst exakt transkribiert. Die Auswertung der Protokolle erfolgt im Normalfall nicht durch das Individuum selbst, sondern wird interpretativ durch Drit- te durchgeführt. Von Van Someren et al. (1994) wird dazu unter anderem vorgeschlagen, eine Aufgaben-Analyse durchzuführen, deren Ergebnis im Allgemeinen ein (diagramma- tisches) Modell der Aufgaben und Tätigkeiten des Individuum zur Zielerreichung ist. Vorgehen Van Someren et al. (1994) beschreiben einen prototypischen Ablauf der „Methode des lauten Denkens“, der hier angegeben wird. Die Durchführung der Methode sollte in einer möglichst ungestörten, ruhigen Umgebung erfolgen. Das Individuum wird instruiert, bei der Problemlösung laut mitzusprechen und alles zu sagen, was ihm durch den Kopf geht (für konkrete Formulierungsvorschläge der Fragestellungen siehe (Van Someren et al., 1994, S. 43)). Bevor die eigentliche Problemstellung bekannt gegeben wird, kann bei in der Methode ungeübten Individuen eine „Aufwärmphase“ durchgeführt werden, in der etwa anhand der Lösung einer einfachen Schlussrechnung das Verbalisierung der Überlegungen zu deren Lösung geübt werden kann. Während der Durchführung der Methode beschränkt sich der Untersuchungsleiter dar- auf, das Individuum an das Aussprechen seiner Gedanken zu erinnern, sobald dieses zu sprechen aufhört. Der gesamte Verlauf der Aufgabenbearbeitung wird mittels Audio- oder Video-Ausrüstung aufgezeichnet. Nach Abschluss der Methode wird die gesamt Aufzeichnung transkribiert. Bei der Transkription muss auf höchste Exaktheit geachtet werden, auch Sprechpausen oder nichtverbale Geräusche des Individuums sind relevant. Liegt eine Videoaufzeichnung vor, so wird das Transkript um die beobachteten Tätigkeiten des Individuums ergänzt. Das fertige Transkript kann dem Individuum im Sinne der Retrospektion zur Kommentierung vorgelegt werden, bei der Ergänzungen oder Erklärungen angebracht werden können (aber als solche gekennzeichnet werden müssen). Zur Auswertung der Ergebnisse der „Methode des lauten Denkens“ werden unter- schiedliche Methoden herangezogen, die im Detail in (Van Someren et al., 1994) be- schrieben sind. Da hier lediglich die Externalisierung selbst von Interesse ist, wird auf diese Methode an dieser Stelle nicht näher eingegangen. 87 3.4. Externalisierung mentaler Modelle Unterstützung Eine technische Unterstützung der „Methode des lauten Denkens“ ist von den Entwick- lern der Methode (Van Someren et al., 1994) grundsätzlich nicht vorgesehen. Lediglich zur Dokumentation der artikulierten Information wird eine Aufzeichnung mittels Video- oder Audio-Ausrüstung empfohlen. Diese Dokumentation ist notwendig, um eine mög- lichst vollständige Auswertung der Information zu gewährleisten und eine Abbildung auf eine strukturierte Externalisierung des zugrunde liegenden mentalen Modells zu ermög- lichen. Senge (1990) schlägt zur verbalen Externalisierung von mentalen Modellen einen An- satz vor, der der „Methode des lauten Denkens“ nahe kommt, die Gedanken des Indi- viduums aber verschriftlicht. Bei Einsatz der „left-hand column“9 wird ein Blatt Papier in zwei Spalten geteilt, wobei in der rechten Spalte eine Transkription der Handlungen bzw. der Konversation eines Individuums eingetragen wird. In der linken Spalte werden die Gedanken und handlungsmotivierenden Überlegungen eingetragen und den sichtba- ren Handlungen in der rechten Spalte zugeordnet. Ein Nachteil dieser Methode ist, dass er – auch wenn er technisch unterstützt wird – nur im Nachhinein durchgeführt werden kann, um den eigentlichen Arbeitsablauf nicht zu unterbrechen. Bewertung Die „Methode des lauten Denkens“ (Van Someren et al., 1994) ist die einzige der vor- geschlagenen Methoden zur Externalisierung mentaler Modelle, welche nicht auf eine graphische Repräsentationsform zurückgreift. Die externalisierende Person muss wäh- rend der Aufgabenbearbeitung unmittelbar ihre kognitiven Prozesse und Denkmuster verbalisieren. Dies ist für viele Menschen ungewohnt und führt oft zu unvollständigen Repräsentationen. Detailliertes Nachfragen ist hier deshalb notwendig. Die gewonnen Daten (etwa aus Audio- oder Videomitschnitten des Versuchsszenarios) werden struk- turiert ausgewertet, kategorisiert und interpretiert. Hier liegt auch die Schwierigkeit des Verfahrens – in der Interpretation ist eine eindeutige Zuordnung zu bestimmten ko- gnitiven Prozessen oft nicht möglich, die Repräsentation des mentalen Modells bleibt unvollständig oder ist inkonsistent. (Ifenthaler, 2006, S. 28) In einer informellen Variante ist die „Methode des lauten Denkens“ jedoch vor allem für den Einsatz in nicht komplexen Fällen von „Articulation Work“ geeignet (also et- wa bei kleineren Änderung im Arbeitskontext, die die Anpassung einzelner Tätigkeiten aber nicht die Adaption des gesamten Arbeitsablaufs benötigen). Dabei kann auf eine Aufzeichnung ggf. verzichtet werden, da die Durchführung der unmittelbaren Kommuni- kation dient und deren Ergebnisse nicht weiter interpretiert oder anderweitig verwendet werden müssen. 9Eine detaillierte Beschreibung der Methode ist in (Senge et al., 1994) erschienen 88 3.4. Externalisierung mentaler Modelle 3.4.2. Strukturlegetechniken Strukturlegetechniken sind Methoden, in denen gelegte Strukturen zur Repräsentati- on von „Wissen“ eingesetzt werden. Die gelegten Strukturen (die im Wesentlichen aus Knoten und Kanten unterschiedlicher Bedeutung bestehen) bilden dabei die Zusammen- hänge einzelner Konstrukte ab, wie sie die legende Person wahrnimmt. Der Prozess des Legens ist eine „Rekonstruktion subjektiver Theorien“ (Dann, 1992) und stellt eine „[. . . ] verstehende Beschreibung von Handlungen nicht aus der Perspektive eines außenstehen- den Beobachters, sondern aus Sicht der handelnden Person, des Akteurs selber“ (Dann, 1992, S. 2) dar. Konzept Das Konzept der Strukturlegetechniken entstammt im Wesentlichen einem Forschungs- programm zur Entwicklung von Ansätzen zur „rekonstruktiven Erhebung subjektiver Theorien“ (Dann, 1992). „Subjektive Theorien“ sind dabei im Wesentlichen den menta- len Modellen und Schemata gleichzusetzen10 (Kluwe, 1990, zitiert nach (Huss, 2003)). Strukturlegetechniken sind nicht als reine Erhebungsmethoden zu sehen, sondern be- einflussen durch den Lege-Vorgang selbst die zu externalisierenden mentalen Modelle und bilden damit die Grundlage für eine mögliche Veränderung des Agierens im Ar- beitskontext (Dann, 1992, S. 6). Die Grundidee von Strukturlegetechniken ist die freie Anordnung und Assoziation von Begriffen. Je nach Variante kann dies individuell oder in Gruppen, mit oder ohne Moderator bzw. Untersuchungsleiter geschehen. Der Pro- zess ist dann abgeschlossen, wenn die Beteiligten die Repräsentation als eine adäquate Abbildung ihrer Denkmodelle sehen. Vor allem in kooperativen Sitzungen ist dies mit Aushandlungs- und Abstimmungsprozessen während der Repräsentation verbunden, was Strukturlegetechniken in der Durchführung potentiell aufwändig macht. Strukturlegetechniken sind hinsichtlich der Art und dem Umfang der vorgegebenen Konstrukte nicht einheitlich aufgebaut. Es existieren Ansätze, in denen sämtliche Struk- turelemente (also Konzepte und Arten von Beziehungen) vorgeben sind und die vom Externalisierenden „lediglich“ die Anordnung dieser Strukturelemente verlangen. Dem gegenüber stehen Strukturlege-Varianten, die weder die Konzeptklassen (und dement- sprechend auch keine konkreten Konzepte) noch die Beziehungsarten vorgeben und deren Festlegung dem Externalisierenden überlassen (für einen Überblick über Varianten siehe (Ifenthaler, 2006, S. 29)). Im Fall der gängigen HSLT11 (Scheele und Groeben, 1988) wird ein zweistufiges Vorgehen gewählt, bei dem im ersten Schritt die Konzepte durch ein vorgegebenes Frageschema erhoben werden und im zweiten Schritt die Anordnung 10„Subjektive Theorien [. . . ] sind nicht nur unmittelbar handlungserklärend, -rechtfertigend oder –lei- tend; d.h. sie beziehen sich über die unmittelbare Erklärung/Rechtfertigung etc. eigener Handlungen hinaus auf z.B. ganze Handlungskategorien [. . . ]“ (Scheele und Groeben, 1988, S. 34) 11Heidelberger Strukturlegetechnik 89 3.4. Externalisierung mentaler Modelle und Assoziation durchgeführt wird. Die Strukturen, die durch den Externalisierenden ge- bildet werden sind im Sinne von Stachowiaks „Allgemeiner Modelltheorie“ (Stachowiak, 1973) als „diagrammatische Modelle“ einzustufen (also ein im Normalfall graphisches, jedoch nicht ikonisches Darstellungsmodell). Vorgehen Je nach Variante von Strukturlegetechniken werden mehr oder weniger starke Vorgaben hinsichtlich des Ablaufs der Externalisierung gemacht. In der Literatur (z.B. (Ifenthaler, 2006)) wird die Dialog-Konsens-Methodik, die im Rahmen der Heidelberger Strukturle- getechnik (Scheele und Groeben, 1988) zur Anwendung kommt, als einer der elaborier- testen Ansätze bezeichnet. Exemplarisch wird diese deshalb an dieser Stelle betrachtet. Die Dialog-Konsens-Methodik sichert die Adäquatheit der während des Legeprozes- ses entstehenden mentalen Modelle durch laufende „kommunikative Validierung“ des Verständnisses ab. Um die kognitive Last zu reduzieren, wird dem eigentlichen Struk- turlegeprozess eine Erhebungs-Phase vorgelagert, in der die relevanten Strukturelemente (Konzepte und Assoziationen) identifiziert werden. In der Erhebungsphase werden mittels einem semistrukturierten Interview (exempla- rischer Aufbau siehe (Scheele und Groeben, 1988)) werden Konzepte identifiziert, die für den jeweiligen Problembereich von Interesse sind. Die Identifikation erfolgt durch den Untersuchungsleiter auf Basis des Interview-Protokolls und nicht durch das externalisie- rende Individuum selbst. Das Individuum bestätigt, verändert oder erweitert in der Folge im Dialog mit dem Untersuchungsleiter die identifizierten Konzepte. Die Strukturierung der Konzepte erfolgt mittels vorgegebenen Relationen (die – so wie die Konzepte – als Kärtchen vorliegen). Die HSLT definiert insgesamt 20 Relationsarten und sieht keine Erweiterung derselben vor. Die Strukturierung wird sowohl vom externalisierenden In- dividuum als auch von Untersuchungsleiter unabhängig voneinander vorgenommen und dann im Rahmen eines Dialog-Konsens-Prozesses gegenübergestellt und das Verständnis abgeglichen. Ziel ist hier, dass der Untersuchungsleiter das mentale Modell des Indvidu- ums versteht. Scheele und Groeben (1988) schlagen vor, bei komplexen Sachverhalten die Konsensbildung über die Konzepte in einem separaten Dialog-Konsens-Prozess durch- zuführen, bevor die Strukturierung vorgenommen wird. Auch andere Strukturlegetechniken (siehe (Dann, 1992)) bleiben beim Konzept des Dialog-Konsenses und trennen zwischen der Phase der Konzepterhebung und der der Konzeptstrukturierung. Sie unterscheiden sich in der Zielsetzung der Externalisierung (und sind zum Teil nur für bestimmte Formen von mentalen Modelle geeignet) sowie im Grad der Vorstrukturierung (also inwieweit Konzepte und / oder Beziehungen be- reits vorgegeben sind). Entsprechend der jeweiligen Offenheit bzw. Eingeschränktheit der Strukturlegetechnik ist die Phase der Konzept- (bzw. Beziehungs-)Sammlung mehr oder weniger stark ausgeprägt. Gemein ist allen Strukturlegetechniken, dass zwei dedizierte 90 3.4. Externalisierung mentaler Modelle Phasen der Konzeptsammlung und der Konzeptstrukturierung durchgeführt werden, die in der Folge im Dialog-Konsens iterativ solange verfeinert werden, bis alle beteiligten Personen (also der Untersuchungsleiter und das externalisierende Individuum) mit dem Ergebnis zufrieden sind. Unterstützung Als technologische Unterstützung von Strukturlegetechniken wird in der Literatur mehr- fach (u.a. bei (Huss, 2003) und (Ifenthaler, 2006)) die Software MaNET12 (Eckert, 1998) erwähnt13. Von den Entwicklern dieses Produkts wird dieses aber wiederholt als Software zur computerunterstützten Generierung von „Concept Maps“ (siehe Abschnitt 3.4.3) bezeichnet. Tatsächlich verschwimmen ob der fehlenden physischen Repräsentation des Modells (es wird ausschließlich am Rechner konstruiert) und dem offenen semantischen Konzept (im Gegensatz zur HSLT) die Grenzen zu „Concept Mapping“-Werkzeugen im Sinne der Entwickler dieses Ansatzes (Novak und Cañas, 2006). Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Mandl und Fischer (2000), die bei der Unterstützung von Methoden zur „Strukturdarstellung“ auf „Concept-Mapping“-Werkzeuge verweisen. Eine explizite Unterstützung des physischen Legeaspekts von Strukturlegetechniken wird in der Literatur nicht erwähnt. Aktuell existieren allerdings Bestrebungen, compu- terunterstützte „Concept Mapping“-Ansätze in den physischen Raum zu transferieren (Do-Lenh et al., 2009) (Tanenbaum und Antle, 2009). Diese Ansätze werden in Abschnitt 6.6.2 im Rahmen der Beschreibung der verwandten Arbeiten genauer betrachtet. Bewertung Strukturlegetechniken bedienen sich einer physischen Abbildung der mentalen Model- le durch die externalisierende Person. Sie zählen damit hinsichtlich des Ergebnisses zu den graphischen Verfahren zur Externalisierung mentaler Modelle. Konzeptuell besteht keine Einschränkung auf individuelles Externalisieren, das Verfahren kann auch in Grup- pen angewandt werden. Die beteiligten Personen bilden Begriffsnetzwerke, die die deren Handlungen zugrunde liegenden Annahmen und Modelle abbilden. Strukturlegetechni- ken werden in den gängigen Varianten durch Dialog-Konsens-Methoden unterstützt, in denen die Modelle in Interaktion zwischen dem Externalisierenden und dem Modera- tor bzw. Versuchsleiter entstehen. Grundsätzlich ist dies aber nicht notwendig und wird auch nicht in allen Strukturlege-Varianten angewandt. Hinsichtlich der Auftrennung des Externalisierungsprozesses in zwei Phasen (Konzept- Sammlung und –Strukurierung) ist bei der Durchführung im Rahmen von „Articulation Work“ eine fakultative Durchführung der ersten Phase möglich und angemessen. Durch 12Mannheimer Netzwerk-Elaborations-Technik 13http://www.marescom.net (Abruf am 21.08.2009) 91 3.4. Externalisierung mentaler Modelle die inhaltliche Offenheit von „Articulation Work“ sind viele Konstrukte nur in ihrem Kontext sinnvoll verständlich und müssen deshalb unmittelbar in die Struktur einge- bettet werden oder werden erst aus dieser ersichtlich. Eine strikte Teilung in Sammlung und Strukturierung ist daher in diesem Anwendungsbereich fragwürdig. Bei der Model- lierung komplexer Zusammenhänge ist außerdem eine möglichst hohe Flexibilität der Repräsentationsform von Vorteil, um den Modellierungsprozess nicht zur behindern und eine Fokussierung auf den Modellierungsgegenstand zu ermöglichen (Goguen, 1993, S. 6). Dies wird im Kontext von „Articulation Work“ (Schmidt und Simone, 2000, S. 10) und insbesondere bei der Verwendung von diagrammatischen Modellen zu diesem Zweck (Jørgensen, 2004, S. 23) als wesentlich erachtet. Im Falle von „Articulation Work“ ist von einer wechselseitigen Abstimmung der men- talen Modelle der beteiligten Individuen auszugehen (obgleich es Szenarien geben kann, in der klassische Experten-Laien-Settings im Sinne eines unidirektionalen Wissenstrans- fers auftreten – diese werden hier jedoch als Spezialfall des allgemeinen, wechselseitigen Szenarios betrachtet). Dazu ist eine Auflösung der in der ursprünglichen Methode vor- gesehenen strikten Trennung zwischen „Proband“ und „Untersuchendem“ hin zu einer gleichberechtigten Rolle aller Beteiligten notwendig. Zu untersuchen bleibt, ob die Rolle des Moderators und „Ermöglichers“ (im Sinne der Unterstützung bei der Werkzeug- benutzung), die ansonsten vom Untersuchungsleiter eingenommen wird, nach wie vor explizit wahrgenommen werden muss (durch eine Person, die ansonsten nicht in den Dialog-Konsens-Prozess eingebunden ist). Kritisch betrachtet wird die lange Durchführungsdauer der Externalisierungs-Prozesse, die eine nicht unwesentliche Belastung der Teilnehmer darstellt. Auch die Komplexität mancher Ansätze (etwa der HSLT mit ihren 20 unterschiedlichen Beziehungstypen) stellt eine nicht unwesentliche kognitive Belastung der Teilnehmer dar. Neuere Ansätze emp- fehlen zur Reduktion des Aufwandes den Einsatz von rechnerbasierten Werkzeugen, ohne dabei jedoch spezifischer zu werden. (Ifenthaler, 2006, S. 29f) 3.4.3. Concept Mapping Concept Mapping (Novak und Cañas, 2006) ist eine Methode, in der semantische offene diagrammatische Modelle graphisch erstellt werden. Sie dienen der flexiblen Abbildung von Begriffen (Konzepten) und deren Zusammenhänge. Die erstellte Struktur entspricht einem Graphen mit Knoten, die die Konzepte repräsentieren und Kanten, die gerichtet oder ungerichtet die Beziehungen zwischen den Konzepten herstellen und durch Beschrif- tung zusätzlich spezifiziert werden können. Concept Mapping sollte ob der potentiellen Komplexität der entstehenden Modelle Novak und Cañas (2006) zufolge durch rechner- basierte Werkzeuge unterstützt werden. 92 3.4. Externalisierung mentaler Modelle Konzept Concept Maps sind graphische Strukturen, in denen durch Knoten und Kanten Begriffe und deren Zusammenhänge dargestellt werden. Die Begriffe („Konzepte“) werden dabei anhand des Themas der Concept Map ausgewählt, die zumeist in Form einer Fokus-Frage vorliegt. Ein Konzept ist nach (Novak und Cañas, 2006, S. 1) „a perceived regularity in events or objects, or records of events or objects, designated by a label“. Konzepte sind also allgemeine Aussagen über Phänomene oder Objekte, die durch einen Bezeichner beschrieben werden können. Diese Bezeichner sind im Allgemeinen kurz und sollten 1-2 Worte umfassen. Die Konzepte werden untereinander mit Beziehungen verbunden, wobei die Kombina- tion aus zwei oder mehreren Konzepten und einer Beziehung als „Proposition“ bezeichnet wird. „Propositioen“ sind nach Novak und Cañas (2006, S. 1) „statements about some object or event in the universe, either naturally occurring or constructed“. Beziehungen können grundsätzlich gerichtet oder ungerichtet sein und müssen durch eine Beschriftung („linking word“) mit (beliebiger) Bedeutung versehen werden. Nach Novak und Cañas (2006) enthalten Concept Maps meist eine hierarchische Struktur, in der die allgemei- nen Konzepte am oberen Rand angeordnet sind und nach unten hin immer spezifischer werden. Daneben gibt es „cross-links“, die Beziehungen außerhalb der hierarchischen Struktur darstellen und Konzepte zueinander in Beziehung setzen, die in unterschiedli- chen Bereichen der Concept Map stehen. Die grundlegende Struktur eine Concept Map ist in Abbildung 3.4 als Concept Map dargestellt. Abbildung 3.4.: Struktur einer Concept Map (entnommen aus (Novak und Cañas, 2006, S. 2)) 93 3.4. Externalisierung mentaler Modelle Concept Maps werden verwendet, um exploratives Lernen zu unterstützen. In diesem Fall bilden Individuen die ihnen bewussten Zusammenhänge der Realität in der Con- cept Map ab und erschließen bei der individuellen oder kooperativen Erstellung den Problembereich vollständiger, was zur Entwicklung eines umfassenderen Verständnisses beiträgt. Nach Novak und Cañas (2006) können Concept Maps auch verwendet wer- den, um (implizites) Expertenwissen abzubilden (die Autoren beziehen sich hier auf die „Wissenspirale“ nach Nonaka und Takeuchi (1995). Im Wesentlichen ermöglichen Con- cept Maps damit das Externalisieren sowohl von Laien- als auch Expertenmodellen im Sinne von Seel (1991) und unterstützen auch die Weiterentwicklung von Laienmodellen hin zu ausgereifteren Erklärungs- oder Expertenmodellen. Damit ist eine grundsätzli- che Eignung für den Einsatz im Rahmen von auf der Externalisierung von Modellen basierender „Articulation Work“ gegeben. Vorgehen Novak und Cañas (2006) schlagen vor, bei der Konstruktion einer Concept Map mit der Festlegung einer Fokus-Frage zu beginnen. Die Fokus-Frage muss klar formuliert sein und spezifisch auf das Problem oder den Sachverhalt eingehen, der in der Con- cept Map repräsentiert werden soll. Die Fokus-Frage dient nicht nur der Festlegung des Gegenstands der Concept Map, sondern auch deren Abgrenzung nach außen (d.h. dass die Frage so spezifisch sein muss, dass Abweichungen vom intendierten Gegenstand der Concept Map erkannt werden können). Im nächsten Schritt werden die relevanten Konzepte gesammelt. Novak und Cañas (2006) sprechen von 15-25 Konzepten, die im ersten Durchlauf maximal verwendet wer- den sollten. Diese Konzepte können grob entsprechend ihrer Abstraktheit vorsortiert werden, um die Erstellung der Concept Map im nächsten Schritt zu erleichtern. Die vorläufige Concept Map, die im nächsten Schritt erstellt wird, basiert auf den hierarchischen Zusammenhängen zwischen den gesammelten Konzepten. Zwischen diesen wird in der Folge nach „cross-links“ gesucht. Alle identifizierten Beziehungen müssen benannt werden. Im Zuge dieser ersten Herstellung von Beziehungen ergeben sich im Normalfall weitere Konzepte, die in die Concept Map aufgenommen werden müssen. Dies erfolgt im Zuge eines erneuten Durchlaufs durch den beschriebenen Prozess. Nach Novak und Cañas (2006) benötigt eine Concept Map mindestens drei dieser Durchläufe, um ausreichende Qualität erreichen zu können. Unterstützung Novak und Cañas (2006) erwähnen, dass Concept Mapping mittels Haftnotizen auf Pa- pier oder Whiteboards durchgeführt werden kann, empfehlen aber, ein rechnerbasiertes 94 3.5. Zusammenfassung Werkzeug – die CMapTools (Cañas et al., 2004) – einzusetzen, das den Erstellungspro- zess unterstützt und den Umgang mit der entstehenden Komplexität erleichtert. Dieses Werkzeug ermöglicht neben der Unterstützung des Mapping-Prozesses (d.h. der Nachverfolgung des Prozesses und der Möglichkeit, einzelne Schritte rückgängig zu machen) auch eine erweiterte Abbildung der Concept Map selbst. Diese umfasst unter anderem auch die Einbindung von externen Ressourcen (Dateien am Rechner), was von Novak und Cañas (2006) als wesentlich zur Einbettung der Concept Map in den Kontext des Problemumfelds angesehen wird. Bewertung Concept Mapping ist ein Ansatz zur computer-basierten Strukturierung und Visualisie- rung von Konzept-Netzwerken (Novak und Cañas, 2006). Durch die Rechnerunterstüt- zung ergeben sich Vorteile hinsichtlich der Flexibilität der Darstellung und der Archivie- rung der Modelle. Konzeptuell werden wie bei Strukturlegetechniken Begriffsnetzwerke gebildet, wobei die methodische Hinterlegung bei Concept Mapping Ansätzen nicht so variantenreich und detailliert ausgeführt ist. Durch die digitale Repräsentation ist eine Concept Map leichter ohne Konsequen- zen zu manipulieren, da Änderungen jederzeit rückgängig gemacht werden können. Dies ermöglicht Experimente mit dem Modell und erlaubt dem Externalisierenden eine um- fassendere Ergründung und Reflexion der Modelle. Kritisch wird jedoch die im Gegen- satz zu Strukturlegetechniken fehlende Unmittelbarkeit der Externalisierung betrachtet – jeder Externalisierung-Prozess muss am Rechner umgesetzt werden und setzt damit Kompetenz im Umgang mit diesem Medium voraus. Ifenthaler (2006, S. 30f) Für die Durchführung von „Articulation Work“ sind Concept Maps durch ihre se- mantische Offenheit vor allem zur expliziten Unterstützung von „alignment of meaning“ geeignet (vgl. (Sarini und Simone, 2002a), beschrieben in Abschnitt 2.2). Bei der rechner- gestützten Durchführung von Concept Mapping ist aber die Wirkung der auf einen Be- nutzer ausgerichteten Benutzungsschnittstelle (Monitor sowie Maus und Tastatur) auf die Interaktion zwischen den Beteiligten zu berücksichtigen. 3.5. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde das Konzept der „Mentalen Modelle“ eingeführt und dessen Relevanz für die Durchführung expliziter „Articulation Work“ beschrieben. In weite- rer Folge wurden die Externalisierung mentaler Modelle, deren Rückwirkung auf die kognitven Prozesse der Individuen sowie Methoden zu Unterstützung des Externalisie- rungsvorganges beschrieben. Der Zusammenhang des Themenbereichs der „Mentalen 95 3.5. Zusammenfassung Modelle“, deren Externalisierung und deren Einbettung in den Gesamtzusammenhang von „Articulation Work“ ist in Abbildung 3.5 nochmals zusammenfassend dargestellt. Abbildung 3.5.: Mentale Modelle und Articulation Work im Gesamtzusammenhang „Mentale Modelle“ sind ein Erklärungskonzept für jene mentalen Strukturen und Vor- gänge, mit Hilfe derer Individuen ihre Wahrnehmungen der realen Welt erklären und Handlungsalternativen ableiten. Durch Lernprozesse können „Mentale Modelle“ verfei- nert oder grundlegend verändert werden. Quellen für neue Information, die in mentalen Modellen abgebildet wird, können die Wahrnehmung der realen Welt, dokumentarische Ressourcen oder andere Individuen sein. Ein wesentlicher Unterstützungsfaktor für die Reflexion und Verfeinerung mentaler Modelle ist deren Externalisierung. Diese ist außer- dem die Voraussetzung für die Kommunikation und Abstimmung verschiedener mentaler Modelle. 3.5.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung In diesem Kapitel wird mittels der Theorie der mentalen Modelle die Wahrnehmung der an Arbeitsabläufen beteiligten Individuen erklärt. Die Erarbeitung der Konzeption der mentalen Modelle in Abschnitt 3.2 sowie die Beschreibung deren Bildung und Verände- rung in Abschnitt 3.3 beantworten also Fragestellung 2 („Wie kann die Wahrnehmung von Arbeitsabläufen durch die an diesen beteiligten Individuen erklärt werden?“). Die in Abschnitt 3.1 dargestellten Zusammenhänge stellen mentale Modelle in den Kontext von „Articulation Work“ und bilden so die Brücke, die die beiden Fragestel- lungen verbindet. Die Forschungsfrage 1 („Wie kann die Durchführung und Wirkung von Articulation Work charakterisiert werden?“) wird damit sowohl aus Sicht der klas- sischen Literatur zu „Articulation Work“ als auch aus Sicht der handelnden Individuen betrachtet und im Sinne von Grudin (1988) umfassend beantwortet. 96 3.5. Zusammenfassung Analog zur Kapitel 2 werden auch in diesem Kapitel die Möglichkeiten der methodi- schen Unterstützung von im Rahmen von „Articulation Work“ durchzuführenden Akti- vitäten aus Sicht der mentalen Modelle beschrieben. Die dazu in Abschnitt 3.4 dargestell- ten Methoden tragen damit zur Beantwortung von Fragestellung 3 („Welche Methoden können zur Unterstützung von Articulation Work herangezogen werden?“) bei und er- gänzen die in Kaptel 2 erfassten Ansätze zur Unterstützung um Methoden, die explizit auf die Verständnisbildung der an einem Arbeitsablauf beteiligten Individuen eingehen. 3.5.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse Während die Externalisierung auch rein verbal erfolgen kann, ist die Verwendung einer expliziten, graphischen Repräsentation vorteilhaft. Diese wirkt vor allem in Situationen, in denen mentale Modelle offengelegt und kommuniziert werden sollen, als Ankerpunkt und Dokumentation, anhand derer eine Abstimmung der individuellen Sichten erfol- gen kann. Methoden, deren Eignung zur Externalisierung mentaler Modelle empirisch belegt ist, sind unter anderem Strukturlegetechniken und Concept Mapping. Für die im Rahmen dieser Arbeit verfolgte Unterstützung von „expliziter Articulation Work“ bieten beide Methoden Vor- und Nachteile. Deswegen wird im folgenden Kapitel eine Synthese dieser beiden Methoden angestrebt, die deren Vorteile vereint und gleichzeitig die nachteilig wirkenden Faktoren zu vermeiden sucht. 97 4. Methodik und Anwendungszenarien In diesem Kapitel wird die Methodik vorgestellt, die zur Externalisierung von mentalen Modellen im Rahmen von „Articulation Work“ zur Anwendung kommt. Die Inhalte die- ses Kapitels bauen auf den Ergebnissen der Kapitel 2 und 3 auf. Die Anforderungen an die Unterstützung durch ein Werkzeug, die sich aufgrund der hier vorgestellten Methodik ergeben, werden in Kapitel 5 identifiziert und in weiterer Folge in einem Werkzeug um- gesetzt. Abbildung 4.1 stellt dieses Kapitel und dessen Aufbau im Kontext der anderen inhaltlich vor- und nachgelagerten Kapitel dar. Abbildung 4.1.: Kapitel „Methodik und Anwendungsszenarien“ im Gesamtzusammen- hang Den Schlussfolgerungen zufolge, die Ifenthaler (2006) hinsichtlich der Eignung der beschriebenen Methoden zur Externalisierung von mentalen Modellen zieht, sind jene Ansätze, die auf der Bildung diagrammatischer Modelle basieren, besser für die Un- terstützung expliziter „Articulation Work“ geeignet als Methoden, die auf einer rein natürlichsprachlichen Repräsentation aufbauen. Dies liegt vor allem in der höheren Abs- traktion begründet, die die externe Repräsentation als interindividuellen Ankerpunkt für Kommunikation besser geeignet macht. Dies deckt sich mit den Aussagen von Sarini und Simone (2002a), Herrmann et al. (2002), Raposo et al. (2004) oder Jørgensen (2004), die 98 4.1. Durchführungsrahmen aus Sicht von „Articulation Work“ für die Verwendung von (diagrammatischen) Model- len zur Unterstützung argumentieren. Betrachtet man nun die beiden Vertreter der auf diagrammatischen Modellen aufbau- enden Methoden – Strukturlegetechniken und Concept Mapping –, so zeigt sich hinsicht- lich der Eignung zum Unterstützung von „Articulation Work“ kein eindeutiger Vorteil für eine der beiden Methoden. Vielmehr weisen beide in diesem Kontext Vor- und Nach- teile auf. Hier wird deshalb versucht, die Vorteile von Strukturlegetechniken – im We- sentlichen die Unmittelbarkeit der physischen Repräsentation – mit jenen von Concept Mapping – der Flexibilität der Modellierung sowie der Möglichkeit der Unterstützung des Modellierungsprozesses durch Computersysteme – zu vereinen. Dabei wird auf das methodische Vorgehen von „Concept Mapping“ im Sinne der koope- rativen Verständnisbildung, die bei „Strukturlegetechniken“ angewandt wird, adaptiert und die Modellierungsumgebung an den bei „Strukturlegetechniken“ vorgeschlagenen Durchführungsrahmen angepasst. 4.1. Durchführungsrahmen Der Rahmen, in explizite „Articulation Work“ mit Unterstützung von externalisierten Modellen durchgeführt wird, ist an den Aufbau von Strukturlegetechniken angelehnt. Ei- ne wesentliche Eigenschaft ist hierbei die physische Modellierungsoberfläche, auf der das Modell mittels real vorhandener und unmittelbar manipulierbaren Elementen aufgebaut wird. Im Sinne der Abstimmung unterschiedlicher Sichten muss eine kooperative, nicht ex- klusive Manipulierbarkeit des Modells gewährleistet sein. Das Modell selbst ist – orien- tiert an der Offenheit der Repräsentation bei „Concept Mapping“ – weder in der Art der Elemente noch der Beziehungen eingeschränkt. Hinsichtlich des Durchführungsrahmen ist auch die Notwendigkeit des Einsatzes einer Person zu diskutieren, die den Externalisierungsprozess anleitet und steuernd in diesen eingreift. Die Dialog-Konsens-Methode, die im Rahmen von Strukturlegetechniken zur Anwendung kommt, sieht die Rolle eines Untersuchungsleiters vor, der den Ablauf der Externalisierung strukturell anleitet. Inhaltlich hat der Untersuchungsleiter jedoch keine neutrale Rolle inne, sondern tritt im Rahmen des Dialog-Konsens-Prozesses in Interak- tion mit der externalisierenden Person. Ziel des Untersuchungsleiters ist es, das mentale Modell der externalisierenden Person zu erschließen und zu verstehen. In kooperativen Situationen (die von der Dialog-Konsens-Methode nach (Scheele und Groeben, 1988) nicht explizit berücksichtigt werden), wo gegenseitiges Verständnis erreicht werden muss, wechselt demnach die Rolle des Untersuchungsleiters inhaltlich gesehen dynamisch. Aus Sicht der Prozesssteuerung kann zu diesem Zeitpunkt nicht entschieden werden, ob ein Untersuchungsleiter benötigt wird oder nicht. Bei Strukturlegetechniken beschränkt 99 4.2. Vorgehen sich dessen Aufgabe auf die Sicherstellung der Fokussierung der beteiligten Personen auf die jeweilige Aufgabe. Im Rahmen der Concept Mapping Methode ist ein intervenieren- der Untersuchungsleiter nicht vorgesehen. Für den hier vorgestellten Ansatz bedeutet dies, dass die Rolle der Untersuchungsleiters vorerst unbesetzt bleibt, methodisch aber im Sinne der Rolle bei Strukturlegetechniken zulässig ist. 4.2. Vorgehen Sowohl im Bereich der Strukturlegetechniken als auch im „Concept Mapping“ wird vor- geschlagen, den initialen Modellierungsprozess in zwei Phasen – Konzeptsammlung und Konzeptstrukturierung – zu teilen und in der Folge das Modell iterativ solange zu verän- dern bzw. zu erweitern, bis alle Beteiligten mit der Lösung zufrieden sind (im Bereich der Strukturlegetechniken wird die als „Dialog-Konsens“ bezeichnet, im „Concept Mapping“ spricht man von „Revisionen“ des Modells, die erstellt werden müssen). Beide Abläufe sind in Abbildung 4.2 dargestellt. Das „Dialog-Konsens“-Vorgehen nach Scheele und Groeben (1988) ist stark reglemen- tiert und in den einzelnen Schritten mit definierten Methoden bzw. Vorgehensvorschrif- ten hinterlegt. Die im Rahmen von „Concept Mapping“ vorgeschlagene Methode ist hier offener und ist damit für die Anwendung im Rahmen von „expliziter Articulation Work“ besser geeignet. Dies liegt am eher informellen Durchführungsrahmen von „expli- ziter Articulation Work“ begründet, deren Ausgestaltung individuell verschieden ist und zwischen den Beteiligten (implizit) ausgehandelt wird. Ziel ist hier, den Artikulations- Prozess zu unterstützen und nicht, ihn zu formalisieren und in vorgegebene Ablauf- Grenzen zu pressen. Auch die zweiphasige Durchführung des Modellierungsprozesses muss unter diesem Ge- sichtspunkt hinterfragt werden. Die Unterteilung in zwei Phasen ist bei der Beschreibung von konzeptuellen Modellen (zum „alignment of meanings“) sinnvoll. Begründet liegt dies in der Vielfalt möglicher Strukturierierungsvarianten bei dieser Art von Modellen. Im Gegensatz dazu ist die zweistufige Abhandlung der Externalisierung bei Modellen von Abläufen (bei „alignment of procedures“) nur bedingt sinnvoll, da Aktivitäts-Konzepte im Normalfall bereits in deren kausalen Abfolge externalisiert und dann bzw. parallel mit zusätzlichen Konzepten hinterlegt werden. Die Verwendung dieser Form von Model- len ist bei der Abstimmung von Arbeit gängig, wird aber weder bei Concept Mapping noch bei Strukturlegetechniken explizit angesprochen. Insofern ist die explizite Durch- führung der ersten Phase – also der Konzeptsammung – als optional anzusehen. Im Sinne der Methode zur Erstellung von Concept Maps nach Novak und Cañas (2006) werden Konzeptsammlungs-Phasen in den iterativen Modellverfeinerungsprozess eingeflochten, wenn dies in der Situation als notwendig wahrgenommen wird. 100 4.2. Vorgehen Abbildung 4.2.: Externalisierung mentaler Modelle mittels Strukturlegetechniken und Concept Mapping 101 4.2. Vorgehen Die im Folgenden beschriebene Methodik basiert wie oben angeführt auf den in Kapi- tel 3 vorgestellten Methoden „Strukturlegetechniken“ und „Concept Mapping“. Für die Anpassung an den Durchführungskontext im Rahmen von „Articulation Work“ wurden jene in Abschnitt 2.4 beschriebenen Ansätze zur Unterstützung von „Articulation Work“ herangezogen, die Aussagen zu den Anforderung eine eine Methodik treffen. Im Einzel- nen sind dies Corbin und Strauss (1993)1, Jørgensen (2004)2, Cabitza et al. (2006)3 sowie Herrmann et al. (2002)4. Letztere Arbeit spezifiziert aber vor allem Anforderun- gen an eine etwaige Werkzeugunterstützung, weshalb sie in Kapitel 5 nochmals näher berücksichtigt wird. Die einzelnen Schritte, die bei der Durchführung der Methodik zur Anwendung kom- men, sind im Einzelnen: • Einarbeitung • Konzeptsammlung • Konzeptstrukturierung • Restrukturierung Diese Aufzählung gibt keine Reihenfolge der durchzuführenden Schritte vor. Vielmehr sind die einzelnen Blöcke als Module zu sehen, die je nach Anwendungsfall zu einem belie- bigen Zeitpunkt im Externalisierungsprozess (auch mehrfach) zur Anwendung kommen oder auch entfallen können. Im Folgenden wird die Durchführung der einzelnen Schritte kurz umrissen und angegeben, in welchen Situationen deren Einsatz angemessen bzw. notwendig ist. 4.2.1. Einarbeitung Die Einarbeitung wird nach Bedarf durchgeführt, wenn zumindest eine Person nicht mit der Methodik oder dem unterstützenden Werkzeug vertraut ist. Im Rahmen einer Er- klärungsphase wird den Teilnehmern die Funktionalität des Werkzeugs vorgestellt und dessen Verwendung im Rahmen der Methodik dargelegt. Dies erfolgt durch eine Person, die sowohl mit dem Werkzeug als auch der Methodik vertraut ist. Neben einem etwaigen Untersuchungsleiter kann diese Rolle auch durch einen anderen Teilnehmer wahrgenom- men werden, der bereits eine Externalisierung mit Unterstützung der Methodik und des Werkzeugs teilgenommen hat. Der Erklärungsphase kann auch eine freie Experimentier-Phase angeschlossen werden, in der die Teilnehmer die Gelegenheit haben, ohne Vorgaben das Werkzeug zu verwenden und dessen Funktionalität zu erfassen. Nach Bedarf kann dazu auch ein exemplarisches 1beschrieben auf Seite 27 in dieser Arbeit 2beschrieben auf Seite 68 3beschrieben auf Seite 69 4beschrieben auf Seite 63 102 4.2. Vorgehen Thema vorgegeben werden, anhand dessen die Durchführung der Methodik gezeigt bzw. durchgespielt werden kann. Zu beachten ist im Rahmen der Einarbeitung, dass die Offenheit der Methodik nicht unbeabsichtigt eingeschränkt wird, indem durch Erklärungen oder Beispiele struktu- relle oder inhaltliche Vorgaben gemacht werden, an denen sich die Teilnehmer in der Folge bei der Durchführung der Externalisierung orientieren. Strukturell betrifft dies etwa Vergleiche mit unter Umständen bekannten Methoden wie „Mind Mapping“, des- sen hierarchischer Aufbau jedoch nicht die Offenheit der Strukturen zulässt, die in der vorliegenden Arbeit möglich und notwendig sind. Inhaltliche Einschränkungen können etwa durch Beispiele von Konzeptklassen vorgegeben werden, die von den Teilnehmern unreflektiert übernommen werden und die dadurch die semantische Offenheit der Re- präsentation einschränken. 4.2.2. Konzeptsammlung Bei der Sammlung der Konzepte wird neben den im Rahmen von „Concept Mapping“ und Strukturlegetechniken vorgeschlagenen Vorgehen eine weitere Einschränkung vorge- nommen, die aus den Erkenntnissen der Forschung im Bereich der „Articulation Work“ stammt. Sowohl „Concept Mapping“ als auch Strukturlegetechniken führen keine ex- plizite inhaltliche Klassifizierung der gesammelten Konzepte durch – es werden keine Klassen von Konzepten gebildet, die einen gemeinsamen Aspekt oder Bezugspunkt auf- weisen. Während „Concept Mapping“ eine derartige Strukturierung zumindest zulässt, ist diese bei Strukturlegetechniken nicht vorgesehen. Bereits Strauss spricht von den „salient dimensions of work“ (Fjuk et al., 1997, S.5), die im Rahmen von „Articulation Work“ abgestimmt werden müssen und deren Wichtigkeit für die jeweils beteiligten Individuen von Anwendungsfall zu Anwendungsfall verschieden sein kann. Auch Sarini und Simone (2002a) unterstützen mit ihrer Arbeit die Abstim- mung unterschiedlicher Perspektiven auf einen Arbeitsablauf anhand der Identifikation gemeinsamer Konzeptklassen und deren Ausprägungen. Die Ebene der Konzeptklassen spielen den genannten Autoren zufolge also im Rahmen von „Articulation Work“ ei- ne nicht unwesentliche Rolle. Sie werden in der hier vorgeschlagenen Methodik deshalb explizit berücksichtigt. Dazu sind zwei Vorgehensweisen vorstellbar. Einerseits kann ein Satz an domänen- bzw. anwendungsspezifischen Konzeptklassen vorgegeben werden, der von den Benut- zern verwendet werden muss. Anderseits können die Konzeptklassen selbst Gegenstand von „ArticulationWork“ sein und erst während des Externalisierungsvorganges festgelegt werden. Diese Variante erscheit im Anwendungsgebiet von „Articulation Work“ besser geeignet, da sie die Denkstrukturen der beteiligten Individuen auf mehreren Ebenen of- fenlegt. Unerfahrene Benutzer können mit der Offenheit des Ansatzes jedoch überfordert sein, was sich darin äußert, dass keine oder sehr allgemeine, umfassende Konzeptklas- 103 4.2. Vorgehen sen ohne Unterscheidungskraft gebildet werden. Ein möglicher Lösungsansatz ist hier die Kombination der beiden beschriebenen Ansätze, indem ein Kernsatz an domänen- spezifischen Konzeptklassen vorgegeben wird, gleichzeitig aber eine Erweiterung durch individuelle Konzeptklassen ermöglicht wird. Diese Variante ist in Oppl und Weichhart (2005) hinsichtlich ihrer Durchführung und Auswirkungen beschrieben. 4.2.3. Konzeptstrukturierung Die Konzeptstrukturierung erfolgt in der hier beschriebenen Methodik entsprechend dem Vorgehen bei „Concept Mapping“ vollständig offen, d.h. dass keine semantisch vordefi- nierten Arten von Beziehungen verwendet werden. Anwender sind in der Bezeichnung der Beziehungen vollkommen frei und können diese auch explizit nicht bezeichnen, wenn dies von ihnen nicht notwendig wahrgenommen wird (als Abweichung zum „Concept Mapping“). Syntaktisch sind Beziehungen immer binär, haben also nur zwei Endpunkte und können ungerichtet, gerichtet oder bidirektional sein. Die Einschränkung auf binä- re Beziehungen gegenüber „Concept Mapping“ wird basierend auf den Annahmen bei Strukturlegetechniken getroffen. Dort werden grundsätzlich binäre Zusammenhänge ver- wendet, da diese eindeutiger erfassbar sind. Beziehungen mit mehr als zwei Endpunkten sind oft mehrdeutig und anfällig für Missinterpretation. Vor der Festlegung von Beziehungen erfolgt in der hier beschriebenen Methode (analog zu Strukturlegetechniken) die initiale Strukturierung der Konzepte durch räumliche An- ordnung derselben auf der physischen Modellierungsoberfläche. Bereits dabei kann in die Position der Konzepte Bedeutung codiert werden. So ist es möglich, rein durch die Po- sitionierung Hierarchien oder Kausalzusammenhänge anzudeuten. Die Methodik macht hier keine Vorgaben, lässt aber diese Form der Bedeutungsfestlegung explizit zu. Für das resultierende Modell hat dies die Auswirkung, dass dessen Semantik nicht ausschließlich in dessen Netzwerkgraphen codiert ist, die Erfassung der Bedeutung der Knoten (Kon- zepte) und Kanten (Beziehungen) alleine also nicht ausreicht. Vielmehr muss auch die exakte Positionierung der Knoten (Konzepte) in die Repräsentation des Modells mit aufgenommen werden. Zur Rekonstruktion des Modells ist dies ohnehin notwendig, an dieser Stelle geht die Bedeutung der Position jedoch weiter und codiert für sich stehend semantisch hinterlegte Zusammenhänge. 4.2.4. Restrukturierung Unter Restrukturierung wird hier die Neuanordnung von bereits verwendeten Konzep- ten auf der Modellierungsoberfläche verstanden. Wie zuvor erwähnt, ist in den Posi- tionen der Konzepte oft Information über deren Beziehung zueinander codiert. Neben der Veränderung von explizit hergestellten Verbindungen zwischen Konzepten ist so auch durch Veränderung der Konzept-Positionen eine Änderung der Modellbedeutung 104 4.3. Anwendungsszenarien möglich. Zweiteres kommt im Kontext von „Articulation Work“ vor allem dann zum Tragen, wenn der wahrgenommene Kontext von Arbeitsabläufen abgebildet wird und dieser zwischen mehreren Personen ausgehandelt wird (vgl. (Wahlmüller, 2010) bzw. Kapitel 13). Dabei werden Konzepte im Rahmen ihrer (wahrgenommenen) Bedeutung für den Arbeitsablauf in bzw. um diesen an- und umgeordnet und spezifizieren so dessen Durchführungsrahmen näher aus. Die Restrukturierung kann sich auch auf eine Veränderung der explizit angegebenen Verbindungen zwischen Konzepten beziehen. Im Gegensatz zu einer Veränderung der räumlichen Anordnung der Konzepte müssen in diesem Fall die betreffenden Verbindun- gen entfernt werden und entsprechend neue hinzugefügt werden. In beiden Fällen ist es in Hinblick auf eine Werkzeugunterstützung wichtig, die Durchführung experimenteller Veränderungen zu ermöglichen, die einfach rückgängig gemacht werden können. Dazu ist es notwendig, bestimmte Modellzustände als Referenz kennzeichnen zu können, die in der Folge als Bezugspunkte für eine allfällige Wiederherstellung dienen können. 4.3. Anwendungsszenarien Die eben beschriebenen Schritte bei der Anwendung der Methodik sind, wie bereits erwähnt, als Bausteine zu verstehen, die je nach Anwendungsszenario unterschiedlich zusammengesetzt werden können oder auch wegfallen können. Außerdem ist jeweils eine individuelle oder kooperative Anwendung möglich. Auch diese Entscheidung ist vom jeweiligen Anwendungszenario abhängig. In der Folge werden nun exemplarisch einige mögliche Anwendungsszenarien der Me- thodik beschrieben, die sich aus dem Einsatz derselben im Rahmen von „Articulation Work“ ableiten lassen. Neben den beschriebenen Szenarien sind aufgrund der Offenheit der Methodik auch weitere Anwendungsvarianten denkbar. Im Rahmen von „Articula- tion Work“ treten folgende Einsatzszenarien auf: • Verfeinerung mentaler Modelle • Wissenstransfer • Abstimmung mentaler Modelle • Aushandlung mentaler Modelle Diese Szenarien wurden auch im Rahmen der Evaluierung in unterschiedlichen Anwen- dungsblöcken abgebildet (siehe Kapitel 11) und dienen als Grundlage der empirischen Überprüfung der dort formulierten Hypothesen. 105 4.3. Anwendungsszenarien 4.3.1. Verfeinerung mentaler Modelle Die Verfeinerung mentaler Modelle ist ein Anwendungsfall einer nicht kooperativen, aus- schließlich individuellen Anwendung der Methodik. Die „Articulation Work“, in deren Rahmen die Externalisierung durchgeführt wird, hat reflexiven Charakter und dient der Vertiefung des Verständnisses eines realen Phänomens. Ziel ist es, die beobachteten Abläufe oder Ereignisse besser erklären zu können, um so letztendlich adäquatere Hand- lungsalternativen ableiten zu können. Die Aufgabenstellung lautet dementsprechend, das aktuelle Verständnis des Phänomens zu externalisieren und in der Folge anhand der externalisierten Repräsentation nach möglicherweise veränderten oder erweiterbaren Er- klärungsansätzen zu suchen (siehe dazu die Beschreibung des Ansatzes von Fjuk et al. (1997) in Abschnitt 2.2.1). Bestehen keine Vorkenntnissen des Individuums in der Durchführung der Methodik bzw. der Verwendung der Werkzeugunterstützung, so wird die Aktivität „Einarbeitung“ durchgeführt. Dies ist in diesem Szenario der einzige Punkt, an dem eine zweite Per- son (also ein „Prozessbegleiter“) eingreift. In den späteren Phasen – der eigentlichen Externalisierung – ist lediglich das betreffende Individuum beteiligt. Je nach individueller Präferenz beginnt der eigentliche Externalisierungsvorgang mit einer dedizierten Konzeptsammlungsphase oder einer bereits von Beginn an verwobe- nen Sammlungs- und Strukturierungsphase. Auch bei Beginn mit einer Konzeptsamm- lungsphase geht die darauf folgende Strukturierungsphase mit einer iterativ verwobenen Ergänzung bzw. Veränderung der Konzepte einher. Der erste Teil der Anwendung ist abgeschlossen, wenn die initiale externalisierte Repräsentation den wahrgenommenen Ist-Zustand für das Individuum abbildet. Im zweiten Teil wird die externalisierte Repräsentation als Grundlage für eine tiefer- gehende Erklärung des realen Phänomens herangezogen. Im Rahmen dieses reflexiven Prozesses kann es zu Restrukturierungen im Modell kommen, um dessen Ausdrucksstär- ke oder Erklärungskraft zu verbessern. Dies kann Ergänzungen (wie etwa die Berück- sichtigung von Ausnahme- oder Spezialfällen) umfassen, aber auch zu einer grundlegen- den Veränderung des ursprünglichen Erklärungsansatzes führen (siehe „Assimilation“ vs. „Akkommodation“ in Abschnitt 3.2 bzw. die Unterscheidung zwischen „single-loop learning“ und „double-loop learning“ bei Argyris (1976)). Die Anwendung der Methodik ist abgeschlossen, wenn für das Individuum ein konsis- tenter mentaler Zustand erreicht ist (das Erklärungsmodell also als konsistent wahrge- nommen wird). Dies kann auch der ursprüngliche Ausgangszustand sein, der durch die Externalisierung bestätigt und weiter gefestigt wurde. Bei einer Veränderung des menta- len Modells muss sich dieses in der Folge in der praktischen Anwendung bei der Entwick- lung von Handlungsalternativen bei der Konfrontation mit dem gegebenen Phänomen in der realen Welt bewähren (im Sinne des „assess“ im OADI5-Zyklus des individuellen 5Observe – Assess – Design – Implement 106 4.3. Anwendungsszenarien Lernens bei Kim (1993)). Die Anwendung der Methodik dient hier also der Entwicklung neuer Erklärungsansätze und Handlungsalternativen, deren Bestätigung und Festigung erfolgt erst in der praktischen Anwendung. 4.3.2. Wissenstransfer Das Szenario „Wissenstransfer“ bezieht sich auf Situationen, in denen Wissen von ei- ner Person an ein oder mehrere Individuen weitergegeben werden muss. Im Rahmen von „Articulation Work“ kann diese Situation auftreten, wenn ein Arbeitsablauf von manchen Beteiligten aufgrund von mangelnder Erfahrung oder Unkenntnis als proble- matisch wahrgenommen wird, zumindest eine Person aber das Faken- oder Handlungs- wissen besitzt, um adäquate Handlungsalternativen ableiten zu können (siehe hier etwa den Übergang von „invisible work“ zu „visible work“ in der Beschreibung des Ansatzes von Hampson und Junor (2005) in Abschnitt 2.2.2). Ziel ist hier, das relevante Wis- sen von der kompetenten Person zu den unerfahrenen Persone zu transferieren, diese also „lernen“ zu lassen. Die Aufgabenstellung lautet dementsprechend, die relevanten Konzepte und Beziehungen zur Erklärung der Situation und der Ableitung von Hand- lungsalternativen durch das kompetente Individuum zu externalisieren. Aufbauend auf der externalisierten Repräsentation wird eine kooperative Reflexionsphase durchgeführt. Der erste Teil der Durchführung entspricht im Wesentlichen dem im ersten Szenario beschriebenen Vorgehen. Die Konzeptsammlung und -strukturierung erfolgt initial indi- viduell, wobei die „lernenden“ Individuen an diesem Teil des Prozesses bereits beobach- tend teilnehmen können. Die externalisierende Person kann den Externalisierungsprozess durch Anwendung der Prinzipien der „Methode des lauten Denkens“ (siehe Abschnitt 3.4.1) nachvollziehbarer machen. Der kooperative Teil der Durchführung beginnt mit einer Erklärungs- und Reflexi- onsphase, der die externalisierte Repräsentation zugrunde liegt und als Bezugs- und Ankerpunkt dient. Je nach Verlauf des Prozesses kann diese Reflexion in eine (Re- )Strukturierungsphase übergehen, in der die Repräsentation bei punktuell auftretenden Verständnisschwierigkeiten verfeinert bzw. konkretisiert werden kann. Der Prozess ist abgeschlossen, wenn sowohl die „lernenden“ Individuen die als proble- matisch wahrgenommene Situation für sich auflösen können und auch das externalisie- rende Individuum den Eindruck gewinnt, dass die zu vermittelnden Konzepte von den „Lernenden“ akkommodiert wurden. Der tatsächliche Erfolg des Wissenstransfers zeigt sich wiederum erst in der praktischen Durchführung von Handlungen in der fraglichen Situation bzw. deren Auswirkungen in der Realität. 107 4.3. Anwendungsszenarien 4.3.3. Abstimmung mentaler Modelle Die Abstimmung mentaler Modelle ist das erste Szenario in den eine tatsächlich koope- rative Externalisierung vorgenommen wird. Im Rahmen von „Articulation Work“ tritt diese Variante dann auf, wenn etablierte, individuelle bzw. lokale Arbeitsabläufe existie- ren, die aufgrund von neuen Anforderungen oder Rahmenbedingungen so abgestimmt werden müssen, dass sie interoperabel bzw. kooperativ durchführbar sind. Dies ist der im Rahmen von „Articulation Work“ am häufigsten genannte Anwendungsfall, auf den auch Strauss bereits in seinen ersten Arbeiten Bezug nimmt. Ziel ist hier, die individuellen Arbeitsabläufe und deren wahrgenommene Rahmenbe- dingungen soweit offen zu legen, dass eine Identifikation der Schnittstellen zwischen den einzelnen Teilen und die Etablierung eines kooperativen Arbeitsablaufs möglich wird. Alternativ kann dieses Szenario auch dann auftreten, wenn ein organsiational spezi- fizierter Soll-Prozess den tatsächlichen Arbeitsabläufen gegenüber gestellt werden soll bzw. aus diesen ein Soll-Prozess entwickelt werden soll. Die Aufgabenstellung lautet in allen Fällen im ersten Schritt, die individuellen Beiträge zu dem angepeilten koope- rativen Arbeitsablauf zu identifizieren und soweit zu externalisieren, dass diese für die anderen beteiligten Individuen erfassbar werden (im Falle der Existenz eines organisatio- nalen Soll-Prozesses wird diese durch ein die Organisation repräsentierendes Individuum eingebracht). Im zweiten Schritt erfolgt eine kooperative Abstimmung der individuellen Beiträge, im Rahmen derer der globale Ablauf ausgehandelt wird bzw. potentielle Kon- fliktstellen identifiziert bzw. beseitigt werden. Das Szenario ist grundsätzlich kooperativ und baut im ersten Teil auf den beiden zuvor beschriebenen Szenarien auf. Dies bedeutet konkret, dass die Externalisierung der individuellen Beiträge wie in Szenario 2 geschildert, zwar jeweils von den einzel- nen Teilnehmern separat durchgeführt wird, dass zum Zwecke der Verständlichkeit die anderen beteiligten Personen beobachtend teilnehmen können. Die individuellen Beiträ- ge müssen dabei nur soweit offengelegt werden, wie sie die möglichen Schnittstellen im zu entwickelnden gemeinsamen Arbeitsablauf betreffen – nicht jedes teilnehmende Indi- viduum muss ein detailliertes mentales Modell der gesamten durchzuführenden Arbeit haben bzw. entwickeln. In Arbeitsabläufen, in denen die möglichen Kooperations-Stellen nicht abschätzbar sind, kann eine selektive Externalisierung jedoch problematisch sein. In diesem Fall müssen die individuellen Beiträge iterativ bei der kooperativen Zusam- menführung soweit detailliert werden, dass eine Festlegung der Zusammenarbeit möglich wird. Nach der Externalisierung der individuellen Beiträge folgt im zweiten Teil eine koope- rative Phase, in der aufbauend auf den individuellen Beiträgen die Konzeptsammlung und -strukturierung auf globaler Ebene durchgeführt wird. Sofern sichergestellt ist, dass die teilnehmenden Individuen in der ersten Phase ein Verständnis über die sie betreffen- den Arbeitsbeiträge entwickelt haben, kann diese Abstimmung auf abstrakterer Ebene erfolgen. Dies bedeutet, dass die gemeinsame Externalisierung nicht auch die gesammel- 108 4.3. Anwendungsszenarien ten individuellen Beiträge enthält, sondern sich lediglich auf diese bezieht und in der Repräsentation vorrangig die Schnittstellen und Interaktionsabläufe abgebildet werden. In dieser Phase können Sammlung, Strukturierung und Restrukturierung ggf. ineinander fließen bzw. nicht klar abgegrenzt werden. Durch die bereits gegebenen Repräsentatio- nen der individuellen Beiträge ist eine Ausgangsbasis vorhanden, die im Rahmen der Abstimmung einen raschen Wechsel zwischen den einzelnen Aktivitäten ermöglich. Der Prozess ist abgeschlossen, wenn alle teilnehmenden Individuen ihre Sichtweisen auf den gesamten Arbeitsablauf soweit abgestimmt haben, dass eine Durchführung des- selben möglich ist. Unmittelbar kann dies nur durch die Rückmeldung der persönlichen Wahrnehmung und Eindrücke der Teilnehmer überprüft werden. Die tatsächlichen Aus- wirkungen auf die Arbeitspraxis – im konkreten Fall die Etablierung oder Veränderung eines kooperativen Arbeitsablaufs – kann wiederum nur während der Durchführung im Rahmen der „Production Work“ beurteilt werden. 4.3.4. Aushandlung mentaler Modelle Im Gegensatz zu den übrigen Szenarien geht das hier beschriebene Szenario nicht von etablierten, gefestigten mentalen Modellen oder existierenden Arbeitsabläufen aus. Viel- mehr werden hier von Beginn an kooperativ mentale Modelle zu einer gegebenen Fra- gestellung entwickelt und reflektiert. Im Rahmen von „Articulation Work“ treten diese Situationen vor allem dann auf, wenn ein kooperativer Arbeitsablauf neu geplant wer- den muss, ohne dass dieser zuvor von den beteiligten Personen als Ganzes oder in Teilen durchgeführt wurde (siehe dazu die Ausprägung „working out original arrangements“ in der Beschreibung des Ansatzes von Corbin und Strauss (1993) in Abschnitt 2.2). Ziel ist es, auf Basis der individuellen Vorkenntnisse und Erfahrungen einen kooperati- ven Arbeitsablauf bzw. dessen Durchführungskontext auszuhandeln. Die Aufgabenstel- lung lautet dementsprechend, eine Externalisierung zu entwickeln, die den kooperativen Ablauf, die benötigten Rahmenbedingungen und ggf. den Aspekt der Arbeitsteilung abbildet. Dieses Szenario ist in der Durchführung der Methodik flexibel. Im Vergleich zu den anderen beschriebenen Szenarien sind individuelle Externalisierungsphasen nicht not- wendigerweise durchzuführen. Die gesamte Entwicklung beginnend mit der Festlegung der Konzeptklassen über die Sammlung der Konzepte sowie deren Strukturierung und Restrukturierung erfolgt kooperativ. Jede Aktivität kann dabei iterativ während des Prozesses mehrfach zum Einsatz kommen. Während in Szenario 3 ein „bottom-up“- Ansatz zur Entwicklung der gemeinsamen Sicht verwendet wird (ausgehend von den individuellen Beiträgen wird ein übergreifender, globaler Ablauf auf abstrakterer Ebene entwickelt), kommt hier tendenziell ein „top-down“-Ansatz zum Einsatz, bei dem zu- erst im Überblick der kooperative Arbeitsablauf ausgehandelt wird und erst in einem 109 4.4. Zusammenfassung fakultativen zweiten Schritt die individuellen Beiträge detailliert externalisiert werden können (wobei dies nicht unmittelbar und nicht kooperativ erfolgen muss). Wie in Szenario 3 ist die Durchführung der Methodik dann abgeschlossen, wenn alle beteiligten Personen ihre Sichtweise auf den globalen Arbeitsablauf bzw. dessen Kontext als ausreichend repräsentiert wahrnehmen. Wiederum zeigt sich die Adäquatheit der erstellten Externalisierung zur realen Welt erst im der praktischen Anwendung der durch die Aushandlung entwickelten mentalen Modelle. 4.4. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde die Methodik zur Externalisierung von mentalen Modellen im Rahmen von „Articulation Work“ entwickelt. Als Grundlage dafür dienen die in Kapi- tel 3 beschriebenen Methoden „Concept Mapping“ und „Strukturlegetechniken“. Diese wurden hinsichtlich ihrer Eignung für „Articulation Work“ beschrieben und beurteilt. Unter Berücksichtigung der dadurch festgelegten Rahmenbedingungen (kooperative Um- gebung, geringe zur Verfügung stehende Einarbeitungszeit, ggf. stark heterogene mentale Modelle der teilnehmenden Individuen) wurden aus beiden Methoden jene Aspekte ex- trahiert und kombiniert, die zur Unterstützung geeignet erschienen. Die Ableitung der Methodik mündet in der Beschreibung der notwendigen Rahmenbedingungen sowie der im Rahmen der Durchführung auftretenden Aktivitäten. Aufgrund der unterschiedlichen Ausprägungen von „Articulation Work“ ist die Be- schreibung eines idealtypischen Ablaufs der Methodik nicht möglich. Deshalb wurden exemplarisch vier mögliche Ausprägungen herangezogen und hinsichtlich ihrer Durch- führung beschrieben. Diese Ausprägungen bilden auch die Grundlage für die Ableitung jener Anwendungen, die der Evaluierung zugrunde liegen (siehe Kapitel 11). Das Anwen- dungsszenario „Abstimmung mentaler Modelle“ ist dabei jenes, dass das ursprüngliche, von (Strauss, 1985) vorgeschlagene Verständnis von „Articulation Work“ („resolving contingencies“) am ehesten abbildet. Dieses Szenario wurde deshalb im Rahmen der Evaluierung am häufigsten in Aufgabenstellungen abgebildet (siehe Abschnitt 11.2). 4.4.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung In diesem Kapitel wurde auf Basis der in den Kapiteln 2 und 3 erfolgten Beantwortung der Fragestellung 3 der erste Schritt zur Beantwortung der Fragestellung 4 („Wie kann ein Instrument zur Unterstützung von expliziter Articulation Work umgesetzt werden?“) durchgeführt. In dieser Arbeit wird unter einem „Instrument“ die Gesamtheit aller Maß- nahmen verstanden, die zur Unterstützung notwendig sind. Insbesondere umfasst die Festlegung einer zur Unterstützung von expliziter „Articulation Work“ geeigneten Me- thodik sowie die Konzeption und Umsetzung eines die Durchführung dieser Methodik 110 4.4. Zusammenfassung unterstützenden Werkzeugs. Der methodische Aspekt der Konzeption des Instruments wurde in diesem Kapitel beschrieben. Mit der Festlegung der Methodik einher geht ein Beitrag zur Beantwortung der Fra- gestellung 5 („Wie kann die Effektivität der Unterstützung von expliziter Articulation Work beurteilt werden?“). Abschnitt 4.3 führt Anwendungsszenarien an, die darlegen, wie die vorgestellte Methodik im Rahmen unterschiedlicher Ausprägungen expliziter „Articulation Work“ angewandt werden kann. Für die Prüfung der Effektivität der Un- terstützung ist das Instrument in konkreten Ausprägungen dieser Anwendungsszenarien zu verwenden. 4.4.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse Die hier beschriebene Methodik bedingt eine technische Unterstützung der Durchfüh- rung. Basierend auf den hier beschriebenen Aktivitäten, die im Rahmen der Methodik auftreten, werden im nächsten Kapitel die Anforderungen an ein den Externalisierungs- Prozess unterstützendes Werkzeug abgeleitet. Diese bilden die Grundlage für die Um- setzung des Werkzeugs, die in den Kapiteln 7 bis 9 beschrieben ist. 111 Teil II. Interaktive Externalisierung und Abstimmung 112 Interaktive Externalisierung und Abstimmung Einleitung Basierend auf den dieser Arbeit zugrundeliegenden Forschungsgebieten und der daraus abgeleiteten Methodik, die in den letzten Kapiteln beschrieben wurden, wird in diesem Teil auf die konkreten Unterstützungsmöglichkeiten von „Articulation Work“ durch tech- nische Werkzeuge eingegangen. Ziel dieses Teils ist es, sowohl das hier vorgeschlagene Vorgehen bei der Unterstützung expliziter „Articulation Work“ als auch die Unterstüt- zung, die ein Werkzeug dabei leisten kann, umfassend dazustellen. Dies entspricht Ver- follständigung der Beantwortung des ersten Teils der zweiten in Kapitel 1 formulierten Forschungsfrage („Wie kann explizite Articulation Work effektiv unterstützt werden?“). Die Beurteilung der Effektivität bleibt in diesem Teil noch außen vor, es werden ledig- lich weitere Meßkriterien identifiziert, anhand derer die Effektivität der Unterstützung geprüft werden kann. Der methodische Aspekt der Unterstützung wurde bereits in Teil I behandelt. Auf Grundlage der Methodik, die im Kontext von Concept Mapping und Strukturle- getechniken vorgeschlagen wird und unter Berücksichtigung der Anforderungen, die aus dem inhärent kooperativen Anwendungsszenario abgeleitet werden können, muss das Vorgehen zur Durchführung von expliziter „Articulation Work“ festgelegt werden. In Rahmen der Festlegung des Vorgehens werden auch jene Aspekte identifiziert, in denen Unterstützung durch technische Werkzeuge sinnvoll und notwendig ist. Die An- forderungen, die sich aus diesen Aspekten ableiten lassen, bilden die Grundlage für die Konzeption und Umsetzung eines Werkzeugs, das diese Unterstützung bietet. Die technischen Details der Implementierung dieses Werkzeugs und die zugrunde liegenden konzeptuellen und technologischen Grundlagen bilden den Kern dieser Arbeit. Der Aufbau dieses Teils folgt dem eben umrissenen inhaltlichen Vorgehen. Am En- de des Kapitels 3 wurde die Methodik zur Unterstützung expliziter Artikulation Work beschrieben. Aus diesem werden im folgenden Kapitel 5 jene Bereiche identifiziert, in denen eine technologische Unterstützung notwendig ist und die Anforderungen an ein Werkzeug abgeleitet, das diese Unterstützung bietet. Die vier folgenden Kapitel beschäf- tigen sich mit der Umsetzung des Werkzeugs. Dabei wurde der Implementierungsstand beschrieben, mit dem das Werkzeug im Großteil der Evaluierungen eingesetzt wurde. Je- ne Weiterentwicklungen, die in den letzten Phasen der Evaluierung umgesetzt wurden, betreffen ausschließlich die Interaktion mit dem Werkzeug und hatten keinen Einfluss auf die technische Realisierung. Die Veränderungen gründeten jeweils auf aus vorher- gehenden Anwendungen gebildeten Hypothesen und wurde zur Überprüfung derselben prototypisch umgesetzt. Die Beschreibung der Veränderung zum in der Folge beschrie- benen Referenzstand wird dementsprechend im Rahmen der Beschreibung der Evaluie- rungsergebnisse in den Kapiteln 12 bis 14 vorgenommen. Kapitel 6 beschäftigt sich mit den konzeptuellen Grundlagen des Forschungsgebiets „Tangible Interfaces“, das die Basis für die technische Umsetzung bildet. Kapitel 7 113 Interaktive Externalisierung und Abstimmung beschäftigt sich mit jenen Technologien und Softwarekomponenten, die für die Infor- mationseingabe in das technische System verwendet werden. Dabei wird auch auf die konkrete Interaktion der Benutzer mit dem System eingegangen. Kapitel 8 beschreibt die Ausgabeseite des technischen Systems und behandelt die Umsetzung des Informa- tionsflusses vom System zu den Benutzern. Letztendlich wird in Kapitel 9 beschrieben, welche Maßnahmen zu Sicherung der Ergebnisse der expliziten „Articulation Work“ ge- troffen werden müssen und welche Möglichkeiten der technischen Umsetzung bestehen bzw. gewählt wurden. 114 5. Anforderungen an ein Werkzeug Dieses Kapitel dient der Überleitung von den bislang auf konzeptueller Ebene beschrie- benen Überlegungen hin zur tatsächlichen Umsetzung der Werkzeugunterstützung für „Articulation Work“ mittels der Externalisierung und Abstimmung mentaler Model- le. Basierend auf den Erkenntnissen aus den Kapiteln 2 und 3 sowie der in Kapitel 4 entwickelten Methodik werden hier die funktionalen Anforderungen an das Werkzeug beschrieben. Abbildung 5.1 stellt dieses Kapitel und dessen Aufbau im Kontext der anderen inhaltlich vor- und nachgelagerten Kapitel dar. Abbildung 5.1.: Kapitel „Anforderungen an ein Werkzeug“ im Gesamtzusammenhang Die Anforderungen lassen sich jeweils auf einen von drei dieser Arbeit zugrunde liegen- den Ansätzen zurückführen, die in den Kapiteln 2 und 3 beschrieben sind. Größtenteils sind sie direkte Konsequenzen auf den Vorgaben hinsichtlich Struktur und Vorgehen, die von Strukturlegetechniken oder Concept Mapping gemacht werden. Es ist jedoch zu- 115 5.1. Anforderungen aus Strukturlegetechniken sätzlich notwendig, auf die zur Durchführung expliziter „Articulation Work“ selbst zu- rückzugreifen, um die Eignung des Werkzeugs nicht nur für generische Externalisierung von mentalen Modellen selbst sicherzustellen. Vielmehr muss auch die Berücksichtigung der speziellen Anwendungsbedingungen und Betrachtungsgegenstände im Rahmen von „Articulation Work“ gewährleistet werden. 5.1. Anforderungen aus Strukturlegetechniken Anforderung 1 Physische Abbildung beliebiger diagrammatischer Modelle Ein Werkzeug zur Unterstützung von Strukturlegetechniken muss das grundlegende Konzept der Methodik vollständig unterstützten. Es muss möglich sein, Konzepte auf einer Modellierungs-Oberfläche zu platzieren und zueinander in Beziehung zu setzen. Der gesamte Modellstatus muss visuell auf der Oberfläche erkennbar sein. Anforderung 2 Unterstützung der iterativen Aushandlung des Modells Im Sinne der Unterstützung der Dialog-Konsens-Methodik sind ist der Austausch über das Modell durch das Werkzeug zu unterstützen. Vor allem muss es möglich sein, Anmer- kungen über Konsens oder Dissens über einzelnen Modellteile oder das gesamte Modell explizit mit in die Repräsentation aufzunehmen. Anforderung 3 Ermöglichung experimenteller Veränderungen am Modell Es muss möglich sein, das Modell experimentell zu verändern und ggf. zu einem frühe- ren stabilen Modellzustand zurückzukehren. Dies erlaubt eine konsequenzlose Erkundung von Lösungsräumen und unterstützt damit den Dialog-Konsens-Prozess. Das Werkzeug muss also stabile Modellzustände erfassen und deren Rekonstruktion unterstützen. 5.2. Anforderungen aus Concept Mapping Anforderung 4 Nicht vorgegebene Semantik der Modellierungselemente Wie oben bereits argumentiert und auch aus Seel (1991)1 abzuleiten, sind zur Un- terstützung von expliziter „Articulation Work“ vor allem Varianten von Strukturlege- techniken geeignet, die im Sinne von Concept Mapping keine Vorgaben hinsichtlich der zu verwendenden Konzepte und Verknüpfungen machen. Das Werkzeug muss dement- sprechend die Offenheit bieten, beliebige Klassen von Konzepten und Verknüpfungen 1siehe Seite 85 in dieser Arbeit 116 5.3. Anforderungen aus Articulation Work zu definieren (z.B. Klasse „organisationale Rolle“) und von diesen beliebige Instanzen zu bilden und zu benennen (z.B. Instanz „Geschäftsführer“). Gleichzeitig muss sicher- gestellt werden, dass die festgelegte Semantik im Modell mit abgebildet wird und nicht verloren geht. Anforderung 5 Verknüpfung mit digitalen Ressourcen Die Einbindung von digitalen Ressourcen (Dateien, Hyperlinks,. . . ) ermöglicht die Ein- bindung des Modells in den organisationalen Kontext und erleichtert so einerseits die Verständnisbildung und ermöglicht andererseits die Verwendung der Repräsentation als unmittelbare Handlungsanleitung mit Verknüpfungen zu den betroffenen Arbeitsgegen- ständen (siehe dazu auch die Beschreibung von (Jørgensen, 2004) auf Seite 68 in dieser Arbeit). Anforderung 6 Bearbeitung von beliebig umfangreicher Modellen Umfangreiche Modelle enthalten oft eine große Anzahl von Konzepten und viele Ver- knüpfungen. Das Werkzeug muss das Modell in einer Form darstellen, die dessen Er- fassung und Manipulation ermöglicht, ohne die Repräsentierenden kognitiv zu sehr zu belasten. 5.3. Anforderungen aus Articulation Work Anforderung 7 Kooperative und unmittelbare Manipulierbarkeit des Modells Zur Unterstützung von expliziter „Articulation Work“ muss das Werkzeug kooperative Strukturlege-Prozesse erlauben. Es muss möglich sein, das gelegte Modell simultan zu erweitern oder zu verändern. Anforderung 8 Persistente Ablage des Modells und Möglichkeit zur Rekonstruktion Die persistente Ablage eines Modells (z.B. als digitale Repräsentation) und Werkzeug- unterstützung zur Rekonstruktion eines abgelegten Modells erlaubt die Wiederaufnahme eines unterbrochenen Strukturlegeprozesses bzw. die Reflexion und Anpassung bereits erstellter Modelle zu einem späteren Zeitpunkt. Diese Forderung wird auch von Herr- mann et al. (2002) angeführt (siehe Seite 63 in dieser Arbeit) und unter anderem von Shipman und Hsieh (2000) zur Nachvollziehbarkeit bei Erstellung und Konsum von ver- netzen Inhalten (dort: Hypertext) vorgeschlagen2. 2„By recording and replaying the authoring process, navigable history can re-situate an author after a gap in the authoring process. Similarly, in a collaborative authoring process, an author can play 117 5.4. Grundlegende Technologieentscheidung 5.4. Grundlegende Technologieentscheidung Basierend auf den oben identifizierten Anforderungen kann nun eine grundlegende Ent- scheidung hinsichtlich der Technologie zur Umsetzung der Werkzeugunterstützung ge- troffen werden. Aufgrund der Anforderungen, die aus dem Bereich der „Strukturlege- techniken“ sowie „Articulation Work“ selbst abgeleitet wurden, ist die Unterstützung durch ein Werkzeug notwendig, das die Erstellung und Repräsentation der Modelle im physischen Raum ermöglicht. Ein Teil der Anforderungen, die im Bereich des „Concept Mapping“ und ebenfalls wie- der der „Articulation Work“ identifiziert werden konnten, können hingegen nur realisiert werden, wenn das Werkzeug mit rechner-unterstützter Funktionalität angereichert wird. Einerseits ist es nun also notwendig, das Modell physisch abzubilden, was der Verwen- dung eines Werkzeugs mit bildschirmbasierter Benutzungsschnittstelle entgegensteht. Andererseits ist zur Umsetzung mancher Anforderungen die Verwendung eines Rechners notwendig, so dass das Modell auch digital erfasst und repräsentiert werden muss. Ein Ansatz der Mensch-Maschine-Interaktion, der die Verwendung von interaktiven Systemen mit nicht-traditionellen Benutzungsschnittstellen untersucht, ist jener der „Tan- gible Interfaces“. Als „Tangible Interfaces“ werden im Allgemeinen Benutzungsschnitt- stellen bezeichnet, die ein Computersystem mit auf den jeweiligen Anwendungsfall ab- gestimmten physischen Artefakten kontrollierbar machen, die gleichzeitig zur Informa- tionsausgabe durch das Computersystem verwendet werden. Für den hier vorliegenden Anwendungsfall – der interaktiven kooperativen Erstellung von diagrammatischen Modellen – bietet sich die Verwendung eines „Tangible Tabletop Interface“ an. Als Spezialfall eines „Tangible Interface“ wird hier eine Tischoberfläche als Ein- und Ausgabekanal verwendet, auf dem physische Artefakte zur Interaktion mit dem System verwendet werden. Die Ähnlichkeit dieses Ansatzes mit dem Anwendungs- szenario im Falle von „Strukturlegetechniken“ spricht für eine Verwendung von „Tangible Tabletop Interfaces“ zur Umsetzung des in dieser Arbeit zu entwickelnden Werkzeugs. through the events since his/her last authoring session to quickly determine the activity of the other authors. Finally, in many situations, information becomes harder to interpret as its context changes over time. By returning to the state of the information space at the time of authoring, disambiguation of the information may become possible. For the reader who is not also the writer of the hypertext there are additional uses of navigable history. A reader replaying the author’s writing process can gain insight into the motivation of the author and have a greater understanding of the author’s writing style. Such an understanding is important in collaborative work and in other contexts, like education and literary analysis.“ (Shipman und Hsieh, 2000) 118 5.5. Zusammenfassung 5.5. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden die Anforderungen an das zu entwickelnden Werkzeug aus den Ergebnissen der Kapitel 2, 3 und 4 abgeleitet. Insgesamt konnten 8 Anforderungen identifiziert werden, die hier – unabhängig von der konkreten Umsetzung – rein aus Sicht der konzeptuell zu unterstützenden Tätigkeit beschrieben wurden. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels wurde auf Basis der Ergebnisse der Anforde- rungserhebung jene Klasse von Systemen identifiziert, deren Verwendung die grundle- gende Forderung nach physischer Modellbildung und gleichzeitiger Unterstützung durch computerbasierte Werkzeuge erfüllen kann. „Tangible Interfaces“ sind hier mit ihrem Anspruch, konkrete, physische Benutzungsschnittstellen für interaktive Computersyste- me zur Verfügung zu stellen, durch die Ähnlichkeiten zu „Strukturlegetechniken“ bei der gleichzeitigen Möglichkeit zur Umsetzung von rechnergestützten Funktionen einsetzbar. 5.5.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung Die in diesem Kapitel formulierten Anforderungen bilden die Brücke zwischen Methodik und Werkzeug im Rahmen der Beantwortung der in Kapitel 1 formulierten Fragestel- lung 4 („Wie kann ein Instrument zur Unterstützung von expliziter Articulation Work umgesetzt werden?“). Am Ende von Teil I beschriebene Methodik ist Teil des zur Unterstützung von „Arti- culation Work“ konzipierten Instruments. Dieses wird durch das durch die hier formu- lierten Anforderungen hinsichtlich seiner Funktionalität festgelegten Werkzeug zu jene Instrument ergänzt, das Gegenstand der Fragestellung 4 ist. Die hier formulierten Anforderungen repräsentieren gleichzeitig die aus methodischer Sicht notwendigen Funktionen zur Unterstützung des kooperativen Externalisierungs- und Abstimmungsprozesses und damit der Durchführung von „Articulation Work“ ab. Die Erfüllung der Anforderungen ist damit eine Voraussetzung zur effektiven Unterstüt- zung von „Articulation Work“. In diesem Sinne sind sie auch ein Beitrag zur Beantwor- tung der Fragestellung 5 („Wie kann die Effektivität der Unterstützung von expliziter Articulation Work beurteilt werden?“) und müssen als Beurteilungskriterien herangezo- gen werden. 5.5.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse In den folgenden Kapiteln wird nun aufbauend auf der Grundsatzentscheidung für die Entwicklung eines „Tangible Interfaces“ das Werkzeug in allen in den Anforderungen angesprochenen Aspekten spezifiziert. Zusätzlich sind auch jeweils die konkrete techni- sche Umsetzung sowie allfällige Einschränkungen, die diese Umsetzung mit sich brachte, beschrieben. 119 5.5. Zusammenfassung Kapitel 6 geht – noch unabhängig von dem konkreten hier entwickelten Werkzeug – auf die Eigenschaften von Tangible Interfaces und deren Spezifikation ein. Daneben wird in diesem Kapitel auch die „Related Qork“ aus konzeptueller und technischer Sicht auf- gearbeitet. In den Kapiteln 7, 8 und 9 werden die Implementierungsalternativen und die konkrete Umsetzung des Werkzeugs getrennt für die Eingabe von Information (also die Modellbildung selbst), die Ausgabe von Information sowie die Sicherstellung der Persis- tierung der Modelle beschrieben. Die Überprüfung der Erfüllung der hier spezifizierten Anforderungen ist Gegenstand der Kapitel 12 und 13, die Teil der Beschreibung der Evaluierung des hier entwickelten Systems sind. 120 6. Grundlagen der Realisierung und verwandte Arbeiten Zur Umsetzung des Werkzeugs wurde – wie in Kapitel 5 gefordert – ein „Tangible Table- top Interface“ verwendet. Tabletop Interfaces zeichnen sich im Generellen dadurch aus, dass im Gegensatz zu handelsüblichen Rechnern nicht nur die Software sondern auch die Hardware applikationsspezifisch ist und nicht für beliebige Anwendungen eingesetzt werden kann. Die Hardware bildet dabei einen Teil oder die gesamte Benutzungsschnitt- stelle sowohl ein- als auch ausgabeseitig ab. Im speziellen Fall eines „Tangible Tabletop Interfaces“ basiert der Benutzerinteraktion auf der Verwendung physischer Bausteine („Tokens“), die auf der physischen Oberfläche des Interfaces manipuliert werden. Diese Interaktionsform wird von Tabletop Interfaces ergänzt, die die Benutzerinteraktion aus- schließlich auf Gesten bzw. Berührungen der Oberfläche abbilden (horizontal verbaute „Touch-“ bzw. „Multi-Touch-Displays“). Tabletop Interfaces wurden Mitte der 1990er-Jahren in den Arbeiten von Ishii & Ull- mer erstmals vorgestellt. Auch die erste Anwendung, die sich mit Modellierung auf Tabletop Interfaces beschäftigt, stammt aus dieser Zeit. Mit dem Fortschreiten der technologischen Entwicklung ist heute ein Status erreicht, in dem mit Hilfe generi- scher Identifikations-Frameworks schnell und ohne großen Aufwand Applikationen mit „tangiblen“ Eingabekanälen erstellt werden können. Zur Zeit noch im Prototypenstatus befinden sich Systeme, die sich mit Möglichkeiten des tangiblen Informationsoutputs beschäftigt. Der Rückkanal vom Rechner zum Benutzer wird heute zumeist durch die Projektion von Inhalten auf die Arbeitsoberfläche umgesetzt. In den folgenden Abschnitten wird die historische Entwicklung von Tabletop Inter- faces sowie der aktuelle Stand der Entwicklung im Anwendungsbereich dieser Arbeit betrachtet. Es werden dabei die grundlegenden Konzepte und Eigenschaften der jeweili- gen Arbeiten betrachtet und das Potential hinsichtlich der Umsetzung von in Kapitel 5 identifizierten Anforderungen an das hier entwickelte Werkzeug betrachtet. Abbildung 6.1 stellt dieses Kapitel und dessen Aufbau im Kontext der anderen inhaltlich vor- und nachgelagerten Kapitel dar. 6.1. Historischer Überblick 121 6.1. Historischer Überblick Abbildung 6.1.: Kapitel „Grundlagen der Realisierung und verwandte Arbeiten“ im Ge- samtzusammenhang Wellner (1993) und Suzuki und Kato (1995) werden als jene Arbeiten angesehen, die die Vision von alternativen Benutzungsschnittstellen für Computer maßgeblich geprägt haben. „Alternativ“ bedeutet in diesem Zusammenhang die Verwendung von Ein- und Ausgabekanälen, die sich von den herkömmlichen Werkzeugen wie Tastatur und Maus bzw. Bildschirmen insofern unterscheiden, als dass sie eine unmittelbare Interaktion mit der digital repräsentierten Information ermöglichen und deren Zustand in der realen Welt widerspiegeln. Der Begriff der „Tangible“ bzw. „Graspable Interfaces“ – also der „berührbaren“ oder „begreifbaren“ Benutzungsschnittstellen — stammt ebenfalls aus der Mitte der neunzi- ger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Fitzmaurice et al. (1995) werden im Allgemei- nen als die Ersten betrachtet, die den Begriff des „Graspable User Interfaces“ prägen und damit die Manipulierbarkeit digitaler Information durch physische Mittel beschrei- ben. Fitzmaurice (1996) präzisiert später den Begriff durch die Abgrenzung zwischen (herkömmlichen, maus-, tastatur- und bildschirmbasierenden) zeitlich gemultiplexten Schnittstellen, bei denen der Informationsaustausch zwischen Benutzer und System über einen Kanal zeitlich hintereinander erfolgt und den (neuartigen, berührbaren) räumlich gemultiplexten Schnittstellen, bei denen mehrere Kanäle gleichzeitig zur Interaktion zwi- schen Benutzer und System verwendet werden können. 122 6.2. Lernprozesse und Tangible Interfaces Der Begriff des „Tangible User Interfaces“ (TUI) wurde kurz danach bzw. parallel dazu von Ishii und Ullmer (1997) eingeführt. Ishii und Ullmer verfolgen dabei bei der Definition den umgekehrten Weg und sprechen von einer „Augmentation der realen Welt durch eine Kopplung von digitaler Information and physische Objekte“1. Die erwähnte Kopplung wurde von Beginn an bidirektional verstanden. Dies bedeu- tet, dass sowohl der Zustand der realen Welt die digitale Welt beeinflusst als such um- gekehrt die digitale Welt auf die reale Welt zurück wirkt. Der Fokus der Entwicklung lag in den ersten zehn Jahren der Entwicklung des Feldes klar auf den erstgenannten Aspekt. Erforscht wurde im Wesentlichen die Manipulation von digitaler Information mittels physischer Werkzeuge, der Zustand der digitalen Welt wurde zumeist ausschließ- lich dargestellt, beeinflusste aber die reale Welt nicht weiter. Die Kopplung des physi- schen Zustands der realen Welt an digitale Information (etwa die Veränderung der Form oder Position von physischen Interface-Objekten durch die Ergebnisse einer im Rechner durchgeführten Berechnung) wurde nur in Ausnahmefällen angesprochen (zumeist un- ter der Bezeichnung „Ambient Interface“ (Gross, 2003)), strukturiert untersucht wurde dieser Aspekt erstmals von Patten und Ishii (2007). Nach wie vor verzichtet ein Großteil der vorgeschlagenen Systeme auf die automatisierte Manipulation der realen Welt und beschränkt sich auf die Ausgabe der Information über einen optischen Kanal. Technologisch gründet sich das Gebiet der Tangible Interfaces auf den Entwicklun- gen im Bereich des Ubiquitous Computing (Weiser, 1991) und der Augmented Reality (Azuma, 1997). Auch heute ist die Abgrenzung noch eher konzeptuell zu sehen. Die tech- nischen Mittel der Umsetzung sind vor allem hardwareseitig nach wie vor nicht spezifisch den einzelnen Gebieten zuzuordnen, lediglich softwareseitig ist eine Spezialisierung durch die Entwicklung dedizierter Software-Frameworks zu erkennen. 6.2. Lernprozesse und Tangible Interfaces Die Anwendungsbereiche von Tangible Interfaces sind historisch breit gestreut, lassen jedoch eine Fokussierung auf die Unterstützung von kreativen und planenden Prozes- sen erkennen. Ein wichtiger Anwendungsbereich war schon in den ersten Jahren akti- ver Forschung das Gebiet der Unterstützung von Lernprozessen (Resnick et al., 1998). Zurückgreifend auf die Ideen Pestalozzis, Montessoris (Montessori, 2005) und Piagets (Piaget, 1976) bzw. Papert (Papert, 2000) schlagen Resnick et al. (1998) physische Objekte mit Mitteln der IT anzureichern um Spielzeuge („digital manipulatives“) zu schaffen, mit denen Kinder interagieren können und sich so physikalische bzw. system- theoretische Konzepte spielerisch zu erschließen. Die Objekte fungieren dabei einerseits als Baumaterialien und „Eingabekanal“ für den Rechner, andererseits gleichzeitig auch als „Ausgabe“- bzw. Feedbackkanal über die Wirkung die in der digitalen Welt (etwa 1“augment the real physical world by coupling digital information to everyday physical objects and environments”(Ishii und Ullmer, 1997) 123 6.2. Lernprozesse und Tangible Interfaces in einer Simulation) mit der Eingabekonstellation erzielt wurde. In einer empirischen Studie untersuchen Price et al. (2003) die Verwendung von „Tangibles“ in spielerischen Lernsituationen. Sie identifizieren mehrere positive Effekte, darunter hohe Motivation bei der Interaktion mit dem System und umfassende kooperative Aktivitäten, die durch das System ermöglicht bzw. unterstützt werden. Als prominentes Ergebnis stellen die Autoren die stark ausgeprägte Tendenz zur Reflexion des Spielprozesses und der Erklä- rung der eigenen Tätigkeiten heraus. Sie setzen dieses Verhalten mit dem von Schön (1984) im Kontext von organisationalem Lernen beschriebene Phänomen der „reflection in action“ gleich. Die Erkenntnisse der Entwicklungen und empirischen Untersuchungen in diesem Be- reich wurden sowohl in der frühkindlichen Bildung (Zuckerman et al., 2005) als auch in organisationalen Lernprozessen zur Erhebung und Abstimmung von Strukturen und Abläufen in Unternehmen (The LEGO Group, 2002) eingesetzt. Die dort verfolgten Kon- zepte sind für diese Arbeit insofern von Interesse, als dass Tangible Interfaces dabei zur Modellbildung im engeren Sinne und – im Falle der organisationalen Anwendung – auch für „Articulation Work“ im Allgemeinen eingesetzt wurden. Marshall (2007) versucht die möglichen Einflussfaktoren und Wirkungen von Tangible Interfaces auf Lernprozesse zu strukturieren und in einem analytischen Framework zu be- schreiben. Er identifiziert sechs Perspektiven und exemplarisch mögliche Ausprägungen, die es erlauben, die Verwendung eines Tangible Interfaces in Lernprozessen strukturiert zu betrachten (siehe Abbildung 6.2). Abbildung 6.2.: Tangible Interfaces in Lernprozessen (entnommen aus Marshall (2007)) Die Perspektive „Learning Domains“ bezieht sich hier auf den Anwendungsbereich des TUI2. Im konkreten Fall ist diese mit der Arbeits-Domäne, in der die „ArticulationWork“ durchgeführt wird, gleichzusetzen und ändert sich deshalb je nach Anwendungsfall. In der Perspektive „Possible Learning Benefits“ betonen die Autoren mit Bezugnah- me auf Arbeiten aus den Kognitionswissenschaften die potentiell positiven Aspekte von 2Tangible User Interface 124 6.3. Kooperation und Tangible Interfaces physischen Repräsentationen, die durch die haptische Wahrnehmbarkeit verständlicher als rein visuelle Repräsentationen sind. In diesem Zusammenhang erwähnen die Autoren auch die Eignung von Tangible Interfaces in kooperativen Lernsituationen, in denen das Interface durch seine physische Präsenz einen „shared space“ erzeugt, in dem Kommu- nikation und Interaktion erleichtert werden. Relevant im Kontext von „Articulation Work“ bzw. der Externalisierung und Ab- stimmung von mentalen Modellen sind die beiden Lernformen, die in der Perspektive „Learning Activity“ identifiziert wurden. Demnach ermöglichen Tangible Interfaces be- sonders explorative und expressive Aktivitäten. Erstere beziehen sich auf eine Erfor- schung einer existierenden physischen Repräsentation, die experimentell verändert wer- den kann und die Entwicklung eines tiefergehenden Verständnisses für das repräsentierte Phänomen ermöglicht. Zweitere beziehen sich auf Erzeugung von Repräsentationen mit dem Tangible Interface. Dabei kann die Abbildung direkt erfolgen, alternativ kann aus der Interaktion mit dem Interface eine Repräsentation (etwa eines Arbeitsablaufs) vom System automatisiert abgeleitet werden. Die übrigen Perspektiven sind für den hier betrachteten Anwendungsfall nur bedingt relevant („Concretness and sensori-directness“) oder werden in späteren Abschnitten noch detaillierter behandelt („Integration of representations“ bzw. „Effects of physica- lity“). Auf sie wird hier deshalb nicht näher eingegangen. 6.3. Kooperation und Tangible Interfaces „Articulation Work“ wird in einem Großteil der Anwendungen kooperativ durchgeführt. Die hier zu unterstützende „explizite Articulation Work“ zur Abstimmung mentaler Modelle mittels Externalisierung findet immer unter Beteiligung mehrerer Individuen statt, die simultan versuchen, ihre individuellen Sichtweisen auf einen Arbeitsablauf ab- zustimmen. In Kapitel 3 wurde auf die Nützlichkeit von physischen Repräsentationen bei der Externalisierung mentaler Modelle verwiesen. Auch in der Domäne der Tangible Interfaces wurde die Wirkung der dedizierten, physischen Schnittstelle auf die Koope- ration der beteiligten Individuen untersucht (erstmals in (Hornecker, 2001)). Die dort gezogenen Schlüsse sind Gegenstand dieses Abschnitts. Tangible Interfaces bieten durch die physische Ausgestaltung der Benutzungsschnitt- stelle oft die Möglichkeit, nicht exklusiven Zugriff auf die Funktionen des Systems und so eine kooperative Verwendung zu ermöglichen. Hornecker (2004) geht über die rein simultane Zugreifbarkeit auf das System hinaus und attestiert Tangible Interfaces ei- ne inhärent kooperationsunterstützende Wirkung. Sie identifiziert im Kern vier sozial Effekte von Tangible Interfaces: • Intuitive und simultane Manipulierbarkeit • Fokus-stärkende Wirkung 125 6.3. Kooperation und Tangible Interfaces • Awareness, Gestik und perfomative Bedeutung der Handlungen • Externalisierungsfunktion und Rolle als Boundary Object Diese Effekte werden in den folgenden Abschnitten kurz auf Basis der Ausführungen der Autorin zusammengefasst und in den Kontext der Unterstützung von „Articulation Work“ gesetzt. Für eine detaillierte Beschreibung sei hier auf (Hornecker, 2004, S. 147- 212) verwiesen. Auch die Referenzen zu den einzelnen hier wiedergegebenen Hypothesen sind dort zu finden – in dieser Arbeit wurde auf deren Angabe verzichtet. 6.3.1. Intuitive und simultane Manipulierbarkeit Tangible Interfaces wird eine intuitive Manipulierbarkeit zugeschrieben. Dies bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Zugang zum System spielerisch und erfahrungsorien- tiert erfolgen kann und keine Übersetzung der intendierten Handlungen auf am Rechner ausführbare Aktivitäten erfolgen muss. Dies ist vor allem für Personen eine Erleichte- rung, denen der abstahierender Zugang schwerfällt. Konkret zeigt sich das unter anderem bei der Externalisierung von Handlungswissen, das an bestimmte Situationen gebunden ist und von den handelnden Personen nur schwer bzw. nicht generalisiert werden kann. Kann während der Externalisierung in der realen, physischen Welt verblieben werden, erleichtert dies den Zugang zum System und führt im Allgemeinen zu vollständigeren bzw. stimmigeren Externalisierungen. Zudem ermöglicht ein einfacher Zugang zum System eine Konzentration auf die ei- gentliche Arbeitsaufgabe – das Werkzeug tritt in den Hintergrund. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Anforderung, Änderung einfach rückgängig machen zu können, so dass inhaltliche Experimente einfach und ohne Aufwand korrigiert werden können, wenn sie sich als nicht zielführend erweisen (Klemmer et al., 2002). Die simultane Manipulierbarkeit vieler Tangible Interfaces fördert ebenfalls die Ko- operation bei der Benutzung des Systems. Der nicht-exklusive Zugang zur Benutzungs- schnittstelle ermöglicht erst eine unmittelbare Zusammenarbeit am Arbeitsgegenstand. In Kombination mit der intuitiven Manipulierbarkeit wird der Kooperations-Aspekt noch weiter gestärkt, da Spezialkompetenzen zur Bedienung des Systems nicht not- wendig sind. Der Zugang zur Schnittstelle wird damit auch egalitärer und schließt nicht einzelne Benutzergruppen von der Bedienung des Werkzeugs aus. Dies wird vor allem in partizipartiven Planungs- und Entwurfsprozessen (wie „expliziter Articulation Work“) deutlich, in denen Personen unterschiedlicher Fach- und Medienkompetenz zusammen- arbeiten müssen. Der physische Interaktionsraum führt neben der simultanen Manipulierbarkeit auch zu natürlicheren Interaktionsabläufen zwischen den beteiligten Individuen. Im Gegensatz zu Systemen, bei denen im virtuellen Raum interagiert wird, müssen keine expliziten Synchronisationsmechanismen eingeführt werden, die etwa Bearbeitungskonflikte ver- meiden. Die Abstimmung erfolgt durch die unmittelbare Manipulation direkt und muss 126 6.3. Kooperation und Tangible Interfaces nicht weiter technisch unterstützt werden. Auch ist im Allgemeineren eine feingranula- rere Interaktion als bei bildschirmbasierter Zusammenarbeit zu beobachten. „Feingra- nular“ bedeutet hier, dass der Aktivitätsfokus („Turn-taking“) öfter wechselt und somit zu gleichmäßigeren Einzelbeiträgen im Gesamtergebnis führt. 6.3.2. Fokus-stärkende Wirkung Physische Modelle, die mittel Tangible Interfaces erstellt werden oder Gegenstand des- selben sind, wirken nicht nur räumlich fokussierend, sondern konkretisieren auch die inhaltliche Interaktion und fördern lösungsorientierte Diskussionen. Die inhaltlich fokussierende Wirkung ist auf mehrere Aspekte zurückzuführen, die bei unterschiedlichen Ausprägungen von Tangible Interfaces unterschiedlich stark auftreten. Die folgenden Ausführungen sind im Kontext von (den in dieser Arbeit relevanten) tisch- basierten Systemen zu sehen, auf die sich auch Hornecker (2004) vorrangig bezieht. Der erste erwähnenswerte Einflussfaktor ist die fokussierende Wirkung einer physisch im Zentrum stehenden Repräsentation, die von den beteiligten Individuen „umringt“ wird. Diese Konstellation schafft einen gemeinsamen „Transaktionsraum“ und wirkt als „soziales Signal“ für die Kommunikationsaufnahme. Entfernte (etwa auf eine Wand pro- jizierte) Repräsentationen führen nicht zu derartigen Konstellationen. Die physische Repräsentation wird zu einem gemeinsamen Bezugspunkt und erzeugt sozialen Druck, sich bei der Diskussion auf sie zu beziehen. Zudem erleichtert sie die Durchsetzung der Forderung nach Konkretisierung von artikulierten Gedanken und vi- sualisiert gleichzeitig die Auswirkungen möglicher Entscheidungen. Die „Öffentlichkeit“ physischer Repräsentationen, deren Veränderung für alle beteilig- ten Individuen einsehbar ist, fördert die individuelle Reflexion von eingebrachten Ideen und Gedanken und erleichtert gleichzeitig die Konsensfindung und pragmatische Kon- fliktlösung. Wesentliche Faktoren für die fokussierende Wirkung von physischen Repräsentationen sind deren Größe, die Sichtbarkeit und Öffentlichkeit sowie deren Materialiät. Hinsicht- lich der Größe existiert sowohl eine Unter- als auch eine Obergrenze für das Auftreten der fokusfördernden Wirkung. Ist die Repräsentation zu klein, ist sie unter Umständen nur für einen Teil der beteiligten Individuen zu erkennen und verhindert eine nicht-exklusive Manipulation. Ist sie zu groß, kann die Repräsentation unter Umständen nicht in ihrer Gesamtheit erfasst werden. Neben der Fokuswirkung der Repräsentation ist auch jene der verwendeten Werkzeuge zur Manipulation des Systemzustandes relevant. Im Gegensatz zu generischen Werkzeu- gen wie Tastatur und Maus schränken physisch für eine bestimmte Aufgabe ausgelegte Werkzeuge den Interaktionsraum auf natürliche Art und Weise ein. Konzeptuell durch- dachtes Interaktionsdesign führt so zu einer Fokussierung auf die möglichen Aktionen 127 6.3. Kooperation und Tangible Interfaces und lenken die Aufmerksamkeit der Individuen auf jene Strukturen, die durch diese manipuliert werden. 6.3.3. Awareness, Gestik und performative Bedeutung der Handlungen Die physische Präsenz einer Benutzungsschnittstelle im realen Raum erlauben, im Ge- gensatz zu bildschirmbasierten Schnittstellen, die Aufmerksamkeit nicht ausschließlich auf die Interaktion mit dem System zu konzentrieren. Vielmehr ist es möglich durch die periphäre Wahrnehmung der Umgebung die „Awareness“ (Dourish und Bellotti, 1992) – also das Bewusstsein über das, was im räumlichen und inhaltlichen Kontext der eigent- lichen Aufgabe passiert – zu erhöhen. Die „Awareness“ umfasst auch bzw. vor allem die Tätigkeiten anderer Individuen, die an der Interaktion beteiligt sind3. Durch die räumliche Nähe sind die Handlungen dieser Individuen nicht nur in ihrer Konsequenz (also der Wirkung auf die Repräsentation) er- kennbar, sondern umfassender wahrnehmbar. Handlungen werden schon durch die begin- nende Bewegung vor ihrer Durchführung wahrgenommen, auch die eigentliche Handlung erzeugt wahrnehmbare Effekte. Dadurch kommt es zu einer impliziten Abstimmung der Handlungen der einzelnen Personen (gleichzusetzen mit der Durchführung von „impli- cit Articulation Work“), eine explizite Aushandlung der kooperativen Handhabung der Schnittstelle ist im Normalfall nicht mehr notwendig. Dies korreliert mit der im letzten Abschnitt dargestellten Hypothese, dass physische Benutzungsschnittstellen gegenüber der eigentliche Arbeitsaufgabe in den Hintergrund treten und eine stärke Fokussierung auf diese erlauben. Das physisch vorhandene Modell fungiert außerdem als Referenzrahmen für non-verbale Kommunikation etwa mittels Gesten. Durch Zeigen auf oder Antippen von Elementen ei- nes TUI wird nicht nur der Fokus der Interaktion auf den durch dieses Element repräsen- tierten Aspekt gelenkt. Je nach Stärke und Ausprägung der referenzierenden Handlung kann damit auch eine performative Bedeutung verbunden sein. So kann zum Beispiel das Weiterreichen eines Elements die Übergabe der Kontrolle ausdrücken oder starkes Antippen eines Elements mit der Aufforderung verknüpft sein dieses in der Diskussion zu berücksichtigen. 6.3.4. Externalisierungsfunktion und Rolle als Boundary Object Die Unterstützung von Externalisierung mittels physischer Modelle wurde bereits im Kapitel 3 beschrieben. Tangible Interfaces sind als eben solche Modelle zu verstehen, die 3„awareness is an understanding of the activities of others, which provides a context for your own activity.“(Dourish und Bellotti, 1992, S. 1) 128 6.3. Kooperation und Tangible Interfaces eine Schnittstelle zur Manipulation von beliebigen realen oder virtuellen Phänomenen bieten. Wie bereits in Kapitel 3 angeführt, wirken physische Modelle als „Ankerpunkte“ sowohl für individuelle kognitive Vorgänge als auch in der Kommunikation zwischen Individuen. Die Unterstützung von kognitiven Vorgängen, also der Wirkung von Tangible Inter- faces als „Denkhilfe“ ist insofern gegeben, als dass die physische Repräsentation Ein- gaben dauerhaft abbildet und so verhindert, dass diese im Verlauf der Externalisierung untergehen. Die Repräsentation wirkt so außerdem kummulativ und führt Aspekte zu- sammen, die in keinem offensichtlichen Zusammenhang stehen. Sie bildet in weiterer Folge auch eine Basis um unter Berücksichtigung aller externalisierten Aspekte Varian- ten der ursprünglichen Repräsentation zu bilden. Externalisierte Repräsentationen wirken auch bei der Kommunikation unterstützend, fungieren in diesem Zusammenhang also als „Sprechhilfe“. Eng in Zusammenhang mit dieser Wirkung steht der Begriff der „Boundary Objects“ (Star, 1989). „Boundary Ob- jects“ sind Objekte, die der Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses zwischen Individuen aus unterschiedlichen Domänen dienen. Sie bieten im Kern eine fixe, für al- le Beteiligten einheitlich verständliche Repräsentation eines beliebigen Phänomens und sind gleichzeitig so flexibel, dass sie in den jeweiligen Domänen mit spezifischer Bedeu- tung angereichert werden können. Tangible Interfaces wirken – wenn deren Design offen genug angelegt ist – als „Boundary Objects“ und erleichtern so die Herausbildung gegen- seitigen Verständnisses. In diesem Zusammenhang ist auch die Entstehungshistorie einer physischen Repräsentation von Interesse. Durch die Nachverfolgbarkeit der Entstehung kann das Verständnis der Repräsentation erleichtert werden, da die Herausbildung der im Ergebnis enthaltenen Strukturen nachvollziehbar wird. 6.3.5. Implikationen Die hier vorgestellten kooperationsfördernden Aspekte von Tangible User Interfaces wur- den von Hornecker (2004) im Rahmen ihrer Dissertation aus der Literatur identifiziert und empirisch überprüft. Bereits aus der obigen Zusammenfassung wird erkennbar, das ein Großteil der identifizierten Aspekte für „Articulation Work“ im Allgemeinen und die Externalisierung und Abstimmung von mentalen Modellen im Speziellen relevant ist. Obwohl Hornecker (2004) keine Anforderungen an das Design von Tangible Interfaces identifiziert, deren Beachtung zu einer kooperationsfördernden Wirkung führt, können jedoch aus den theoretischen Ausführungen Hinwiese abgeleitet werden, wie ein TUI konzipiert werden muss: • Die physische Repräsentation muss räumlich und technisch egalitär zugänglich sein. Das Werkzeug darf die Interaktion zwischen den Benutzern nicht einschränken oder behindern. 129 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces • Die Größe der Benutzungsschnittstelle muss so ausgelegt sein, dass sowohl eine simultane Manipulierbarkeit der gesamten Repräsentation als auch deren indivi- duelle Erfassbarkeit für alle beteiligten Individuen gegeben ist. • Die Elemente des Tangible Interfaces müssen so konkret sein, dass die Benutzer ihnen eindeutig Bedeutung zuweisen können, gleichzeitig aber offen, dass sie als „Boundary Objects“ zwischen Benutzern aus unterschiedlichen Fachdomänen fun- gieren können. • Änderungen müssen ohne bleibende Konsequenzen durchgeführt werden können bzw. leicht rückgängig gemacht werden können. • Eine Nachverfolgbarkeit der Entstehungshistorie (ggf. mit Identifikation der indi- viduellen Beiträge) kann zur Verständnisbildung beitragen. 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Die Entwicklung des Forschungsgebiets der „Tangible Interfaces“ wurde von mehreren konzeptuellen Arbeiten maßgeblich beeinflusst. Die dort vorgeschlagenen Erklärungs- modelle definieren das Gebiet und grenzen es gegenüber anderen Forschungsbereichen ab. Sie dienen außerdem als Grundlage für die strukturierte Betrachtung und Konzep- tion konkreter Tangible Interfaces. Im Folgenden werden diese konzeptuellen Arbeiten beschrieben und auf deren Kontext und Spezifika eingegangen. Zur strukturierten Betrachtung von Tangible Interfaces ist es außerdem notwendig jene Dimensionen zu identifizieren, an denen sich konkrete Systeme einordnen und un- terscheiden lassen. Die Ausprägungen dieser Dimensionen ergeben ein Begriffssystem, das bei der Aufbereitung von unterschiedlichen Tangible Interfaces sowie deren Ver- gleich helfen kann. Die hier vorgestellten Ansätze tragen verschieden detailliert und von unterschiedlichen Standpunkten aus zu dieser Thematik bei. Sie werden in der Folge strukturiert dargestellt und in Kapitel 10 auf das in dieser Arbeit entwickelte System angewandt um so das System-Design aus konzeptueller Sicht zu reflektieren und poten- tielle Verbesserungs- und Erweiterungsmöglichkeiten zu identifizieren. Allgemein ist anzumerken, dass eine Vielzahl von Ausdrücken im sich entwickelnden Forschungsgebiet mehrfach belegt wurden und/oder nicht eindeutig definiert sind. Im Folgenden werden die Ausdrücke der jeweiligen Autoren übernommen. Eine Interpre- tation bzw. Abbildung auf die Terminologie anderer Autoren wird nur vorgenommen, wo sie im jeweiligen Artikel explizit angeführt wurde. In der Zusammenfassung dieses Abschnitts wird versucht, die unterschiedlichen Terminologien nochmals zusammenzu- fassen und einen Satz an Ausdrücken festzulegen, der im Folgenden für diese Arbeit Anwendung findet. 130 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Am Ende jeder Beschreibung sind in einer tabellarischen Zusammenfassung jeweils die zentralen Konzepte und Beiträge des Ansatzes angeführt. Die Tabellen weisen einheitlich Einträge zu folgenden Themen auf: Kategorien von Tangible Interfaces, die im Beitrag identifiziert werden (inkl. Unter- scheidungsmerkmal zur Kategoriebildung). Konzepte , die bei der Betrachtung bzw. beim Design eines Tangible User Interfaces zur Anwendung kommen. Eigenschaften , die ein Tangible User Interface bzw. dessen Komponenten aufweisen können. PD-Brücke : Aussagen, die der Beitrag zur Natur oder Ausgestaltung der Brücke zwi- schen physischer und digitaler Welt macht. Wird in einem Beitrag keine Aussage zu einem oder mehreren dieser Themen gemacht, so ist dies explizit durch „—“ angeführt. Die Ansätze, die in dieser Betrachtung berücksichtigt wurden, sind in der Reihenfolge der zeitlichen Entstehung angeordnet. Eine Beschreibung und Visualisierung der kausa- len Zusammenhänge und Bezugnahmen erfolgt in der Zusammenfassung der Ergebnisse in Abschnitt 6.4.13. Bei der Beschreibung der Arbeiten wird nicht auf sämtliche vorge- stellten Aspekte eingegangen. Es wird vielmehr auf jene Teile eingegangen, die sich mit der Konzeptualisierung oder Klassifikation von Tangible User Interfaces beschäftigen. Die berücksichtigten Ansätze wurden im Rahmen einer umfassenden Literaturstudie identifiziert und sind im Einzelnen: • Bricks (Fitzmaurice et al., 1995) • Graspable User Interfaces (Fitzmaurice, 1996) • Tangible Bits (Ishii und Ullmer, 1997) • Containers, Tokens und Tools (Holmquist et al., 1999) • Tangible Object Meaning (Underkoffler und Ishii, 1999) • Das MCRpd Interaktions-Modell (Ullmer und Ishii, 2000) • Tokens and Constraints (Ullmer, 2002) • Degree of Coherence (Koleva et al., 2003) • Tokens and Constraints zur Spezifikation (Shaer et al., 2004) • Kategorien von TUI-Anwendungen (Klemmer et al., 2004) • Tangible User Interfaces Taxonomy (Fishkin, 2004) • Tangible Bits: Beyond Pixels (Ishii, 2008) 131 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces 6.4.1. Bricks Mit „Bricks“ stellen Fitzmaurice et al. (1995) das erste als „Graspable User Interface“ bezeichnete System vor. Dieses bildet die Grundlage für weitere Arbeiten der Autoren (z.B. Fitzmaurice (1996)), die in der Folge noch behandelt werden (siehe Abschnitt 6.4.2). Konzeptuell spannen die Autoren am Ende der Arbeit einen „Design Space“ auf, der mögliche Eigenschaften und Parameter eines Tangible User Interfaces definiert und auch deren möglichen Ausprägungen festlegt. Dabei werden einerseits technische Aspekte des Interfaces abgedeckt, andererseits wird aber auch der Aufbau und die Verwendung des TUI berücksichtigt. Die Ausprägungen sind dabei rein beschreibender Natur und wer- den nicht für eine wie auch immer geartete Bewertung oder Klassifikation genutzt. Das Beschreibungsschema ist stark auf auf Interfaces mit aktiv untereinander kommunizie- renden Komponenten („Bricks“) abgestellt, die zur Manipulation einer digitalen An- wendung verwendet werden und auf einer physischen Oberfläche bedient werden. Passi- ve bzw. rein informationstragende Elemente ohne Manipulationsfunktion werden nicht berücksichtigt. Dies liegt in der Natur der von den Autoren entwickelten Anwendung und dem zum Zeitpunkt der Erstellung herrschenden Mangel an alternativen Systemen begründet. Brick’s internal ability Haben die physischen Elemente Mechanismen, die zur Darstel- lung oder Manipulation von Information benutzt werden können? Diese Mechanis- men können physischer oder elektronischer Natur sein. (Mögliche Ausprägungen: „inert“ – „simple expressions“ – „smart“) Input & Output Welche Eigenschafen der physischen Objekte werden zur Eingabe von Information erfasst bzw. zu Ausgabe verwendet? (Keine Ausprägungen, Aufzäh- lung der Eigenschaften für Input und Output) Spatially aware Kann ein Brick seine Umgebung und/oder andere Bricks wahrnehmen? (Mögliche Ausprägungen: „unaware“ – „mutually aware“ – „aware of surroun- dings“) Communication Wie kommunizieren Bricks untereinander bzw. mit einer eventuell vor- handenen Hintergrund-Infrastruktur (Mögliche Ausprägungen: „Wireless“ – „Te- thered“ – „Grid board“) Interaction time span Wie lange dauert eine Interaktion der Benutzer mit dem System bei der Erfüllung einer vorgegebenen Aufgabe? (Mögliche Ausprägungen: „quick (within seconds)“ – „interaction cache (seconds - minutes)“ – „long-term (days, months, years)“) Bricks in use at same time Wieviele physische Elemente werden simultan verwendet? (Mögliche Ausprägungen (höhere Werte stehen für Größenordnung): „1“ – „2“ – „5-10“ – „50-100“) 132 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Function assignment Wie oft und mittels welchem Vorgehen wird Bricks Funktionali- tät zugeordnet? (Mögliche Ausprägungen: „permanent“ – „programmable“ – „tran- sient“) Interaction representations Werden physische und virtuelle Objekte gleichzeitig ver- wendet, um den Systemzustand darzustellen bzw. zu manipulieren? (Mögliche Aus- prägungen: „all physical“ – „mix, physical dominates“ – „balanced mix“ – „mix, virtual dominates“ – „all virtual“) Physical & Virtual layers Werden physische und virtuelle Interaktions-Schichten sepa- rat oder kohärent dargestellt? (Mögliche Ausprägungen: „direct (superimposed)“ – „indirect (separated)“) Bond between physical & virtual layers Wie stark sind die physischen mit den virtu- ellen Objekten gekoppelt? (Mögliche Ausprägungen: „tightly coupled (real time sync)“ – „loosely coupled (batch sync)“) Operating granularity Wie groß ist der Refenzrahmen für die Interaktion mit den phy- sischen Elementen und wie genau werden die Positionen der Elemente aufgelöst? (Mögliche Ausprägungen: „Desktop (fractions of inches accuracy)“ – „Room (inch accuracy)“ – „Building (room accuracy)“) Operating surface type Werden die physischen Elemente auf einer fix vorgegebenen, unveränderlichen Oberfläche verwendet oder kann sich die Oberfläche dynamisch verändern (z.B. Information anzeigen)? (Mögliche Ausprägungen: „static (e.g. pa- per)“ – „dynamic (e.g. screen)“) Operating surface texture Welche Auflösung oder Textur besitzt die Arbeitsoberflä- che, auf der die physischen Elemente bewegt werden? (Mögliche Ausprägungen: „discrete (e.g. grid board)“ – „continuous, smooth movement“) Betrachtungsgegenstand ist bei diesem Ansatz das gesamte TUI, auf speziifische Ei- genschaften einzelnen Komponenten wird nicht separat eingegangen. Die physischen Elemente (hier „Bricks“) werden nicht im Detail betrachtet, sondern nur hinsichtlich ihrer Verwendung im Gesamtsystem und ihrer technischen Einbindung berücksichtigt. Kategorien — Konzepte Brick Eigenschaften Gesamtsystem: Brick’s internal ability, Input & Output, Spatially aware, Communication, Interaction time span, Bricks in use at same time, Function assignment, Inter- action representations, Physical & virtual layers, Bond between physical & virtual layers, Operating granulari- ty, Operating surface type, Operating surface texture PD-Brücke — 133 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces 6.4.2. Graspable User Interfaces Fitzmaurice legt in jener Arbeit, in der der Begriff des „Graspable User Inferfaces“ erst- mals ausführlich eingeführt wird (Fitzmaurice, 1996), auch Eigenschaften fest, anhand derer sich die „Graspability“ einer Benutzungsschnittstelle zeigt und beurteilen lässt. Im wesentlichen handelt es sich dabei um einen auf die für die Beurteilung der „Graspabili- ty“ relevanten reduzierten Satz an Eigenschaften, die bereits in (Fitzmaurice et al., 1995) angeführt wurden (siehe Abschnitt 6.4.1). Die Beurteilung erfolgt auf einer generischen Skala mit Ausprägungen von „niedrig“ bis „hoch“, wobei „hohe“ Werte in mehreren Eigenschaften auf eher hohe „Graspability“ hinweisen. Die Eigenschaften beziehen sich auf Tangible User Interfaces, die lediglich Werkzeuge zur Manipulation von digitalen Da- ten besitzen, jedoch keine physische Repräsentation von Information aufweisen. Diese Einschränkung ist wiederum auf die historische Entwicklung des Gebiets und die ersten Versuche GUI-Paradigmen in den physischen Raum zu übersetzten zurückzuführen. Space-multiplexing Ändern sich die Zuordnungen zwischen physischen Elementen und digitalen Funktionen über die Zeit oder existiert eine permanente Zuordnung? (Mögliche Ausprägungen: kontinuierlich von „transient, always reassign“ – „per- manent, never reassign“) Concurrency Ist die gleichzeitige Ausführung mehrere Operationen mit mehreren phy- sischen Elementen (abhängig oder unabhängig voneinander) möglich und vorgese- hen? (Mögliche Ausprägungen: „1“ – „occasionally 2“ – „2“ – „3“ – „more than 3“) Physical form Lässt sich aus der physischen Form auf die ausgeführte Funktion schließen oder sind die Werkzeuge generisch für unterschiedliche Funktionen verwendbar? (Mögliche Ausprägungen: „generic“ – „specific“) Spatially aware Erfasst und berücksichtigt das System die Positionen, Orientierung und/oder Nähe der physischen Objekte bei der Interpretation der Interaktion? (Mögliche Ausprägungen: „unaware“ – „aware“) Spatial reconfigurability Kann das System in unterschiedlichen physischen Kontexten betrieben werden oder kann es ausschließlich ortsgebunden eingesetzt werden? (Mögliche Ausprägungen (bezogen auf TUIs aus einzelnen, handhabbaren Objek- ten): „permanent location“ – „stationary“ – „track“ – „tethered“ – „free-ranging (rapid layout)“) Fitzmaurice stellt mit diesen Eigenschaften ein Framework für die Einordnung eines TUI als Gesamtsystem zur Verfügung und geht nicht auf einzelne Komponenten ein. Die Eigenschaften beziehen sich auf das Design des Systems und ignorieren dessen Verhal- ten. Die ersten beiden und die letzte Eigenschaft sind mit einer kontinuierlichen Skala hinterlegt, physical form und spatially aware sind binäre Eigenschaften, die entweder gegeben sein können oder nicht. 134 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Kategorien — Konzepte — Eigenschaften Gesamtsystem: Space-multiplexing (transient – perma- nent), Concurrency (1 – mehr als 3), Physical form (ge- neric, specific), Spatially aware (unaware, aware), Spati- al reconfigurability (permanent location – free-ranging) PD-Brücke — 6.4.3. Tangible Bits Ishii und Ullmer (1997) stellen in ihrer Arbeit die Idee der „Tangible Bits“ vor, die die virtuelle Welt mit der realen Umwelt verknüpfen soll. Dabei wird digitale Information mit realen Objekten oder Phänomenen gekoppelt und so „tangibel“ gemacht. Die Auto- ren unterscheiden drei grundsätzliche Kernkonzepte, mit Hilfe derer die Idee umgesetzt werden kann: Interactive Surfaces , bei denen beliebige Oberflächen in der realen Welt (etwa Wände oder Schreibtische) zu aktiven Schnittstellen zur virtuellen Welt werden. Coupling Bits and Atoms , wo physischen Objekten Information zugeordnet wird, so dass die realen Objekte zu Trägern von und Schnittstellen zu digitaler Information werden. Ambient Media , bei deren Einsatz Information über die Umgebung der Benutzer ver- mittelt wird (z.B. mittels Veränderung der Beleuchtung) ohne die eigentliche Tä- tigkeit zu unterbrechen. Die Autoren ordnen Tangible Bits an die Schnittstelle zwischen den Forschungsgebie- ten „Ubiquitous Computing“ und „Augmented Reality“ ein. „Ubiquitous Computing“ (Weiser, 1991) beschäftigt sich mit Anwendungen, in denen Computer nicht mehr als als solche wahrnehmbare Werkzeuge eingesetzt werden, sondern in der Umgebung inte- griert sind und von Benutzern nicht mehr bewusst wahrgenommen, sondern nur noch als Teil der Alltagswelt benutzt werden. Tangible Bits erben von dieser Forschungsrich- tung die Idee der physischen, natürlichen Interaktion zwischen Benutzern und Rechner, unterscheiden sich aber insofern, dass nach wie vor ein Interface zur virtuellen Welt vorhanden ist, diese also zum Teil noch bewusst wahrgenommen wird. In diesem Aspekt ähneln Tangible Bits den Ideen, die aus der „Augmented Reality“ Forschung stammen. Augmented Reality beschäftigt sich mit Methoden, die die reale Welt mit digitaler Infor- mation nahtlos ergänzen bzw. anreichern. Vor allem im Bereich der Ausgabetechnologien werden bei Tangible Bits viele aus dem „Augmented Reality“-Bereich stammende Kon- zepte eingesetzt. Nach dieser grundlegenden Begriffsklärung stellen die Autoren Prototypen vor, die sowohl das Konzept der „Interactive Surfaces“ als auch der „Ambient Media“ umsetzten. Erwähnenswert ist im Zusammenhang mit dieser Arbeit der Prototyp „metaDESK“ 135 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces (Ullmer und Ishii, 1997), eine interaktive Oberfläche in Form eines Tisches, auf der die klassischen Interaktionselemente eines GUI4 in die reale Welt transferiert wurden. Dabei wurden die GUI-Elemente auf TUI-Elemente abgebildet5: • Windows werden auf „Lenses“ abgebildet, also Linsen, die Information zu realen, physischen Elementen anzeigen. • Icons werden in der physischen Welt als „Phicons“ abgebildet und sind im Wesent- lichen phyischen Objekte, die Information repräsentieren. • Menüs werden durch „Trays“ repräsentiert, in denen Phicons an unterschiedlichen Stellen abgelegt werden können, wobei jeweils eine spezifische Operation an die Ablageposition gebunden ist. • Handles (Elemente zur Manipulation von GUI-Objekten) werden durch „Phandles“ abgebildet. Dies sind im Wesentlichen Phicons, die zur Eigabe von Information verwendet werden können. • Widgets (Kontroll- und Steuerelemente) werden durch „Instruments“ abgebildet, welche Phicons sind, die zur Steuerung der jeweiligen Applikation dienen. Ohne hier weiter auf die Beispiele der Autoren einzugehen, ist doch das den Proto- typen zugrunde liegende Designkonzept erwähnenswert, etablierte Metaphern aus der realen oder digitalen Welt für die Benutzerinteraktion zu verwenden. In der Diskussion ihrer Ergebnisse identifizieren die Autoren die Thematik der Metaphern, die die Brücke zwischen realer und virtueller Welt schlagen, als eine der interessantesten offenen Fra- gen für weitere Forschung auf dem Gebiet. Als Schlussfolgerung ihrer Erfahrungen mit den erstellten Prototypen schlagen sie außerdem vor „optischen“ Metaphern besondere Aufmerksamkeit zu schenken, da diese für den Brückenschlag besonders geeignet sind. Als optische Metaphern verwenden die Autoren vor allem Beleuchtung, Schattenwurf und Linsen. Sie bilden diese realen Phänomene auf die Schnittstelle zwischen digitaler und realer Welt ab, so dass z.B. digitale Beleuchtung Information sichtbar macht, die in „unbeleuchteten“ Gebieten fehlt, dass reale Objekte digitale Schatten werfen können und so zusätzliche Information transportieren oder dass eine digitale Linse verwendet wird, um reale Objekt „näher“ zu betrachten und Zusatzinformation einzublenden. Bei der Verwendung von Methaphern wird darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, auf ein realitätsgetreues Verhalten der digital augmentierten Artefakte zu achten um eine naht- lose Integration der digitalen Information in die reale Welt zu ermöglichen. 4Graphical User Interface 5dies stellt im Übrigen die historisch erste Erwähnung des Begriffs „Tangible User Interface“ dar 136 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Kategorien Interactive Surfaces, Coupling Bits and Atoms, Ambient Media (Einordnung nach Anwendungsfall) Konzepte Lenses, Phicons, Tray, Phandles, Instruments Eigenschaften — PD-Brücke zentraler Aspekt: Verwendung etablierter Metaphern 6.4.4. Containers, Tokens und Tools Holmquist et al. (1999) legen ihre Arbeit als konzeptuelle Betrachtung von interaktiven Systemen an, in denen physische Objekte verwendet werden, um auf digitale Informa- tion zuzugreifen bzw. diese zu manipulieren. Das Einteilungsschema, das die Autoren vorschlagen, basiert auf der Art und Weise, in der Information an diese physischen Ob- jekte gebunden ist. Grundsätzlich unterschieden sie zwischen Containern, Tokens und Tools. Eine exakte Abgrenzung bzw. eindeutige Zuordnung zu einer Kategorie ist dabei nicht immer möglich oder sinnvoll. Der hier vorgestellte Ansatz fokussiert auf die physische Interaktion als Eingabeme- dium, auf den Aspekt der Informationsausgabe wird nicht eingegangen. Dies ist für das Verständnis der folgenden Beschreibungen im Kontext der späteren historischen Ent- wicklung wichtig und muss bei der Anwendung dieses Ansatzes berücksichtigt werden. Containers Als Container werden all jene Objekte bezeichnet, an die beliebige digitale Information gebunden werden kann. Ein Container ist also ein unspezifisches physisches Objekt in einem Tangible User Interface. Sein Aussehen oder andere physische Eigenschaften lassen keine Aussage über die Art der angebundenen Information bzw. die Information selbst zu. Beliebige physische Objekte können als Container agieren, sofern sie die Möglichkeit bieten Information in bzw. auf ihnen abzulegen oder wenn sie durch eine Infrastruktur eindeutig identifizierbar sind, so dass Information an sie gebunden werden kann. Contai- ner agieren somit ausschließlich als physische Informationsträger und können verwendet werden um Information zwischen Systemen zu transportieren. Ein typisches Beispiel ist die Verwendung eines Füllfederhalters als Container, an den beliebige Information gebunden werden kann, um diese von einem Ort zum anderen transportieren zu können. Der Füllfederhalter steht in keinem direkten Zusammenhang mit der angebundenen Information, aus seinem Erscheinungsbild oder seinen Eigenschaf- ten kann nicht auf die angebundene Information geschlossen werden. 137 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Tokens Tokens sind physische Objekte, deren äußeres Erscheinungsbild bzw. deren Eigenschaf- ten in irgendeiner Weise mit der durch sie repräsentierten Information zusammenhängen. Das physische Objekt und die angebundene Information sind nicht mehr voneinander un- abhängig, sondern stehen in einem konzeptuellen Zusammenhang. Die äußere Form oder andere physische Eigenschaften dienen of als Hinweis auf die angebundenen Informati- onsart oder stehen sogar in Zusammenhang mit der konkret angebundenen Information. Ein typisches Beispiel für ein Token ist ein Buch, an das über eine eindeutige Identifi- kation (etwa ein RFID6-Tag) der jeweilige Text oder Zusatzmaterial gebunden wird. Das physische Buch steht dabei in direktem Zusammenhang mit der angebundenen digitalen Information. Tools Tools sind physische Elemente, die nicht Information, sondern Funktionen repräsentie- ren. Die Anwendung von Tools hat dabei nicht unbedingt physische Auswirkungen, jene digitalen, virtuellen Objekte, auf die das Tool angewandt wird, werden aber entsprechend der Funktion des Tools manipuliert. Beispiele für Tools sind physische Objekte, die zur Auswahl digitaler Objekte dienen oder Objekte wie Linsen, deren Anwendung zusätzliche Information zu anderen Contai- nern oder Tokens abruft. Zugriff auf und Interaktion mit Tokens und Containern Der Zugriff auf die Information, die an ein Token oder einen Container gebunden ist, erfolgt über Information Faucets (also „Informations-Zapfhähne“ oder „-Armaturen“). Diese Faucets sind aktive Komponenten (im Gegensatz zu Tokens und Containern, die im Allgemeinen passive Komponenten sind, also keine dedizierte Elektronik enthalten). Deren Aufgabe besteht darin, aus Tokens oder Containern, die in deren Reichweite ge- langen, die angebundene Information zu extrahieren und auszugeben. Faucets können auch dazu verwendet werden, den Zugriff auf Information einzuschränken. So kann die Ausgabe von Information an eine bestimmte Kombination von Tokens oder Containern gebunden werden oder von einem bestimmten Aufenthaltsort abhängig gemacht werden. Die Anbindung von Information an ein Token oder einen Container kann ebenfalls eingeschränkt sein, bzw. ist im Fall von Tokens per Definition durch den notwendigen Zusammenhang zwischen physischem Element und Information eingeschränkt. Neben dieser konzeptuell notwendigen Einschränkung können auch weitere Regeln geprüft wer- den oder z.B. die Bindung zwischen Objekt und Information statisch (d.h. unveränder- 6Radio Frequency Identification 138 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces bar) gespeichert werden. Kategorien — Konzepte Container, Token, Tool, Faucet Eigenschaften — PD-Brücke Zugriff auf an physische Elemente gebundene Informa- tion nur via Faucets, kein direkter Zugriff vorgesehen 6.4.5. Tangible Objects Meaning Im Rahmen der Entwicklung einer „Interactive Surface“ zur Stadtplanung („Urp“) stel- len Underkoffler und Ishii (1999) ein Kontinuum von möglichen Bedeutungen bzw. Ver- wendungszwecken der physischen Objekte eines TUI vor. Die Ausprägungen auf der Achse unterscheiden sich in der Stärke der Abstraktion der verwendeten Objekte von ihren Gegenstücken in der realen Welt. Im Zentrum der Achse stehen nicht abstrahierte Objekte, die in Struktur und Verhalten ihren realen Entsprechungen ähneln. Abbildung 6.3.: Bedeutung von Objekten in TUIs (adaptiert übernommen aus (Under- koffler und Ishii, 1999)) Object as noun Derartige Objekte sind Platzhalter für Objekte der realen Welt, denen sie in Form und Verhalten weitgehend entsprechen. Sie stehen für das reale Objekt und werden in dessen Sinne verwendet. Object as verb Die Bedeutung betreffender Objekte reduziert sich auf deren Funktio- nalität, die Objekte sind nicht mehr Teil der Repräsentation des Systemzustandes sondern werden dazu verwendet, diesen (entsprechend ihrer Funktion) zu verän- dern. Object as reconfigurable tool Das Objekt wird funktional vollständig von seiner ei- gentlichen Natur abstrahiert verwendet. Die physischen Eigenschafen stehen nicht mehr in Beziehung zu seiner Verwendung zur Manipulation des Systemzustandes. Die Funktionalität ist dynamisch zuweis- bzw. auswählbar. 139 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Object as attribute Objekte werden auf eine ihrer Eigenschaften reduziert. Nur diese wird verwendet, um den Systemzustand abzubilden. Mögliche Eigenschaften sind z.B. Form, Farbe oder Gewicht des Objekts. Object as pure Object Das Objekt wird zum reinen Informationsträger, bei dem die Information nicht in Bezug zur physischen Form oder den Eigenschaften des Ob- jekts steht. Die Achse ist dabei als konzeptueller Ring zu verstehen, der sich an den beiden Enden wieder schließt. Einem Objekt, dessen physischen Eigenenschaften keine Rolle im TUI mehr spielen, kann beliebig Inhalt oder Funktionalität zugewiesen werden, wodurch die Grenze zwischen linkem und rechtem Ende der Achse verschwimmt. Kategorien — Konzepte Object as pure object, Object as attribute, Object as noun, Object as verb, Object as reconfigurable tool Eigenschaften — PD-Brücke abhängig von der Art der Tokens 6.4.6. Das MCRpd Interaktions-Modell Basierend auf früheren Arbeiten (siehe Abschnitt 6.4.3) entwickeln Ullmer und Ishii (2000) ein Modell zur Beschreibung der Interaktion mit Tangible User Interfaces. Es handelt sich bei dieser Arbeit um den ersten Ansatz, der sich diesem Bereich aus Sicht der Systemstruktur nähert und nicht ausschließlich eine reine Klassifikation nach be- stimmten Merkmalen eines Systems vornimmt. Die Autoren grenzen TUIs von GUIs insofern ab, als das TUIs über eine nahtlose In- tegration zwischen Repräsentation des Systemzustandes und dessen Kontrolle aufweisen (im Gegensatz zu GUIs, bei denen der Systemzustand über einen graphischen Kanal ausgegeben wird und über andere Kanäle, etwa Tastatur und Maus, kontrolliert wird). Mit der Forderung nach nahtloser Integration von Repräsentation und Kontrolle – also im Wesentlichen einer Einheit von Eingabe- und Ausgabe-Kanälen – wird ein eher strik- tes Verständnis von TUIs vorgeschlagen. Als Tangible User Interface kann ein System demnach nur bezeichnet werden, wenn es Ein- und Ausgabe kohärent über einen Kanal führt. Diese Verständnis setzten die Autoren in der Folge in einem Interaktionsmodell für TUIs um, dass die Struktur eines Tangible User Interfaces konzeptuell beschreibt. Das Modell wird dabei analog zum MVC7-Modell konzipiert, in dem „View“ und „Control- ler“ strikt getrennt betrachtet werden. Entsprechend der engeren Kopplung zwischen 7Model-View-Controller 140 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Abbildung 6.4.: Interaktionsmodelle für GUI und TUI (übernommen von Ullmer und Ishii (2000)) Repräsentation und Kontrolle wird die Bezeichnung MCRpd8-Modell vorgeschlagen (sie- he Abbildung 6.4). Anhand der Gegenüberstellung zwischen MVC- und MCRpd-Modell wird die Unterscheidung zwischen GUI und TUI deutlich. Beiden Ansätzen ist gemein, dass der Systemzustand im Rechner durch ein Model dargestellt wird. Unterschiede zei- gen sich in der Art der Manipulation und Manifestation dieses Models. Bei GUIs ist Eingabe und Ausgabe strikt getrennt. Die Manipulation des Systemzustandes erfolgt durch die Komponente Control, in der physische Kontrollgeräte eine Veränderung des Zustandes erlauben. Die Kontrollgeräte sind dabei im Allgemeinen generisch, d.h. un- abhängig vom konkreten Anwendungsfall (also etwa Maus oder Tastatur). Erst durch digitale Kontroll-Elemente wird die Ein- und Ausgabe applikationsspezifisch angepasst. Die Ausgabe erfolgt durch die Komponente View, wobei auch in diesem Fall ein generi- sches Ausgabegerät (etwa ein Bildschirm) verwendet wird. Im Falle eines TUI existiert keine Trennung zwischen Ein- und Ausgabe. Das Model manifestiert sich durch eine Representation in der realen Welt. Diese Representation hat eine physische Komponen- te (REP-P) und eine digitale Komponente (REP-D), die miteinander verknüpft sind. Die digitale Komponente der Repräsentation umfasst dabei all jene Information, die nicht durch physische, berührbare Elemente dargestellte wird (etwa Projektion, Audio, . . . ). Sie steht dabei jedoch nicht für sich selbst sondern ist immer von eine physischen Repräsentations-Komponente abhängig bzw. dieser zugeordnet. Die physischen Kompo- nenten (REP-P) spielen insofern eine zentrale Rolle, als dass ihnen auch die Control zugeordnet ist und über sie damit der Systemzustand manipuliert werden kann. Die physischen Komponenten des Ausgabe-Kanals fungieren also zugleich als Instanzen des Eingabe-Kanals. Basierend auf diesem Ansatz identifizieren die Autoren vier Kern-Charakteristika von Tangible User Interfaces, die sich jeweils an den physischen Komponenten zeigen: 8Model-Control-Representation (physical and digital) 141 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces • Physikalische Repräsentationen sind mit digitaler Information gekoppelt • Physikalische Repräsentationen enthalten Mechanismen zur Kontrolle des Systems • Physikalische Repräsentationen sind in der Wahrnehmung der Benutzer mit digi- talen Repräsentationen gekoppelt • Der physische Zustand eines Tangible Interfaces stellt die Kernaspekt des System- zustandes dar Aufbauend auf diesen Eigenschaften entwickeln die Autoren in der Folge ein Schema, das unterschiedliche Ansätze bei der Konzeption eines Tangible Interfaces abdeckt. Als zentrale Ansätze werden „spatial“ (räumliche), „relational“ (relationale) und „construc- tive“ (konstruierende) Ansätze unterschieden. Räumliche Ansätze nutzen die Anordnung der physischen Elemente in einem Referenzrahmen um den Systemzustand zu repräsen- tieren bzw. zu manipulieren. Bei relationalen Ansätzen ist die räumliche Anordnung unwesentlich, lediglich die Beziehungen zwischen den Elementen codieren den System- zustand. Konstruierende Ansätze sind zwischen den beiden erstgenannten Ansätzen ein- zuordnen, da sie Beziehungen zwischen Elementen durch eine räumliche Anordnung der Elemente zueinander abbilden. Systeme, in denen Information lediglich in der Zuord- nung zu einem physischen Element codiert wird und nicht in der Beziehung zwischen den Elementen, werden in die Kategorie der „associative“ (assoziativen) Ansätze einge- ordnet. Als zusätzliche Gestaltungsdimension führen die Autoren die Konzeption der physi- schen Repräsentationen an, die bereits von Ullmer und Ishii (1997) eingeführt wurde. Unterschieden wird hier zwischen „iconic“ und „symbolic representations“, wobei ikoni- sche Elemente einen Bezug zu dem jeweils repräsentierten Objekt der realen Welt haben (etwa ein Bild einer Person), während diese Möglichkeit der Zuordnung bei symboli- schen Elementen nicht gegeben ist (etwa bei der Repräsentation einer Person durch ein rotes Rechteck). Aus einer umfassenden Betrachtung der zum Zeitpunkt der Erstellung des Artikels verfügbaren Tangible User Interfaces schließen die Autoren, dass ikonische Repräsentationen vorrangig in räumlichen und assoziativen Ansätzen zum Einsatz kom- men, während symbolische Repräsentationen eher bei relationen oder konstruierenden Ansätzen anzutreffen sind. Kategorien spatial, relational, constructive, associative (Einordnung nach Art der Informationsrepräsentation) Konzepte Model, Rep-P, Rep-D, Control Eigenschaften Rep-P: iconic, symbolic PD-Brücke Informationsrepräsentation immer an ein physisches Ob- jekt gebunden. Manipulation der Information erfolgt mittels dem gleichen Objekt 142 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces 6.4.7. Tokens und Constraints nach Ullmer Der Token+Constraint-Ansatz wurde von Ullmer (2002) erstmals vorgestellt und Ullmer et al. (2005) aktualisiert veröffentlicht. Ullmer et al. gehen dabei erstmals von dem Grundsatz aus, dass ein TUI zwei grundlegende Arten von physischen Komponenten enthält: Objekte, die digitale Information repräsentieren und Objekte, die die Interaktion mit Computersystemen bzw. die Manipulation des Systemzustands ermöglichen. In ihren weiteren Ausführungen identifizieren die Autoren zwei grundlegende Arten von TUIs, die sich historisch herausgebildet hätten. Einerseits existieren „interactive surfaces“, bei denen physische Objekte benutzt werden um Information auf einer aktiven Oberfläche (zumeist projiziert oder durch einen Bildschirm realisiert) zu manipulieren. Andererseits werden „constructive assemblies“ genannt, deren physische Objekte ohne umgebende Infrastruktur ausschließlich durch reale oder logische Verbindungen zwischen ihnen den Systemzustand ausdrücken. Die Autoren definieren nun eine dritte Art von Systemen und platzieren diese konzeptuell zwischen den beiden zuvor genannten Kate- gorien. Mit „tokens and constraints“ werden Systeme mit zwei unterschiedlichen Arten von physischen Elementen eingeführt. „Tokens“ stehen für Objekte, die digitale Infor- mation repräsentieren. „Constraints“ werden verwendet um (digitale) Funktionalität auf diese Tokens anzuwenden (siehe Abbildung 6.5). Abbildung 6.5.: Arten von Tangible User Interfaces – von links nach rechts: interactive surfaces, tokens+constraints, constructive assemblies (übernommen aus Ullmer et al. (2005)) In der Folge beschreiben Ullmer et al. die Details des Tokens+Constraints-Ansatzes. Sie gehen dabei zuerst auf die Benutzer-Interaktion in einem Tokens+Constrains-basieren System ein. Diese ist immer in zwei Phasen unterteilt, wobei in der ersten Phase „asso- ciate“ Tokens einem oder mehreren Constraints zugeordnet werden. In der zweiten Phase „manipulate“ werden die Tokens im Kontext der Constraints manipuliert, wodurch die digitalen Daten, die an das Token gebunden sind, geändert werden. Danach widmen sich die Autoren der Abbildung digitaler Information bzw. deren Manipulation auf physische Elemente und definieren vier grundlegende Arten von Be- ziehungen, die Information abbilden sein können: • die absolute Position eines Tokens in Bezug zu einem Constraint • die relative Position eines Tokens in Bezug zu einem Constraint 143 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces • die absolute Position eines Tokens in Bezug zu anderen Tokens • die relative Position eines Tokens in Bezug zu anderen Tokens Unter „Position“ sind dabei auch andere spatiale Parameter eines Tokens (wie die Ori- entierung) zu verstehen. Nach einer Reihe von Betrachtungen der konzeptuellen Hintergründe und Beispie- len kommen die Autoren zu einem weiteren relevanten Punkt, in dem Sie ausführen, wie bzw. warum Tangible Interfaces für Benutzer leichter verständlich sein können als traditionelle GUI-basierte Systeme. Bezugnehmend auf Bellotti et al. (2002) versuchen Sie Antworten auf fünf von diesen Autoren gestellten Fragen zu finden, die für jede Benutzungsschnittstelle geklärt werden müssen. An dieser Stelle stehen nun nicht die Antworten von Ullmer et al. im Mittelpunkt des Interesses, sondern die Fragen, die einen konzeptuellen Rahmen für das Design einer Benutzungsschnittstelle liefern. Die Fragen stammen aus der Arbeit von Bellotti et al. (2002): Address Wie weiß das System, dass Benutzer mit ihm und nicht mit anderen (Systemen oder Personen) interagiert? Attention Wie bemerken Benutzer, wenn das System auf eine Interaktionsanforderung reagiert? Action Wie weiß das System, welchem Objekt der Befehl der Benutzer gilt? Alignment Wie wissen Benutzer, dass das System ihren Befehl korrekt verstanden und ausgeführt hat? Accident Wie werden Missverständnisse zwischen den Benutzern und dem System auf- gelöst? Ullmer et al. beantworten diese Fragen für den Tokens+Constraints-Ansatz jeweils aus konzeptueller und technologischer Sicht. Am Ende des Artikels geben die Autoren Varianten des Token+Constraints-Ansatzes an. Durch die Festlegung auf die notwendige Physikalität von Tokens und Constraints ist der Design-Raum eingeschränkt, obwohl die konzeptuellen Überlegungen auch breitere Anwendung finden können. Aus diesem Grund variieren die Autoren ihren Ansatz und geben Alternativen an, die den Grundüberlegungen entsprechen aber unter Umständen nicht alle Vorteile des Kernansatzes aufweisen: • Verwendung von visuellen, graphischen Constraints und physischen Tokens • Verwendung von physischen Constraints für graphische Token • Verwendung von physischen Constraints für nicht-massive Tokens (z.B. Flüssigkei- ten) • Verwendung von Tokens und Constraints in durch die Benutzer anpassbaren Größen • Alternative Semantik bei der Abbildung zwischen physischer und digitaler Welt 144 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Abschließend wird betont, dass ausgereifte TUIs selten in „Reinform“ auftreten, d.h. dass sie nicht exakt einer Kategorie wie „interactive surface“ oder „tokens+constraints“ zugeordnet werden können. Kategorien interactive surfaces, tokens+constraints, constructive assemblies Konzepte Tokens, Constraints Eigenschaften Token: Form, absolute und relative Position in Bezug zu Constraints oder anderen Tokens PD-Brücke Codiert in Tokens und in den Beziehungen zwischen To- kens und Constraints 6.4.8. Degree of Coherence Koleva et al. (2003) schlagen ein Framework vor, dass die Klassifikation von Tangible Interfaces ermöglicht und so das Verständnis der möglichen Verknüpfungen zwischen physischer und digitaler Welt vertiefen soll. Im Gegensatz zu dem von Ullmer und Ishii (2000) mit dem MCRpd-Modell vorgeschlagenen relativ strikten Verständnis eines Tan- gible Interfaces öffnen Koleva et al. den Begriff und definieren eine kontinuierliche Skala von „Tangibility“, die sich am Grad der „Coherence“ (Kohärenz) zwischen realer und digitaler Welt bemisst. Hohe Kohärenz sagt dabei aus, dass das physische Objekt und sein digitales Gegenstück als ein „Ding“ wahrgenommen werden, also nicht voneinander abgrenzbar sind. Entlang diesem Kontinuum führen die Autoren Kategorien ein, die die typischen Ei- genschaften eines Systems im betreffenden Bereich der Skala beschreiben. Diese Kate- gorien dienen als Einordnungsschema für Elemente von Tangible Interfaces und können als Grundlage einer Gegenüberstellung unterschiedlicher TUIs bzw. deren Komponenten dienen. Entlang der Kohärenz-Skala legen die Autoren folgende Kategorien fest, die sich jeweils auf die Bedeutung des physische Objekt für die Benutzungssschnittstelle beziehen (beginnend mit niedriger Kohärenz): General-purpose tool Ein Werkzeug, das zur Manipulation verschiedener digitaler Ob- jekte benutzt werden kann und dabei unterschiedliche Operationen auf diesen Ob- jekten auslösen kann. Specialized tool Ein Werkzeug, das eine bestimmte Operation auslöst, diese aber auf unterschiedliche digitale Objekte anwenden kann. Identifier Objekte, die als Referenz auf ein digitales Objekt agieren. Die Referenz ist nicht zwangsweise permanent, sondern kann unter Umständen dynamisch verän- dert werden. 145 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Proxy Objekte, die insofern enger an die digitale Information gekoppelt sind als Identi- fier, als dass durch sie die digitale Information manipuliert und nicht nur abgerufen werden kann. Projection Objekte, die so eng an die digitale Repräsentation gebunden sind, dass des- sen physische Eigenschaft Information direkt repräsentiert und die Existenz der Information von der Existenz des Objekts abhängig ist. Illusion of same objects Keine Koppelung im engeren Sinne sondern Identität zwischen realem Objekt und digitaler Information. Ist dann gegeben, wenn beide Komponen- ten ausschließlich gemeinsam auftreten oder für Benutzer nahtlos von der digitalen in die reale Welt und umgekehrt übergehen. In der Folge detaillieren die Autoren diese Kategorien und identifizieren Eigenschaften, die eine Verknüpfung zwischen realer und digitaler Welt aufweisen kann und an denen sich der Grad an Kohärenz bemisst bzw. an denen er sichtbar wird: Transformation Beschreibt, wie Manipulationen am realen Objekt in die virtuelle Welt umgesetzt werden. Literal Mediation liegt vor, wenn Manipulationen in realer und virtueller Welt analog umgesetzt werden (wenn z.B. eine Bewegung eines Objekts auch in eine Bewegung dessen realer Repräsentation umgesetzt wird). Transfor- med Mediation liegt vor, wenn eine Manipulation eines realen Objekts eine nicht unmittelbar assozierbare Reaktion in der digitalen Welt auslöst (bei der Rotation eines Tokens etwa die Lautstärke eines Audiokanals verändert). Sensing of Interaction Beschreibt, auf welche Parameter eines Objektes der realenWelt die digitale Repräsentation reagiert. Die möglichen Ausprägungen reichen von einer einfachen Reaktion auf die Präsenz eines Objekts bis zur kontinuierlichen Reaktion auf alle sechs Freiheitsgrade des physischen Objekts. Configurability of Transformations Gibt an, ob die Transformation, die zwischen phy- sischem Objekt und digitaler Repräsentation angewandt wird, vorgegeben oder konfigurierbar ist. Mögliche Ausprägungen sind konfigurierbar und fixiert. Lifetime of Link Gibt an, ob die Assoziation zwischen physischem Objekt und digita- ler Repräsentation nach der Kopplung permanent ist oder zur Laufzeit verändert werden kann. Mögliche Ausprägungen sind temporär und permanent. Autonomy Beschreibt, ob eine Existenzbeziehung zwischen dem realen Objekt und der digitalen Repräsentation besteht, ob also die digitale Ressource unabhängig vom realen Objekt existiert oder bei der Kopplung erzeugt wird. Mögliche Ausprägun- gen sind autonom und abhängig. Cardinality of Link Gibt an, ob die Zuordnung zwischen realem Objekt und digitaler Repräsentation eindeutig ist oder ein mehrdeutige Zuordnung von physischer zu digitaler Welt oder umgekehrt möglich ist. Die vorrangig auftretende Ausprägung ist eine eindeutige Abbildung (1:1), aber auch 1:n- oder n:1-Abbildungen sind möglich (wobei n unbeschränkt oder beschränkt sein kann). 146 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Link Source Gibt an, ob der Gegenstand der Manipulation das physische Objekt oder die digitale Repräsentation ist. Die digitale Repräsentation ist dann die Quelle der Kopplung, wenn Änderungen an ihr Auswirkungen auf das physische Objekt haben. Das hier vorgestellte Framework stellt erstmals die Art der Verknüpfung zwischen realer und digitaler Welt in das Zentrum der Betrachtung und klassifiziert Tangible User Interfaces entlang dieser Dimension. Die Idee der Berücksichtigung dieses Aspektes bei der Einordnung von TUIs wird später von Fishkin (2004) (siehe Abschnitt 6.4.11) wieder aufgegriffen und – vereinfacht – in seine mehrdimensionale Taxonomie für Tangible User Interfaces integriert. Kategorien — Konzepte General-purpose tool, specialized Tool, Identifier, Proxy, Projection, Illusion of same objects Eigenschaften PD-Brücke: Transformation, Sensing of Interaction, Configurability of Transformation, Lifetime of Line, Au- tonomy, Cardinitality of Link PD-Brücke Zentraler Aspekt: Coherence - Maß für die Enge der Bindung zwischen physischem Objekt und digitaler In- formation (kann für die einzelnen Teile eines Systems unterschiedlich sein) 6.4.9. Tokens und Constraints nach Shaer et al. Shaer et al. (2004) haben in ihrer Arbeit den Anspruch einen Satz von Konstrukten zu identifizieren, der eine umfassende Beschreibung der Struktur und Funktionalität von Tangible User Interfaces ermöglicht. Letztendliches Ziel ist es eine konzeptuelle Basis zu schaffen, die die Entwicklung eines Software-Toolkits zur Spezifikation, Simulation und Implementierung von TUIs ermöglicht. Shaer et al. (2004) bauen dabei auf dem „Token & Constraints“-Ansatz von Ullmer (2002) auf und detaillieren das Constraint-Konzept, so dass es eine umfassendere Beschreibung eines TUIs erlaubt. Die grundlegenden Konzepte des Ansatzes orientieren sich an der Annahme, dass die Struktur und Funktion eines TUI an den Beziehungen zwischen physischen Objekten und digitaler Information festgemacht werden kann. Diese Konzepte sind im Einzelnen: Pyfo Ein physisches Objekt, das als Teil eines TUI eingesetzt wird. Token Ein Pyfo, das digitale Information oder eine Funktion zur Veränderung von In- formation repräsentiert. Constraint Ein Pyfo, das das Verhalten des Tokens, dem es zugeordnet ist, einschränkt. Die physischen Eigenschaften des Constraints weisen auf die Art der Manipulation 147 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces des Tokens und die Interpretation der Kombination zwischen Token und Constraint hin. Constraints können auf drei Arten einschränkend wirken: • Die physischen Eigenschaften des Constraints (Form, Material, Orientierung, . . . ) weisen auf die möglichen und nicht erwünschten Manipulationen des zugehörigen Tokens hin • Das Constraint schränkt den physischen Interaktionsraum des Tokens ein • Das Constraint wirkt als Referenzrahmen für das Token und erlaubt dessen Interpretation Variable Digitale Information oder eine Funktion zur Veränderung von Information. Können für sich existieren oder an ein Pyfo gekoppelt sein und dadurch ein Token erzeugen. TAC Ein TAC9 repräsentiert die Beziehung zwischen einem Token, dessen zugeordneter Variable und einem oder mehreren Constraints. TACs legen fest, wie Benutzer mit dem System interagieren können. Basierend auf diesen Konzepten werden fünf Kerneigenschaften identifiziert, die ein Tangible User Interface bzw. dessen Elemente aufweisen können. Diese Kerneigenschaf- ten sind: Couple Ein Pyfo muss an eine Variable gekoppelt sein um als Token zu gelten. Relative Definition Jedes Pyfo muss ein Token, ein Constraint oder beides sein. Association Ein TAC bildet sich aus der physischen Zuordnung eines Tokens zu einem Constraint. Dem TAC können weitere Constraints zugeordnet werden. Computational Interpretation Physische Manipulation eines Tokens hat eine eindeutig interpretierbare Auswirkung auf die digitale Welt. Manipulation Jedes TAC kann in der physischen Welt diskret, kontinuierlich oder auf beide Arten manipuliert werden. Das Constraint legt die möglichen Arten der Manipulation fest. Zur Spezifikation eines Tangible User Interfaces werden nun diese Konzepte zur An- wendung gebracht, um sowohl Struktur als auch Verhalten des TUI festzulegen. Bei der Spezifikation werden die TACs definiert, indem auf Seite der Struktur das betroffene Token und die zugehörigen Constraints angeführt werden. Zur Spezifikation des Verhal- tens wird die betroffene Variable, die Aktion, die in der physischen Welt ausgeführt wird und die zu erwartende Reaktion des Systems angeführt. 9Token and Constraint 148 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Kategorien — Konzepte Pyfo, Token, Constraint, Variable, TAC Eigenschaften Couple, Relative Definition, Association, Computational Interpretation, Manipulation PD-Brücke Variables (Elemente der digitalenWelt) machen ein Pyfo (Objekt der realen Welt) zu einem Token 6.4.10. Kategorien von TUI-Anwendungen Auf Basis einer umfassenden Literaturrecherche im Bereich von interaktiven Systemen, bei denen physische Objekte zur Interaktion und Informationseingabe benutzt werden, identifizieren Klemmer et al. (2004) vier Kategorien von Ansätzen, die bei der Umsetzung eines TUI verfolgt werden können. Spatial Applications Applikationen, bei denen die Interaktion auf einer beliebigen Ober- fläche (Wände, Tische, Whiteboard, . . . ) abgewickelt wird und Information über diese Oberfläche dargestellt und manipuliert werden kann. Dazu gehören auch Systeme, die ohne physische Elemente (außer der Oberfläche) arbeiten. Topological Applications Applikationen, bei denen die Kontrolle des Systems über die Herstellung von Beziehungen zwischen physischen Objekten durchgeführt wird. Associative Applications Applikationen, bei denen physische Objekte als Referenz auf digitale Information fungieren und diese durch Interaktion mit einer Hintergrund- Infrastruktur abgerufen werden kann. Forms Applikationen, bei denen papierbasierte Interaktionen zu einem bestimmten Zeit- punkt (nicht kontinuierlich) in die digitale Welt übernommen werden (z.B. durch Scannen und OCR10-Verarbeitung). Die Autoren gehen nicht weiter ins Detail und verzichten auf eine Betrachtung der unterschiedlichen Eigenschaften des Systems. Sie geben lediglich an, dass die meisten der betrachteten Applikationen Gemeinsamkeiten über die Grenzen der Applikations- kategorien hinweg aufweisen. Dies umfasst die Tatsache, dass das vorherrschende Sys- temdesign die Verbindung zwischen physikalischer (tangibler) Eingabe und graphischer Ausgabe ist. Die graphische Ausgabe erfolgt dabei entweder kohärent mit der Eingabe (auf der gleichen Oberfläche), auf einem separaten Bildschirm, der sich aber nahe dem Eingabemedium befindet oder entfernt auf von den eingebenden Benutzern nicht unmit- telbar zugreifbaren Ausgabemedien. Interfaces, die die Ausgabe auf andere Arten (z.B. haptisch) gestalten, werden von den Autoren explizit vernachlässigt, da sie für die eigene Forschung keine Relevanz haben. 10Optical Character Recognition 149 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Kategorien Spatial, Topological, Associative, Forms Konzepte — Eigenschaften — PD-Brücke — 6.4.11. Taxonomie für Tangible User Interfaces Fishkin (2004) versucht in seiner Arbeit, den Begriff des Tangible User Interfaces zu definieren und ein Kategorienschema zu schaffen, in das sich auf tangibler Interaktion basierende Systeme einordnen lassen. Sein Ziel ist es, ein Framework zur Verfügung zu stellen, auf Basis dessen sich Systeme vergleichen lassen und das das Design von Tangible Interfaces unterstützen kann. Fishkin fasst den Begriff des Tangible Interfaces sehr breit und definiert ein Interaktives System mit tangiblem Interface als eines, in dem die Eingabe über die Manipulation (im wörtlichen Sinn, also mit den Händen) von phyischen Objekten vorgenommen wird und die Ausgabe die physische Natur eines Objektes verändert. Diese Definition umfasst auch Systeme mit „herkömmlichen“ Interfaces. Nach dieser umfassenden Definition strukturiert Fishkin den Raum möglicher Tangi- ble Interfaces durch die Einführung zweier Analysedimensionen, anhand derer er seine Taxonomie aufspannt. Diese beiden Dimensionen sind „Embodiment“ und „Metaphor“, die orthogonal zueinander stehen. Hohe Werte dieser beiden Dimensionen bezeichnen „tangiblere“ Systeme. „Hohe Tangibilität“ ist jedoch kein Qualitätskriterium, sondern lediglich eine Eigenschaft, die ein System für einen bestimmten Anwendungsfall besser oder schlechter geeignet machen kann. Embodiment Die Dimension „Embodiment“ beschreibt, wie eng die Eingabe am Interface mit der Ausgabe gekoppelt ist. Das Kriterium zu Einordnung ist hier der Ort der Wahrnehm- barkeit des Systemzustandes und der Systemaktivität. Je kohärenter die Ausgabe- und Eingabe-Kanäle sind – je näher sich also die Informationsausgabe bei der Eingabe befin- det – desto höher ist die Ausprägung dieser Dimension. Fishkin unterscheidet hier vier Ausprägungen: Full Bei „full Embodiment“ ist das Ausgabegerät gleichzeitig das Eingabegerät. Der Zustand des Geräts ist direkt in seinen physischen Eigenschaften abgebildet. Nearby „nearby Embodiment“ tritt auf, wenn die Ausgabe nahe dem Eingabeobjekt auftritt und eng an dieses gebunden ist, also in direktem, unmittelbaren Zusam- menhang steht. 150 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Environmental „environmental Embodiment“ ist gegeben, wenn die Ausgabe im unmit- telbaren Umfeld des auftritt aber sich nicht unmittelbar am tangiblen Eingabeob- jekt manifestiert. Typische Vertreter dieser Ausprägung sind akustische Ausgabe- kanäle. Distant Von „distant Embodiment“ spricht man, wenn Ein- und Ausgabekanäle voll- ständig räumlich entkoppelt sind, der Fokus der Aufmerksamkeit der Benutzer also nicht gleichzeitig auf Ein- und Ausgabekanal liegen kann. Metaphor Die Dimension „Metaphor“ bildet die Eigenschaft von Tangible Interfaces ab, auf eine Benutzerinteraktion so zu reagieren, wie die reale Welt auf eine entsprechende Aktion reagiert. Die Ausprägung in „Metaphor“ ist also dann hoch, wenn das System analog zu realem, physikalisch begründbarem Verhalten reagiert. Hier sind grundsätzlich zwei Kategorien zu unterscheiden, in denen der Bezugspunkt der „Methaphor“ verschieden ist. „Metaphor“ kann sich entweder auf das Aussehen des jeweiligen Objektes beziehen oder auf die Bewegung des Objektes Bezug nehmen. Im ersten Fall spricht Fishkin von „Metaphor of Noun“, im zweiten Fall von „Metaphor of Verb“. Die Ausprägungen auf der „Metaphor“-Dimension gruppieren sich dann wie Folgt: None Die Interface-Objekte zeigen weder in Form noch Funktion eine Analogie zur Realität Noun Diese Analogie ist gegeben, wenn am Interface Objekte existieren, die eine reale Entsprechung haben, aber nicht wie diese manipuliert werden können. Ein klas- sisches Beispiel aus traditionellen interaktiven Systemen ist die „Fenster“- oder „Schreibtisch“-Metapher (sind analog zu realen Fenstern bzw. Schreibtischen aus- gelegt, bieten aber andere Interaktionsmöglichkeiten). Bei Tangible User Interfaces ist diese Zuordnung dann gegeben, wenn ein Eingabeobjekt so aussieht wie ein Ob- jekt der realen Welt, aber keine weiteren Eigenschaften mit diesem teilt. Verb Eine Zuordung zu dieser Kategorie erfolgt, wenn die Interaktion mit einem Objekt eine reale Entsprechung hat, dieses jedoch selbst keine Analogie zur realen Welt bildet. Diese Ausprägung tritt bei TUIs unter anderem bei Gestensteuerung von Systemen auf. Noun and Verb Hier hat das betreffende Objekt selbst eine Entsprechung in der realen Welt und auch dessen Verwendung ist analog zu jener der realen Entsprechung. Die Objekte sind dennoch nach wie vor unterschiedlich, das reale Objekt kann nicht im Tangible Interface eingesetzt werden, umgekehrt bietet das TUI-Objekt nicht die reale Funktionalität des realen Objektes. Full In der höchsten Ausprägung existiert kein Unterschied zwischen TUI-Objekt und realem Objekt - es gibt keine Analogie mehr, weil die Objekte identisch sind. 151 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Dieser Zustand ist erreicht, wenn Benutzer das TUI-Objekt manipulieren und sich die reale Welt entsprechend verändert. Beispiele für Systeme auf dieser Stufe sind zum Beispiel digital augmentierte Whiteboards, wo mit elektronischen Markern auf eine Oberfläche „geschrieben“ wird, wobei die hinterlassene „Tinte“ simultan projiziert wird. Anwendung der Taxonomie Fishkin wendet seine Taxonomie auf die oben bereits beschriebenen Ansätze von (Holm- quist et al., 1999) und (Underkoffler und Ishii, 1999) an und zeigt, dass sich diese einord- nen lassen. Er ordnet nach einer umfassenden Literaturstudie außerdem über 60 konkrete Tangible Interfaces in seine Taxonomie ein und stellt diese anhand deren Ausprägungen gegenüber. Ein offener Punkt ist die Verbindung zum MCRpd-Framework (Ullmer und Ishii, 2000), das Fishkin als komplementär bezeichnet und das auf einer anderen Abs- traktionsstufe operiere. Kategorien — Konzepte — Eigenschaften Embodiment: full, nearby, environmental, distant, Me- taphor: none, noun, verb, noun and verb, full PD-Brücke wird in Struktur und Verhalten durch die Ausprägungen auf den beiden Dimensionen der Taxonomie charakteri- siert (kann für die einzelnen Teile eines Systems unter- schiedlich sein) 6.4.12. Tangible Bits: Beyond Pixels Ishii (2008) fasst die bisherige Entwicklung des Forschungsgebiets der Tangible User In- terfaces zusammen und schlägt konzeptuell die Brücke von den wegweisenden Tangible Bits-Arbeiten über das MCRpd-Interaktions-Modell bis hin zu heute aktuellen Katego- rien von Tangible User Interfaces. Die Grundlage der Betrachtungen ist das in (Ullmer und Ishii, 2000) MCRpd-Interaktions- Modell, das hier (und bereits in (Ullmer et al., 2005)) als MCRit11-Modell bezeichnet wird. (wobei „it“ für „intangible“ und „tangible“ steht und „pd“ für „physical“ und „di- gital“ aus der ursprünglichen Abkürzung ersetzt). Basierend auf der Trennung zwischen Input und Output eines interaktiven Systems (oder Control und Representation) und der auf dieser Trennung aufbauenden Abgrenzung zur GUIs, wird die Struktur eine TUI so konzeptualisiert, das eben diese Trennung nicht mehr vorhanden ist. Die grundlegenden Komponenten des MCRit-Modells sind (angelehnt an das MCRpd-Modell) die digitale 11Model-Control-Representation (intangible and tangible) 152 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Information, die repräsentiert und manipuliert werden muss, sowie die tangible Reprä- sentation des Systemzustandes (siehe Abbildung 6.6). An die tangible Repräsentation sind die Eingabekanäle des Systems – die Control-Elemente – gekoppelt. Die tangible Repräsentation wird durch die intangible Repräsentation ergänzt, mittels der zusätz- liche, dynamisch veränderliche Information abhängig vom Systemzustand ausgegeben werden kann. Abbildung 6.6.: Überblick über das MCRit-Modell (entnommen aus Ishii (2008)) Basierend auf der konzeptuellen Grundlage gibt Ishii die grundlegenden Eigenschaften von TUIs an: Computational Coupling of tangible representations to underlying digital information and computation. Der zentrale Aspekt jedes TUI ist die Kopplung von realen Ar- tefakten mit digitaler Information und diese Information manipulierende Funktio- nen. Zu berücksichtigen ist dabei die Art der Abbildung, also welche Prinzipien der Übersetzung und welche Metaphern (bei Ishii: „Embodiment“) verwendet werden. Embodiment of mechanisms for interactive control with tangible representations. In TUIs werden die physischen Repräsentationen des Systemzustandes gleichzeitig auch zur Steuerung des Systems verwendet. Von Interesse sind hier die Fähigkeiten des Tangibles selbst (“inert“, also passive Objekt, die durch Benutzer manipuliert werden müssen oder „actuated“, also aktive Elemente, die selbständig Änderungen des Systemzustandes ausgeben können), die Beschränkung des Interaktionsraums (“unconstrainted“ – unbeschränkt, „weakly constrainted“ – nur schwach einge- schränkt, wie bei der Interaktion auf Oberflächen, oder „tightly constrainted“ – stark eingeschränkt, z.B. bei Tokens, die nur entlang einer Achse bewegt werden 153 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces können) sowie die durch die physische Form der Tokens und die Constraints vor- gegebenen bzw. angedeuteten Interaktionen und deren Kohärenz mit der dadurch manipulierten digitalen Information. Perceptual Coupling of tangible representations to dynamic intangible representations. Die wahrgenommene Koppelung zwischen dem physischen Anteil des Systemzu- standes und dem intangiblen (z.B. projizierten oder akustischen) Anteil ist der dritte wichtige Aspekt, der beim Design von Tangible Interfaces zu berücksich- tigen ist. Der kritische Faktor ist dabei nach Ishii die Reaktion des intangiblen Anteil auf Änderung des tangiblen Anteils in Echtzeit. Zwischen der Manipulation von physischen Elementen und eine adäquaten Reaktion des Systems, die sich auch auf die intangible Repräsentation auswirkt, darf nur minimale, idealerweise nicht als solche wahrgenommene Verzögerung liegen. Je nach Ausprägung dieser Eigenschaften können sich TUIs in unterschiedliche Kate- gorien von Systemen manifestieren. Basierend auf den bereits von Ullmer et al. (2005) angegebenen Kategorien (siehe Abschnitt 6.4.7) erweitert Ishii das Schema und identi- fiziert acht Kategorien von TUIs: Tangible Telepresence Systeme, bei denen entfernte physische Objekte digital mitein- ander gekoppelt werden, so dass Manipulationen eines Objekts an den gekoppelten Objekten physisches Feedback auslösen können. Durch die Koppelung zwischen entfernter Ein- und Ausgabe können Präsenz-Aspekte auch in dissoziierten An- wendungsfällen übermittelt werden. Tangibles with kinetic Memory Systeme, die Manipulation physischer Objekte auf- nehmen und diese Manipulationen auch wieder physisch wiedergeben können. Constructive Assembly Entspricht der von Ullmer et al. (2005) angegebenen Kate- gorie und umfasst Systeme, bei denen der Systemzustand durch die (physische) Verknüpfung von physischen Elementen repräsentiert und manipuliert wird. Tokens and Constraints Entspricht der von Ullmer et al. (2005) angegebenen Katego- rie und umfasst Systeme, die informationstragende physische Elemente zur Reprä- sentation des Systemzustandes benutzen und die möglichen Interaktionen mittels ebenfalls physischer Constraints beschränken bzw. vorgeben. Interactive Surfaces – Tabletop UI Entspricht der von Ullmer et al. (2005) angegebe- nen Kategorie und umfasst Systeme, bei denen physische Objekte auf einer Ober- fläche manipuliert werden, um den Systemzustand zu verändern. Dabei wird meist zusätzlich visuelles Feedback auf der Oberfläche ausgegeben, wodurch Eingabe- und Ausgabemedium kohärent sind. Continuous Plastic TUI Umfasst Systeme, die in der Lage sind, die äußere Form ihrer physischen Repräsentationen zu verändern bzw. auf derartige Formänderungen mit Änderungen des Systemzustandes reagieren. 154 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Augmented Everyday Objects Systeme, bei denen physische Objekte des Alltagslebens mit Technologie ausgestattet werden, die einen wie auch immer gearteten Mehrwert bei der Benutzung bieten kann. Ambient Media Systeme, bei denen interaktive Systeme durch Zusatzinformation er- gänzt werden, die nicht von der eigentlichen Arbeitsaufgabe ablenken. Im engeren Sinne handelt es sich dabei nach Ishii nicht um ein TUI, die Kategorie hat aber insofern Relevanz, als dass nicht die herkömmlichen Ausgabekanäle (wie Bildschir- me) benutzt werden um digitale Information zu repräsentieren. Grundlegend gemein sind jedoch allen Arten von Systemen ein Satz von Merkmalen, die sie in ihrer Eigenschaft als TUIs mitbringen und die sich dem Autor zufolge durchwegs vorteilhaft auf die Interaktion mit den Benutzern auswirken können: Double Interaction Loop – Immediate Tactile Feedback Tangible User Interfaces ver- fügen inhärent über zwei Feedbackschleifen, über die den Benutzern Reaktionen auf deren Eingaben rückgespiegelt werden. Die erste, unmittelbare, Feedback-Schleife ist die haptische Erfahrung bei der Manipulation der physischen Element. Die Re- aktion ist sofort sichtbar und muss nicht durch das System erfasst, interpretiert und ausgegeben werden. Die zweite Schleife wird über die intangible Repräsentation des Systemzustands realisiert, auf der sich ebenfalls Reaktionen auf Benutzereingaben manifestieren. Dabei muss die Benutzerinteraktion jedoch erfasst und interpretiert werden, bevor eine adäquate Reaktion erstellt und ausgegeben werden kann. Diese Reaktion kann umfassender als in der ersten Schleife ausfallen, benötigt jedoch mehr Zeit. Persistency of Tangibles Bei TUIs wird ein wesentlicher Anteil des Systemzustandes durch die Konfiguration des physischen Elemente dargestellt. Diese sind ihrer Na- tur nach persistent, repräsentieren diesen Anteil des Systemzustandes also unab- hängig von etwaiger Infrastruktur und sind auch verfügbar, wenn diese abgeschaltet ist. Coincidence of Input and Output Spaces Ein grundlegendes Designkriterium von TUIs ist die Kohärenz (bei Ishii: Koinzidenz) von Eingabe- und Ausgabekanälen. Dies er- möglicht eine nahtlose Interaktion und Informationsrepräsentation im physischen und digitalen Raum. Special Purpose vs. General Purpose In Abgrenzung zu GUIs, die im Normalfall zur Interaktion mit beliebigen Applikationen verwendet werden können, sind TUIs eher spezifisch auf einen bestimmten Anwendungsfall hin ausgerichtet und und werden dementsprechend konzipiert. Wichtig ist hier vor allem die Berücksichti- gung den Benutzern vertrauter Metaphern bei der Konzeption der Informations- repräsentation und der Manipulations-Werkzeuge. Space-Multiplexed Input Generell ermöglichen TUIs eine parallele Manipulation meh- rerer räumlich verteilter physischer Objekte zur gleichen Zeit. Es ist damit möglich 155 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces kollaborative Interaktion zu unterstützen, bei der mehrere Benutzer den Systemzu- stand simultan beeinflussen. Die Kollaboration kann dabei auch räumlich verteilt stattfinden, wenn Mechanismen existieren, die den Systemzustand der einzelnen TUI-Instanzen synchron hält (z.B. durch Aktuatoren). Im seinen Schlussbetrachtungen führt Ishii die größten Mängel des noch jungen For- schungsgebiets der Tangible User Interfaces aus: es fehle an „Killer Applications“, an skalierbaren Toolkits und an verlässlichen und validierten Design Prinzipien. Kategorien Tangible Telepresence, Tangibles with kinetic Memory, Constructive Assembly, Tokens and Constraints, Inter- active Surfaces – Tabletop UI, Continuous Plastic TUI, Augmented Everyday Objects, Ambient Media Konzepte Digital Information, Tangible Representation, Control, Intangible Representation Eigenschaften Gesamtsystem: Computational Coupling, Embodiment of Control Mechanisms, Perceptual Coupling PD-Brücke Abhängig von der Art des Systems, grundsätzlich aber immer Koppelung zwischen tangibler Repräsentation und Control 6.4.13. Zusammenfassung Die in den vorhergehenden Abschnitten betrachteten Arbeiten sind in Ansatz, Aus- gangspunkt und Vorgehensweise höchst unterschiedlich. Ihnen ist jedoch gemein, dass sie sich mit der Konzeptualisierung von Tangible User Interfaces beschäftigen. Die Ar- beiten können dabei entlang zweier Dimensionen nach Ziel und Betrachtungsgegenstand klassifiziert werden. Hinsichtlich der Zielsetzung sind Arbeiten, die auf die Spezifikati- on eines TUI ausgerichtet sind, von solchen zu unterscheiden, die auf die Evaluation existierender Systeme ausgelegt wurden (im Sinne von detailliert angegebenen Merk- malen, die ein System aufweisen muss um eine bestimmte Eigenschaft zu haben). Als dritte Ausprägung sind noch Ansätze zu identifizieren, die eine Einordnung in einen Re- ferenzrahmen ermöglich sollen, ohne die Eigenschaften des TUI im Detail zu betrachten. Hinsichtlich des Betrachtungsgegenstandes sind unterschiedliche Detaillierungsgrade zu erkennen, wobei hier die beiden Ausprägungen „Gesamtsystem“ und „einzelne physische Elemente“ als Extremwerte zur Klassifikation herangezogen werden. Hinsichtlich des Be- trachtungsgegenstandes ist noch zu unterscheiden, ob sich die Arbeit auf die Struktur des TUI konzentriert oder sich darüber hinaus auch explizit mit dessen Verwendung beschäftigt. Ansätze der zweiten Art werden in der Tabelle kursiv gesetzt. Jeder Ansatz verfolgt über diese Einordnung hinaus noch spezifische Zielsetzungen, die der Übersicht- lichkeit wegen in dieser ersten Einordnung nicht angegeben werden. 156 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Die Einordnung in die Kategorien (siehe Tabelle 6.1) erfolgt aufgrund der von den jeweiligen Autoren in den Artikeln explizit genannten Zielsetzungen oder – wenn die- se nicht vorhanden oder aussagekräftig sind – aufgrund der von Autoren gewählten Schwerpunktsetzungen und unter Berücksichtigung des jeweiligen Gesamtzusammen- hangs (übergeordnetes Forschungsvorhaben). Ansätze, die zu mehreren Kategorien Bei- träge liefern, werden in allen betreffenden Feldern angeführt. Tabelle 6.1.: Kategorien von konzeptuellen Arbeiten im Gebiet Tangible User Interfaces (kursiv gesetzte Arbeiten gehen auch auf das Verhalten von TUIs ein) Gesamtsystem einzelne physische Elemente Spezifikation Bricks MCRpd-Interaktions-Modell Tangible Bits: Beyond Pixels Containers, Tokens und Tools Tokens+Constraints Tokens and Constraints nach Shaer et al. Evaluation Graspable User Interfaces Taxonomie für Tangible User Interfaces Einordnung Tangible Bits Tokens+Constraints Kategorien von TUI Anwendungen Tangible Bits: Beyond Pi- xels Tangible Objects Meaning Degree of Coherence In dieser Aufstellung ist zu erkennen, dass ein Großteil der Ansätze nicht auf den Interaktionsaspekt des Anwendungsfalls eingeht, für den das betrachtete TUI konzipiert ist, sondern sich auf die strukturellen Aspekte des Systems beschränkt. Den umfassendsten Ansatz zur Spezifikation bietet die Arbeit „Tokens and Cons- traints“ von (Shaer et al., 2004), der aufbauend auf der Arbeit von Ullmer (2002) einen modifizierten Token+Constraints-Ansatz vorstellt. Dieser eignet sich durch ein breiteres Verständnis des Constraint-Begriffs für die allgemeine Spezifikation der Struktur eines TUI. Zusätzlich stellt er ein Schema zur Verfügung, in dem – basierend auf der Struktur – auch das Verhalten des Systems spezifiziert werden kann. Zur detaillierten Evaluation eines TUI bietet sich die Taxonomie von Fishkin (2004) an, der in seiner Arbeit in zwei Dimensionen sowohl die Betrachtung der Struktur als auch der Verwendung der Objekte eines TUI in den spezifizierten Interaktionsabläufen erlaubt. 157 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Ausdrucksstärke der konzeptuellen Ansätze Grundsätzlich sind jene Ansätze, die sich mit der detaillierten Beschreibung eines TUI befassen, ausdrucksstärker als jene Ansätze, die ein System lediglich global betrachten. Dies bezieht sich jedoch in erster Linie auf die Quantität der generierten Daten, quali- tativ gesehen ergänzen beide Sichtweisen einander und sind sowohl bei Spezifikation als auch Evaluation komplementär anzuwenden. Der Fokus der Betrachtung der jeweiligen Ansätze ist in Tabelle 6.1 angeführt und wird hier nicht separat unterschieden. Einige der vorgestellten Ansätze sind inhaltlich insofern als überholt anzusehen, als dass sie heute gängige Techniken und Interaktionsparadigmen nicht adäquat abbilden können. Dies gilt sowohl in struktureller Hinsicht als auch in Bezug auf das Verhal- ten eines Systems. Die strukturellen Konzepte haben sich konzeptuell von „werkzeug- zentrierten“ auf „informations-zentrierte“ Sichtweise weiter entwickelt. Ältere, „werkzeug- zentrierte“ Ansätze betrachten die physischen Elemente ausschließlich als Werkzeuge zur Manipulation digitaler Information, die nach wie vor herkömmlich visuell ausgege- ben wird und keine physische Manifestation besitzt. Typische Vertreter dieser Sichtweise sind die Arbeiten von Fitzmaurice et al. (1995) und Fitzmaurice (1996). Ab der Arbeit von Ishii und Ullmer (1997) wird der Aspekt der physischen Repräsentation von In- formation berücksichtigt, womit erstmals eine umfassende Beschreibung von Systemen ermöglicht wird, die heute als TUI bezeichnet werden. In der Folge wurden unterschiedliche Ansätze vorgestellt, die auf verschiede Aspekte in der Beschreibung der Struktur eingehen. Ein grundlegendes Unterscheidungsmerk- mal der Ansätze ist ihre Herangehensweise an die Unterscheidung zwischen physischen Objekten, die Information repräsentieren und solchen, die Information manipulieren (in wenigen Fällen werden auch Werkzeuge zur Systemsteuerung separat betrachtet). Eine Herangehensweise ist die strikte konzeptuelle Trennung zwischen physischen Objekten, die zur Informationsrepräsentation verwendet werden und solchen, die als Werkzeug zur Manipulation eingesetzt werden. Typische Vertreter sind hier die Arbeiten von Is- hii und Ullmer (1997) und Holmquist et al. (1999). Dem hingegen steht die Herange- hensweise die Bedeutung eines physischen Objekts für eine bestimmte Anwendung auf einem Kontinuum einzuordnen und Objekte damit als eher „werkzeug-artig“ oder eher „repräsentations-artig“ (oder beides integrierend) einzuordnen. Typische Vertreter für diese Herangehensweise sind die Arbeiten von Underkoffler und Ishii (1999), Koleva et al. (2003) und Fishkin (2004). Einen dritten Weg gehen die Ansätze von Ullmer und Ishii (2000) und darauf aufbauend Ishii (2008), die physische Elemente immer als Kombi- nation eines Repräsentations- und Kontroll-Anteils sehen und diese konzeptuell separat behandeln. Implizit in dieser Tradition stehen auch die Ansätze von Ullmer (2002) und Shaer et al. (2004), die mit dem „Tokens und Constraints“-Konzept einerseits eine dritte Art von physischen Objekten – die Constraints, die den Interaktionsraum beschränken – einführen, andererseits aber bei den eigentlich zur Interaktion verwendeten physischen Elementen nicht zwischen Repräsentationen und Werkzeugen unterscheiden. Funktio- 158 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces nalität wird vielmehr durch die Manipulation eines (informationstragenden) Tokens im Kontext von Constraints ausgelöst – Tokens haben somit einen Kontroll-Aspekt im Sinne von Ullmer und Ishii (2000). Seltener anzutreffen sind Arbeiten, die explizit auf die Beschreibung oder Evaluation der Interaktionsabläufe eines TUI eingehen. Fishkin (2004) behandelt diesen Aspekt im Rahmen der „Metaphor“-Dimension seiner Taxonomie. Er unterscheidet dort zwischen TUIs oder TUI-Komponenten, deren Interaktionsmetaphern eher an Objekten der realen Welt und / oder an Tätigkeiten der realen Welt angelehnt sind. Werden alle Kompo- nenten eines TUI in diese Dimension eingeordnet, so ermöglicht dies die Prüfung, ob die Metaphern konsistent gewählt wurden (Oppl, 2009b). Die Interaktionsabläufe im Detail sind jedoch bei Fishkin (2004) nicht Gegenstand der Betrachtung. Auf detaillierter Ebe- ne gehen lediglich Shaer et al. (2004) auf Interaktionsabläufe im Allgemeinen und der Spezifikation im Speziellen ein. Die Autoren erweitern dazu den Token+Constraints- Ansatzes (Ullmer, 2002) um einen Interaktionsaspekt, der auf Basis der strukturellen Eigenschaften eines TUI deren dynamisches Zusammenspiel untereinander und mit den Benutzern festlegt. Damit wird es möglich, ein TUI sowohl in Struktur als auch Verhalten umfassend zu spezifizieren. Nomenklatur Hinsichtlich der Bezeichnung der Elemente eines TUI existiert keine einheitliche Nomen- klatur, die konsistent über mehrere Arbeiten hinweg verwendet wird. Die Tabellen 6.2 und 6.3 gibt eine Übersicht über die für die einzelnen konzeptuellen Elemente verwen- deten Begriffe. Diese Arbeit folgt in der Bezeichnung der physischen Elemente dem TAC-Ansatz von (Shaer et al., 2004) und verwendet generell der Begriff des „Tokens“. Zur Abgrenzung wird, wo nötig, von „Modellierungstokens“ (jene Tokens, die Information repräsentie- ren) und „Werkzeugtokens“ (jene Tokens, die Funktionalität auslösen) unterschieden. Der digitale Aspekt eines TUI wird selten explizit benannt, der von (Shaer et al., 2004) gewählte Begriff der „Variable“ ist im Kontext der Repräsentation von Modellen aber zu spezifisch bzw. aus dem Kontext der Softwareentwicklung heraus unpassend vorbelegt. Deshalb wird im Allgemeinen nach (Ishii, 2008) von „digitaler Information“ gesprochen, wenn explizit auf die digitale Repräsentation des Modells Bezug genommen wird, wird der Begriff „Modell-Elemente“ verwendet. Eine weitere Ausdifferenzierung der Nomen- klatur zur Bezeichnung von anwendungsspezifischen Eigenschaften des hier vorgestellten Werkzeugs erfolgt im Rahmen der folgenden Kapitel. Die hier vorgestellten Ansätze werden nach der Beschreibung des Werkzeugs in Kapitel 10 wieder aufgegriffen und auf das hier entwickelte System angewandt. Damit werden zwei Ziele verfolgt. Einerseits soll die praktische Anwendbarkeit der Ansätze und deren 159 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Tabelle 6.2.: Gegenüberstellung der Nomenklatur zur Beschreibung der Elemente eines TUI – Teil 1 Arbeit physisches Objekt zur Informations- repräsentation physisches Werkzeug zur Informations- manipulation physische Beschrän- kung des Interakti- onsraums digitale Objekte Bricks — Brick — — Graspable User Inter- faces — — — — Tangible Bits Phicon Phandle (In- formationsma- nipulation), Instrument (Systemsteue- rung) Tray — Containers, Tokens und Tools Container (un- spezifische Form), Token (spezifische Form) Tool — — Tangible Objects Meaning Object as pure object (unspezifische Form), Object as attribute (teilspezifisch), Object as noun (spezifische Form) Object as verb (fix gebundene Funktionalität), Object as recon- figurable tool (konfigurierbare Funktionalität) — — MCRpd Inter- aktions- Modell Rep-P Control — Model, Rep-D (Manifes- tation) 160 6.4. Konzeptualisierung und Klassifikation von Tangible Interfaces Tabelle 6.3.: Gegenüberstellung der Nomenklatur zur Beschreibung der Elemente eines TUI – Teil 2 Arbeit physisches Objekt zur Informations- repräsentation physisches Werkzeug zur Informations- manipulation physische Beschrän- kung des Interakti- onsraums digitale Objekte Tokens + Constraints Tokens Tokens + Cons- traints Constraints — Degree of Coherence Identifier (un- spezifische Form), Pro- xy (von hier an: spezifische Form, Enge der Bindung ansteigend), Projection, Il- lusion of same objects General purpose tools (kon- figurierbare Funktionalität), Specialized tools (fix gebundene Funktionalität) — — TAC Token-Pyfo Token-Pyfo Constraint- Pyfo Variable TUI- Anwendungs- Kategorien — — — — Taxonomie für TUIs — — — — Tangible Bits: Bey- ond Pixels tangible Representation Control — digital in- formation, intangible represen- tation (Manifes- tation) 161 6.5. Tabletop Interfaces Verwendbarkeit für ein konkretes, im Vergleich zu den in den Artikeln vorgestellten Beispielen komplexes und flexibles System überprüft werden. Andererseits soll versucht werden, aus der theoretisch-konzeptuellen Betrachtung des Werkzeugs Inkonsistenzen im Design zu erkennen und potentiell verbesserungswürdige Aspekte des Werkzeugs zu identifizieren. Eine Gegenüberstellung mit den Ergebnissen der praktischen Evaluierung erlaubt in der Folge auch die Überprüfung des Aussagekraft derartiger auf theoretischen Konzepten basierenden Betrachtungen bzw. Spezifikationen. 6.5. Tabletop Interfaces Tabletop Interfaces sind Benutzungsschnittstellen, bei denen die Interaktion mit einem Computersystem über eine (im Allgemeinen horizontal angebrachte) Tischplatte durch- geführt wird. Tabletop Interfaces sind nicht als echte Untermenge von Tangible Interfaces zu sehen. Systeme, bei denen die Interaktion mittels direkter Berührung der Oberflä- che mit den Händen („Touch-“ bzw. „Multitouch“-Systeme) durchgeführt wird, werden ebenfalls zu den Tabletop Interfaces gezählt, sind aber aufgrund des fehlenden phy- sischen Repräsentationsaspekts des Systemzustandes nicht als unbedingt als Tangible Interface zu klassifizieren. Im Sinne einer Aufarbeitung der „Related Work“ beschränkt sich diese Arbeit hier auf jene Systeme, die historisch für die Entwicklung des Feldes der „Tangible Tabletop Interfaces“ wichtig waren bzw. sind und jene Arbeiten, in denen inhaltlich ähnliche Zielsetzungen wie in dieser Arbeit verfolgt wurden, auch wenn das zugrunde liegende Tabletop Interface keine „tangiblen“ Aspekte aufweist. 6.5.1. Historische Entwicklung Tabletop Interfaces wurden erstmals von Wellner (1993) beschrieben, der damit gemäß der Vision „back to the real world“ Wellner et al. (1993) beabsichtigte, die Trennung zwischen der realen Welt und dem digitalen Inforamtionsraum zu beseitigen und eine nahtlose, natürliche Interatkion mit Computersystemen zu ermöglichen. Im Bereich der Tangible Interfaces wurde bereits mit der Einführung des Begriffs von Ishii und Ullmer (1997) die Geräteklasse der „Interactive Surfaces“ identifiziert, in die Systeme eingeord- net wurden, die eine mit digitaler Information angereicherte physische Oberfläche als Ausgabemedium verwenden, auf der zur Eingabe physische Objekt manipuliert werden. Diese Klasse von Systemen ist nicht auf Tische eingeschränkt, sondern umfasst z.B. auch digital augmentierte Wände. Das MetaDESK-System, das in der gleichen Arbeit als Beispiel für Interactive Surfaces vorgestellt wird, kann als das erste in der Literatur beschriebene Tangible Tabletop Interface bezeichnet werden. 162 6.5. Tabletop Interfaces Frühere Arbeiten, wie die von Fitzmaurice (1996) beschriebenen „Bricks“, setzten zur Interaktion physische Bausteine ein, die lediglich einen Bezug zueinander aufweisen, aber keine gemeinsame Oberfläche als Referenzrahmen benötigen und verwenden (”relational interfaces” im Sinne von Ullmer und Ishii (2000)). Fasst man den Begriff der Interac- tive Surfaces nach Ishii und Ullmer (1997) eng, so fallen derartige Systeme aufgrund des fehlenden gemeinsamen physischen Referenzrahmens nicht in diese Klasse. In jenen Fällen, in denen trotzdem ein räumlich entsprechend begrenztes physisches „Trägerme- dium“ benötigt wird (also eine klassische, nicht digital augmentierte Tischoberfläche zur Anordnung der Elemente des Interfaces eingesetzt wird), kann trotzdem von einem „Tangible Tabletop Interface“ gesprochen werden. Anfänge Das Sensetable-System (Patten et al., 2001) ist die erste in der Literatur beschriebe- ne „Interactive Surface“ Plattform, die breit in unterschiedlichen Anwendungsszenarien eingesetzt wurde. Es steht inhaltlich in der Tradition des MetaDESK-Systems (Ishii und Ullmer, 1997) und basiert technologisch auf eine Tischoberfläche, auf die von oben proji- ziert wird und mit der mittels auf die Oberfläche aufgesetzten „Pucks“ interagiert werden kann. Die Feststellung der Position der „Pucks“ erfolgt mittels einem magnetischem Po- sitionierungssystem. Die Positionsbestimmung auch mehrerer Objekte gleichzeitig kann damit quasi verzögerungsfrei und mit einer Genauigkeit im mm-Bereich durchgeführt werden. Das BUILD-IT-System (Fjeld, 2001) ist eines der ersten Systeme, in dem Tabletop In- terfaces zur Unterstützung von kooperativen Arbeitsprozessen eingesetzt werden. Fjeld et al. (1997) führen den Begriff des „Natural User Interfaces“ und meinen damit die kohärente Manipulierbarkeit von Objekten auf physischen und digitalen Oberflächen. In der konkreten Implementierung des BUILD-IT-Systems (Fjeld, 2001) steht eine horizon- tale Oberfläche zur Verfügung, auf der physische Objekte platziert werden können und auf die synchron anwendungsspezifische Information projiziert wird. Zusätzlich steht ei- ne vertikale Oberfläche zur Erweiterung der Darstellungsraums zur Verfügung, auf der lediglich Information angezeigt wird, während eine physische Manipulation nicht möglich ist. Das System wurde in unterschiedlichen Anwendungsszenarien zum Einsatz gebracht, und einer Evaluierung hinsichtlich seiner Benutzbarkeit und seinen Auswirkungen auf die Arbeit der Benutzer unterzogen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sprechen im Wesentlichen für die Nützlichkeit von Tabletop User Interfaces, auch wenn aufgrund technischer Restriktionen die Verwendbarkeit des Systems eingeschränkt war. Die Wir- kung des Systems auf kooperative Arbeit wurde explizit nicht untersucht. 163 6.5. Tabletop Interfaces 6.5.2. Aktuelle Plattformen Mit dem stärker werdenden Forschungsinteresse im Bereich der Tabletop Interfaces und dem zunehmenden kommerziellen Interesse ist in den letzten Jahren die zunehmen- de Verfügbarkeit von Applikationsplattformen für Tabletop Interfaces zu beobachten, die sowohl einen definierten Satz von Hardware-Funktionalität (also dem eigentlichen Tabletop Interface) als auch eine Programmierschnittstelle für die Entwicklung eige- ner Applikationen mit sich bringt. Mit Stand von Ende 2009 werden in der aktuellen Forschung vor allem drei Lösungen eingesetzt, von denen zwei auch die Hardware kom- merziell vertreiben und eine lediglich die Software und Bauanleitungen für das Tabletop Interface anbietet. Absehbar ist hier die weitere Diversifizierung des Angebots, wobei auf die neueren Anbieter an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen wird. ReacTable Der ReacTable (Kaltenbrunner et al., 2006) ist ein auf einem Tangible Tabletop Interface beruhendes kooperatives Musikinstrument, dessen Hardwarekomponente und Software- Schnittstelle zur visuellen Identifikation von Objekten auf der Oberfläche generisch ein- setzbar sind. Die Hardware des ReacTable besteht aus einem Tisch, dessen Oberfläche semitransparent ausgeführt ist. Die Objekte werden durch auf deren Unterseite ange- brachten visuellen Markern identifiziert. Zugleich wird von der Unterseite mittels einem Projektor zusätzliche Information auf die Oberfläche projiziert. Die zur Objektidentifikation verwendeten Marker sind proprietär und bilden einen ein- deutigen Code ab, der softwareseitig das ensprechende Element identifiziert. Die Anzahl der Marker ist erweiterbar, wobei deren Form frei gewählt werden kann. Zusätzlich zu Identifikation von Elementen kann die Software auch Fingerberührungen visuell erken- nen, wodurch die Oberfläche multi-touch-fähig wird. Die Software ist plattformübergreifend für Windows, Mac OS X und Linux als Open Source Software verfügbar. Die Analyse des Kamerabilds erfolgt in Quasi-Echtzeit mit 15 bis 20 Bildern pro Sekunde (abhängig vom eingesetzten Rechner). Die Information für auf der Oberfläche erkannte Elemente oder Finger wird über das proprietäre aber mitt- lerweile auch von anderen Anbietern eingesetzte TUIO-Protokoll über einen UDP12-Port ausgegeben und kann so von beliebigen Clients übernommen und verarbeitet werden. In den Softwarepaketen sind vorgefertigte Clients für die Programmiersprachen C und Java enthalten. 12User Datagram Protocol 164 6.5. Tabletop Interfaces Microsoft Surface Die Microsoft Surface13 ist ein kommerzielles Produkt, dass als Paket von Hard- und Software von Microsoft vertrieben wird. Die Hardwarekomponente stellt sich als ein in sich abgeschlossenes System ohne vorgesehene Manipulationsmöglichkeit der Benutzer oder Entwickler dar. Sie besteht dabei aus einer Tischoberfläche, die semitransparent ausgeführt ist und von unten projiziert wird. Die Erfassung von Benutzerinteraktion erfolgt visuell mittels unter der Oberfläche installierten Kameras. Der Fokus liegt dabei auf der Identifikation von Berührungen mit einem oder mehreren Fingern bzw. durch eine oder mehrere Personen. Zusätzlich können Objekte durch ihren Umriss oder durch proprietäre visuelle Codes identifiziert werden. Die Identifikation erfolgt dabei in Quasi- Echtzeit mit mehreren Bildern pro Sekunde (exakte Werte unbekannt). Der Tisch selbst ist in Form und Bauhöhe eher als Besprechungs- bzw. Bartisch denn als Arbeitstisch ausgeführt. Softwareseitig kommt ein modifizierte bzw. erweitere Version von Windows Vista zum Einsatz. Die Microsoft Surface bietet neben einer Reihe von vorinstallierten Anwen- dungen auch die Möglichkeit, mittels einem API14 auf die Information der Oberfläche identifizierten Objekte und Finger zuzugreifen und diese in eigenen Anwendungen zu verarbeiten. Diese Anwendungen müssen auf Microsoft’s .NET-Framework basieren, um an das API angebunden werden zu können. DiamondTouch Der DiamondTouch (Dietz und Leigh, 2001) ist ein Projekt von den Mitsubishi Research Labs15, dass mittlerweile kommerziell von dem Unternehmen Circle Twelve16 vertrieben wird. Im Gegensatz zu den anderen beiden vorgestellten Ansätzen setzt der Diamond- Touch kein visuelles Identifikationverfahren ein, sondern verwendet ein auf kapazitiver Erkennung basierendes Verfahren, dass durch seine Ausführung nicht nur die Identifi- kation mehrerer gleichzeitiger Berührungen sondern auch die eindeutige Identifikation von Benutzern (auch über die Zeit bei nicht ununterbrochener Berührung) ermöglicht. Das System unterstützt jedoch keine Identifkation von Objekten, es können lediglich Berührungen identifiziert werden. Die Hardwareausführung ähnelt jener der Microsoft Surface, allerdings wird im Gegensatz zu den anderen beiden Lösungen von oben auf die Oberfläche projiziert. Um eine eindeutige Identifikation der handelnden Personen gewährleisten zu können, müssen diese außerdem auf je einem von bis zu vier an dem System angeschlossenen Stühlen sitzen. 13http://www.microsoft.com/surface/ 14Application Interface 15http://www.merl.com/projects/DiamondTouch/ 16http://www.circletwelve.com/ 165 6.6. Tabletop Interfaces zur Erstellung diagrammatischer Modelle Die Identifikations-Software arbeitet unter Windows oder Linux und liefert über ein API die Berührungsinformation an eine vom Entwickler zu erstellende Applikation. Das API kann dabei aus unterschiedlichen gängigen Programmiersprachen (wie C++, Java oder Adobe Flash) angesprochen werden. 6.6. Tabletop Interfaces zur Erstellung diagrammatischer Modelle In diesem Abschnitt werden Systeme beschrieben, die sich der Erstellung diagramma- tischer Modelle auf tischbasierten Benutzungsschnittstellen widmen, also ein zu dieser Arbeit verwandtes Werkzeug mit verwandter Technologie umsetzen. Die eigentliche Ziel- setzung unterscheidet sich im Einzelfall, die Verwandtschaft beschränkt sich auf die Un- terstützung im Vorgang der Modellbildung. Nicht betrachtet werden hier Systeme, die sich zwar mit Modellbindung im weiteren Sinne beschäftigen, deren Betrachtungsgegenstand aber nicht diagrammatische Modelle sind. Derartige Systeme haben oft den Anspruch, die Modellbildung weniger abstrakt zu gestalten und vor allem die Modellverwendung durch Simulationen an das Verhalten des dargestellten Phänomens in der realen Welt anzunähern. Ein klassisches Beispiel ist hier Urp (Underkoffler und Ishii, 1999), ein Stadtplanungssystem, bei dem Objekte, die Gebäude repräsentieren, maßstabsgetreu auf einer Oberfläche platziert werden kön- nen. Je nach ausgeführter Simulation können in Echtzeit die Lichtverhältnisse bei Son- neneinstrahlung oder die Luftströmungen im arrangierten Gebäude-Ensemble verfolgt werden. Systeme dieser Klasse beschäftigen mit anderen Aspekten von Modellbildung und vernachlässigen explizite Repräsentation der konzeptuellen Beziehungen zwischen Modellelementen. Sie sind deshalb nicht als verwandte Arbeiten zu klassifizieren. Im ersten Unterabschnitt werden Systeme betrachtet, die sich historisch mit der The- matik der Modellierung mittels Tangible (Tabletop) Interfaces beschäftigen. Der zweiter Unterabschnitt stellt zwei Arbeiten vor, die parallel zur vorliegenden Arbeit entwickelt wurden und sich so wie diese mit den konkreten Modellierungsaufgaben im Rahmen von Concept Mapping beschäftigen, das, wie in Kapitel 4 beschrieben, auch eine methodische Grundlage dieser Arbeit darstellt. 6.6.1. Historische Entwicklung Die Unterstützung der Bildung von diagrammatischen Modellen mittels Tangible In- terfaces wird seit der Jahrtausendwende in der Literatur behandelt. Tatsächlich sind jedoch nur drei Arbeiten zu identifizieren, die sich mit der Bildung diagrammatischer Modelle beschäftigen und in der Literatur so ausführlich beschrieben sind, dass eine Be- rücksichtigung an dieser Stelle möglich ist. Zu diesen Arbeiten existieren jeweils mehrere 166 6.6. Tabletop Interfaces zur Erstellung diagrammatischer Modelle Publikationen, als Referenz wurde hier jeweils jene Publikation herangezogen, in der das System am ausführlichsten dokumentiert ist. Tangible Business Process Analyser Historisch wurde der Anwendungsfall der Modellbildung mit Tangible Interfaces bereits auf der ersten funktionsfähigen „Interactive Surface“, dem Sensetable (Patten et al., 2001), umgesetzt. Der „Tangible Business Process Analyser“ (Mori et al., 2004) ist eine Anwendung, die auf Basis des Sensetable implementiert wurde und dazu dient, Work- flows zu modellieren, deren Parameter einzustellen und in der Folge die Ergebnisse einer Simulation zu visualisieren. Das Modell selbst hat dabei keine physische Ausprägung sondern wird lediglich projiziert. Wie in vielen Systemen aus dieser Generation von Tan- gible Tabletop Interfaces (z.B. auch (Fitzmaurice et al., 1995)) werden auch in dieser Arbeit nur die Manipulations-Werkzeuge selbst physisch ausgeführt. Die Repräsentation der Information (hier: das Modell) verbleibt digital und wird z.B. durch Projektion auf die Tischoberfläche dargestellt. Die Manipulation der Modellelemente selbst sowie der zur Simulation notwendigen Parameter wird durch Einsatz der „Pucks“ des Sensetable- Systems durchgeführt. Designer’s Outpost Ein Werkzeug zur kooperativen konzeptuellen Planung von Websites ist der „Designer’s Outpost“ (Klemmer et al., 2001). Dabei handelt es sich streng genommen nicht um ein Tabletop Interface, da die interaktive Oberfläche vertikal angebracht ist. Die sonstigen technischen und inhaltlichen Eigenschaften sind jedoch jenen des hier vorgestellten Sys- tems so ähnlich, dass eine Betrachtung im Rahmen der verwandten Arbeiten angemessen ist. Das „Designer’s Outpost“-System ermöglicht es, die Seiten einer Website als Kno- ten eines Modells auf der interaktiven Oberfläche abzubilden. Dazu werden physisch Haftnotizen beschriftet und platziert. Diese können durch eine Erfassung mittels einer Kamera auch „virtualisiert“ werden. Virtualisierte Haftnotizen ermöglichen in der Folge auch das über mehrere Standorte verteilte Modellieren. Links zwischen den Seiten einer Website können als Beziehungen zwischen den Haftnotizen dargestellt werden. Diese Be- ziehungen werden mit einem stiftartigen Werkzeug auf die Oberfläche „gezeichnet“ und bleiben auch erhalten, wenn die Haftnotizen anders platziert werden. Zum Entfernen einer Beziehung wird ein „Radiergummi“ verwendet, mit dem diese „ausradiert“ werden kann. Als wesentlich für die Nachvollziehbarkeit der erstellten Website-Struktur bezeichnen Klemmer et al. (2002) deren Erstellungsgeschichte. Sie unterstützen mit ihrem Werk- zeug also die Verfolgung und den Abruf der Entstehungshistorie eines Modells. Durch 167 6.6. Tabletop Interfaces zur Erstellung diagrammatischer Modelle die Visualisierbarkeit unterschiedlicher Entwicklungszweige ist auch die Vergleichbarkeit sequentiell entwickelter Modellvarianten möglich. Digital Montessori-inspired Manipulatives Die Entwicklung der „Digital Montessori-inspired Manipulatives“ (Zuckerman et al., 2005) basiert auf den pädagogischen Ansätzen von Maria Montessori (Montessori, 2005). Die Autoren beschreiben ein System zur Erschließung physikalischer Zusammenhänge (z.B. Regelkreise) mittels konzeptueller Modelle, die durch die physische Anordnung und Zusammenschaltung von funktionalen Bausteinen erzeugt werden. Entsprechend der Prinzipien von Montessori wird vor allem die physische Unmittelbarkeit der Modellreprä- sentation als nützlich für den angestrebten Lernerfolg gesehen. Ein zweiter wesentlicher Aspekt ist die Möglichkeit zur Selbstkontrolle, d.h. der eigenständigen Überprüfbarkeit der Wirkung der modellierten physikalischen Zusammenhänge. Dazu wird durch das Sys- tem auf Basis des erstellten Modells eine Simulation durchgeführt und deren Ergebnisse direkt auf den Bausteinen visualisiert. Zum Einsatz kommen dabei Miniatur-Displays bzw. Leuchdioden, die in den Bausteinen integriert sind. Die Struktur des Modells wird aus der Leitfähigkeit der physischen Verbinder zwischen den Bausteinen abgeleitet. Es ist somit weder externe Infrastruktur zur Erhebung der Modellparameter noch zur Visualisierung von zusätzlicher Information notwendig. Dementsprechend muss die Oberfläche, auf der modelliert wird, keine speziellen Eigenschaften aufweisen oder mit Sensoren und Aktuatoren angereichert werden. Die Klassifikation als „Tabletop Inter- face“ bezieht sich deshalb hier alleine auf den Nutzungskontext, nicht aber auf die tech- nischen Eigenschaften des Werkzeugs. 6.6.2. Aktuelle verwandte Ansätze In der aktuellen Literatur sind zwei Ansätze beschrieben, die so wie das vorliegende System ein Tabletop Interface verwenden, um semantisch offene diagrammatische Mo- delle in der Form von „Concept Maps“ abzubilden. Diese beiden Arbeiten werden im Folgenden kurz beschrieben und hinsichtlich ihrer technischen Umsetzung betrachtet. A Tangible Approach to Concept Mapping Tanenbaum und Antle (2009) schlagen ein System vor, mit dem Concept Maps im Lehr- und Lernkontext erstellt werden können. Sie bedienen sich dazu eines Tabletop Inter- faces, bei dem die Concept Map vollständig digital von unten auf die Tischoberfläche projiziert wird. „Vollständig digital“ bedeutet hier, dass sowohl die Knoten der Concept Map als auch deren Kanten und sämtliche Beschriftungen digital dargestellt werden und nicht physisch auf der Oberfläche vorhanden sind. 168 6.6. Tabletop Interfaces zur Erstellung diagrammatischer Modelle Die Manipulation der Objekte erfolgt mittels „Pucks“ (Auswahlelemente im Sinne des „Sensetable“-Systems), mit Hilfe derer die Elemente der Concept Map erzeugt und ver- schoben und gelöscht werden können. Technisch kommt dazu das ReacTIVision-System des ReacTable (vgl. Abschnitt 6.5.2) zum Einsatz. Auf der Unterseite der „Pucks“ sind die visuellen Codes des ReacTIVision-Systems angebracht, die von unten mit einer Ka- mera erfasst werden. Die Autoren beschreiben eine Reihe von während der Evaluierung identifizierten Ei- genschaften der Umsetzung des Werkzeugs, deren Berücksichtigung bei der Konzeption des hier behandelten Systems notwendig ist: • Die Erkennung der „Pucks“ war instabil (zu kleine Codes), dadurch traten Pro- bleme beim Verschieben von Knoten aus (diese wurden „verloren“). • Die Oberfläche wurde als zu klein wahrgenommen, um sinnvoll eine Concept Map abbilden zu können (max. 6-7 Knoten auf der Oberfläche möglich). • Das Herstellen von Verbindern durch Zusammenführen zweier „Pucks“, die jeweils ein Element tragen, scheint in der Benutzung verständlich und leicht erlernbar zu sein. • Das vorliegende System unterstützt lediglich ungerichtete Verbindungen. Benutzer benötigen jedoch gerichtete und ungerichtete Verbindungen, um alle sinnvollen Beziehungen in der Concept Map eindeutig darstellen zu können. • Das vorliegende System arbeitet mit fest vorgegebenen Knoten und Kanten, die jedoch frei angeordnet und assoziiert werden können. Die festen Vorgaben wurden jedoch von den Benutzern als zu einschränkend wahrgenommen. Multi-finger interactions with papers on augmented tabletops Do-Lenh et al. (2009) setzen ihre Anwendung ebenfalls im Zusammenhang mit der Un- terstützung von Lehr- und Lernprozessen ein. Sie verwenden dazu ein portables System, dass die Erstellung von Concept Maps auf beliebigen ebenen Oberfläche ermöglicht. Die Knoten der Concept Map werden dabei durch Kärtchen symbolisiert, die mit zweidi- mensionalen Barcodes versehen sind, um deren Position erkennen zu können. Die Posi- tionserkennung wird mittels einer auf einem Galgen montierten Kamera vorgenommen. Verbindungen werden ausschließlich projiziert, wozu ein neben der Kamera montierter Projektor verwendet wird. Zur Informationseingabe können die Knoten-Kärtchen bereits beschriftet vorliegen oder während der Modellierung mit einer virtuellen Tastatur mit einer Bezeichnung versehen werden, die dann ebenfalls projiziert werden. Verbindun- gen werden hergestellt, indem die betreffenden Kärtchen zusammengeführt werden oder mittels einem speziellen Steuerkärtchen verbunden werden. Zusätzlich zu den mit der Kamera erfassbaren Elemente, die mit einem 2D-Barcode versehen sind, können auch die Postionen von Fingerberührungen auf der Oberfläche 169 6.7. Zusammenfassung erkannt werden. Dazu wird ein Laserstrahl knapp über der Oberfläche ausgestrahlt, der bei auf der Oberfläche aufgesetzten Fingern nach oben abgelenkt wird und so an der Stelle der Berührung einen klar identifizierbaren Punkt auf dem Kamerabild hinterlässt. Es ist so möglich, auch mehrere Berührungen simultan zu erkennen. Lediglich vertikal hintereinander angeordnete Finger können zu Erkennungsproblemen führen. In der konkreten Anwendung werden die Fingergesten mit den Postionsinformationen der Kärtchen kombiniert, um etwa Verbindungen durch Markieren mit zwei Fingern löschen zu können oder auf der virtuellen Tastatur (die auf einem ebenfalls mit einem Barcode versehenen größeren Kärtchen aufgedruckt ist) Text eingeben zu können. Zur Evaluation führten die Autoren eine vergleichende Studie unter Berücksichtigung des vorgestellten Werkzeugs und den rein rechnerbasierten CMapTools (Cañas et al., 2004) durch. Sie beschreiben einen Unterschied in der beobachteten Kooperation der Teilnehmer bei der kollaborativen Erstellung einer Concept Map. Konkret ist eine Ko- operation der Teilnehmer im Falle des Tabletop Interfaces bereits von Beginn der Mo- dellierung an zu beobachten gewesen, während bei Einsatz der CMapTools eine stärkere Unterteilung in individuelle und kooperative Arbeitsphasen zu erkennen war. Weiters wurde auch in diesem Fall die Oberfläche als zu klein für eine sinnvolle Modellierung der gestellten Aufgabe wahrgenommen. Das Löschen von Verbindungen konnte mittels der bereits beschriebenen Finger-Aktion oder mittels einem Kärtchen ausgeführt werden. Diese Redundanz wurde von Benutzern als nützlich und unterstützend wahrgenommen und auch in der konkreten Anwendung komplementär verwendet. 6.7. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden – noch unabhängig von der konkreten Implementierung des Werkzeugs – die Grundlagen des Forschungsgebiet der Tangible (Tabletop) Interfaces beschrieben. Die Entscheidung, das Werkzeug mittels einer „begreifbaren“ Benutzungs- schnittstelle umzusetzen, wurde in Kapitel 5 getroffen und begründet. In den nun fol- genden Kapiteln wird auf die Konzeption und Umsetzung des Werkzeugs auf technischer Ebene eingegangen. Dieses Kapitel ist als Brücke zu sehen, die die relevanten Begriffe einführt und den State-of-the-Art zusammenfasst. Die Schnittstelle zu den Ausführungen im ersten Teil dieser Arbeit werden durch die Abschnitte zu der Wirkung von Tangible Interfaces auf Lernprozesse und Kooperation gebildet. Im Mittelteil des Kapitels wurden konzeptuelle Ansätze beschrieben, die sich mit der Begriffsbildung, Klassifikation und Spezifikation von Tangible Interfaces beschäf- tigen. Diese dienen in weiterer Folge dazu, die in dieser Arbeit verwendete Nomenklatur festzulegen und mögliche Herangehensweisen zum Design des Werkzeugs zu identifizie- ren. Auf die hier beschrieben Arbeiten wird auch in Kapitel 10 zurückgegriffen, um das 170 6.7. Zusammenfassung hier entwickelte Werkzeug in das Forschungsfeld einzuordnen und mögliche konzeptuell begründbare Schwachstellen und Verbesserungspotential zu identifizieren. Die letzten Abschnitte in diesem Kapitel bilden die Brücke zu den nun folgenden technologie-orientierten Kapiteln. Sie fokussieren auf Tabletop Interfaces (also Schnitt- stellen, deren Referenzrahmen Tischoberflächen sind) und Tangible Interfaces, die zur Modellbildung eingesetzt werden. Die beiden Abschnitte stellen dabei die historische Entwicklung und den State-of-the-Art aus Systemsicht dar und bilden so die technische „related work“ zum im Folgenden beschriebenen Werkzeug. 6.7.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung Dieses Kapitel trägt die konzeptuellen Grundlagen zur Bearbeitung des Werkzeug-Aspektes im Rahmen der Beantwortung von Fragestellung 4 („Wie kann ein Instrument zur Unter- stützung von expliziter Articulation Work umgesetzt werden?“) bei. Die Beschäftigung mit diesen Grundlagen in den Abschnitten 6.2 und 6.3 ist notwendig, um auf Basis der in Kapitel 5 angeführten Technologieentscheidung für die Verwendung eines „Tabletop Interfaces“ für die Unterstützung der konzipierten Methodik dessen konkrete Ausgestal- tung fundiert vornehmen zu können. In Abschnitt 6.6 werden interaktive Systeme vor- gestellt, die der vorgeschlagenen Methodik zugrundeliegende oder verwandte Methoden unterstützen, so die aus technischer Sicht unmittelbare „Related Work“ dieser Arbeit darstellen und damit ebenfalls zur Beantwortung der Fragestellung 4 beitragen. Eine Voraussetzung zur effektiven Unterstützung von „Articulation Work“ ist wie in Kapitel 1 argumentiert eine effektive Verwendbarkeit der konzipierten Instruments. Während für deren Beurteilung notwendigen Messkriterien bereits in Kaptitel 5 iden- tifiziert wurden, kann die zu erwartende Verwendbarkeit auch auf Basis konzeptueller Überlegungen zur Gestaltung von „Tangible Interfaces“ bzw. „Tabletop Interfaces“ er- folgen. In diesem Sinne trägt Abschnitt 6.4 insofern zu Fragestellung 5 („Wie kann die Effektivität der Unterstützung von expliziter Articulation Work beurteilt werden?“) bei, als dass in ihm die existierenden Arbeiten zur konzeptuellen Beschreibung bzw. zur Gestaltung von „Tangible Interfaces“ aufgearbeitet werden und etwaige zu beachtende Gestaltungsrichtlinien identifiziert werden können, deren Einhaltung in weiterer Folge geprüft werden kann. 6.7.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse Die Ergebnisse dieses Kapitels bilden die Grundlage für die Durchführung der Konzepti- on des Werkzeugs und der Benutzerinteraktion mit diesem in den Kapiteln 7 und 8 dar. Während ein Großteil der Ergebnisse das Rahmenwerk für die Konzeption der Werk- zeugs bildet, fließen einige Ergebnisse wie die Taxonomie nach Fishkin (2004) direkt in das Design ein. 171 6.7. Zusammenfassung Die Ergebnisse des Abschnitts 6.4 werden außerdem in Kaptitel 10 wieder aufgegriffen und für die Beurteilung des Werkzeugs auf konzeptueller Ebene zur Identifikation von etwaigen Schwachstellen oder Verbesserungspotential eingesetzt. 172 7. Eingabe und Interpretation In diesem Kapitel wird jener Teil des Werkzeugs beschrieben, in dem die Interaktion der Benutzer mit dem System erfasst und interpretiert wird. Abbildung 7.1 stellt dieses Kapitel und dessen Aufbau im Kontext der anderen inhaltlich vor- und nachgelagerten Kapitel dar. Abbildung 7.1.: Kapitel „Eingabe und Interpretation“ im Gesamtzusammenhang Der erste Abschnitt behandelt grundlegende Möglichkeiten zur Erfassung der Benut- zerinteraktion auf Tabletop Interfaces und endet mit der Identifikation einer für den Anwendungsfalls geeigneten Technologie. Diese wird durch die Beschreibung von da- für verfügbaren Frameworks konkretisiert, was letztendlich in der Entscheidung für ein konkretes Produkt mündet. Basierend auf dieser Entscheidung wird in den darauf folgenden beiden Abschnitten auf das Design der Hard- und Softwarekomponenten eingegangen, die unmittelbar der Eingabe von Information durch Benutzer dienen. Der Ausgabeaspekt wird hier bewusst 173 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion ausgeklammert und im nächsten Kapitel beschrieben. Dieses Kapitel endet mit einer Beschreibung der Interpretationsroutinen, die aus den durch das Framework gelieferten Rohdaten höherwertige, anwendungsspezifische Information extrahieren und diese den nachgeordneten Software-Modulen zur Verfügung stellen. 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion Im Gegensatz zu Systemen mit dezidierten Eingabegeräten (wie Tastatur oder Maus) ist die Informationseingabe bei Tangible Interfaces unmittelbar an physische Tokens gebunden, die unabhängig voneinander und gegebenenfalls auch simultan manipuliert werden können. Diese Manipulation muss von einer vorhandenen Infrastruktur erfasst und interpretiert werden. Der wesentliche Unterschied zu dezidierten Eingabegeräten besteht darin, dass die Manipulation des physischen Artefakts selbst für den Benutzer bedeutungstragend ist und nicht nur dem Zweck einer Zustandsänderung im digitalen Informationsraum dient. Dies impliziert, dass der Zustand der verwendeten Tokens bzw. der aktuelle Wert der relevanten Parameter (z.B. Position, Rotation, Form, . . . ) erfasst werden können, ohne die Bedeutung der Tokens oder deren Manipulierbarkeit in der realen Welt zu beeinträchtigen. Je nach Anwendungsfall kommen dafür mehrere un- terschiedliche technologische Ansätze in Frage. Die Beurteilungskriterien die dabei zu berücksichtigen sind, umfassen die zu erhebenden Parametern und die notwendige Er- fassungsrate des Zustandes der Tokens sowie die Anzahl der simultan zu erfassenden Tokens bzw. Parameter. Im konkreten System muss – wie aus den Anforderungen in Kapitel 5 ableitbar – die planare Position von mehreren Tokens in Echtzeit (d.h. mehrmals pro Sekunde mit für den Benutzer nicht wahrnehmbaren Verzögerungen) erfasst werden. Neben der Positi- on ist noch die Rotation eines Tokens als Raumparameter von Interesse. Bezüglich des Zustands eines Tokens muss erfasst werden können, ob es geöffnet oder geschlossen ist und ob es eingebettete Objekte enthält oder nicht. Mit diesen Anforderungen wird in den folgenden Unterabschnitten ein technologischer Ansatz zur Umsetzung der Interak- tionserkennung ausgewählt. 7.1.1. In Frage kommende technologische Ansätze Bei der Auswahl möglicher technologischer Ansätze zur Erfassung der Benutzerinterak- tion müssen die zu erfassenden Parameter unterschiedlich behandelt werden. Konkret werden hier Ansätze zur Erfassung der Raumparameter (Position, Rotation) und An- sätze, die Zustandsänderungen des Tokens erfassbar machen, unterschieden. 174 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion Raumparameter Zur Erfassung von Raumparametern von Tokens bieten sich mehrere technologische An- sätze an. In Frage kommen für das konkrete Tabletop Interface nur Technologien, die eine Erfassung dieser Parameter mit einer Genauigkeit im Zentimeter- bis Millimeter- Bereich ermöglichen, da eine niedrigere Raumauflösung zu zu großen Ungenauigkeiten in der Positionsbestimmung führt, die einen Einsatz für das hier vorgestellte Werkzeug nicht erlaubt. Im Folgenden werden die in Frage kommenden Technologien in ihren Grundzügen beschrieben und hinsichtlich ihrer Eignung für das konkrete System bewer- tet. Optisch Optische Positionsbestimmung erfolgt mit Hilfe von Kamera-Systemen und Methoden der digitalen Bildverarbeitung. Die Kamera erfasst dabei die zu identifizie- renden Tokens. Das resultierende Bild wird mit in Software umgesetzten Algorithmen ausgewertet. Dadurch können zumindest Identität und Position, zumeist aber auch wei- tere Raumparameter (wie Rotation) aller im Erfassungsbereich der Kamera befindlichen Tokens ermittelt werden. Neben dem optischen Erfassungsbereich bestimmen zudem die Auflösung der Kamera sowie die Größe der Tokens die letztendlich erfassbare Fläche. Optische Systeme sind bei schlechten oder wechselnden Lichtverhältnissen generell eher fehleranfällig und nicht robust gegen Verdeckungen von Tokens (etwa durch Gliedmaßen oder andere Tokens). Hinsichtlich des Identifikationsansatzes können zwei Arten von Systemen unterschie- den werden. Codebasierte Systeme verwenden zur Identifikation eines Tokens einen von der Kamera erfassbaren Code (etwa einen „Barcode“), der eindeutig einem Token zu- geordnet werden kann. Featurebasierte Systeme identifizieren ein Token aufgrund seiner äußeren Eigenschaften, zumeist über dessen Form (Schattenriss). Letztere bieten den Vorteil, dass ein Token nicht durch das Anbringen eines zusätzlichen Codes optisch verändert werden muss. Der größte Nachteil besteht in der Eigenschaft, dass nur To- ken mit unterschiedlichen Formen eindeutig identifiziert werden können. Die eindeutige Identifikation von mehreren Tokens einer Bauart ist bei featurebasierten Systemen nicht möglich. Codebasierte Systeme verwenden zumeist nicht herkömmliche EAN1-Barcodes sondern robustere Systeme, bei denen eine Erkennung auch unter widrigen Beleuch- tungsbedingungen oder niedrigen Bildauflösungen möglich ist und die zum Teil auch die Extraktion zusätzliche Information über weitere Raumparameter (wie Rotation, teilwei- se auch Parameter der dritten Dimension wie Neigung oder Entfernung) ermöglichen. Codebasierte Systeme können hinsichtlich der Art der Codierung der Identitätsin- formation wiederum in zwei Klassen unterschieden werden. Eine Gruppe von Ansät- zen integriert die eigentliche Nutzinformation, also im Wesentlichen die tokenspezifische Identifikationsnummer, direkt in den Code und ermöglicht so ein direktes Auslesen der 1European Article Number 175 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion Information (z.B. bei QRCode (ISO JTC1/SC31, 2006)). Die zweite Gruppe verwendet eine indirekte Zuordnung zwischen Token-ID und Code. Bei derartigen Ansätzen muss die Identität eines Tokens in einem Zwischenschritt über eine Mapping-Tabelle abge- bildet werden, im Gegenzug ist die Ausgestaltung des Codes flexibler, im Allgemeinen kann dabei eine höhere Robustheit bei der Erkennung erreicht werden (z.B. ARToolkit (Kato et al., 2000)). Kapazitiv Kapazitive Ansätze basieren auf der Änderung der Kapazität von Leiterbah- nen, die durch deren Berührung mit leitfähigem Material verursacht wird. Ursprünglich wurde die Technologie zur Umsetzung von berührungssensitiven Oberflächen entwickelt, kann jedoch auch zum Tracking von Tokens verwendet werden. Im Gegensatz zu druck- empfindlichen Oberflächen (klassischen „Touchscreens“) ist keine Druckausübung zur Erkennung notwendig, es können außerdem auch mehrere Tokens (bzw. Finger) gleich- zeitig erkannt werden. Technologisch bedingt müssen bei kapazitiven Ansätzen alle zu identifizierenden Ob- jekte die Oberfläche des Systems berühren. In dieser Oberfläche ist ein Metallgitter ein- gebettet, zwischen dessen Adern eine elektrische Kapazität gemessen werden kann. Diese Kapazität verändert sich, sobald die Adern berührt werden (wobei die Tokens in einen entsprechend geeigneten Material ausgeführt sein müssen). Durch die lokale Änderung der Kapazität kann die Position einer Berührung festgestellt werden. Die Genauigkeit ist dabei durch die Rasterweite des Metallgitters beschränkt. Der größte Nachteil eines kapazitiven Ansatzes ist in diesem Kontext aber, dass die Identität eine Tokens nicht direkt festgestellt werden kann (die Kapazitätsänderung ist für alle Token identisch). Zudem ist die Extraktion weiterer Raumparameter (wie Rotation) nicht bzw. nur mit zusätzlichen Aufwand möglich. Die Vorteile von kapazitiven Systemen liegen in der hohen Robustheit der Erkennung auch bei widrigen Umgebungseinflüssen (Lichtverhältnisse, Schmutz) sowie der prinzipiell beliebig großen und beliebig geformten Oberfläche, die zur Erkennung verwendet werden kann. Kapazitive Systeme eignen sich also zur Positionsbestimmung, nicht aber zur Identifi- kation von Tokens. Dies macht sie für den konkreten Anwendungsfall nur in Kombination mit einer anderen Technologie geeignet. Elektromagnetisch Die Ausstattung von Tokens mit elektromagnetisch erfassbaren Einheiten (z.B. RFID-Chips) ermöglicht ebenfalls die Erfassung von Raumparametern. Vorrangig eignet sich diese Technologie jedoch zur Identifikation von Tokens, die Posi- tionsbestimmung kann nur mit erheblichem technischen Aufwand durchgeführt werden. RFID-Chips (als Beispiel für einen elektromagnetischen Ansatz) sind passive Bauteile, die bei Energieversorgung durch ein elektrisches Feld aktiv werden und ihrerseits eine eindeutige Identifikationsnummer senden (im einfachsten Fall, komplexere Varianten sind möglich, werden hier aber nicht betrachtet). Historisch stammt die Technologie aus 176 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion der Logistik und Warenwirtschaft und dient der Identifikation von Gütern und nicht der exakten Positionsbestimmung. Diese ist somit auch nur mittels erweiterter Infrastruktur möglich. Zum Auslesen eines RFID-Chips wird ein Lesegerät mit Antenne benötigt. Aus der Feldstärke, mit der diese Antenne die Antwort des Chips empfängt, kann auf die Entfernung des Chips von der Antenne geschlossen werden. Durch Kreuzpeilung mit mindestens zwei Antennen, deren Position bekannt ist, kann somit auf die ungefähre Position des Chips (und damit des Tokens, in das dieser eingebaut ist) geschlossen wer- den. Durch den Einsatz von „Antennenarrays“ (matrixförmig angeordneten Antennen) mit geringer Reichweite ist so eine verhältnismäßig exakte (Größenordnung einige cm) Positionsbestimmung möglich. Die Feststellung der Ausrichtung eines Tokens (Rotation) ist auf diesem Wege allerdings nicht möglich. Die Identifikation eines Tokens ist jedoch unabhängig von Sichtkontakt und unmittelbarer Berührung und somit äußerst robust gegen Umgebungseinflüsse. Elektromagnetische Systeme eignen sich wegen des hohen technischen Aufwandes bei gleichzeitig beschränkter Genauigkeit nur bedingt zur Feststellung von Raumparame- tern. Durch die Ausrichtung auf Extraktion der Identitätsinformation ist der Ansatz jedoch gut zur Kombination mit anderen Technologien wie kapazitiven Ansätzen geeig- net, die ihre Stärken in der Bestimmung der Raumparameter haben. Akustisch Akustische Ansätze zur Positionsbestimmung basieren im Allgemeinen auf der Laufzeitmessung von Ultraschallwellen im Raum. Mit entsprechender Infrastruktur ist damit in einem begrenzten Bereich eine hochexakte Feststellung der Raumparameter in drei Dimensionen (Genauigkeit im mm-Berich) sowie die Identifikation von Tokens möglich. Ultraschallbasierte Techniken zur Positionsbestimmung basieren auf dem Einsatz von Bakensendern an bekannten Positionen. Diese Sender werden zumeist an der Zimmerde- cke montiert und senden periodisch einen Ultraschallimpuls aus. Dieser Impuls wird von den Tokens (die in diesem Fall aktive Bauteile mit Stromversorgung sind) empfangen, die daraufhin einen sie identifizierenden Impuls zurücksenden. Aus der Laufzeit zwischen Absetzen des Sendeimpuls und Empfangen des Antwortimpulses bei verschiedenen Ba- ken lässt sich so die Position des Tokens im Raum feststellen. Problematisch ist hierbei jedoch die durch den auf sequentieller Zeitmessung basierenden Ansatz beschränkte An- zahl von verfolgbaren Tokens, wenn Echtzeit-Ansprüche gestellt werden. Zudem ist der Ansatz nicht robust gegen (akustisch) verdeckte Tokens. Eine Anfälligkeit gegenüber anderen Störeinflüssen besteht nicht. Für die Feststellung von Raumparametern sind ultraschall-basierte Systeme generell ausgezeichnet geeignet. Auch die Identifikation von Tokens ist prinzipiell möglich. Bei der Bewertung hinsichtlich des Einsatzes für Tabletop Interfaces ist jedoch zu bedenken, dass eine drei-dimensionale Positionierung nicht zu den allgemeinen Anforderungen zählt und 177 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion nur in speziellen Anwendungsfällen sinnvoll sein kann. Zudem kann die Notwendigkeit von stromversorgten Tokens einen Nachteil bzw. ein Hindernis beim Einsatz darstellen. Bewertung Im konkreten Anwendungsfall ist die Feststellung der Identität sowie der planaren Position und Rotation von mehreren Tokens in hoher Genauigkeit sowie in Echtzeit gefordert. Aus oben genannten Gründen sind kapazitive und elektromagneti- sche Systeme im Einzeleinsatz nur bedingt geeignet. Akustische Systeme sind für den Anwendungsfall als zu aufwändig und unflexibel und stoßen außerdem bei der Anzahl der simultan zu verfolgenden Tokens an ihre Grenzen. Die Kombination von kapazitiven und elektromagnetischen Systemen ist grundsätzlich eine Möglichkeit, die in Betracht gezogen werden könnte. Auch optische Systeme genü- gen den Anforderungen und kommen damit in Frage. Der kombinierte Ansatz ist im Vergleich mit optischen Systemen als robuster gegen Störeinflüsse aus der Umgebung zu betrachten. Für optische Systeme sprechen hingegen die weitaus geringeren Aufwände für Infrastruktur und Tokens sowohl bei Anschaffung als auch bei Wartung und Betrieb. Durch die geringere Komplexität des Systems sind auch weniger potentielle Fehlerquel- len vorhanden, was bei der Erstellung des Werkzeug-Prototypen hilfreich ist. Aufgrund dieser Aspekte und einer vergleichbaren zu erwartenden Erkennungsleistung wurde für den hier vorgestellten Anwendungfall die Entscheidung getroffen ein optisches System zur Bestimmung der Positionsparameter sowie der Identität der Tokens einzusetzen. Tokenzustand Hinsichtlich des Tokenzustands sind im Kontext des hier vorgestellten Anwendungsfalls Informationen zu erheben, die den Inhalt des Tokens betreffen. Wie in Abschnitt 7.2 beschrieben, sind die Modellierungs-Tokens als Container ausgeführt, die geöffnet und geschlossen werden können und in die kleinere Tokens als Trägen von Zusatzinformati- on hineingelegt werden können. Die Auswahl eines Ansatzes, der die Identifikation des Öffnungs-Zustandes eines Tokens sowie dessen Inhalt erlaubt, ist Gegenstand dieses Ab- schnitts. Dazu wird grundlegend zwischen dem Einsatz von passiven Tokens und aktiven Tokens unterschieden. Passive Tokens besitzen keine zusätzliche Elektronik, die geforder- ten Informationen können lediglich durch die bereits vorhandene (optische) Infrastruk- tur festgestellt werden. Aktive Tokens werden hingegen mit zusätzlicher Elektronik zur Zustandsbestimmung ausgestattet, was allerdings eine Energieversorgung jedes Tokens bedingt. Passive Token Bei passiven Tokens muss sichergestellt werden, dass die bereits vor- handene Infrastruktur die Zustandsänderungen eines Tokens erfassen kann. Da die vor- handene Infrastruktur auf optischen Technologien basiert, müssen sich alle Zustandsän- 178 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion derungen im äußeren – durch die Kamera erfassbaren – Erscheinungsbild eines Tokens widerspiegeln. Der Öffnungszustand eines Tokens kann durch Kameras einfach erfasst werden, wenn sich – je nach eigesetzter Technologie – durch das Öffnen der Umriss des Tokens verändert oder ein weiterer Code sichtbar wird bzw. der bestehende Code modifiziert wird. Diese Anforderung kann also durch passive Tokens erfüllt werden. Zur Erfassung des Inhalts eines Container-Tokens sind zwei Ansätze denkbar. Einer- seits kann der Inhalt eines Tokens zu einem bestimmten Zeitpunkt erfasst werden, an- dererseits ist auch eine Erfassung der Änderung des Tokeninhalts möglich (Erfassung des Vorgangs von Hineinlegen und Herausnehmen). Diese beiden Möglichkeiten sind hinsichtlich der Umsetzbarkeit mit passiven Token unterschiedlich zu beurteilen. Eine Erfassung das aktuellen Tokeninhalts ist mit optischen Systemen nur schwer möglich. Die einzige sich bietende Möglichkeit ist die Verwendung von transparenten Teilbereichen der Außenfläche eines Tokens. Damit ist es grundsätzlich möglich, den Inhalt eines To- kens mit einer externen Kamera zu erfassen. Sowohl bei feature- als auch code-basierten Ansätzen sind jedoch Verdeckungen, Verzerrungen oder zu geringe Kameraauflösung potentiell problematisch und machen diesen Ansatz für den praktischen Einsatz unge- eignet. Die Erfassung der Änderung des Tokeninhalts lässt sich mit optischen Systemen ein- fach implementieren. So kann der Vorgang des Hineinlegens als auch des Herausnehmens von einer Kamera erfasst werden. Die größte Herausforderung hierbei ist die Identifika- tion des Tokens, das eingebettet wird. Hier kann es wiederum durch Verdeckungen zu Erkennungsschwierigkeiten führen, was in diesem Fall einen permanent fehlerhaften Mo- dellzustand zur Folge hat, der im Falle wiederholter Fehlerkennungen sogar inkrementell zu größeren Abweichungen führen kann. Diesem Umstand kann lediglich durch eine explizite Aktion des Benutzers Rechnung getragen werden, der das betreffende einzu- bettende Token ins Sichtfeld der Kamera halten muss, bis das System Feedback über eine erfolgreiche Erkennung gibt. Diese Lösung ist allerdings hinsichtlich der Anforde- rung, die Technologie für den Benutzer vollkommen in den Hintergrund treten zu lassen, suboptimal. Aktive Token Aktive Tokens beinhalten zusätzliche Sensorik, die die Erfassung des To- kenzustands ermöglicht. Derartige Tokens benötigen allerdings eine Energieversorgung und müssen über eine Möglichkeit zur Datenübertragung verfügen um den Tokenzustand an das System zu übermitteln. Weiters ist im Allgemeinen eine Steuereinheit notwendig um die Sensoren zu kontrollieren, die Daten zu aggregieren und letztendlich zu übertra- gen. Im konkreten Fall einer optisch arbeitenden Infrastruktur bietet sich eine (ggf. auflad- bare) Batterie als Energiequelle an, um im Kamerabild Verdeckungen durch ansonsten eventuell zu verwendende Kabel zu vermeiden. Eine Stromversorung über die Oberfläche 179 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion (wie z.B. im Pin & Play System (Van Laerhoven et al., 2003) vorgestellt) scheidet hier aus, da die Blöcke dann mit Krafteinsatz auf die Oberfläche gesetzt werden müssten und nicht verschoben werden können. Als Steuerungseinheit bieten sich neben selbst auf der Basis von Mikrocontrollern wie dem PIC oder 8051 (James, 1997) konzipierten Systemen auch Plattformen an, die ex- plizit für den Anwendungszweck der Ansteuerung von Sensoren oder Aktuatoren und der Kommunikation mit einem Basissystem gefertigt werden. Exemplarisch kann hier die Smart-ITs-Plattform (Gellersen et al., 2004) angeführt werden, die neben der flexi- blen Ansteuerbarkeiten von unterschiedlichen Sensoren bereits Module zur Vernetzung untereinander und mit zentralen Diensten in der Infrastruktur anbietet. Aus den eben angeführten Gründen ist zur Datenübertragung eine drahtlos arbeiten- de Technologie am geeignetsten. Aufgrund der geringen benötigten Reichweite und der Anforderung möglichst energieeffizient zu arbeiten, bieten sich die Technologien „Blue- tooth“ (Bluetooth SIG, 2007) und „ZigBee“ (ZigBee Alliance, 2007) an. Bluetooth er- reicht höhere Übertragungsraten, ist aber in der Anzahl der gleichzeitig verwendbaren Geräte (max. 7) für den hier vorgestellten Anwendungsfall zu beschränkt. Ein ZigBee- Netz kann mit bis zu 255 Geräten gleichzeitig arbeiten und ist außerdem im Einsatz energiesparender. Für den gegebenen Anwendungsfall erschiene also ZigBee als geeig- nete Technologie (und wurde auch bereits in (Ferscha et al., 2008) in einem ähnlichen Anwendungsfall erfolgreich eingesetzt). Zur Feststellung des Öffnungsstatus eines Container-Tokens bieten sich bei aktiven Sensortechnologien mehrere Möglichkeiten an. Der Einsatz eines Schaltelements, das beim Öffnen den Kontakt herstellt oder unterbricht, ist eine nahe liegende Lösung. Auch der Einsatz eines Drehelements am Angelpunkt des Öffnungsschaniers, dessen elektrische Eigenschaften (z.B. Widerstand oder Kapazität) sich mit dem Öffnungswinkel ändern, kann angedacht werden. Damit ist nicht nur eine Unterscheidung zwischen den Zustän- den „offen“ oder „geschlossen“ sondern auch die Identifikation von Zwischenzuständen möglich. Der Inhalt eines Container-Tokens kann ebenfalls mit unterschiedlichen Technologien erfasst werden. Die Zielsetzung ist hier nicht der Positionsbestimmung der eingebet- teten Tokens sondern lediglich die Feststellung der Identität. Naheliegend ist hierzu der Einsatz von elektromagnetischen Ansätzen wie oben beschrieben. Durch das An- bringen von z.B. RFID-Chips an den einzubettenden Tokens sowie eines Lesegeräts im Container-Token kann die Identifikation robust durchgeführt werden. Alternativ bieten sich Systeme an, die auf Gewichtsmessung basieren. Über einen in das Container-Token eingebauten Sensor wird dabei das Gesamtgewicht der eingebetteten Tokens bestimmt. Bei entsprechender Konzeption der einzubettenden Tokens (unterschiedliche Gewichte) kann aus dem Gesamtgewicht auf die tatsächlich enthaltenen Tokens geschlossen werden. Ein Nachteil dieses Ansatzes ist die beschränkte Anzahl von erfassbaren Tokens und die 180 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion notwendige exakte Fertigung jedes einzelnen Tokens, da es bei Gewichtsabweichungen zu Fehlerkennungen kommt. Bewertung Hinsichtlich der erreichbaren Flexibilität und zu erwartenden Servicequa- lität ist in diesem Abschnitt eine Entscheidung zugunsten aktiver Tokens zu treffen. Im Gesamtkontext betrachtet und unter Berücksichtigung der Entscheidung für optische Systeme zur Bestimmung der Positionsparameter ist diese Wahl jedoch zu relativieren. Wie oben beschrieben, erlaubt eine auf optischen Systemen beruhende Infrastruktur grundlegend die Umsetzung der geforderten Funktionalität. Gleichzeitig wird die Kom- plexität des Systems massiv reduziert und die Erstellung zusätzlicher Tokens vereinfacht (da keine zusätzliche Elektronik notwendig ist). Der Wegfall von Energieversorgung und Sensorlogik in den Token reduziert deren Gewicht und ermöglicht gleichzeitig mehr Platz für einzubettende Tokens. Für den hier beschriebenen Anwendungsfalls bzw. die prototypische Umsetzung des Werkzeugs wird deshalb auf aktive Tokens verzichtet und der Einsatz von passiven To- kens bevorzugt. Der Mehraufwand in Erstellung und Wartung des Systems beim Einsatz aktiver Tokens wiegt in der Gesamtheit betrachtet die zu erwartende höhere Erkennungs- qualität nicht auf. 7.1.2. In Frage kommende Frameworks Unter Anbetracht der im vorherigen Abschnitt getroffenen grundlegender Technologie- entscheidung zugunsten optischer Erkennungstechnologie mit passiven Tokens werden nun unterschiedliche Frameworks betrachtet, die die Umsetzung dieses Ansatzes erlau- ben. Dabei sind zwei Klassen von Frameworks zu unterscheiden: Generische Frameworks für Tangible Interfaces ermöglichen generell die Koordination von Services, die die Kopplung von Sensoren und Aktuatoren mit Interpretations-Logik und letztendlich konkreten Applikationen erlauben. Sie gehen dabei nicht auf konkrete Sensortechnologien (wie die hier verwendeten optischen Ansätze) ein sondern versuchen eine Abstraktionsebene einzuführen, die die Applikationen von der konkreten Technolo- gie entkoppelt und damit flexibler macht. Frameworks für video-basierten Input für Tangible Interfaces sind spezialisierte Pro- dukte, die konkret für die Umsetzung von optischen Ansätzen zur Eingabe von Daten bei Tangible Interfaces ausgelegt sind. Durch die Spezialisierung auf optische Identifikation liegt ihr Vorteil im geringeren technischen Aufwand bei der Einrichtung und auch wäh- rend des Betriebs. Echtzeit-Anforderungen sind oft nur mit spezialisierten Frameworks zu erfüllen. Eine Kombinationsmöglichkeit zwischen Produkten der beiden Kategorien ergibt sich beim Einsatz eines spezialisierten Frameworks als Eingabe-Modul für eine generisches Framework. Durch diesen Ansatz kann die einfache Inbetriebnahme spe- 181 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion zialisierter Frameworks mit der Flexibilität generischer Frameworks zusammengeführt werden. Generische Frameworks Generische Frameworks zur Behandlung von Input und Output bei Tangible Interfaces sind historisch nicht exakt von anderen Frameworks abzugrenzen, die im Umfeld des Ubiquitous bzw. Pervasive Computing (Weiser, 1991) entwickelt wurden. Von konkre- ter Technologie abstrahierende Frameworks wurden erstmals im Zusammenhang mit „Context-aware Computing“ (Schilit et al., 1994) erwähnt, um Applikationen die Mög- lichkeit zu bieten Information aus der Umgebung über beliebige Sensoren zu erfassen, diese zu aggregieren und zu interpretieren. Aufbauend auf dieser Interpretation sollen Aussagen über den aktuellen Zustand der Umgebung (den „Kontext“) getroffen werden können, die die Applikationen wiederum zur Adaption benutzen können. Der Rück- kanal, also die Ansteuerung von Aktuatoren, wurde erst in späteren Entwicklungen berücksichtigt. Ein Großteil der Systeme dient explizit nicht der Erstellung von markt- reifen Applikationen sondern widmet sich eher der Umsetzung von „Rapid Prototyping“- Ansätzen im Bereich der Tangible Interfaces. Begründet wird dies mit der oft subop- timalen Ressourcen-Ausnutzung, die mit der Generalisierung und Flexiblisierung des Frameworks einhergeht. Die Aufzählung der hier beschriebenen Frameworks erhebt keinen Anspruch auf Voll- ständigkeit. Bei der Auswahl wurde darauf geachtet, historische bzw. für den konkreten Anwendungsfall geeignete Ansätze aufzunehmen und in ihren wesentlichen Eigenschaf- ten zu beschreiben. Context Toolkit Das Context Toolkit (Dey et al., 2001) ist das historisch erste Frame- work, das versucht, die starre Verbindung zwischen Sensoren und Applikationslogik aufzubrechen. Es führt eine konfigurierbare Schicht ein, die eine schnellere, generische- re Applikationsentwicklung ermöglicht und die Wiederverwendung einmal entwickelter Komponenten ermöglicht. Konzeptuell existieren im Framework drei Arten von Komponenten: „Context Wid- gets“, „Context Interpreters“ und „Context Aggregators“. „Context Widgets“ imple- mentieren die Ansteuerung beliebiger Software- und Hardwaresensoren und sind für das Sammeln von Information über die Umgebung zuständig. Sie vermitteln zwischen der physischen Umgebung und den konzeptuell höher liegenden Komponenten, indem sie die unverarbeiteten Kontextdaten mittels einer geeigneten Schnittstelle kapseln und be- stimmte Funktionen zur ersten Auswertung der Rohdaten ausführen. Eine Anwendung kann diese Daten verwenden, ohne dass sie Detailkenntnisse über die zugrunde liegenden Sensortechnologien haben muss. „Context Interpreter“ aggregieren die Sensordaten zu komplexeren Kontextinformationen d.h. sie konvertieren und interpretieren die Daten 182 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion mehrerer „Context Widgets“ und versuchen diese zu einheitlichen Clustern zusammen- zufassen. „Context Aggregators“ dient der Zusammenführung verschiedener Kontext- informationen, die für bestimmte Anwendungen relevant sind. „Context Aggregators“ bilden damit die Schnittstelle zu den eigentlichen Applikationen. Das Context Toolkit bietet nicht nur eine Softwareschnittstelle zu physischen Sensoren, es trennt auch die Akquisition und Repräsentation von der Auslieferung der Daten an kontextsensitive Applikationen. SiLiCon Context Framework Das SiLiCon Context Framework (Beer et al., 2003) ist ein Vertreter jener Klasse von Frameworks, deren Verhalten zur Laufzeit dynamisch kon- figurierbar ist. Dies bedeutet im konkreten Fall, dass Applikationen, die auf Basis des SiLiCon Context Framework erstellt wurden, ihr Verhalten und ihren Aufbau aufgrund eintretender Ereignisse verändern können. Dies betrifft sowohl das Aktivieren und Deak- tivieren von Input- und Output-Kanälen also auch die Veränderung der Interpretation der eingehenden Information und die Reaktion darauf. Das Framework wurde entworfen um Szenarien beschreiben zu können, in denen interaktive Systeme kontextsensitiv – d.h. abhängig vom aktuellen Zustand ihrer Umwelt – reagieren müssen. Die grundlegenden Bausteine des SiLiCon Context Framework sind „Entitäten“, die Objekte der realen Welt konzeptuell abbilden. Diese „Entitäten“ besitzen „Attribute“, also Eigenschaften, mit Hilfe derer die Entität näher beschrieben wird. Über „Attri- bute“ kann die Wahrnehmung einer „Entität“ von deren Umwelt sowie deren Interak- tionsmöglichkeiten mit derselben beschrieben werden. Mit Hilfe von ECA-Regeln wird beschrieben, auf welche Wahrnehmung der Umwelt („Event“) eine Entität unter welchen Bedingungen („Condition“, formuliert auf Basis des internen Zustands der Entität) mit welchen Aktivitäten („Acti“on) reagiert. Diese Regeln können zur Laufzeit dynamisch verändert und nachgeladen werden. Außerdem ist es möglich, in „Actions“ das Nachladen von Entitäten oder das Hinzufügen oder Entfernen einzelner Attribute durchzuführen (Oppl, 2004, S. 90). Das SiLiCon Context Framework abstrahiert durch seine konzeptuelle Struktur mit dem Einsatz von „Entitäten“ und „Attributen“ nicht so stark von der realen Welt wie das zuvor beschriebene Context Toolkit – die Abbildung ist im ersten Schritt „direk- ter“ und muss erst im zweiten Schritt technisch konkretisiert werden, ein klassischer Softwareengineeringprozess (im Sinne von „Analyse – Design – Implementierung“) wird damit vollständiger (auch in den ersten Phasen) durch das Framework abgebildet und unterstützt. Papiermaché Papiermaché (Klemmer et al., 2004) ist eines der ersten Rapid Prototyp- ing Frameworks, die dezidiert zur Entwicklung von Tangible Interfaces entworfen wur- den. Es fokussiert auf die Anbindung von Inputtechnologien für passive Objekte (RFID oder optische Ansätze) und stellt Applikationen eine abstrahierte Sicht auf die reale Welt 183 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion zur Verfügung (in Form einer Repräsentation der erfassten Objekte als „Phobs“ – Phy- sical Objects –, die die für die jeweilige Applikation relevanten Daten kapseln). Andere Eingabekanäle sind in der zur Verfügung stehenden Implementierung nicht vorgesehen – die Einordnung als generisches Framework ist aufgrund der übrigen Architektur trotz- dem gerechtfertigt. Der Benachrichtigungsmechanismus erfolgt wie im Context Toolkit ereignisgesteuert – d.h. jede Änderung der erfassten Umgebung generiert ein Ereignis im Framework, das an die weiterverarbeitende Applikation weitergeleitet wird. Im Sinne des Rapid Prototyping stellt Papiermaché als einziges hier betrachtetes Framework eine Art Entwicklungs- und Laufzeitumgebung für Tangible Interfaces zur Verfügung. Mittels dieser können Applikationsentwickler etwa Eingabekanäle auswählen und die Interpretation der Rohdaten zur Laufzeit konfigurieren. Die Entwicklungsum- gebung macht die zugrundeliegende Hardware für den Entwickler dabei transparent, er muss sich also nicht um die Details der technischen Anbindung kümmern, ist dafür aber auf die bereits implementierten Hardware-Schnittstellen beschränkt. Die Interpretation der Daten beschreibt der Entwickler in Source Code, der über definierte Schnittstellen in das Framework eingebunden wird. Über ein Monitoring-Interface kann die Arbeit des Frameworks zur Laufzeit beobachtet werden um so z.B. Fehlverhalten oder ineffiziente Konfigurationen aufzudecken. Papiermaché versucht mittels der Integration von vorgegebenen Eingabekanälen, die konfiguriert werden können, einen Teil der Komplexität bei der Entwicklung von Tangi- ble Interface abzumildern. Der übrige konzeptuelle Aufbau ähnelt dem Context Toolkit – Interpretation der Daten und Verwendung in einer Applikation sind konzeptuell ge- trennt. Papiermaché ist in seiner Ausrichtung auf den Einsatz für Tangible Interfaces ausgelegt, die auf der Manipulation von einzelnen physischen Objekten und der Bezie- hungen zwischen diesen beruht. Es ist damit nicht so flexibel einsetzbar wie die anderen betrachteten Frameworks, ist aber für den hier vorgestellten Anwendungsfall grundsätz- lich geeignet. TUIpist Das TUIpist-Framework (Furtmüller, 2007) wurde im Zusammenhang mit der hier vorgestellten Arbeit entwickelt (Furtmüller und Oppl, 2007). TUIpist verfolgt einen ähnlich modularen Ansatz wie die anderen hier vorgestellten Frameworks, setzt jedoch zur Koordination der Module untereinander einen daten-zentrierten Ansatz – auf dem LINDA-Konzept (Carriero und Gelernter, 1989) beruhende Tuplespaces – ein. Die konzeptuelle Modulstruktur ist ähnlich der Aufteilung, die bereits von Dey et al. (2001) im Context Toolkit vorgeschlagen wurde. Die grundlegenden Module, die im Framework verwendet werden, sind „Sensoren“, „Aggragtoren“ und „Anwendungen / Aktuatoren“ (siehe Abbildung 7.2). „Sensor“-Module binden externe Datenquellen an das Framework an. Sie enthalten dazu eine sensor- spezifische Komponente, die die Schnittstelle zur jeweiligen Hard- bzw. Software bildet. Über diese Schnittstelle gelieferte Daten werden in einer zweiten Komponente vorverar- 184 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion beitet und soweit abstrahiert, dass die Datenrepräsentation unabhängig von der die Da- ten liefernden Sensortechnologie ist (z.B. Abbildung von GPS2-Koordinaten auf logische Positionsinformation, die auch aus anderen Quellen stammen könnte). „Aggregatoren“ fassen die Information mehrerer „Sensor“-Module zusammen und interpretieren ggf. ein- ander ergänzende oder auch widersprechende Information. Sie werden immer aktiv, wenn neue Sensordaten zur Verfügung stehen und aktualisieren dabei die Information über den Gesamtzustand der den Framework bekannten Umwelt. „Anwendungen / Aktuatoren“ bilden letztendlich die Schnittstelle zu konkreten Applikationen, die ihr Verhalten an den aktuellen Umweltzustand anpassen bzw. diesen darstellen oder Aktuatoren, die ba- sierend auf dem aktuellen Umweltzustand Aktionen in dieser setzen. „Anwendungen / Aktuatoren“ filtern dabei wieder den von „Aggregatoren“ gelieferten Gesamtzustand der bekannten Umwelt und liefern nur die für die Applikation relevanten Daten aus. Dabei kann erneut eine Nachverarbeitung der Daten, z.B. im Sinne einer Anpassung an eine externe Schnittstelle, erfolgen. Abbildung 7.2.: Architektur des TUIpist-Framework (eigene Abbildung übernommen aus (Furtmüller und Oppl, 2007)) Die Verbindung der Komponenten erfolgt wie erwähnt datenzentriert. Eine wesent- liche Eigenschaft dieses Ansatzes ist, dass keine explizite Verknüpfungen zwischen den Modulen definiert werden. Die Zuordnung erfolgt vielmehr indirekt durch die Daten selbst. Jedes Modul kann Datensätze („Tuple“) in einem definierten Format generieren und in einen gemeinsam genutzten Datenraum – den „Tuplespace“ – stellen. Andere Module können nun Anfragen an den „Tuplesp“ace stellen, ob Daten, deren Struktur oder Inhalt gewissen Kriterien entspricht, vorhanden sind. Ist dies der Fall, können diese Daten aus dem „Tuplespace“ entnommen werden und nach erfolgter Verarbeitung in modifizierter Form wieder eingestellt werden (siehe Abbildung 7.3). Das „Tupel“space- Konzept erlaubt auch eine dynamische Erweiterung bzw. Veränderung sowohl der Ein- 2Global Positioning System 185 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion und Ausgabekanäle als auch der internen Datenverarbeitung zur Laufzeit, indem zusätz- lich Module am „Tupelspace“ registriert werden. Durch die lose Koppelung der Module muss keine zusätzliche Konfiguration an anderen Modulen oder am „Tuplespace“ selbst vorgenommen werden. Abbildung 7.3.: Zusammenspiel der Komponenten in TUIpist (eigene Abbildung über- nommen aus (Furtmüller und Oppl, 2007)) Die Implementierung von TUIpist auf Basis des Java Jini-Frameworks (Arnold et al., 1999) ermöglicht eine Verteilung der einzelnen Module einer Applikation auf unterschied- liche Rechner (im Sinne eines „verteilten Systems“ (Stary, 1994)) ohne zusätzlich vom Implementierer zu berücksichtigenden Koordinationsaufwand. Es können damit auch (räumlich) entfernte Sensoren oder Webapplikationen angebunden werden und der ggf. auftretende Rechenaufwand zur Aggregation oder Interpretation von Daten auf mehrere Rechner verteilt werden. Frameworks für video-basierten Input Im Gegensatz zu den eben beschriebenen generischen Frameworks wurden die hier vor- gestellten Frameworks explizit für die Behandlung von video-basiertem Input entwickelt. Wie oben bereits erwähnt, stehen die hier beschriebenen Frameworks mit den eben an- geführten generischen Frameworks insofern in Zusammenhang, als dass sie zumeist als Sensor-Komponente in generischen Ansätzen eingesetzt werden können. In ihrer grund- legenden Ausrichtung sind sie jedoch zumeist für den unmittelbaren Einsatz in einer Endanwendung konzipiert. Die hier vorgestellten Systeme implementieren den Ansatz des code-basierten opti- schen Trackings. Feature-basierte Ansätze kommen im konkreten Anwendungsfall nicht in Frage, da zur Modellierung eine Vielzahl von gleichartigen Objekten eingesetzt werden, die sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht unterscheiden und damit in feature- basierten Ansätzen nicht eindeutig identifiziert werden können. 186 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion Wie bereits im letzten Abschnitt erhebt auch die hier angeführte Aufzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Neben der Darstellung der historischen Entwicklung des Feldes und der Beschreibung von in Forschung und Praxis relevanten Ansätzen wurde bei der Auswahl vor allem auf freie Verwendbarkeit und Zugriff auf den Source-Code der Er- kennungsroutinen geachtet, da die Notwendigkeit applikationsspezifischer Anpassungen nicht auszuschließen war (etwa um benötigte aber nicht direkt unterstützte Parameter zu extrahieren). AR Toolkit Das AR Toolkit („Augmented Reality Toolkit“) (Kato et al., 2000) ist historisch das erste in breitem Umfang eingesetzte Framework zur optischen Identifika- tion von Elementen in der realen Welt. Das AR Toolkit verwendet zur Identifikation Marker, in die selbst keine Information codiert ist, und eine Mapping-Tabelle zur Ver- knüpfung mit digitaler Information. Die Marker des AR Toolkit (siehe Abbildung 7.4) werden durch Mustererkennung identifiziert und weisen bis auf den schwarzen Rahmen, der einen Marker begrenzt, keine verpflichtenden Elemente auf. Die Form der Marker ist also vorgegeben, ihr Inhalt kann frei gestaltet werden, zur Identifikation ist es aber notwendig, das die zu erkennenden Marker im Vorhinein beim Framework registriert werden. Abbildung 7.4.: AR Toolkit Marker (Quelle: www.hitl.washington.edu/artoolkit/) Das AR Toolkit ist auf die Verwendung in Anwendungen im Bereich der Augmented Reality ausgelegt und liefert die aus dem Bild extrahierte Information in einer Form, die eine Weiterverarbeitung mittels Frameworks aus dieser Domäne möglich macht. Kon- kret werden Raumparameter als Transformationsmatrizen ausgegeben, die eine direkte Umsetzung der Information in eine Darstellung mittels OpenGL ermöglichen. Die Anbin- dung von Kameras an das Framework wird über plattformspezifische Treiber realisiert, das AR Toolkit selbst empfängt einen Bildstrom, den es auswertet. Die Erkennungs- software ist in C implementiert, bietet aber Wrapper für andere Programmiersprachen (unter anderem Java). Sie wird als Bibliothek in die eigentliche Applikation eingebunden. Visual Codes Das Visual Codes System (Rohs, 2005) ist ein Vertreter der direkt co- dierenden Ansätze, d.h. dass die Nutzinformation ohne Zwischenschritt direkt aus dem Code extrahiert werden kann. Im Gegensatz zu den standardisierten und kommerzi- ell genutzten Code-Formate QR-Code (ISO JTC1/SC31, 2006) oder Datamatrix (GS1, 187 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion 2008), die eine Kapazität von bis zu einigen hundert Byte haben, bietet das Visual Code System lediglich 83 Bits an Nutzinformation an (siehe Abbildung 7.5), was dazu führt, das in vielen Anwendungsfällen ein Mapping durch die Anwendung durchgeführt wird, um die zu verwaltende Information abbilden zu können. Abbildung 7.5.: Visual Codes – Aufbau und Features (übernommen von Rohs und Gfel- ler (2004)) Der Vorteil des Visual Code Systems liegt in der Auswertbarkeit einer Vielzahl von Raumparametern bei gleichzeitig geringem Bedarf an Rechenkapazität. In der Stan- dardimplementierung werden neben der Position und der Rotation in der Ebene auch die Neigungsparameter im Raum extrahiert. Der Erkennungsalgorithmus läuft dabei in Echtzeit und kann unverändert sogar auf Java-fähigen Mobiltelefonen ausgeführt wer- den. Durch die relativ geringe Datendicht der Codes reichen dementsprechend auch verhältnismäßig niedrig auflösende Bilder (z.B. 320 x 240 Bildpunkte) für eine Erken- nung aus. Wie alle anderen optischen Ansätzen leidet das Visual Code System unter Erkennungsproblemen bei wechselnden Lichtverhältnissen und insbesondere bei schlech- tem Kontrast. Diese Verhalten kann in der vorliegenden Implementierung auch nicht durch Anpassung der Kameraparameter (Bildverstärkung o.ä.) korrigiert werden. Das Visual Code System muss von auf ihm aufbauenden Applikationen direkt auf Source-Code-Ebene eingebunden werden, eine vorgegebene externe Schnittstelle existiert nicht. Anbindungsroutinen für Kameras existieren nur für Mobiltelefone und müssen für andere Plattformen ggf. neu erstellt werden. ReacTIVision ReacTIVision (Kaltenbrunner und Bencina, 2007) ist ein frei verfügba- res Framework zu optischen Erkennung von Codes in Echtzeit. ReacTIVision arbeitet mit proprietären Codes (siehe Abbildung 7.6), in denen die Information nicht an bestimmte Positionen sondern im Wesentlichen in die Anzahl und Schachtelung der Schwarz-Weiß- Übergänge codiert ist. Der Umfang der direkt in einen Marker codierbaren Informati- on ist damit beschränkt und nicht direkt auf ein binäres Codierungsschema abbildbar. Deswegen wird ein Mapping-Ansatz verwendet, um die eigentliche Nutzinformation auf Codes abzubilden. Grundsätzlich ist jedoch die direkte Codierung eine beschränkten Anzahl von Bits möglich, ist aber in der aktuellen Implementierung nicht unmittelbar vorgesehen. 188 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion Durch die Art der Informationscodierung ist die Erkennungsleistung von ReacTIVision auch unter schlechten Lichtbedingungen oder bei verzerrtem Eingangsbildern akzeptabel bis sehr gut. Die Form der Codes ist außerdem nicht vorgegeben, sie kann frei gewählt werden. Sogar händisch gezeichnete Codes können erkannt werden, da ausschließlich eine geschlossene Außenlinie und entsprechende Schwarz-Weiß-Übergänge innerhalb dieser Linie erfassbar sein müssen. Abbildung 7.6.: ReacTIVision Code Die ReacTIVision-Software ist plattformübergreifend für Windows, Linux und Mac OS X verfügbar. Sie greift über plattformspezifische Schnittstellen auf eine angeschlos- sene Kamera zu und wertet das empfangene Bild in Echtzeit aus. Dabei sind bei einer Kameraauflösung von 1024 x 768 Bildpunkten Bildraten von 15-20 Bildern pro Sekunde erreichbar. Diese Leistung wird auch durch eine höhere Anzahl von gleichzeitig im Bild vorhandenen Codes nicht merklich geringer. Neben der Position der Codes wird auch deren aktuelle Rotation sowie die erste Ablei- tung dieser drei Parameter (also ein Maß für die Bewegung) extrahiert. Zudem können Finger, die die Oberfläche berühren, erkannt und deren Position extrahiert werden. Dies ist auch für mehrere Finger möglich, wobei eine eindeutige Zuordnung über die Zeit erhalten bleibt und so rudimentäre Multitouch-Funktionen umgesetzt werden können. Als problematisch stellt sich wie auch bei allen anderen betrachteten optischen Ansät- zen die Abhängigkeit der Erkennungsqualität von der Umgebungsbeleuchtung bzw. deren Änderung über die Zeit dar. ReacTIVision arbeitet mit adaptiven Filteralgorithmen zur Aufbereitung des Bildes, was jedoch nur leichte Beleuchtungsschwankungen ausgleichen kann. Die Software kann manuell an die Beleuchtungsverhältnisse angepasst werden (Einstellung der Blendenöffnung und der Bildverstärkung), bei sich ändernden Licht- verhältnissen muss jedoch regelmäßig eine Nachführung der Parameter vorgenommen werden. Die aus dem Bilderstrom gewonnenen Daten werden im Falle einer Änderung zumin- dest eines Wertes über eine Netzwerkschnittstelle (UDP-basiert) in einem proprietären Protokoll zur Verfügung gestellt. Zu diesem Protokoll werden Schnittstellen und Re- ferenzimplementierungen in unterschiedlichen Programmiersprachen – unter anderem C(++) und Java – zur Verfügung gestellt. Applikationen können diese Schnittstelle 189 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion implementieren und werden mittels sechs zu implementierenden Methoden an die Er- kennungsroutinen angebunden (je 3 für Code- und für Fingertracking). 7.1.3. Technologieentscheidung Auf Basis der Anforderungen, die im Anwendungsfall an das Werkzeug gestellt werden, ist nun nach der grundsätzlichen Entscheidung für ein auf optischen Ansätzen basieren- den System die Entscheidung für ein konkretes Framework zu treffen. Vergleich der Frameworks für videobasierten Input Für die Anbindung von videobasiertem Input wurde drei Frameworks vorgestellt. Diese Frameworks sind nun hinsichtlich mehrere Aspekte zu vergleichen, die sich aus den Anfor- derungen der zu erstellenden Applikation sowie der Forderung nach möglichst einfacher (im Sinne von weniger aufwändig) Einbindung des Frameworks ergeben. Im Einzelnen sind dies • die Unterstützung bei der Einbindung von Kameras und eine Schnittstelle zur Programmiersprache Java, • eine stabile und in Echtzeit ablaufende Bilderkennung, • eine ausreichende Anzahl von Codes (Größenordnung 100), • die Extraktion von Position und Rotationsinformation für Codes im Erfassungs- bereich der Kamera, • die Art der Kopplung von Framework und darauf aufbauender Applikation, sowie • die technische und lizenzrechtliche Möglichkeit, die Frameworks an die eigenen Anforderungen anzupassen. ReacTIVision bietet die umfassendste Unterstützung zur Einbindung unterschiedli- cher Videoquellen und ist zur Anwendungsseite hin durch die Netzwerkschnittstelle am flexibelsten einsetzbar. Alle drei Ansätze bieten Schnittstellen bzw. Konnektoren für die Programmiersprache Java an. Die Frameworks selbst sind in C(++) oder Java erstellt und können auf den gängigen Plattformen (Windows, Linux, Mac OS x) ausgeführt wer- den. Eine Verteilung der Applikation auf mehrere Rechner wird nur von ReacTIVision explizit unterstützt. Hinsichtlich der eigentlichen Bilderkennungs-Routinen sind die Ansätze in ihrer Leis- tung und Geschwindigkeit vergleichbar, leiden aber alle unter der Abhängigkeit von der Umgebungsbeleuchtung. ReacTIVision bietet hier als einziger Ansatz die Möglichkeit, Kameraparameter zur Laufzeit nachzuführen und so Schwankungen der Umgebungshel- ligkeit auszugleichen. 190 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion Durch den eingesetzten Mapping-Ansatz sind AR Toolkit und ReacTIVision hinsicht- lich Form und Inhalt der Codes flexibler als direkt codierende Ansätze wie Visual Codes. Dies ist im konkreten Anwendungsfall relevant, da aufgrund der Token-Form und deren beschränkter Größe eine ideale Platzausnutzung erfolgen muss, um ausreichende Erken- nungsleistung zu gewährleisten. Die Extraktion der Raumparameter (Neigungsinformation, . . . ), die von AR Tool- kit und Visual Codes ermöglicht wird, ist bei tisch-basierten Werkzeugen wie dem hier vorgestellten nicht notwendig – die Erhebung planarer Parameter (Position und Ro- tation) ist ausreichend. AR Toolkit liefert aufgrund seiner Ausrichtung auf Augmented Reality-Anwendung die Parameter in Form einer Transformationsmatrix, die für die Ver- arbeitung in 3D-Umgebungen wie OpenGL direkt geeignet ist, im hier verfolgten Ansatz jedoch einer zusätzlich Umrechnung auf das benötigte Parameterformat unterzogen wer- den müsste. Die Anzahl der verfügbaren und zuverlässig unterscheidbaren Codes muss für die hier vorgeschlagene Anwendung in der Größenordnung 100 liegen. Visual Codes und Reac- TIVision erfüllen diese Anforderung, AR Toolkit bietet im Lieferumfang weniger Codes an, diese können jedoch erweitert werden und bieten auch in der geforderten Anzahl noch ausreichend Unterscheidungsmerkmale für eine zuverlässige Unterscheidung (Wag- ner und Schmalstieg, 2003). Das AR Toolkit und Visual Codes müssen direkt über eine Einbindung von Biblio- theken in die eigene Applikation integriert werden. ReacTIVision ist hier flexibler und wird über einen Netzwerkport mit der Zielapplikation verbunden. Dies kommt dem hier verfolgten Ansatz entgegen, da ein verteilter Betrieb aufgrund der hohen Rechenanfor- derungen oder im Betrieb mit mehreren Ausgabegeräten notwendig werden kann. Von AR Toolkit und ReacTIVision steht der Source-Code zur Verfügung. Lizenzrecht- lich erlauben das AR Toolkit und ReacTIVision explizit eine Veränderung des Source- codes unter der GNU Public Licence3 bzw. der Lesser GNU Public Licence4. AR Toolkit verfolgt dabei einen Dual Licensing Ansatz, der einen kommerziellen Einsatz kosten- pflichtig macht. Zu Visual Codes sind keine Lizenzinformationen erhältlich, auch der Sourcecode steht nicht zum Download bereit. Auf Basis der in Tabelle 7.1 angegeben Gegenüberstellung ist erkennbar, dass das ReacTIVision-Framework für den hier verfolgten Ansatz am besten geeignet ist. Betrach- tet man die funktionalen Anforderungen, sind zwar alle Frameworks grundsätzlich geeig- net, die nicht-funktionalen Anforderungen – vor allem die plattform-übergreifende Ein- setzbarkeit, die Möglichkeit zum verteilten Betrieb und die gute Unterstützung beliebi- ger Kameras sowie deren Konfigurierbarkeit – sprechen für die ReacTIVision-Plattform. Diese wird deshalb zur Umsetzung des Werkzeugs verwendet. Der zusätzliche Einsatz 3http://www.gnu.org/licenses/gpl-3.0.html 4http://www.gnu.org/licenses/lgpl-3.0.html 191 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion Tabelle 7.1.: Gegenüberstellung der Frameworks für video-basierten Input AR Toolkit Visual Codes ReacTIVision Kamera- unterstützung nativ auf allen unterstützten Plattformen (Interfaces & Features treiber- abhängig) nativ nur für Mobiltelefone nativ auf allen unterstützten Plattformen Plattformen Windows, Li- nux, Mac OS X Java-basiert auf allen Plattfor- men Windows, Li- nux, Mac OS X Schnittstelle zu Java extern nativ ja Stabilität der Bilderkennung abhängig von den verwendeten Markern eher hoch hoch Kompensations- möglichkeit bei schlechten Lichtbedingun- gen nein nein ja Geschwindigkeit der Bilderken- nung > 10 fps > 10 fps > 10 fps Anzahl von gleichzeitig erkennbaren Codes keine Einschrän- kung keine Einschrän- kung keine Einschrän- kung Erkennung von Position implizit ja ja Erkennung von Rotation implizit ja ja Kopplung von Framework und Applikation eng eng lose Source-Code verfügbar ja nein ja Lizenz GPL, kommerzi- ell unbekannt GPL, LGPL 192 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion eines generischen Frameworks zur Flexibilisierung der Applikationsstruktur ist damit nach wie vor möglich und wird im nächsten Abschnitt diskutiert. Vergleich der generischen Frameworks Der Einsatz eines generischen Frameworks ist im konkreten Anwendungsfall für die Mo- dularisierung der Interpretations- und Output-Module denkbar. Eine weitere Anwen- dung von generischen Frameworks ist die Sicherstellung der Skalierbarkeit der Anzahl der Ausgabemodule ggf. auch während des Betriebs der Applikation (um z.B. weite- re Viewer-Module zur Beobachtung des Modellierungsvorganges während der Laufzeit zuschalten zu können). Die Aspekte die beim Vergleich der vorgestellten Ansätze be- rücksichtigt werden müssen, sind deshalb • die Unterstützung von modularen funktionalen Einheiten sowie • die Möglichkeit diese zur Laufzeit zu laden und entfernen und • die Konfigurierbarkeit der Verknüpfungen dieser Module. Daneben sind nicht-funktionale Anforderungen wie • Skalierbarkeit, • Effizienz bei der Weiterleitung und Verteilung der Anwendungsdaten und • die Lizenzbestimmungen des Frameworks zu berücksichtigen. Die Modularisierung der Applikation wird von allen vier vorgestellten Frameworks unterstützt. Das Context Toolkit, Papiermaché und TUIpist unterscheiden dabei kon- zeptuell zwischen unterschiedlichen Arten von von Modulen (im Wesentlichen „Input“, „Verarbeitung“ und „Output“), das SiLiCon Context Framework unterscheidet nicht zwischen unterschiedlichen Modultypen, dort wird die Rolle eines Moduls ausschließlich über seine Attribute (also die nach außen sichtbaren funktionalen Einheiten) definiert. Eine Erweiterbarkeit der Applikation zur Laufzeit ist nur beim SiLiCon Context Framework und bei TUIpist möglich. Das SiLiCon Context Framework arbeitet hier mit eigens erstellten Java-Classloadern, die das Nachladen von Klassen (Modulen) und deren Integration in die Infrasturktur erlauben. TUIpist verwendet die inhärent dynami- sche Erweiterbarkeit des Java Jini Frameworks (Arnold et al., 1999), auf Basis dessen es implementiert wurde. Das Context Toolkit und Papiermaché erlauben kein Nachladen oder Entfernen funktionaler Einheiten während der Laufzeit. Die Konfiguration der Verbindungen zwischen den Modulen ist bei allen Frameworks möglich, konzeptuell jedoch unterschiedlich ausgeführt. Im Context Toolkit und in Pa- piermaché muss die Verbindung direkt im Programmcode codiert werden und wird im wesentlichen auf Methodenaufrufe abgebildet. Das SiLiCon Context Framework verwen- det ereignisbasierte Regeln, um Module zu verknüpfen. Ein von einem Modul ausgelöstes 193 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion Ereignis kann hier (ggf. durch Bedingungen eingeschränkt) Aktionen in anderen Modu- len auslösen. Eine Besonderheit dieses Ansatzes ist, das Teile der Interpretationslogik (also der Erkennung von Benutzerinteraktion aus den Rohdaten) in die Regeln ausge- lagert werden und damit jederzeit dynamisch verändert werden können. So kann zum Beispiel die Interpretation der Nähe zwischen zwei Token in einer Regel codiert wer- den und so in die Reihe der zulässigen (bzw. erkennbaren) Interaktionen aufgenommen werden. TUIpist benötigt hingegen keinerlei explizite Verbindung der Module, da sämtli- che Koordination über den geteilten Datenraum ausgeführt wird. Die Verknüpfungslogik wird hier in die Module verschoben, die selbst wissen müssen, für welche Daten für sie ggf. relevant sind und welche sie deshalb dem Tuplespace entnehmen. Hinsichtlich der Skalierbarkeit der Frameworks können aufgrund mangelnder Ver- gleichsdaten keine fundierten Aussagen getroffen werden. Hinzuweisen ist jedoch auf die Unterstützung von verteiltem Betrieb einer Applikation durch das SiLiCon Context Framework (via SOAP-Aufrufe (Curbera et al., 2002) und das TUIpist Framework (via Jini und Java RMI5 (Downing, 1998)). Durch diese Verteilbarkeit ist kann die Problema- tik mangelnder Rechenressourcen umgangen werden, die vor allem bei rechenintensiven Anwendungen wie der eingesetzten Bildanalyse im optischen Tracking auftritt. Die Beurteilung der Effizienz der Frameworks ist hier in Hinblick auf die geforderte Echtzeit-Interaktion mit dem System als relevant zu erachten. Das Haupt-Kriterium für Effizienz ist dementsprechend die Verzögerung zwischen Eingabe-Ereignissen und dem Feedback auf Applikationsebene, die beim Einsatz der Frameworks auftritt. Eine Beur- teilung in absoluten Zahlen kann hier mangels entsprechenden Datenquellen ebenfalls nicht erfolgen, konzeptuell sind aber bei den Frameworks, in denen Module direkt durch Programm-Code verknüpft werden (Context Toolkit und Papiermaché), eher geringe Verzögerungen zu erwarten. Die beiden Frameworks, die mit expliziter und konfigu- rierbarer Middleware zur Datenvermittlung arbeiten (SiLiCon Context Framework und TUIpist) lassen eher höhere Verzögerungen erwarten, wobei der ereignisbasierte Ansatz des SiLiCon Context Framework dem daten-basierten Ansatz von TUIpist insofern über- legen ist, als bei der datenbasierten Interaktion die Module in regelmäßigen Intervallen nach neuen Daten suchen müssen (Polling, „Information Pull“-Ansatz), während bei er- eignisbasierten Ansätzen die Benachrichtigung der betroffenen Module automatisch und zum Zeitpunkt des Auftretens des Ereignisses erfolgt („Information Push“-Ansatz). Der „Information Pull“-Ansatz sorgt dabei einerseits für erhöhten Kommunikationsaufwand und potentiell für Verzögerungen bei Ereignissen, die innerhalb eines Polling-Intervalls auftreten. Auf Basis der in Tabelle 7.2 angegebenen Gegenüberstellung sind das SiLiCon Con- text Framework und TUIpist als die beiden am besten geeigneten Kandidaten für den Einsatz als generisches Framework im hier vorgestellten Anwendungsfall. Das Context 5Remote Methode Invocation 194 7.1. Möglichkeiten zur Erfassung von Benutzerinteraktion Tabelle 7.2.: Gegenüberstellung der generischen Frameworks Context Toolkit SiLiCon Context Frame- work Papiermaché TUIpist Modularität ja ja ja ja Erweiterbarkeit zur Laufzeit nein ja nein ja dynamisch kon- figurierbare Or- chestirierung nein ja nein ja Skalierbarkeit schlecht gut schlecht sehr gut Effizienz bei der Weiterleitung von Daten sehr gut gut sehr gut ausreichend Lizenz unbekannt unbekannt Open- Source (nicht näher bestimmt) Eigen- entwicklung 195 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten Toolkit und Papiermaché scheiden aus verschiedenen Gründen, vor allem aufgrund der mangelnden Flexibilität aus. Stellt man die beiden verbleibenden Frameworks gegenüber, so sind hinsichtlich der funktionalen Anforderungen keine Vorteile für einen der beiden Kandidaten zu identi- fizieren. Hinsichtlich der nichtfunktionalen Anforderungen hat TUIpist hinsichtlich der Skalierbarkeit leichte Vorteile, da das Nachladen von neuen Instanzen weniger Aufwand versacht als im Fall des SiLiCon Context Framework (lediglich Laden eines Moduls im ersten Fall gegenüber Laden und Einbinden über eine Änderung der Regelbasis im zwei- ten Fall). Außerdem ist die technologische Basis der Verteilungsarchitektur in TUIpist konzeptuell auf höherer Ebene angesiedelt und mächtiger in der Verwaltung der Ap- plikationsstruktur (unter anderem werden neue Module bei TUIpist automatisch in die Infrastruktur eingebunden, sobald sie angemeldet werden, im SiLiCon Context Frame- work muss für jeden Kommunikationskanal die IP-Adresse des Empfängers bekannt sein und in die Regelbasis aufgenommen werden). Hinsichtlich der Effizienz der Kommunikation bietet das SiLiCon Context Frame- work gegenüber TUIpist aus den oben beschriebenen Gründen (Benachrichtung über Änderungen gegenüber Polling) Vorteile. Für die hier beschriebene Applikation fällt die Entscheidung trotzdem zugunsten TUIpist. Neben der generell weniger aufwän- digen Konfiguration kommt die Struktur von TUIpist einem iterativen Software-Ent- Ïwicklungsprozess insofern eher entgegen, als dass die Modularisierung von initialen, monolithischen Prototypen (z.B. basierend auf der Struktur des zuvor ausgewählten ReacTIVision-Frameworks) einfacher möglich ist. Dies liegt darin begründet, dass in der modularen und dynamischen Struktur von TUIpist die gesamte Applikationslogik in den Modulen enthalten ist und so Teile aus einer monolithischen Applikation herausgelöst und direkt übernommen werden können, wobei lediglich die Logik der Datenübergabe von direkten Methoden-Aufrufen auf die TUIpist-Routinen zum Zugriff auf den Tuple- space umgearbeitet bzw. erweitert werden muss. Beim korrekten Einsatz des SiLiCon Context Framework wandert wie oben beschrieben ein Teil der Applikationslogik in die Regelbasis, was erhöhten Aufwand bei der iterativen Entwicklung verursacht und außerdem das Zusammenspiel der Applikations-Module unübersichtlicher und schwerer fassbar macht. 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten Basierend auf der oben getroffenen Technologieentscheidung zugunsten eines optischen, video-basierten Input-Systems für das hier zu erstellende Tabletop Interface wird in die- sem Abschnitt das konkrete Hardware-Design beschrieben. Dies umfasst die Beschrei- bung des Tabletop Interfaces im Überblick und detaillierte Betrachtungen des Token- 196 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten Designs sowie der Tisch-Oberfläche, die als Input-Kanal dient. Weiters werden spezi- fische Herausforderungen und der jeweilige hier verfolgte Lösungsansatz beschrieben. Nicht Gegenstand dieses Abschnitts sind jene Hardware-Komponenten, die für die Aus- gabe von Information eingesetzt werden. Obwohl hier im Überblick angeführt, werden sie detailliert erst in Kapitel 8 über die Visualisierung der Modellierungsinformation beschrieben. 7.2.1. Überblick Das Tabletop Interface ist als Tisch mit einer Oberfläche von 100 cm x 80 cm ausgeführt. Die Höhe beträgt 110 cm. Die wesentlichen Hardwarekomponenten sind die Tischober- fläche, die in semi-transparentem Acrylglas ausgeführt ist und die Bodenplatte, in die die Kamera zum optischen Tracking der Tokens auf der Oberfläche sowie der Videoprojektor zur Ausgabe von Information auf der Oberfläche (Projektion von unten) eingebaut sind (siehe Abbildung 7.7). Der Tisch ist auf allen Seitenflächen mit Platten aus expandiertem Polystyrol (Styropor) verkleidet, um im Inneren kontrollierte Umgebungslichtbedingun- gen für die Bilderfassung mit der Kamera zu schaffen. Die kontrollierten Bedingungen werden durch den Einsatz von vier Beleuchtungsmodulen gewährleistet, die ebenfalls in der Bodenplatte integriert sind und über den Seitenflächen eingebaute Streuscheiben für eine einheitliche, diffuse Beleuchtung der Tischinnenraums sowie der Oberfläche sorgen. Abbildung 7.7.: Überblick über den Aufbau des Werkzeugs – Eingabekomponenten Am Tisch befindet sich zusätzlich ein Bildschirm, auf dem entsprechend der Anforde- rungen zur Unterstützung der Modellierung Zusatzinformation ausgegeben wird. Eine 197 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten zweite Kamera, die am Bildschirm sitzt und der unterstützenden Erfassung von In- formation dient (zum Beispiel der bereits erwähnten Registrierung von geschachtelten Tokens). Das gesamte System ist so zerlegbar, dass es im Kofferraum eines Mittelklassewa- gens transportiert werden kann. Es werden dazu die Verkleidungsplatten und Tischbeine entfernt, die Tischplatte kann dann direkt auf die Bodenplatte gesetzt und verbunden werden. Das Volumen reduziert sich dabei auf 100 cm x 80 cm x 20 cm, wobei die Tischbeine, die Verkleidungsplatten und der Videoprojektor separat transportiert wer- den müssen. Ein Zusammenbau des Systems inklusive Kalibrierung der Eingabe- und Ausgabe-Kanäle ist in etwa 30 Minuten möglich. 7.2.2. Tokens und Input-Werkzeuge In diesem Abschnitt werden die einzelnen durch die Benutzer manipulierbaren Token- Arten beschrieben. Neben den eigentlichen Modellierungstokens sind dies die Tokens zur Einbettung in Container sowie die Werkzeugtokens, von denen es Ausführungen zur Manipulation des Modells und Tokens zur Auslösung bzw. Kontrolle spezifischer Funktionalitäten gibt. Modellierungs-Tokens Die eingesetzten Modellierungs-Tokens sind aus nicht transparentem Acrylglas gefertigt. Ihre Außenmaße betragen in etwa (je nach Form) 10 cm x 6 cm in der Grundfläche und 4 cm in der Höhe. Damit ist einerseits eine ausreichende Größe zur Anbringung der ReacTIVision-Codes gewährleistet, andererseits sind noch klein genug, um in einer Hand gehalten und manipuliert werden zu können. Die Codes werden auf der Unterseite der Tokens angebracht und auch von unten erfasst (siehe nächster Abschnitt), um eine Verdeckung der Codes während der Manipulation zu verhindern (siehe Abbildung 7.8). Die Modellierungs-Tokens wurden in drei Ausführungen gefertigt (siehe Abbildung 7.9). Diese unterscheiden sich in Form und Farbe und können während der Modellie- rung von den Benutzern frei mit Bedeutung belegt werden. Die Auswahl der Formen und Farben erfolgte inspiriert von den Symbolen gängiger Modellierungsnotationen in Abstimmung mit fertigungstechnischen Einschränkungen. Eine Untersuchung geeigne- ter Token-Formen und eine auf diesen Ergebnissen basierende Umsetzung wurde nicht vorgenommen. Dies liegt vor allem in der Tatsache begründet, dass sich der Fokus der hier vorgestellten Arbeit im Entwicklungsprozess von einem Werkzeug zur Geschäfts- prozessmodellierung (mit vorgegebener Notation) hin zu einem allgemeiner einsetzbaren Werkzeug zur generischen Modellierung konzeptueller Modelle (ohne vorgegebene Nota- tion) entwickelte. Die Auswahl der Token-Formen fiel in die erste Phase, wodurch die 198 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten Abbildung 7.8.: An Tokens angebrachte ReacTIVision-Codes zur Identifikation Abbildung 7.9.: Arten von Modellierungstokens 199 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten Tokens im äußeren Erscheinungsbild an gängige Notationen zur Ablauf-Modellierung angelehnt sind. Die Token-Form hat aber bei Benutzern ohne Modellierungs-Vorbildung geringen bis keinen Einfluss auf den Modellierungsprozess (siehe Kapitel 12 – Evaluie- rung des Werkzeugs). Abbildung 7.10.: Rückwand von Container Tokens Wie in der Beschreibung der Anforderungen gefordert und oben bereits beschrieben, sind die Modellierungs-Tokens als Container ausgeführt. Im Abschnitt 7.1.1 über die Erkennung des Token-Zustands wurde beschrieben, das beim Einsatz von optischem Tracking eine Möglichkeit geschaffen werden muss, im Kamerabild zu erkennen, ob ein Token geöffnet ist oder nicht. Um den durchgängigen Einsatz des Erkennungsframeworks (ReacTIVision) zu gewährleisten wird zu diesem Zweck ein zweiter Code eingesetzt (sie- he Abbildung 7.10), der nur dann für die Kamera sichtbar wird, wenn das Token geöffnet ist. Hardwareseitig ist dies so umgesetzt, das die Modellierungstokens einen Öffnungs- mechanismus besitzen, dessen Scharnier nicht am Deckel sitzt (und damit nur diesen beweglich macht), sondern an der Bodenplatte, wodurch sich beim Öffnen eines Con- tainers nicht nur der Deckel, sondern auch die Hinterwand des Tokens bewegt (siehe Abbildung 7.11). Die Hinterwand kommt im geöffneten Zustand auf der Oberfläche des Tisches zu liegen, wodurch der auf ihr angebrachte zweite Code für die Kamera sichtbar wird. So kann durch das an sich zur Positionsbestimmung eingesetzte optische Tracking- system zuverlässig auch den Öffnungs-Zustand der Tokens auf der Oberfläche erkennen. Konzeptuell sind bei der Beschreibung der Verwendung dieser Tokens verschiedene Ebenen zu unterscheiden, die klar voneinander abgegrenzt werden müssen und in denen deshalb unterschiedliche Bezeichnungen verwendet werden. Diese Ebenen und die Be- ziehungen zwischen diesen sind in Abbildung 7.12 in Form einer einfachen Taxonomie 200 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten Abbildung 7.11.: Geöffnetes Container Token dargestellt. Als „Modellelement“ wird jenes Konzept bezeichnet, das als Teil des eigentli- chen Modells die darzustellenden Inhalte repräsentiert und semantisch Bedeutung trägt. Dieses Modellelement wird in Hardware durch das eben beschriebene „Modellierungs- Token“ repräsentiert, das in Bezugnahme auf seine Eigenschaft, zusätzliche Informa- tion beinhalten zu können auch als „Container-Token“ bezeichnet werden kann. Das Modellierungs-Token trägt einen eindeutigen „(ReacTIVision-)Marker“, welcher wie- derum einen eindeutigen „Code“ repräsentiert. Softwareseitig wird das Modellelement durch ein „Objekt“ (im objektorientieren Sinn, also die Instanz einer Klasse) repräsen- tiert, das ein Attribut enthält, in dem eine „ID“ abgelegt wird. Diese ID entspricht dem Code, der hardwareseitig durch den ReacTIVision-Marker repräsentiert wird und er- möglicht so eine eindeutige Zuordnung zwischen Hardware- und Softwarerepräsentation eines Modellelements. Einbettbare Tokens Die einbettbaren Token erlauben wie in Abschnitt 7.2 beschrieben die Verschachtelung von Modellen und das Hinzufügen von Zusatzinformation. Sie werden in einem definier- ten Interaktionsvorgang an Information gebunden und dann in einen Container gelegt. Hinsichtlich des Hardware-Designs sind folgende Anforderungen zu beachten: • Die Token müssen klein genug sein, um auch mehrere Einheiten in einem Container unterzubringen. • Sie müssen gleichzeitig groß genug sein, um einen ReacTIVision-Code zur eindeu- tigen Identifikation anzubringen. 201 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten Abbildung 7.12.: Modellelemente – Taxonomie • Sie müssen so ausgeführt sein, dass haptisch oder akustisch erkennbar ist, ob in einem geschlossenen Container Tokens eingebettet sind oder nicht (z.B. durch Ver- änderung des Gewichts oder Geräusche beim Schütteln eines Containers). Die einbettbaren Tokens wurden aus flexiblen Kunststoffmatten gefertigt und mit einem Metallstück versehen (siehe Abbildung 7.13), das einerseits als Griff dient und andererseits sowohl das Gewicht erhöht und akustisches Feedback beim Schütteln ei- nes Container-Tokens verursacht. Die einbettbaren Tokens wurden exemplarisch in drei Ausführungen gefertigt, je nach Art und Anzahl der einzubettenden Information kann eine Definition weiterer Tokens sinnvoll sein. Folgende Tokens wurden für den aktuellen Entwicklungsstand des Werkzeugs angefertigt: • Einbettung von Teilmodellen (inhärente Kernfunktionalität des Werkzeugs) • Einbettung von digitalen Ressourcen bzw. Dateien am lokalen Rechner (Erweite- rung zur Verknüpfung des Modells mit den realen digitalen Ressourcen aus dem Arbeitskontext) • Einbettung von Fotos (Erweiterung zur Verknüpfung des Modells mit dem realen Arbeitskontext, z.B. mittels Fotos von Arbeitsmitteln oder Personen) Alle Tokens sind auf der Unterseite mit einem ReacTIVision-Code versehen, der sie eindeutig identifiziert (siehe Abbildung 7.13). Aufgrund der beschränkten Größe der To- kens ist dieser Code von der Kamera, die die Tischoberfläche erfasst, nur in der Mitte der Oberfläche erfassbar (da dort die geringsten Linsen-Verzerrungen auftreten und der Code somit noch erkannt werden kann). Um etwaige Bedienungsprobleme zu vermeiden 202 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten Abbildung 7.13.: Einbettbare Tokens wurde deshalb die Interaktion mit einbettbaren Tokens (Registrierung, Binden von Infor- mation) auf die in Abbildung 7.7 dargestellte zweite Kamera (“Registrierungs-Kamera“) verlegt, die durch die physische Nähe zu den Modellierenden die Codes der einbettbaren Tokens problemlos erfassen kann. Werkzeug-Tokens Neben den Tokens, die Modellierungsinhalte repräsentieren, wurden auch Tokens an- gefertigt, die der Interaktion mit dem System an sich und der Steuerung des Model- lierungsablaufs dienen. Hier sind zwei Arten zu unterscheiden: einerseits gibt es Werk- zeuge, die der Manipulation des Modells dienen (z.B. Herstellung von Verbindungen zwischen Tokens, Benennung von Tokens) und andererseits solche, die der Steuerung von modellierungsunterstützender Zusatzfunktionalität dienen (etwa Tokens, mit denen die Rückverfolgung der Modellierungshistorie gesteuert werden kann). Außerdem sind orthogonal zu dieser Klassifizierung noch Tokens zu unterscheiden, die beim Einsatz ein Ereignis auslösen und solche, die das System solange in einen anderen Zustand versetzen, bis sie wieder entfernt werden (gleich einem Taster). Im Folgenden werden die einzelnen Werkzeuge beschrieben und den eben definierten Kategorien zugeordnet. Manipulation des Modells Die bei der Verwendung des Systems wichtigstenWerkzeug- Tokens sind jene, die zur Benennung und Verbindung von Modellierungs-Tokens ver- wendet werden. Diese Markierungs-Tokens sind als auf die Oberfläche aufsetzbare Stäbe konzipiert, die unten eine Standfläche aufweisen, welche auch den Code aufnimmt. Am oberen Ende ist eine Verbreiterung angebracht, die eine stabile Handhabung gewährleis- 203 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten tet (siehe Abbildung 7.14). Bedingt durch die kleine Standfläche kann nur der einfachste ReacTIVision-Code verwendet werden, der lediglich aus einem schwarzen Ring besteht. Das ReacTIVision-System erkennt diesen Ring nicht als regulären Code, sondern als „Cursor“, also als Zeiger, der ausschließlich eine Position in der Ebene besitzt, aber kei- ne Rotation aufweist. Für die Verwendung zur Markierung von Modellierungs-Tokens zum Zwecke der Benennung oder Verbindung ist dies auch nicht notwendig. Abbildung 7.14.: Markierung-Token Das Modellierungswerkzeug muss zwischen unterschiedlichen Arten von Verbindungen unterscheiden können, da diese bei der vorgestellten Art der Externalisierung zum Ein- satz kommen können. Im Wesentlichen ist zwischen ungerichteten und gerichteten Ver- bindern zu unterscheiden. Im Gegensatz zu ungerichteten Verbindern weisen gerichtete Verbinder Pfeilspitzen an einem Ende oder an beiden Enden auf. Für die Werkzeug- Tokens bedeutet dies, dass neben den bereits beschriebenen, einfachen Markierungs- Tokens auch solche zum Einsatz kommen, die anstatt einer runden Grundfläche eine größere, dreieckige Grundfläche aufweisen, die eine Pfeilspitze symbolisiert (siehe Ab- bildung 7.14). Technisch werden die beiden Arten von Markierungs-Tokens durch einen zweiten Cursor-Code unterschieden, der an Tokens mit dreieckiger Grundfläche zusätz- lich angebracht ist. Die Markierungs-Tokens sind der Kategorie der ein Ereignis auslösenden Tokens zu- zuordnen. Dies bedeutet, dass das System zu jenem Zeitpunkt eine Aktion setzt, an dem das Token auf die Oberfläche aufgesetzt wird. Wird ein Markierungs-Token auf der Oberfläche belassen, verursacht es keine weiteren Aktionen, bis es entfernt und erneut aufgesetzt wird. Dem hingegen ist das nächste hier behandelte Token der Kategorie der den System- zustand beeinflussenden Tokens zuzuordnen. Es hat also solange Auswirkungen auf den 204 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten Modellierungsablauf, solange es auf der Oberfläche belassen wird. Die konkrete Funkti- on dieses Tokens ist der Wechsel in einen Werkzeugmodus, der ein explizites Entfernen bzw. Löschen von Bestandteilen des Modells, insbesondere Verbindungen, erlaubt. Das Token ist als Radiergummi ausgeführt und codiert so die Metapher des expliziten Lö- schens von Information aus dem Modell (siehe Abbildung 7.15). An der Unterseite des Tokens ist eine ReacTIVision-Code angebracht, um es gegenüber dem System eindeutig zu identifizieren. Abbildung 7.15.: Lösch-Token Der Einsatz der Lösch-Tokens verändert im System im Wesentlichen die Interpretation des Markierungs-Tokens, das nun anstatt der Herstellung einer Verbindung das Löschen derselben auslöst. Der zugehörige Interaktionsablauf ist im Detail in Abschnitt 7.3.4 dargelegt. Ein weiteres Werkzeug im Kontext der Manipulation des Modells ist das Registrierungs- Token für die Benennung von Blöcken mittels handgeschriebenen Haftnotizen. Wie in Abschnitt 7.3.2 im Detail ausgeführt, gibt es zwei Möglichkeiten um ein Modellierungs- Token zu benennen. Einerseits kann der herkömmlich Eingabeweg über die Tastatur ge- wählt werden, andererseits ist es möglich, die Modellierungs-Tokens mittels aufgeklebten Haftnotizen zu benennen. Um die handgeschriebene Information in die digitale Informa- tion übernehmen zu können, wird diese mittels Bildanalyse-Verfahren aus einem Bild extrahiert, das von der oben bereits erwähnten Registrierungskamera (siehe Abbildung 7.7) aufgenommen wird. Die Aufnahme wird durch das erwähnte Registrierungstoken ausgelöst. Dieses fungiert gleichzeitig als Halter für noch unbeschriftete Haftnotizen und weist am linken und rechten Rand jeweils einen ReacTIVision-Code auf (siehe Abbildung 205 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten Abbildung 7.16.: Registrierungstoken 7.16). Diese beiden Codes erlauben es im Bild die Position der Haftnotiz und damit die zu extrahierende Information zu identifizieren. Das Registrierungstoken ist in die Kategorie der Ereignis auslösenden Tokens einzu- ordnen. Seine Verwendung erwies sich im praktischen Einsatz als wenig intuitiv und technisch instabil bzw. zu langsam, so dass – wie erwähnt – als alternativer Eingabeweg zusätzlich eine Tastatur ins System aufgenommen wurde. Die Interaktionsabläufe sind in beiden Fällen ähnlich und werden im Detail in Abschnitt 7.3.2 dargestellt. Steuerung von Unterstützungsfunktionen Im Werkzeug wurden entsprechend den Anforderungen aus Kapitel 5 den Modellierungsablauf unterstützende Funktionen im- plementiert. Diese werden über dezidierte Werkzeug-Tokens gesteuert. Der Anwendungs- bereich dieser Art von Tokens ist die Steuerung aller Funktionen, die im Kontext der Verfolgbarkeit der Modellierungs-Historie umgesetzt wurden. Das Snapshot-Token dient der durch die Benutzer ausgelösten Speicherung des ak- tuellen Systemzustandes. Wie in Abschnitt 7.4 beschrieben, verfolgt das System den Modellierungsablauf und speichert selbsttätig stabile Systemzustände (zur Identifikati- on dieser Zustände siehe Abschnitt 7.3). Zusätzlich können Benutzer mit eben dem hier beschriebenen Token die explizite Aufnahme des aktuellen Modellzustandes veranlassen, wenn dieser als wesentlich wahrgenommen wird. Das Token ist als ereignis-auslösendes Element konzipiert und wird durch kurzes Aufsetzen des Tokens auf die Modellierungs- oberfläche aktiviert. Physisch ist es prototypisch als großes rotes Quadrat ausgeführt, an dessen Oberseite ein Griffstück angebracht ist (siehe Abbildung 7.17). Auf der Unterseite sitzt wiederum ein ReacTIVision-Code zur Identifikation des Tokens. 206 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten Abbildung 7.17.: Snapshot-Token Neben der Speicherung von Modellzuständen können diese auch wieder abgerufen und in ihrer zeitlichen Sequenz dargestellt werden. Zur Aktivierung des Historien-Modus und zur Navigation in der Zeitlinie wurde ein weiteres Token eingeführt, das als einzi- ges sowohl der zustandsverändernden als auch der ereignisauslösenden Token-Kategorie zuzuordnen ist. Zustandsverändernd wirkt das History-Token insofern, als dass das Auf- setzen auf die Oberfläche das System in den Historienmodus schaltet und ein Entfernen die aktuelle Modell-Ansicht wieder herstellt. Durch Rotation des Token im bzw. gegen den Uhrzeigersinn kann nun durch die in ihrer zeitlichen Abfolge angeordneten gespei- cherten Modellzustände navigiert werden. Die Rotation löst dabei jeweils nach einem bestimmten zurückgelegten Drehwinkel ein Ereignis aus, das den entsprechend vorherge- henden bzw. nachfolgenden Systemzustand abruft. Um die Rotation möglichst natürlich handhabbar zu machen, ist das Token mit runder Grundfläche etwa handflächengroß ausgeführt (siehe Abbildung 7.18). Auf der Unterseite der Grundfläche ist wiederum der ReacTIVision-Code angebracht. Das letze hier behandelte Token zur Steuerung einer Unterstützungsfunktion ist jenes, dass die in Kapitel 5 als Anforderung definierte und in Abschnitt 8.3.4 im Detail be- schriebene Wiederherstellungsunterstützung auslöst. Die Verwendung dieses Tokens ist identisch mit jener des oben beschriebenen Snapshot-Tokens. Wie dieses ist es der er- eignisauslösenden Kategorie zuzuordnen und aktiviert die Wiederherstellungsunterstüt- zung, wenn es bei aktivem Historien-Modus auf der Modellierungsoberfläche aufgesetzt wird. Die eigentliche Wiederherstellungsunterstützung ist dem Ausgabe-Kanal zuzuord- nen und in ihrem Ablauf deshalb im Detail in Kapitel 8 (Abschnitt 8.3.4) beschrieben. 207 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten Abbildung 7.18.: History-Token 7.2.3. Eingabe auf der Tischoberfläche Nachdem nun die Tokens beschrieben wurden, die den Benutzern unmittelbar zur Inter- aktion mit dem System dienen, liegt der Fokus dieses Abschnitts nun auf der technischen Umsetzung der Erfassung der aktuell auf der Oberfläche sichtbaren ReacTIVision-Codes und damit der Tokens. Wie bereits oben beschrieben, wurde bei der Umsetzung des optischen Tracking- Ansatzes eine Identifikation der Codes von der Unterseite gewählt, um etwaigen Erken- nungsproblemen mit Verdeckungen vorzubeugen. Dies bedingt, dass die Modellierungs- oberfläche für Kameras möglichst transparent sein muss um den Identifikationsvorgang nicht negativ zu beeinflussen. Grundsätzlich bietet sich dazu der Einsatz einer (Acryl- )Glasplatte an, die keinen Einfluss auf die Erfassung der auf ihr platzierten Codes hat. Der Einsatz einer (Acryl-)Glasplatte bringt jedoch zwei Probleme mit sich. Einerseits kann die Verwendung einer transparenten Oberfläche dazu führen, dass Modellierende durch den Einblick auf den inneren Aufbau des Systems von der Aufgabe abgelenkt bzw. irritiert werden. Andererseits verhindert eine transparente Oberfläche den Einsatz derselben als Rückkanal zur Darstellung von zusätzlicher Information durch einen Vi- deoprojektor. Dies ist im konkreten Fall besonders schwerwiegend, da die a-priori unspe- zifischen Modellierungs-Tokens erst durch die Projektion der zusätzlichen Information explizit bedeutungstragend werden. Deswegen wurde eine semi-transparente Acrylglas- Oberfläche eingesetzt, die einerseits für die Erfassung der Codes ausreichend durchlässig ist, andererseits aber auch das projizierte Licht soweit bricht, dass die darzustellende Information auf der Oberfläche sichtbar ist. Die Kamera – eine AVT Guppy F080B (Allied Vision Technologies GmbH, 2008) – sitzt wie in Abbildung 7.7 schematisch dargestellt in der Mitte der Bodenplatte. Sie ist 208 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten mit einem Weitwinkel-Objektiv ausgestattet, das es erlaubt, die gesamte Oberfläche zu erfassen, ohne dass der Tisch höher als 100 cm sein muss (Öffnungswinkel etwa 45°). Die Kamera bietet eine Auflösung von 1024 x 768 Bildpunkten und ist über eine Firewire- Schnittstelle (IEEE 1394 (Bloks, 1996)) mit dem Rechner verbunden. Die Kamera kann so bis zu 30 Bilder pro Sekunde an den Rechner senden. Das Weitwinkelobjektiv ver- ursacht Verzerrungen in den Randbereichen, was trotz der Möglichkeit von ReacTIVi- sion, das Bild softwareseitig zu entzerren, dazu führt, dass links und rechts etwa 10 cm der Tischoberfläche nicht zur Identifikation von Codes verwendet werden können. Die- ser Problematik kann aufgrund der beschränkten Kameraauflösung nur durch größere Codes begegnet werden, was durch die beschränkte Größe der Tokens nicht möglich ist. Im Prototypen wurden deshalb die Randbereiche des Systems ausgespart und können zur Ablage von aktuell nicht eingesetzten Tokens verwendet werden. Illumination und Umgebungslichtabhängigkeit Optische Tracking-Systeme leiden generell unter ihrer Abhängigkeit von den Umge- bungslichtbedingungen. Probleme, die in diesem Zusammenhang auftreten, hängen nicht nur mit der absoluten Stärke der Einstrahlung von Umgebungslicht zusammen (die zu schwach, aber auch zu stark sein kann), sondern auch mit der Änderung der Lichtbedin- gungen über die Zeit. Gegenstand dieses Abschnitts ist die genauere Erörterung dieser Problematik und die Darlegung von Möglichkeiten ihr zu begegnen. Zu geringe Umgebungshelligkeit führt zu Erkennungsproblemen, da der Kamera nicht ausreichen Licht und damit Kontrast zur Verfügung steht, um ein Bild zu liefern, in dem die ReacTIVision-Codes zuverlässig identifiziert werden können (dies gilt im Übrigen auch für alle anderen optischen Identifikations-Ansätze). Das Problem wird zusätzlich verschärft, da zur Aufnahme des Bildes nicht das Spektrum des sichtbaren Lichts ver- wendet wird, sondern in den Infrarot-Bereich (“near infrared“, Wellenlänge etwa 550 nm) ausgewichen wird. Dies ist notwendig, da die Kamera andernfalls Reflexionen des auf die Oberfläche projizierten Ausgabe-Kanals (siehe Kapitel 8) erfasst, was eine Iden- tifikation der Codes unmöglich macht. Die meisten Kunstlicht-Quellen strahlen jedoch nicht ausreichend Licht im verwendeten Infrarot-Bereich ab, um eine ausreichende und gleichmäßige Ausleuchtung der Oberfläche zu gewährleisten. Dieser Problematik wurde dadurch begegnet, dass im betreffenden Infrarot-Bereich strahlende Beleuchtungsquellen in den Tisch (konkret in den Ecken der Bodenplatte) eingebaut wurden (siehe Abbil- dung 7.7). Um eine gleichmäßige, diffuse Ausleuchtung zu erreichen, wurde der Tisch rundum mit weißen Kunststoffplatten mit strukturierter Oberfläche verkleidet, die das vorhandene Licht streuen. Um Reflexionen der Lichtquellen (die nach oben abstrahlen) auf der Oberfläche zu vermeiden, wurden etwa 50 cm über den Lichtquellen Streuschei- ben angebracht. So konnte eine diffuse Beleuchtungssituation geschaffen werden, deren Stärke ausreicht, um die Codes auch bei vollkommener Dunkelheit in der Umgebung zuverlässig zu erkennen. 209 7.2. Konzeption und Umsetzung der Hardwarekomponenten Das zweite Problemfeld betrifft zu starke Lichteinstrahlung aus der Umgebung. Zu hohe Umgebungshelligkeit führt zu einem Überstrahlen des Kamerabildes in manchen Bereichen, womit in Teilen der Oberfläche keine Codes erkannt werden können. Dies liegt in dem von ReacTIVision eingesetzten adaptiven Code-Extraktions-Algorithmus begründet, der bei schwachen oder guten Beleuchtungsverhältnissen leichte Unterschiede in der Ausleuchtung korrigieren kann, bei starken Unterschieden oder großer Helligkeit jedoch nicht mehr zuverlässig funktioniert. Wie bereits erwähnt, arbeitet die Kame- ra im Infrarot-Bereich. Dies ist dann problematisch, wenn starke Sonneneinstrahlung vorhanden ist, da diese einen hohen Anteil an Licht der relevanten Wellenlänge ent- hält. Auch bestimmte Kunstlichtquellen wie Leuchtstoffröhren, die unmittelbar über dem Tisch angebracht sind, verursachen Probleme. Während punktuelle Helligkeitszo- nen („Spotlights“) nicht durch die Software korrigiert werden können und vermieden werden müssen, kann eine generell zu hohe Umgebungshelligkeit durch die Kalibrierung der ReacTIVision-Software bzw. der ihr zugrunde liegenden Kamera-Treiber korrigiert werden. Im Konkreten ermöglicht ReacTIVision bei Firewire-Kameras eine Veränderung der Kamerablende (größere Blende – weniger Licht am Sensor) sowie der Signalverstär- kung (weniger Verstärkung – dunkleres Bild). Durch Veränderung dieser beiden Para- meter kann nahezu jede Beleuchtungssituation korrigiert werden, sofern sie über die Zeit stabil bleibt. Bei Umgebungslicht-Bedingungen, die sich über die Zeit verändern (z.B. bei Tages- licht, das sich durch Wolkenbewegungen oder tageszeitabhängig verändert), kann die manuelle Konfiguration des ReacTIVision-Frameworks nicht sinnvoll durchgeführt wer- den. Leichte Veränderung der Helligkeit kann das ReacTIVision-Framework durch den adaptiven Erkennungs-Algorithmus noch selbst korrigieren, bei größeren Veränderungen funktioniert jedoch die Erkennung nicht mehr stabil. Dies äußert sich darin, dass Codes für einige Sekundenbruchteile von der Kamera nicht mehr erfasst werden, was wiederum zu unerwünschten von Framework gemeldeten Ereignissen führt (z.B. dass ein Container- Token verschwunden wäre, obwohl es sich physisch noch auf der Oberfläche befindet). Da diese Erkennungsausfälle im Grenzbereich gerade noch möglicher Erkennung zwar regel- mäßig auftreten, in ihrer zeitlichen Ausdehnung aber eher kurz sind, wurde im Rahmen der Interpretation der vom ReacTIVision-Framework gemeldeten Ereignisse eine Stabi- lisierungsebene eingezogen, die versucht, Ausfälle und Fehlerkennungen zu identifizieren und dementsprechend nicht an die übergeordneten Software-Ebenen weiterzugeben. Die in dieser Ebene umgesetzten Maßnahmen sind in Abschnitt 7.4.2 beschrieben. Durch die Kombination aller beschriebenen Maßnahmen ist es möglich, eine sehr weit- gehende Einsetzbarkeit des Werkzeugs – unabhängig von den herrschenden Umgebungs- lichtbedingungen – zu gewährleisten. Lediglich extreme Verhältnisse, wie direkte Ein- strahlung von in der Stärke variierenden Lichtquellen, verhindern einen stabilen Einsatz des Systems. 210 7.3. Benutzerinteraktion mit dem Werkzeug 7.3. Benutzerinteraktion mit dem Werkzeug Bevor nun die Interpretation der Eingabedaten durch die Software beschrieben wird, muss vorab geklärt sein, auf welche Art und Weise Benutzer mit dem System interagie- ren können. Bisher wurde geklärt, wie die Eingabe technisch funktioniert und welche Elemente den Benutzern zur Interaktion mit dem System zur Verfügung stehen. Im Folgenden werden die einzelnen Aktionen, die Benutzer grundsätzlich im Kontext des Modellierungsablaufs setzen können, identifiziert und deren konkrete Umsetzung durch das vorgestellte System beschrieben. Ein grundsätzliches Designziel war es die Interaktion mit dem System so „natürlich“ wie technisch möglich zu gestalten. Unter „natürlich“ ist hier zu verstehen, dass • die Eingabe von Information möglichst ausschließlich über direkte Aktionen der Hände der Benutzer (d.h. ohne Übersetzung in die digitale Welt durch Maus oder Tastatur) gestaltet werden kann, und • dass diese Aktionen bzw. deren Ablauf nur durch inhaltliche Vorgaben der Mo- dellierungsproblematik, nicht aber durch technische Einschränkungen vorgegeben sind. Wie bereits im letzen Abschnitt beschrieben, konnten diese Forderungen aufgrund der Eigenschaften des eingesetzten Tracking-Systems nicht vollständig umgesetzt werden. Wo noch Einschränkungen hinsichtlich der oben genannten Forderungen bestehen, wird in den folgenden Abschnitt darauf hingewiesen und ein möglicher Lösungsansatz skiz- ziert. 7.3.1. Hinzufügen und Verändern von Modellelementen Um Elemente zu einem Modell hinzuzufügen, müssen entsprechende Tokens auf der Modellierungsoberfläche platziert werden. Sofern sich diese im Erfassungsbereich der Kamera befinden, werden sie identifiziert und an der entsprechenden Stelle im Modell identifiziert. Beim erstmaligen Hinzufügen wird das Token den Benutzern gegenüber mittels seiner Nummer (die durch den ReacTIVision-Code vorgegeben ist) dargestellt. Ist das Token bereits benannt und wird erneut hinzugefügt, wird die zuvor vergebene Benennung geladen und angezeigt. Beim erstmaligen Hinzufügen eines Elementtyps (also eines roten, blauen oder gelben Tokens) fragt das System nach der Bedeutung dieses Elementtyps. Diese kann angegebe- nen werden, darf aber auch unspezifiziert bleiben und kann zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt oder verändert werden. Diese Interaktion zu einem späteren Zeitpunkt muss explizit dadurch ausgelöst werden, indem ein Token des betreffenden Typs vor die Re- gistrierungskamera gehalten wird. 211 7.3. Benutzerinteraktion mit dem Werkzeug Um die Position und Rotation eines Modellelements zu verändern, muss es entspre- chend an einen anderen Ort verschoben oder gedreht werden. Dabei ist es nicht notwenig, dass das Token ständig von der Kamera erfasst wird. Kurze Aussetzer in der Erfassung, die durch schnelles Verschieben oder Abheben des Tokens und Aufsetzen an einem an- deren Ort ausgelöst werden, werden von der Software ignoriert, das Element wird so behandelt, als wäre es nicht verschwunden gewesen (hinsichtlich der Auswirkungen des Verschwindens eines Tokens siehe Abschnitt 7.3.4). Eine simultane Erweiterung oder Veränderung des Modells durch mehrere Benutzer ist möglich, die Software schränkt die Anzahl der möglichen zeitgleich ablaufenden Inter- aktionen nicht ein. Da alle in diesem Abschnitt beschriebenen Interaktionen eindeutig einem Token zugeordnet werden können und dieses zu jedem Zeitpunkt eindeutig iden- tifiziert werden kann, kann das System mit dieser Art von Eingaben umgehen. Die Erfassungsrate liegt in der derzeitigen Implementierung bei etwa 15 Bildern in der Se- kunde, woraus sich ein Auswerteintervall von etwa 67 Millisekunden ergibt. In diesem Abstand wird jeweils die gesamte Oberfläche erfasst und etwaige Änderungen an die Applikationsschicht weitergemeldet. 7.3.2. Benennen von Modellelementen Die Benennung von Modellelementen ist eine der wichtigsten Interaktionsformen im Modellierungsprozess. Modellelementen wird damit ein Name zugewiesen, der zur Iden- tifikation des Elements gegenüber den Benutzern verwendet wird. Um der Anforderung nach möglichst direkter, unmittelbarer Interaktion mit dem System in der realen Welt (d.h. auf der Modellierungsoberfläche) nachzukommen, wurde ein auf der Verwendung von Haftnotizen basierender Interaktionsmodus eingeführt, der zur Benennung von Mo- dellelementen eingesetzt wird. Alternativ kann die Benennung durch Eingabe der Be- zeichnung über eine Tastatur erfolgen. Im Falle der Benennung mittels Haftnotizen wird ein Werkzeugtoken eingesetzt, auf dem die Haftnotizen angebracht sind. Unmittelbar nach der Platzierung eines Elements wird eine neue Haftnotiz beschriftet und mittels der Registrierungskamera erfasst. Wäh- rend die Haftnotiz nun auf dem Modellelement angebracht werden kann, wird im System das erfasste Bild ausgewertet, der geschriebene Text wird (als Grafik) extrahiert und dem zuletzt auf der Oberfläche platzierten Token zugeordnet. Soll ein Element nachträglich (um)benannt werden – wenn also zwischenzeitlich ein weiteres Element platziert wur- de – muss das zu benennende Element mit dem Markierungstoken ausgewählt werden. Das Markierungstoken wird dazu in der Nähe des Elements auf die Oberfläche gesetzt. Visuelles Feedback auf der Oberfläche signalisiert eine erfolgreiche Auswahl. In der Fol- ge kann die neue Benennung mittels des Registrierungstokens erfasst und am Element angebracht werden. Die Benennung mittels Haftnotizen ist insofern problematisch, als dass die Extraktion der handschriftlichen Benennung nur unzuverlässig funktioniert. Dies 212 7.3. Benutzerinteraktion mit dem Werkzeug liegt vor allem an zu geringem Kontrast zwischen Haftnotiz und Schrift ( bei schlechten Lichtverhältnissen) und einer zu geringen Auflösung der Registrierungskamera. Außer- dem werden keine Schrifterkennungs-Algorithmen eingesetzt, wodurch der Schriftzug für das System immer lediglich eine Menge von Bildpunken ohne weitere Bedeutung bleibt. Um die Nachteile der Benennung mit Haftnotizen zu vermeiden, wurde ein alterna- tiver Interaktionsmodus zur Benennung von Modellelementen eingeführt. Dieser läuft grundsätzlich identisch ab, setzt jedoch anstatt der Haftnotizen eine Tastatur ein, über die die Benutzer die Benennung dem System bekannt geben. Die eingegebene Informa- tion wird dann auf der Oberfläche unmittelbar unterhalb des Elements angezeigt (siehe Abschnitt 8.3.3). Die Auswahl des zu benennenden Elements erfolgt wiederum durch das Markierungstoken. Die Vorteile dieses Systems liegen in der geringen Fehlerrate und der hohen Geschwindigkeit der Eingabe (etwa Faktor 10 schneller als die Eingabe mittels Haftnotiz). Der Nachteil dieses Ansatzes ist der exklusive Zugang zum Eingabemedium, der Tastatur. Während es beim Einsatz von Haftnotizen grundsätzlich möglich ist, diese simultan zu erstellen (auch wenn die Registrierung sequentiell erfolgen muss), kann bei der Verwendung der Tastatur zu einem Zeitpunkt immer nur ein Element bearbeitet werden. Grundsätzlich sind die beiden Interaktionsmodi zur Benennenung von Elementen als Ergänzung zueinander zu sehen. Sie können grundsätzlich gleichzeitig eingesetzt werden und bieten den Benutzern eine Wahlmöglichkeit zwischen einer langsameren, dafür aber physisch existenten oder einer schnelleren, dafür nur über die Ausgabekanäle des Systems sichtbaren Benennung. Die Erkennungsprobleme der Haftnotizen-Variante (die zur Ein- führung des zweiten Interaktionsmodus geführt hatten) können durch eine Verbesserung der technischen Rahmenbedingung ausgemerzt werden, wozu aber bei der Erstellung des hier vorgestellten Prototypen keine Ressourcen vorhanden waren. Im Falle einer Verbes- serung könnten den Benutzern zwei gleichwertige Eingabekanäle zur Verfügung gestellt werden. Vorerst bietet der Einsatz der Tastatur jedoch nicht vernachlässigbare Vorteile hinsichtlich der Zuverlässigkeit und der Genauigkeit der Erfassung von Benennungen. 7.3.3. Verbinden von Modellelementen Das Verbinden von Modellelementen ist neben dem Hinzufügen und Benennen der dritte wesentliche Interaktionsmodus, der zum Aufbau eines Modells benötigt wird. Verbindun- gen werden nicht physisch gelegt sondern mit Werkzeugtokens erstellt und dann über die Outputkanäle visuell dargestellt. Die Entscheidung gegen eine physische Repräsentation der Verbindungen fiel zugunsten einer leichteren Veränderbarkeit des gesamten Modells – das Verschieben eines Elements verursacht so keinen zusätzlichen Aufwand, wohinge- gen physische Verbinder nachgeführt werden müssen bzw. eine beliebige Neuanordnung verhindern. 213 7.3. Benutzerinteraktion mit dem Werkzeug Die Erstellung von Verbindern kann wie die Benennung auf zwei unterschiedliche Arten erfolgen, die sich aber ihrer Ausdrucksmächtigkeit bzw. Flexibiliät unterscheiden. Der flexiblere Interaktionsmodus ist jener, der unter Einsatz von zwei Markierungstokens durchgeführt wird. Dabei wird jeweils ein Markierungstoken neben einem der beiden zu verbindenden Modellelemente platziert, wodurch diese ausgewählt und anschließend ver- bunden werden. Das Verbindungskriterium ist, dass die beiden Modellelemente innerhalb von 3 Sekunden nacheinander ausgewählt werden. Dies erlaubt sowohl eine gleichzeiti- ge Platzierung von zwei Markierungstokens als auch die Arbeit mit nur einem Token, das rasch hintereinander neben die zu verbindenden Elemente gesetzt wird. Die Arbeit mit den herkömmlichen Markierungstokens erzeugt ungerichtete Verbindungen. Wer- den gerichtete Verbindungen benötigt (deren Richtung mit einer oder im Falle einer bidirektionalen Verbindung mit zwei Pfeilspitzen angezeigt wird), müssen spezielle Mar- kierungstokens verwendet werden, deren Grundfläche die Form einer Pfeilspitze hat und die neben dem entsprechend zu markierenden Modellelemente platziert werden müssen. Der alternative Interaktionsmodus zur Herstellung einer Verbindung kommt ohne Werkzeugtokens aus und basiert ausschließlich auf der Manipulation der Modellelemen- te. Werden zwei Modellelemente an ihren Längsseiten nahe zusammengeführt, so erstellt das System zwischen diesen beiden Elementen eine Verbindung. Im Interaktionsablauf bedeutet dies, dass ein Benutzer die beiden zu verbindenden Elemente ergreift und diese auf der Oberfläche von ihrer ursprünglichen Position aus kurz zusammenführt um sie danach sofort wieder an ihre Originalposition zurück zu stellen. Die so erstellten Verbin- dungen sind immer ungerichtet und werden nach der Erstellung gleich behandelt wie mit den Markierungstokens erstellte Verbindungen. Durch die Vermeidung der Verwendung von Werkzeugtokens ist dieser Weg zur Herstellung von Verbindungen schneller auszu- führen als der zuvor beschriebene (etwa um den Faktor 5). Problematisch wird diese Art der Interaktion dann, wenn die Modellierungsoberfläche bereits sehr voll ist, so dass nur noch wenig Platz zur Zusammenführung von zwei Elementen vorhanden ist. Auch bei Bedarf nach gerichteten Verbindern muss auf Markierungstokens zurückgegriffen werden. Markierungen können unabhängig von ihrem Erstellungsweg auch benannt werden. Da sie keine physische Repräsentation besitzen, kann der Benennungsmodus mit Haft- notizen nicht verwendet werden. Die Eingabe von Bezeichnungen erfolgt demnach aus- schließlich über die Tastatur. Zur Benennung einer Verbindung muss unmittelbar nach deren Erstellung die Bezeichnung eingegeben werden, diese wird dann der zuletzt erstell- ten Verbindung zugewiesen. Um eine Bezeichnung zu ändern oder im Nachhinein zuzu- weisen, muss der Verbinder mittels dem Markierungstoken ausgewählt werden. Durch nachträgliches Aufsetzen des Pfeilspitzen-Tokens auf eine existierende Verbindung wird am jeweils näheren Verbindungsende eine Pfeilspitze hinzugefügt oder entfernt werden. 214 7.3. Benutzerinteraktion mit dem Werkzeug 7.3.4. Löschen von Elementen und Verbindungen Beim Löschen muss zwischen dem Entfernen von Elementen und Verbindungen unter- schieden werden. Beide Modellaspekte sind nicht nur hinsichtlich der Interaktion mit dem System unterschiedlich zu behandeln, es besteht vor allem eine Existenzbeziehung zwischen Elementen und Verbindungen, d.h. dass Verbindungen nicht ohne ihre als End- punkte dienenden Elemente existieren können und beim Entfernen eines Elements eben- falls gelöscht werden müssen. Das Löschen eines Modellelements aus dem aktuellen Modell erfolgt durch Entfernen der zugehörigen Tokens auf der Oberfläche. Hier muss zwischen Entfernungsvorgängen unterschieden werden, die vom Benutzer intendiert sind und solchen, die durch die Mani- pulation des Modells unabsichtlich und kurzzeitig auftreten. Nur in ersterem Fall dürfen die Verbindungen, die an einem Element hängen, ebenfalls gelöscht werden. Die Unter- scheidung zwischen den beiden Fällen wurde durch die Einführung eines Zeitintervalls von 5 Sekunden gelöst, nachdem die betroffenen Verbinder ebenfalls entfernt werden. Wird also ein Modellelement nur an eine andere Stelle verschoben (und verschwindet so kurzzeitig aus dem Blickfeld der Kamera), bleiben die Verbindungen erhalten. Wird das Element zur Seite gestellt, wird es und seine abhängigen Verbindungen zwar auf den Ausgabekanälen nicht mehr dargestellt, das tatsächliche Löschen erfolgt aber erst nach 5 Sekunden. Wird das Element innerhalb dieser Zeitspanne wieder auf der Oberflä- che platziert, wird es und seine abhängigen Verbindungen so behandelt, als ob es nicht verschwunden gewesen wäre. Das Löschen von Verbindern ist durch den Einsatz der Lösch-Tokens möglich, das das System in den Lösch-Modus schaltet, sobald es auf der Oberfläche platziert wird (und diesen wieder deaktiviert, wenn es entfernt wird)6. Im Lösch-Modus wird der Einsatz von Markierungstokens alternativ interpretiert. Anstatt der Herstellung einer Verbin- dung wird bei Markierung von zwei Modellelementen eine eventuell zwischen diesen vorhandene Verbindung endgültig entfernt. Dabei ist keine Unterscheidung zwischen gerichteten und ungerichteten Verbindungen notwendig, es können durchgängig die ein- fachen Markierungstokens eingesetzt werden. 7.3.5. Einbettung von Zusatzinformation Der Interaktionsablauf zur Einbettung von Zusatzinformation setzt sich aus zwei Teilen zusammen, die sequentiell abzuarbeiten sind. Der erste Schritt ist der Vorgang des Bin- dens von Zusatzinformation an ein einbettbares Token. Im zweiten Schritt muss dieses 6Diese Verhalten wurde aufgrund von Erkenntnissen in der empirischen Untersuchung später modi- fiziert. Das Löschtoken fungierte dann nicht mehr als Schalter zum Aktivieren eines Löschmodus, sondern ermöglichte ein unmittelbares Entfernen der Verbinder, auf dem es aufgesetzt wird. Details zu dieser Veränderung und deren Auswirkungen sind in den Abschnitten 10.11, 12.1.2 sowie 12.3.8 angeführt. 215 7.3. Benutzerinteraktion mit dem Werkzeug Token in einem Container-Token eingebettet werden. Ein dritter Interaktionsablauf in diesem Zusammenhang ist das Abrufen bzw. die Manipulation der eingebetteten Infor- mation, der in der Folge ebenfalls im Detail beschrieben wird. Das Binden von Information an ein einbettbares Token ist ein Vorgang, der nicht aus- schließlich in der physischen Welt durchgeführt werden kann. Die anzubindende Infor- mation liegt im Regelfall digital vor und muss damit am Rechner selektiert werden. Der zugehörige Informationsablauf beginnt mit der Auswahl eines einbettbaren Tokens, des- sen Form die Art der einzubettenden Information bestimmt. Im konkreten Fall wurden drei Arten von einbettbaren Tokens erstellt, von denen eines der Umsetzung der Abs- traktion von Modellen (also der Einbettung von Teilmodellen in ein Containerelement) dient und die anderen beiden exemplarisch die Anbindung von digitalen Ressourcen aus der Arbeitsumgebung demonstrieren. Im Sinne des Interaktionsablaufs sind diese Arten zum Teil unterschiedlich zu behandeln. Bei allen Token startet die Interaktion mit der Registrierung des Tokens mittels der Registrierungskamera. Handelt es sich dabei um ein Token, das der Einbettung von Teilmodellen dient, wird der aktuelle Modellzustand auf der Modellierungsoberfläche erfasst, gespeichert und an das Token gebunden. Der Vorgang der Informationsanbindung ist in diesem Fall abgeschlossen. Daneben existieren Tokens, an die beliebige digitale Ressourcen in der Form von Dateien gebunden werden können. Die Registrierung eines derartigen Tokens öffnet in diesem Fall eine Dialogbox am Rechner, in der die digitale Ressource ausgewählt werden kann. Die gewählte Datei wird dann über eine Referenz an das Token gebunden. Die dritte Art von einbettbaren Tokens demonstriert die Anbindung von spezialisierterer Information, die in einem An- wendungsfall sinnvoll sein können und ggf. auch gesondert behandelt werden müssen. Im konkreten Fall wurde die Anbindung von unmittelbar aufgenommenen Bildern im- plementiert, die so z.B. eine Abbildung eines Ausschnittes der realen Arbeitsumgebung in das Modell ermöglichen. Im Interaktionsablauf löst die Registrierung eines derarti- gen Tokens die Speichung eines Bildes, das aktuell von der Registrierungskamera erfasst wird, aus. Dieses Bild wird an das Token gebunden, der Interaktionsablauf ist damit ebenfalls wieder beendet. Im zweiten Schritt, der zur Einbettung von Information notwendig ist, muss das ein- bettbare Token einem Containertoken zugeordnet werden. Dazu muss das betreffende Container-Token geöffnet werden. Das einbettbaren Token, an das bereits Information gebunden wurde, wird erneut mit der Registrierungskamera erfasst, was eine Zuordnung zwischen diesem Token und dem offenen Container auslöst. Visuelles Feedback über die Ausgabekanäle zeigt eine erfolgreiche Zuordnung an. Das einbettbare Token kann nun auch physisch in den Container gelegt werden und ist diesem damit auch in der realen Welt zugeordnet. Der Interaktionsvorgang endet mit dem Schließen des Containerto- kens. Der hier beschriebene Vorgang ist insofern als Hilfskonstrukt zu sehen, als das er nicht notwendig ist, wenn die Containertoken in der Lage wären, ihren Inhalt selbst zu identifizieren. Wie in Abschnitt 7.1.1 argumentiert, wurde aber auf diese Funktionalität verzichtet. Dies ist für den prototypischen Einsatz akzeptabel, im Realbetrieb jedoch 216 7.3. Benutzerinteraktion mit dem Werkzeug insofern problematisch, als dass durch den indirekten, mehrstufigen Zuordnungprozess ein inkonsistenter Zustand zwischen physischer und digitaler Modellrepräsentation nicht ausgeschlossen werden kann. Um eingebettete Information wieder abrufen zu können, wurde ebenfalls ein Inter- aktionsablauf definiert. Dieser beginnt mit dem Öffnen des entsprechenden Container- Tokens. Durch Herausnehmen des informationstragenden Tokens und eine Erfassung desselben mit der Registrierungskamera wird die angebundene Information abgerufen. Handelt es sich um ein Token mit angebundenem Teilmodell, so wird dieses über die Output-Kanäle dargestellt. Angebundene digitale Ressourcen werden am Rechner ge- öffnet und dargestellt. Das eingebettete Token bleibt dem Container-Token zugeordnet, es muss also zur Konsistenzsicherung nach dem Abrufen der Information wieder in den Container gelegt werden. Um ein eingebettetes Token aus einem Container zu entfernen, muss bei der Erfassung dieses Tokens das Radierer-Werkzeug-Token eingesetzt werden und das System so in den Lösch-Modus versetzt werden. Die Information bleibt dabei an das einbettbare Token gebunden. Eine Veränderung der angebundenen Information während eines Modellierungsvorgangs ist nicht vorgesehen, es muss ggf. ein weiteres, noch unbelegtes einbettbares Token verwendet werden. 7.3.6. Kontrolle der Modellierungshistorie Die Kontrolle der Modellierungshistorie umfasst im Wesentlich drei Interaktionsblöcke, die im Folgenden beschrieben werden. Der erste Block behandelt die Erfassung von Mo- dellzuständen, im zweiten Block wird die Navigation durch die Modellierungshistorie behandelt und der dritte Block beschäftigt sich mit der Unterstützung der Wiederher- stellung von gespeicherten Modellzuständen. Die Erfassung von Modellzuständen erfolgt im Normalfall implizit und muss von den Benutzern nicht explizit ausgelöst werden. Wenn sich das Modell auf der Modellierungs- oberfläche länger als 5 Sekunden in einem stabilen Zustand befinden (wenn also weder die Position, noch die Rotation oder die Benennung der Tokens geändert wurden und auch keine Verbindungen oder Einbettungen erstellt wurden), wird der aktuelle Mo- dellzustand gespeichert. Sollen bestimmte Modellzustände aber aufgrund ihrer Relevanz für den Modellierungsverlauf explizit gespeichert und auch entsprechend gekennzeichnet werden, so kann das Snapshot-Token eingesetzt werden. Dieses löst, sobald es auf der Modellierungsoberfläche aufgesetzt wird, die Speicherung des aktuellen Modellzustandes aus. Das System quittiert die Speicherung mit visuellem Feedback über die Ausgabe- kanäle. Explizit erfasste Zustände werden im Gegensatz zu automatisch gespeicherten gekennzeichnet und in den weiterverarbeitenden Modulen (vor allem bei der Persistie- rung) speziell behandelt. Die Navigation durch die Modellierungshistorie erfolgt mittels einem rundenWerkzeug- Token, dass diese Navigation durch Rotation im oder entgegen dem Uhrzeigersinn er- 217 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software möglicht. Das System wird durch das Aufsetzen dieses Tokens auf die Modellierungs- oberfläche in den Historien-Modus geschaltet, was Auswirkungen auf die Darstellung des Modells in den Outputkanälen (siehe Abschnitt 8.3.3) hat. Bei Aktivierung des Historien-Modus wird der aktuellste gespeicherte Modellzustand geladen. Durch Dre- hen des Tokens gegen den Uhrzeigersinn kann in der Zeit zurück navigiert werden. Das Laden der nächstälteren Modellzustands erfolgt dabei in regelmäßigen Intervallen von jeweils 45 Grad (8 Modellzustände pro voller Umdrehung). Der absolute zeitliche Ab- stand zwischen den gespeicherten Modellzuständen, der sich aus dem Auftreten stabiler Modellzustände ergibt, wird bei der Navigation nicht berücksichtigt – der zurückzule- gende Winkel ist immer gleich groß. Gleiches gilt sinngemäß für das Drehen des Tokens im Uhrzeigersinn – dabei wird in regelmäßigen Abständen der nächstjüngere Modell- zustand geladen. Wird das Token entfernt, wird der Historien-Modus deaktiviert und wieder in der aktuelle Systemzustand an die Output-Kanäle übergeben. Soll ein gespeicherter Modellzustand wiederhergestellt werden, so bietet das System Unterstützung für die dazu notwendige Interaktion. Da weder die Tokens noch der Tisch selbst über durch den Rechner steuerbare bewegliche Komponenten verfügen, die ei- ne automatisierten Wiederherstellung eines Modellzustandes ermöglichen, kommt die Aufgabe der eigentlichen Wiederherstellung den Benutzern zu. Das System unterstützt dabei insofern, als das über die Ausgabekanäle Information an die Benutzer weiterge- geben wird, die die korrekte Platzierung der Elemente anleitet (Details dazu sind in Abschnitt 8.3.4 nachzulesen). Gespeicherte Modellzustände können dabei entweder aus dem Historienmodus oder aus an eingebettete Tokens gebundene Teilmodelle bezogen werden. Im ersten Fall wird die Wiederherstellungsunterstützung durch ein spezielles Token aktiviert, das auf die Oberfläche aufgesetzt wird während der alte Systemzustand über die Outputkanäle dargestellt wird. Im zweiten Fall muss das Teilmodell, das an das eingebettete Token gebunden ist, über die Registrierungskamera abgerufen werden, wodurch es ebenfall über die Outputkanäle dargestellt wird. Während der Darstellung wird die Wiederherstellungsunterstützung wiederum durch Aufsetzen des betreffenden Werkzeug-Tokens auf die Oberfläche aktiviert. In beiden Fällen läuft dann die Wie- derherstellungsunterstüztung durch das System angeleitet automatisiert ab. Nach Ab- schluss der Wiederherstellung werden die Benutzer aufgefordert eventuell noch vorhan- dene Werkzeug-Tokens (wie das Historien-Navigations-Token) zu entfernen, wodurch das System wieder den aktuellen Modellzustand als Grundlage der Darstellung verwendet. 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software Das Software-System, das die Benutzereingaben von der Hardwareschnittstelle bis hin zur abstrahierten Modellierungsinformation aufbereitet, ist Gegenstand dieses Abschnitts. Die darüber hinausgehenden Komponenten sind Gegenstand der Kapitel 8 und 9. Die hier behandelten Software-Komponenten umfassen 218 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software • jene Komponente, die die Rohdaten von ReacTIVision empfängt und sie hinsicht- lich der Modellierungsinformation auswertet und interpretiert, • die Komponente, die für die Stabilisierung der Erkennungsleistung sorgt, wenn Fehlerkennung oder Erkennungsausfälle auftreten, sowie • jene Komponente, die für das Tracking des Modellzustandes und damit für die Nachvollziehbarkeit des Modellierungsablaufs zuständig ist. Wie in Abschnitt 7.1.3 ausgeführt, soll zur Verknüpfung dieser Komponenten das TUIpist- Framework zum Einsatz kommen. Im vorliegenden Prototypen wurde das System jedoch zwar modular aber ohne Einsatz des TUIpist-Frameworks implementiert. Eine erste Um- setzung der Architektur auf die TUIpist-Strukturen liegt vor, ist jedoch noch nicht im produktiven Einsatz. An dieser Stelle wird deshalb der Aufbau der Komponenten in ihrer derzeitigen Implementierung beschrieben, da diese auch bei der Evaluierung des Werkzeugs eingesetzt wurde. Erste Umsetzungserfahrungen deuten darauf hin, dass der Aufwand zur Einbindung von TUIpist sich wie erwartet in Grenzen hält. Die Systemarchitektur, wie sie sich in der derzeitigen Implementierung darstellt, ist in Abbildung 7.19 dargestellt. Die Komponenten des Interpretations-Moduls leiten sich aus den umzusetztenden Funktionen und zu erkennenden Interaktionsabläufen (siehe Abschnitt 7.3) ab. Die Komponenten sowie die Verknüpfungen untereinander werden in den folgenden Abschnitten im Detail beschrieben, wobei die Struktur der Beschreibung im Gegensatz zum vorangegangenen Abschnitt nicht an der Funktionalität sondern an den involvierten Technologien orientiert ist und damit einen weiteren Detaillierungs- schritt in der Beschreibung der Benutzereingabe im hier vorgestellten System darstellt. 7.4.1. Interpretation der Rohdaten Das ReacTIVision-Framework liefert, wie in Abschnitt 7.1.2 beschrieben, die aus dem Kamerabild extrahierten Informationen über die auf der Oberfläche vorhandenen Modellierungs- Elemente und Werkzeuge. Für jeden erkennbaren Code wird eine separate Nachricht gesandt, sobald sich zumindest ein Parameter (also Position oder Rotation) verändert. Diese Nachrichten treffen über die UDP-Schnittstelle bei einem von ReacTIVision bereit- gestellten Java-Objekt ein, das die Auswertung der Nachricht übernimmt und über einen Callback-Mechanismus7 vom Anwendungsentwickler implementierte Methoden aufruft, die auf das jeweilige Ereignis reagieren. Die Ereignisse, die auftreten können, beschrän- ken sich auf das Erscheinen eines Tokens, die Änderung der Parameter eines Tokens und das Verschwinden eines Tokens sowie die gleichen drei Ereignisse für die Behandlung ei- nes Cursors (wie das Markierungs-Werkzeugtoken). Dazu werden jeweils die relevanten 7entsprechend dem in (Gamma et al., 1995) beschriebenen Beobachter-Muster (Observer), das bei der Entwicklung wiederverwendbarer objektorientierter Software als Entwurfsmuster zum Einsatz kommt 219 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software Abbildung 7.19.: Softwarearchitektur zur Erkennung von Benutzerinteraktion 220 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software Parameter zur Verfügung gestellt (im Wesentlichen die ID des Tokens, seine Position, sei- ne Rotation und einige weitere abgeleitete Parameter, die in der konkreten Anwendung nicht eingesetzt werden). In den betreffenden Methoden wird im ersten Schritt ausgewertet, ob das identifizierte Token ein Modellierungs-Element oder ein Werkzeug ist. Im Falle eines Modellierungs- Elements wird im nächsten Schritt festgestellt, um welche Art von Token es sich handelt und ob es im aktuellen Modellierungsvorgang bereits im Einsatz war (ob z.B. bereits Information über die Benennung des Tokens oder dessen Inhalt vorhanden ist). Diese Information wird ggf. geladen und den weiterverarbeitenden Komponenten zu Verfügung gestellt. Im Falle eines Werkzeug-Tokens wird dieses identifiziert und an die für die Behandlung zuständige Methode weitergeleitet. Diese Methoden schalten das System je nach Art des eingesetzten Tokens in einen alternativen Zustand oder lösen eine Aktion auf den übergeordneten Ebenen aus. Ist für die Interpretation einer Benutzerinteraktion mehr als ein Token notwendig (z.B. beim Ziehen von Verbindungen), werden die Kandidaten, die möglicherweise den Beginn einer derartigen Interaktionssequenz darstellen, in einen Buffer geschrieben. Beim Auftreten eines Tokens, das möglicherweise den zweiten Teil dieser Interaktion darstellt, wird dieser Buffer geprüft und die Interpretation ggf. auf Basis der gespeicherten und aktuellen Token-Daten durchgeführt. Manche Benutzereingaben müssen – um eine komfortable Erstellung des Modells zu ermöglichen – ggf. auch nach Entfernen eines Tokens für einen bestimmten Zeitraum gespeichert werden. Beispiele hierfür sind Markierungen, die auch nach Entfernen des Markierungstokens aktiv bleiben, um Zeit für die Benennung oder die Herstellung einer Verbindung zu geben oder auch Modellierungstoken, die durch Manipulation temporär aus dem Erkennungsbereich der Kamera geraten und in diesem Fall nicht sofort als „entfernt“ interpretiert werden sollen. Auch in diesem Fall werden Buffer eingesetzt, die die entsprechende Information mit einem Zeitstempel versehen aufnehmen. Zur Si- cherstellung der Modellkonsistenz (also der Übereinstimmung zwischen physischem und digitalem Modell) prüfen speziell dazu konzipiert Methoden, die von einem Timer in regelmäßigen Abständen aufgerufen werden, ob die vorgegebene Gültigkeitsdauer der Information bereits abgelaufen ist und entfernen diese ggf. endgültig aus dem Buffer und dem Modell (löschen also konkret eine Markierung oder entfernen ein Modellelement und alle abhängigen Verbindungen aus dem Modell). Die Zeitintervalle dieser Prüfungen sind auf den jeweiligen Anwendungsfall abgestimmt und bewegen sich im Bereich zwischen drei und fünf Sekunden. 7.4.2. Stabilisierung der Erkennungsleistung Da wie bereits beschrieben beim Einsatz von ReacTIVision bei grenzwertigen Beleuch- tungsbedingungen zu Erkennungsproblemen oder Fehlerkennungen neigt, wurden im 221 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software Programmcode des Interpretationsmoduls Mechanismen verankert, die potentielle Feh- lerkennungen und Erkennungsprobleme identifizieren und deren Auswirkungen ignorie- ren sollen. Im Folgenden werden häufige Fehlerquellen benannt und der jeweilige Lö- sungsansatz beschrieben. Bildrauschen Bei wenig vorhandenem Umgebungsumgebungslicht müssen die Kameraparameter wie oben bereits beschrieben soweit nachgeführt werden, bis wieder ausreichender Bildkon- trast vorhanden ist. Zur Nachführung eignen sich die Blende der Kamera und die Signal- verstärkung. Eine offene Blende erhöht den Lichteinfall auf den Sensor und verbessert damit die Bildhelligkeit und den Kontrast. Je weiter offen die Blende eingestellt ist, desto geringer ist jedoch auch die Tiefenschärfe des Kamerabilds, d.h. dass die Kamera sehr exakt auf die Modellierungsoberfläche fokussiert werden muss. Da der Abstand von der Kamera zu Mitte des Tisches geringer ist als zu den Randbereichen, kann bei offe- ner Blende nie die gesamte Oberfläche scharf eingestellt werden. Da ein unscharfes Bild die Erkennungsleistung massiv mindert, sind der Nachführung des Blenden-Parameters Grenzen gesetzt. Die Signalverstärkung wirkt demhingegen nicht direkt auf die Kamera sondern auf das von ihr gelieferte Bild und ist deswegen keine physikalischen Beschrän- kungen unterworfen. Bei der Erhöhung der Signalverstärkung werden helle Bereiche im Bild heller, dunkle bleiben eher dunkel, der Kontrast wird also erhöht. Problematisch ist in diesem Kontext, dass nicht nur das Nutzsignal (also das eigentliche Bild) verstärkt wird, sondern auch das im Bild enthaltene Rauschen. Das Rauschen ist wiederum ein physikalisches Phänomen der digitalen Bilderfassung und hat seinen Ursprung im bild- aufnehmenden Chip. Während das Rauschen bei guten Lichtverhältnissen im Vergleich zum Nutzsignal vernachlässigbar ist, wirkt es bei schlechten Lichtverhältnissen und dem- entsprechend starker Signalverstärkung störend. Generell ist die Kamera deshalb so zu kalibirireren, dass der Spielraum bei der Blendeneinstellung maximal ausgenutzt wird (so dass die gesamte Oberfläche noch scharf abgebildet werden kann) und erst danach die zu einer stabilen Erkennung notwendige Signalverstärkung eingestellt wird. Ist trotz maximaler Blendenöffnung so wenig Licht vorhanden, dass es durch eine hohe notwendige Verstärkung zu Bildrauschen kommt, ergeben sich Probleme bei der Bilder- kennung. Diese äußern sich teilweise im temporären Nicht-Erkennen von auf der Ober- fläche platzierten Tokens (weil das den Code enthaltende Nutzsignal im Bildrauschen untergeht), vor allem aber im Auftreten von „Cursorflackern“. Mit „Cursorflackern“ wird hier das Phänomen bezeichnet, das der Bilderkennungsalgorithmus vermeintlich auf die Oberfläche aufgesetzte Cursor-Tokens (wie das Markierungstoken) erkennt und an das Interpretationsmodul weiterleitet. Es kann so vorkommen, das fehlerhafte Markierun- gen angezeigt werden oder sogar umgewollte Verbindungen entstehen. Diese Cursor ha- ben eine sehr geringe Lebensdauer (im Bereich von unter 500 Millisekunden), da das 222 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software Rauschen zufallsverteilt und dynamisch ist und eine als Cursor erkannte Konstellation dementsprechend nicht lange erhalten bleibt. Um das „Cursorflackern“ zu verhindern, kann einerseits auf Seiten des ReacTIVision- Frameworks die Cursor-Größe erhöht werden, was die Wahrscheinlichkeit einer Fehler- kennung durch die größere notwenige Fläche, auf der das Rauschen in der richtigen Form auftreten muss, reduziert. Dementsprechend müssen aber auch etwaige Cursor-Tokens in ihrer Größe angepasst werden, was nur in Grenzen möglich ist. Der alternative Ansatz zur Kompensation von „Cursorflackern“ wurde im Interpretationsmodul implementiert und basiert auf der Messung der Lebensdauer des Cursors. Wird von ReacTIVision das Auftreten eines Cursors gemeldet, so wird dieser vom Interpretationsmodul nicht direkt ausgewertet, sondern in einen Buffer geschrieben. Nach 600 Millisekunden wird geprüft, ob der Cursor noch vorhanden ist oder ob er bereits wieder entfernt wurde (ob also eine entsprechende Nachricht von ReacTIVision weitergegeben wurde). Im ersteren Fall kann von einem bewusst gesetzten Cursor ausgegangen werden und dieser zur Weiterverarbei- tung freigegeben werden. Im zweiten Fall handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um „Cursorflackern“, das ignoriert werden kann. Technisch ist diese Funktion so umgesetzt, dass eine Meldung über das Auftreten eines Cursors ein entsprechendes Objekt mit Zeitstempel in einen Buffer schreibt. Die Meldung über das Verschwinden eines Cursors entfernt dieses Objekt dementsprechend wieder aus dem Buffer. Ein Timer löst alle 300 Millisekunden eine Prüfung des Buffers aus, bei dem alle Cursor, die älter als 600 Millisekunden sind, zur Weiterverarbeitung frei gegeben werden. Alle jüngeren Cursor werden unverändert im Buffer belassen und – sofern dann noch vorhanden – im nächsten Durchlauf erneut geprüft und ggf. frei gegeben. Durch den potentiell simultanen Zugriff auf den Buffer (durch die Prüfungsroutine und den Cursor hinzufügenden oder entfernenden Methoden) müssen hier synchronisierte, simultaner Veränderung gegenüber stabile Buffer-Klassen eingesetzt werden. Spotlights Bei ungleichmäßiger Umgebungsbeleuchtung treten auf der Modellierungsoberfläche häu- fig kleinere Bereiche auf, in denen die Helligkeit gegenüber der Umgebung erhöht ist. Der- artige Bereiche entstehen unter anderem durch einfallendes Sonnenlicht, das durch un- zureichende Verdunkelungsmaßnahmen nur zum Teil abgeschirmt wird oder auch durch Reflexionen, die durch die die Lampe des Videoprojektors verursacht werden. In beiden Fällen führen diese Bereiche, die im Folgenden als „Spotlights“ bezeichnet werden, zur Fehlerkennung von Cursorn auf der Oberfläche. Im Gegensatz zum zuvor beschriebe- nen „Cursorflattern“ bleiben diese „Spotlights“ jedoch über die Zeit stabil und werden vom ReacTIVision-Framework als ständig vorhandene Cursor identifiziert. Bleibt diese Fehlerkennung unkompensiert, so wird ein Token, das im Bereich des „Spotlights“ auf- gesetzt oder dorthin bewegt wird, ohne weitere Benutzerinteraktion markiert (als ob es 223 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software mit dem Markierungstoken ausgewählt wird). Dies führt wie zuvor zu Problemen bei der Benennungen von Tokens bzw. zu unbeabsichtigten Verbindungen. Um die Fehlerkennung von Cursors durch Spotlights zu verhindern, kann einerseits wie- derum die Möglichkeit der oben bereits beschriebenen Konfiguration der Cursorgröße im ReacTIVision-Framework genutzt werden. Da diese jedoch den ebenfalls erwähnten Ein- schränkungen unterliegt, ist eine Behandlung im Interpretationsmodul notwendig. Der Lösungsansatz zur Kompensation beruht wiederum auf einer Messung der Lebensdauer des betreffenden Cursors. Im Gegensatz zur Behandlung des „Cursorflackerns“, bei dem eine minimale Lebensdauer festgelegt wurde, wird bei der Behandlung von „Spotlights“ eine maximale Lebensdauer definiert, nach deren Überschreitung ein Cursor ignoriert wird. Diese Grenze ist mit fünf Sekunden festgelegt – jeder Cursor, der länger auf der Oberfläche identifiziert wird, wird ignoriert. Spotlights sind somit maximal fünf Sekun- den nach ihrem Auftreten wirksam. Wenn sich in diesem Zeitraum kein Token in der Nähe des Spotlights befindet, bemerken die Benutzer die Fehlerkennung nicht. Befin- det sich zum Zeitpunkt der Erkennung ein Token in der Nähe, so wird dieses einmalig markiert, wobei diese Markierung durch den in Abschnitt 7.3.3 beschriebenen Mechanis- mus zur Begrenzung der Lebensdauer von Markierungen nach spätestens drei Sekunden wieder verschwindet. Technisch wurde diese Kompensationsmaßnahme als Erweiterung des oben beschrie- benen Buffer-Ansatzes umgesetzt. Bei der Prüfung der Gültigkeit eines Cursor im Buffer wird nun neben der minimalen Lebensdauer auch die maximale Lebensdauer miteinbe- zogen. Ist die maximale Lebensdauer überschritten, so wird der Cursor aus dem Buffer entfernt und damit so behandelt, als ob er von den Oberfläche verschwunden wäre. Diese Maßnahme ist dann wirksam, wenn die „Spotlights“ tatsächlich über die Zeit stabil er- kannt werden – setzt die Erkennung eines „Spotlights“ kurzfristig aus, so beginnt mit der Wiedererkennung desselben die oben beschriebene 5-Sekunden-Frist bis zum Ignorieren des erkannten Cursors von neuem. Um diese potentiellen Problematik zu begegnen, der die Positionen von bereits erkannten Spotlights ebenfalls in einem Buffer abgelegt. Tritt ein neuer Cursor an der Stelle eines bereits bekannten Spotlights auf, wird dieser sofort ignoriert. Dabei kann die Applikation über die Laufzeit theoretisch zu restriktiv bei der Akzeptanz von Cursorn umgehen, vor allem, wenn Markierungstokens regelmäßig län- ger als fünf Sekunden auf der Oberfläche belassen werden und die zugehörigen Cursor dadurch als Spotlights erkannt und deren Positionen gesperrt werden. In der Praxis ist dieses Vorgehen jedoch kein Problem, da manuell platzierte Token kaum oder nur zufäl- lig so positionsstabil auf der Oberfläche platziert werden können, dass exakt die gleiche (und demnach gesperrte) Position getroffen wird. „Spotlights“ sind demhingegen hoch positionsstabil und werden dadurch durch diese Maßnahme erfasst. Ein weiteres Problem, das durch „Spotlights“ verursacht wird, die von unten auf die Oberfläche geworfen werden (also z.B. durch den Videoprojektor verursacht werden) ist eine potentielle Verdeckung von Teilen eines ReacTIVision-Codes, wodurch das betrof- fene Token nicht mehr erkannt werden kann. Da die Störung permanent ist, kann diese 224 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software durch Software nicht kompensiert werden und muss durch physische Maßnahmen kom- pensiert werden. Im konkreten Fall wurde das Spotlight, das durch den Videoprojektor verursacht wurde, durch eine punktuelle Abdeckung am Umlenkspiegel (siehe Abbildung 7.7) verhindert. Diese Maßnahme verhindert zwar auch eine Projektion im betroffenen Bereich, diese Beeinträchtigung ist aber insofern akzeptabel, als dass auf der Oberfläche ein Bereich von lediglich 0,5 cm im Durchmesser betroffen ist. Überstrahlte Bereiche Überstrahlte Bereiche können auftreten, wenn sich externe Lichtquellen direkt über der Tischoberfläche befinden oder bei internen (im Werkzeug eingebauten) Lichtquellen kei- ne Streuscheiben verwendet werden. Außerdem kann auch durch direkte Sonnenein- strahlung ein Überstrahlen auftreten. In Abgrenzung zu „Spotlights“ sind überstrahlte Bereiche großflächiger (potentiell die gesamte Oberfläche) und werden nicht als Cursor erkannt. Überstrahlte Bereiche verursachen jedoch andere Probleme, die im Folgenden behandelt werden. Das größte Problem bei überstrahlten Bereichen ist die Verhinderung der Erkennung von Codes im betroffenen Teil der Oberfläche. Überstrahlte Bereiche werden am Kame- rabild unabhängig von den aktuell aufgesetzten Tokens rein weiß abgebildet. Dabei ist es unwesentlich, dass externe Lichtquellen von Tokens teilweise verdeckt werden – die Überstrahlungseffekte beeinflussen den adaptiven Erkennungsalgorithmus negativ und verhindern so trotzdem eine Erkennung. Von Seiten der Interpretationsschicht können keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden, da auch über die Zeit hinweg im Normal- fall keine Daten vorliegen, aus denen der Systemzustand im Falle von Fehlerkennun- gen extrapoliert werden könnte. Softwareseitig ist damit nur eine Beeinflussung über die Kalibrierungsparameter des ReacTIVision-Frameworks möglich. Auch hier ist der Spielraum insofern eingeschränkt, als das eine Veränderung der Signalverstärkung keine Verbesserung bringt, da überstrahlte Bereiche bereits den Bilderfassungschip der Kame- ra übersteuern und damit im betroffenen Bereich keine Information vorhanden ist, die durch Reduzierung der Bildverstärkung sichtbar gemacht werden könnte. Der einzige Parameter, dessen Veränderung in diesem Zusammenhang sinnvoll ist, ist die Blenden- öffnung der Kamera. Durch Schließen der Blende fällt weniger Licht auf den Sensorchip – das Bild wird dunkler. Jedoch werden auch nicht überstrahlte Bereiche abgedunkelt, was die Erkennung von Codes in diesen Teilen der Oberfläche schwieriger macht. Hier kann wiederum eine Erhöhung der Signalverstärkung Abhilfe schaffen, die aber exakt mit den Grenzwerten der Erkennbarkeit in den ehemals überstrahlten Bereichen abgestimmt werden muss. Ein zweites Problem, das bei nicht vollkommen überstrahlten Bereichen auftreten kann, ist das zuvor bereits beschriebene „Cursorflackern“. Dessen Auftreten liegt in der Funktionsweise des adaptiven Erkennungsalgorithmus von ReacTIVision begründet, der in Bereichen mit geringem Kontrast (wie es nicht vollkommen aber beinahe überstrahlte 225 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software Bereiche sind) auf geringe Strukturunterschiede im Bild relativ stark reagiert. Als Ge- genmaßnahmen kommt auf Seite von ReacTIVision die wiederum die Veränderung der Blende oder der Signalverstärkung in Frage, auf Seiten des Interpretationsmoduls wer- den die Maßnahmen wirksam, die auch bei herkömmlichen „Cursorflackern“ zum Einsatz kommen (siehe oben). Bildverzerrungen Bildverzerrungen werden durch das eingesetzte Objektiv der Kamera ausgelöst. Je größer der Öffnungswinkel des Objektivs, desto höher sind bei Standardobjektiven die Verzer- rungseffekte im Randbereich des erfassten Gebietes. Im konkreten System kommt ein Ob- jektiv mit starkem Weitwinkel zum Einsatz, das die Erfassung der gesamtem Oberfläche aus relativ geringem Abstand (und damit geringerer Tischhöhe) ermöglicht. Verzerrungs- effekte führen im Normalfall zu einer Fehlpositionierung von Token im Randbereich, da das Kamerabild im Vergleich zur realen Welt gestaucht ist. ReacTIVision bietet dazu die Möglichkeit mit Hilfe eines Kalibirierungs-Musters eine Entzerrungsmatrix zu erfassen, die zur Kompensation dieses Fehlers verwendet werden kann. Da die Bildverzerrung sich zeitlich nicht verändert, ist keine weitergehende Kompensation dieser Fehlerkennung in höheren Softwareebenen (wie dem Interpretationsmodul) notwendig. Problematischer wird die Bildverzerrung dann, wenn durch sie in den Randbereich soviel Bildinformation (durch die Stauchung des Bildes) verloren geht, dass eine Er- kennung von in diesen Randbereichen platzierten Tokens nicht mehr möglich ist. Dies tritt auf, wenn die Stauchung so stark wird, dass die schwarzen und weißen Bereich des Codes nicht mehr trennscharf voneinander zu unterscheiden sind und ineinander fließen. Je kleiner der Code im Bild dargestellt ist (also je weiter entfernt er ist, je kleiner er physisch ist oder je geringer die Kameraauflösung ist), desto eher tritt dieser Effekt auf. Da im gegebenen System sowohl die Entfernung zwischen Kamera und Oberfläche als auch die Kameraauflösung vorgegeben sind, ist der einzige zu variierende Faktor die phy- sische Größe des Codes. Diese wird jedoch von den Dimensionen der Tokens bestimmt, die im konkreten System im Interesse der Handhabbarkeit der Modellierungselemente eher gering gewählt wurden. Der nicht erkennbare Bereich kann nur durch Einsatz ei- ner höher auflösenden Kamera oder durch größere Tokens erschlossen werden. Im ersten Fall würde der Auswertungsaufwand und damit die notwendige Rechenleistung massiv erhöht, im zweiten Fall wird die Handhabbarkeit negativ beeinflusst und die Anzahl der gleichzeitig einsetzbaren Tokens reduziert. Softwareseitig kann aufgrund der fehlenden Information in den Quelldaten keine Kompensation vorgenommen werden. 7.4.3. Erkennung von Markierungen und Verbindungen Wie in den Abschnitten 7.3.2 und 7.3.3 beschrieben, werden ReacTIVision-Cursor ver- wendet um eine oder mehrere Elemente auf der Tischoberfläche im Zuge eines Inter- 226 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software aktionsablaufs zu markieren. ReacTIVision-Cursor sind helle, kreisrunde Bildbereiche eines bestimmten Durchmessers. Diese Bildbereiche können durch Marker erzeugt wer- den, in dem ein leerer weißer Kreis von einem schwarzen Ring umschlossen wird. Al- ternativ erzeugt auch das Aufsetzen von Fingern derartige Bereiche auf der Oberfläche, wodurch grundsätzlich die Realisierung eines (Multi-)Touch-Displays möglich ist. Da durch variierende Fingergrößen und verschiedene Arten des Aufsetzens des Fingers (und damit verschiedenen Abdrücken auf der Oberfläche) bei unterschiedlichen Modellierern die Erkennung von Fingern nur teilweise stabil und zuverlässig funktioniert, wurde im konkreten System die Marker-Variante zur Realisierung von Cursorn gewählt. Diese ist aufgrund der definierten Größe des hellen Bildbereichs und der damit einhergehenden exakteren Konfigurierbarkeit auch unempfindlicher gegenüber Störungen. Im Gegensatz zu vollwertigen ReacTIVision-Markern, die ein Token zu jedem Zeit- punkt eindeutig identifizieren, können mehrere gleichzeitig eingesetzte Cursor grundsätz- lich nicht unterschieden werden (da sie alle den gleichen Code aufweisen). ReacTIVision löst dieses Problem, indem für jeden Cursor eine nach der Reihenfolge des Auftretens ver- gebene eindeutige Session-ID zugeordnet wird, der einen Cursor bis zum Zeitpunkt des Verschwindens eindeutig identifiziert (diese Session-ID wird im übrigen auch vollwertigen Markern zugeordnet, hat aber in der hier vorgestellten Anwendung keine Bedeutung). Potentiell problematisch ist die Zuordnung einer Session-ID zu einem Cursor dann, wenn die Beleuchtungsbedingungen schlecht sind, so dass das Cursor-Token nicht durchgän- gig erkannt wird. In diesem Fall wird bei jeder (Wieder)-Erkennung des betreffenden Tokens eine neue Session-ID zugeordnet, was gleichbedeutend mit dem Auftreten eines neuen Cursors ist. Zur Kompensation können die bereits beschriebenen Mechanismen eingesetzt werden, vor allem das Ignorieren von zeitnah nach dem Verschwinden eines Cursors auftretenden neuen Cursorn an exakt der gleichen Position verhindert derartige Fehlerkennungen weitgehend. Wird ein Cursor-Token auf der Oberfläche aufgesetzt und von ReacTIVision erkannt, werden die in Abschnitt 7.4.2 beschriebenen Prozesse zur Stabilisierung der Erkennungs- leistung ausgeführt. Sobald der Cursor entsprechend lange stabil auf der Oberfläche er- kannt wird, so dass eine Fehlerkennung weitgehend ausgeschlossen werden kann, wird im Umkreis der Cursorposition (Radius etwa 5 Zentimeter) nach aktuell auf der Oberflä- che vorhandenen Modellierungs-Tokens gesucht. Das dem Cursor am nächsten liegende Token wird ausgewählt (insofern es innerhalb der Grenze von 5 Zentimetern liegt). Den Benutzern wird diese Auswahl über die Ausgabekanäle rückgemeldet. Damit ist der Markierungsvorgang grundsätzlich abgeschlossen. In der Verarbeitung von Cursor sind noch zwei Spezialfälle zu betrachten, die im Kon- text der Herstellung von Verbindungen auftreten. Im ersten Fall muss das Auftreten von zwei Cursorn erkannt werden, die die zu verbindenden Modellelemente markieren. Eine Verbindung wird dann hergestellt, wenn die beiden Cursor innerhalb von 3 Sekunden jeweils in der Nähe eines Modellierungs-Tokens erkannt werden. Die grundlegende Er- kennung einer Markierung läuft für beide Cursor wie im letzten Absatz beschrieben ab. 227 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software Zusätzlich wird nach jeder erkannten Markierung geprüft, ob auf der Oberfläche eine weitere aktive Markierung vorhanden ist (also eine, die in den letzten drei Sekunden gesetzt wurde). Ist dies der Fall und wird die andere Markierung nicht bereits für ande- re Zwecke (z.B. einen gerade laufenden Benennungsvorgang) verwendet, werden beide Markierungen gelöscht und anstelle derer eine Verbindung zwischen den markierten Mo- dellelementen eingefügt. Der zweite Spezialfall ist die Erkennung von gerichteten Ver- bindungen, also das Auftreten von Werkzeug-Tokens, die einen Verbindungsendpunkt mit Pfeilspitze kennzeichnen. Wie in Abschnitt 7.2.2 beschrieben, unterscheiden sich diese Tokens von den anderen Markierungstokens durch einen zweiten Cursor-Marker, der unmittelbar neben dem ersten angebracht ist. Tritt nun ein zweiter Cursor auf der Oberfläche auf, der sich nahe eines bereits erkannten Cursors befindet (die Benachrich- tigung über Erkennung erfolgt ereignisgesteuert und damit sequentiell, auch wenn beide Cursor-Marker gleichzeitig auf der Oberfläche auftreten), muss die bereits erstellte Mar- kierung für das nächstliegende Modellierungs-Token semantisch umgedeutet werden und von einem Endpunkt einer ungerichteten Verbindung auf den einer gerichteten Verbin- dung konvertiert werden. Softwareseitig erfolgen die betreffenden Prüfungen in jenem Algorithmus, der auch die Herstellung von Verbindungen prüft. Wenn also ein Cursor auf der Oberfläche auftaucht und gleichzeitig schon ein weiterer aktiver Cursor vorhanden ist, wird neben den oben beschriebenen Prüfungen zur Verbindungsherstellung auch eine Prüfung auf Nähe zu bereits vorhandenen Cursorn durchgeführt und ggf. die Markierung des betroffenen Mo- dellelements umgewandelt. Diese Veränderung der Markierung wird auch den Benutzern über die Ausgabekanäle visuell kommuniziert. 7.4.4. Erkennung von geöffneten Tokens In den Abschnitten 7.2.2 und 7.3.5 wurde bereits die Erkennung des Öffnungszustan- des eines Modellierungs-Tokens konzeptuell beschrieben. Diese wird durch das Kame- rasystem und ReacTIVision festgestellt. Dazu ist auf der beweglichen Rückwand der Modellierungs-Tokens ein ReacTIVision-Code angebracht, der beim Öffnen auf der Mo- dellierungsoberfläche zu liegen kommt und dadurch von der Kamera erfasst wird. Tech- nisch sind dazu eine strukturelle Maßnahme und die Implementierung einer entsprechen- den Interpretationsroutine notwendig. Die strukturelle Maßnahme betrifft die Erkennung des auf der Rückwand angebrachten ReacTIVision-Codes. Aufgrund der geringen Größe der Rückwand (10 cm x 4 cm) kann kein herkömmlicher ReacTIVision-Code in ausreichender Größe angebracht werden. Re- acTIVision erlaubt jedoch wie in Abschnitt 7.1.2 beschrieben die Erstellung von eigenen Codes beliebiger Form. Die abgebildete Code-Topologie muss lediglich im Mapping-File vermerkt werden um eine Abbildung auf einen eindeutigen Identifikationsnummer zu ermöglichen. Wie in Abbildung 7.10 zu erkennen ist, wurde diese Möglichkeit im vorlie- 228 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software genden Fall genutzt. Auf den Rückwänden der Modellierungs-Tokens ist ein einfacher, länglicher Code angebracht, dessen Identifikationsnummer im Interpretationsmodul die Routinen zur Beeinflussung des Öffnungszustands eines Tokens aufruft. Im Interpretationsmodul wird beim Eingehen der Meldung über das Auftauchen eines entsprechenden Markers dessen Position in Relation mit den Positionen der auf der Mo- dellierungsoberfläche vorhandenen Modellierungs-Tokens gesetzt. Da auf allen Tokens die gleichen Marker zur Identifikation des Öffnungszustands angebracht sind, muss das betroffene Token über die Nähe zum erkannten Marker identifiziert werden. Befindet sich also der Marker eines Modellierungstokens in unmittelbarer Nähe zum aufgetauch- ten Token (Radius etwa 2,5 cm), so wird dessen Zustand auf „offen“ gesetzt. Befinden sich mehrere Modellierungs-Tokens in diesem Radius, was bei sehr eng gesetzten Mo- dellen möglich ist, so wird das nächstliegende ausgewählt (außer in einigen seltenen Ausnahmekonstellationen ist das jenes Token, zu dem der erkannte Öffnungs-Marker gehört). In der Weiterverarbeitung wird das das betreffende Modellelemente repräsen- tierende Objekt (im objektorientierten Sinn) über die Änderung seines Öffnungszustan- des benachrichtigt. Dieses wechselt seinen Zustand und löst visuelles Feedback über die Ausgabekanäle aus. Außerdem reagiert es nun auf Anfragen bezüglich der Einbettung von Zusatzinformation bzw. deren Abruf. Sobald das Öffnungs-Token wieder von der Oberfläche verschwindet (das zugehöri- ge Modellierungs-Token also geschlossen wurde), wird im Umkreis des verschwundenen Markers nach geöffneten Modellierungs-Tokens gesucht. Das am nächsten liegende Ele- ment wird geschlossen, was wiederum durch eine entsprechende Benachrichtigung des das Modellelement repräsentierende Objekt realisiert wird. Grundsätzlich könnte eine Zuord- nung zwischen Öffnungs-Marker und Modellierungs-Token auch über die Session-ID des Öffnungs-Markers durchgeführt werden, die im Öffnungsvorgang dem entsprechenden Modellierungs-Token zugeordnet werden könnte. Von dieser Vorgehensweise wurde je- doch Abstand genommen, da im Falle von Fehlerkennungen des Öffnungs-Markers (kurz- fristige Ausfälle, die zur Zuweisung einer anderen Session-ID führen) zu Zuordnung nicht mehr korrekt vorgenommen werden kann. Deshalb wurde ein zustandsloser („state-less“) Algorithmus eingesetzt, der durch die erneut durchgeführte Suche nach dem betroffenen Modellierungs-Token nicht von einer früher gespeicherten Session-ID abhängig ist. Einbetten und Abrufen von zusätzlicher Information Im Zusammenhang mit der Erkennung von geöffneten Tokens kann auch die software- seitige Behandlung von eingebetteter Information beschrieben werden. Diese wurde kon- zeptuell bereits in Abschnitt 7.3.5 beschrieben. Anhand der nun folgenden Beschreibung aus software-technischer Sicht kann nun auch die Einbindung der Registrierungs-Kamera beschrieben werden. 229 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software Die Registrierungskamera dient in diesem Kontext der Erkennung von einbettbaren Tokens, wobei bei der Erkennung drei Fälle unterschieden werden müssen (in Klammer jeweils die Bedingungen, die zur Auswahl eines der Fälle führen): 1. Information anbinden (noch keine Information angebunden) 2. Token einbetten (Information angebunden, Token noch nicht eingebettet, Container- Token geöffnet) 3. Information abrufen (Information angebunden, Token noch nicht eingebettet oder Token eingebettet und Container-Token geöffnet) Technisch können Fall 1 und 2 auch gleichzeitig auftreten, wenn Information an ein Token gebunden wird, während gleichzeitig ein Container-Token geöffnet wird. In diesem Fall erfolgt die Einbettung unmittelbar nach dem Anbinden der Information. Software-seitig beginnt der Prozess der Behandlung eines einbettbaren Tokens im- mer gleich mit dem Schritt der Erfassung des einbettbaren Tokens durch die Regis- trierungskamera. Diese ist konzeptuell als weiterer Eingabekanal zu sehen, die wie die Hauptkamera Daten an das Interpretationsmodul liefert (siehe Abbildung 7.19), die die- ses kontextsensitiv (also abhängig vom aktuellen Modellzustand) auswerten muss. Das Signal der Registrierungskamera wird von einer zweite ReacTIVision-Instanz aufgenom- men und ausgewertet. Diese ist mittels eines Brückenobjekts an das Interpretationsmodul angebunden. Dieses Brückenobjekt nimmt eine Vorauswertung statt und liefert bereits höherwertige Information an das Interpretationsmodul. So ist jegliche Benutzerinterak- tion, die nicht unmittelbar Information über den aktuellen Modellzustand benötigt, in diesem Objekt gekapselt (z.B. das Anbinden digitaler Information an ein einbettbares Token). Interaktion, die verteilt über die Registrierungskamera und die Tischoberflä- che abläuft, wird an definierten Schnittstellen an das die zuständigen Komponenten im Interpretationsmodul übergeben. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass nach der Erfassung des Tokens durch die Regis- trierungskamera die oben getroffene Fallunterscheidung wirksam wird, die – wie eben angedeutet – je nach Art des einbettbaren Tokens noch zusätzliche Unterscheidungen er- fährt. Bei Tokens, an die noch keine Information gebunden wurde, wird diese zusätzliche Unterscheidung wirksam. Bei blauen einbettbaren Tokens wird eine Auswahlbox geöff- net, mittels der eine anzubindende digitale Ressource im lokalen Dateisystem ausgewählt werden kann. Ein gelbes Token löst die Aufnahme eines Fotos aus. Dieses wird wieder- um im lokalen Dateisystem gespeichert und an das Token gebunden. Diese beiden Arten werden vollständig im Brückenobjekt abgehandelt, den übrigen Komponenten wird ledig- lich ein Datenobjekt übergeben, das der Weiterverarbeitung (also z.B. der eigentlichen Einbettung) dient. Die Behandlung eines roten Tokens kann nicht im Brückenobjekt ver- arbeitet werden, da es der Speicherung von Submodellen dient und dementsprechend auf Information über den aktuellen Modellzustand auf der Modellierungsoberfläche angewie- sen ist. Ein rotes Token löst deshalb einen Modellerfassungsvorgang, wie in Abschnitt 230 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software 7.4.7 weiter unten beschrieben, aus. Das erfasste Submodell wird danach an das rote Token gebunden. Ist bereits Information an ein Token gebunden, kann die Erfassung durch die Registie- rungskamera der Startpunkt für die Fälle 2 oder 3 sein. Fall 2 tritt dann ein, wenn das einbettbare Token noch keinem Container zugeordnet ist und ein Container geöffnet ist. In diesem Fall wird das Objekt, das die einzubettende Information repräsentiert, an das Modell-Objekt des Container-Tokens übergeben und ab diesem Zeitpunkt von diesem verwaltet. Die erfolgreiche Zuordnung wird über die Ausgabekanäle visuell rückgemel- det, das Token kann in der Folge auch physisch eingebettet werden (siehe Abschnitt 7.3.5). Fall 3 tritt ein, wenn entweder kein Container geöffnet ist oder das betreffende Token bereits einem Container zugeordnet ist. Hier tritt wiederum die Unterscheidung nach Art des einbettbaren Tokens in Kraft. Bei roten Token wird der gespeicherte Mo- dellzustand über die Ausgabekanäle dargestellt. Bei gelben oder blauen Tokens wird die angebundene digitale Ressource – wenn möglich – mittels der Standardapplikati- on des Betriebssystems, die dem betreffenden Dateitypen zugeordnet ist, geöffnet und dargestellt. 7.4.5. Benennung von Modellelementen Abschnitt 7.3.2 beschreibt die zur Benennung von Modellelementen und Verbindun- gen notwendige Interaktion. Wie dort angegeben, existieren zwei Eingabemodalitäten für diese Funktionalität, die sich in ihrer technischen Umsetzung stark unterscheiden. Gemeinsam ist beiden, das sie die angegebene Benennung dem jeweils markierten Ele- ment zuweisen. Ist aktuell kein Modellierungs-Token markiert, wird die Benennung dem zuletzt hinzugefügten Token zugeordnet. Die Verwaltung der Benennung obliegt dem Modellobjekt – sie wird jedoch auch im Interpretationsmodul zwischengespeichert, um die letzte Benennung eines zwischenzeitlich von der Modellierungsoberfläche entfern- ten Objekts (dessen digitale Repräsentation bereits entfernt wurde) wiederherstellen zu können. Dies ist notwendig, um die Wiederherstellung von eingebetteten Submodellen gewährleisten zu können, dessen Modellierungstokens sich während der Modellerstellung auf einer anderen Ebene nicht auf der Oberfläche befinden. Benennung mittels Tastatur Die Benennung mittels Tastatur ist die einzige Interaktion mit den Benutzern, die die Verwendung eines herkömmlichen Eingabemediums bedingt. Um die Eingabe trotz des „Medienbruchs“ möglichst nahtlos zu gestalten, wurde die Möglichkeit geschaffen, nach der Auswahl eines Modellierungs-Tokens ohne weitere Interaktion über die graphische Benutzungsschnittstelle des Systems mit der Eingabe beginnen zu können. Mit dem ersten Tastendruck öffnet sich am Bildschirm eine Eingabemaske, mittels der die Be- nennung durchgeführt werden kann. Eine Bestätigung mit der Eingabe-Taste schließt 231 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software die Eingabemaske und weist die Benennung dem ausgewählten Element zu. Beginnt ein Benutzer ohne vorhergehender Auswahl mit der Informationseingabe, so wird diese dem zuletzt hinzugefügten Element (Modellelement oder Verbinder) zugewiesen. Technisch ist die Eingabe mittels einem KeyListener implementiert, der das Beobach- termuster (Gamma et al., 1995) in Java in Bezug auf Tastatureingaben benachrichtigt. Das Interpretationsmodul wird also über jeden Tastendruck informiert und muss über dessen Auswirkungen entscheiden. Ist der Tastendruck nicht dem Systemkonfigurations- modus (siehe Abschnitt 8.4.1) zuzuordnen, wird die Eingabemaske aktiviert, die dann alle weiteren Tastatureingaben abfängt, bis sie wieder geschlossen wird. Die Eingabe wird in der Folge an die zuständigen Komponenten bzw. das betroffene Modell-Objekt zur Weiterverarbeitung übergeben. Benennung mittels Haftnotiz Die Benennung mittels Haftnotiz ermöglicht die handschriftliche Benennung eines Mo- dellelements oder Verbinders. Technisch wird sie über die Registrierungskamera abgewi- ckelt. Die Haftnotiz muss dazu beschriftet werden und in der Folge mittels dem Regis- trierungstoken (siehe Abschnitt 7.2.2) der Registrierungskamera zur Verfügung gestellt. Die Erkennung des Registrierungstokens löst die Aufnahme eines Bildes aus, aus dem in weiterer Folge die Beschriftung extrahiert wird. Dazu sind am Registrierungstoken zwei ReacTIVision-Marker angebracht, die an definierten Positionen links und rechts von der Haftnotiz sitzen. Durch diese beiden bekannten Position ist eine Ausrichtung des Bildes möglich, so dass sich die Haftnotiz an einer definierten Position befindet, an der sie schließlich ausgeschnitten wird. Dazu ist es notwendig, das Bild soweit zu rotie- ren, dass sich die beiden Marker auf einer horizontalen Achse befinden und der physisch linke Marker links im Bild dargestellt wird. Danach wird das Bild soweit skaliert, bis der Abstand der beiden Marker einem vorab definierten Wert entspricht. Damit sind die Ausmaße der Haftnotiz in horizontaler und vertikaler Richtung bekannt. Wird das Bild nun soweit verschoben, dass sich die beiden Marker an vordefinierten Positionen befinden, kann auch die Haftnotiz im Bild lokalisiert werden. Durch einen Ausschneide- vorgang wird die Haftnotiz extrahiert. Das Bild wird nun mit einem adaptiven Algorith- mus in eine Schwarz-Weiß-Grafik umgewandet. Der Algorithmus identifiziert dazu die hellsten Bereiche (die Haftnotiz) und die dunkelsten Bereiche (der Schriftzug) im Bild. Die hellsten Bereiche werden weiß, die dunkelsten Bereiche werden schwarz gesetzt. Die dazwischenliegenden Werte mittels einem Schwellwert der bei 2/3 der Differenz zwi- schen hellstem und dunkelstem Wert liegt, auf weiß oder schwarz gesetzt. Das Resultat wird den weiterverarbeitenden Komponenten als Pixelgrafik zur Verfügung gestellt (wie bei der Benennung mittels Tastatur). Durch die Bildverarbeitung ist die Position des Registrierungstokens im Bild der Registrierungskamera irrelevant, da diese weitgehend kompensiert werden kann. Durch die adaptive Umrechnung in eine Schwarz-Weiß-Grafik 232 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software kann diese Art der Benennung auch bei schlechten Beleuchtungsbedingungen eingesetzt werden. 7.4.6. Festlegung der Bedeutung von Modellelementen Durch die Möglichkeit der Festlegung der Bedeutung eines bestimmten Modelltyps (sie- he Abschnitt 7.3.1) wird die Forderung nach semantisch flexibler Modellierung umge- setzt. Die Arten von Modellelementen sind semantisch nicht vorbelegt, sondern werden während des Modellierungsvorgangs spezifiziert. Die Frage nach der Angabe des Bedeu- tungstyps wird ausgelöst, wenn eine Tokenart erstmals auf der Oberfläche erkannt wird. Über eine Eingabemaske und die Tastatur kann dann die Bedeutung textuell eingegeben werden. Wird dieser Vorgang von den Benutzern abgebrochen, besteht die Möglichkeit, die aktive Nachfrage bezüglich der Bedeutungszuordnung für den laufenden Modellie- rungsvorgang auszuschalten um im Erstellungsprozess nicht unterbrochen zu werden. Die Bedeutungszuordnung kann aber immer ausgelöst werden, wenn ein Token in den Erfassungsbereich der Registrierungskamera gehalten wird. Das System fragt dann nach der Zuordnung der Bedeutung zum jeweiligen Elementtyp. Auf den Modellierungsvorgang selbst hat die Festlegung der Bedeutung technisch keine Auswirkungen. Für die Persistierung des Modells ist sie jedoch von Bedeutung, da neben dem eigentlichen Modell auch das Metamodell (und damit die Arten von verwendeten Modellelementen und deren Bedeutung) gespeichert werden (siehe Kapitel 9). 7.4.7. Tracking des Modellzustandes Das Tracking des Modellzustandes läuft von den Benutzern unbemerkt immer im Hin- tergrund, kann jedoch auch explizit mit dem Snapshot-Token ausgelöst werden. Auch die Speicherung von Submodellen auf einbettbare Token greift auf die gleichen Routi- nen zurück. Die Speicherung von stabilen Modellzuständen basiert auf der Verfolgung des Zeitpunkts der letzten Änderung im Modell. Dazu wird ein Zeitstempel mitgeführt, der bei jeder Modelländerung aktualisiert, also auf die aktuelle Systemzeit gesetzt wird. Änderungen sind das Platzieren, Verschieben oder Entfernen von Modellierungs-Tokens, das Herstellen oder Löschen einer Verbindung, das Benennen eines Modellelements oder einer Verbindung und das Einbetten von Zusatzinformation. In regelmäßigen Abständen wird (durch einen Timer ausgelöst) geprüft, wieviel Zeit seit der letzten Modelländerung vergangen ist. Sind mehr als fünf Sekunden vergangen, wird der aktuelle Systemzustand gespeichert und die Prüfung gestoppt, bis die nächste Änderung auftritt. Damit wird verhindert, dass in langen Phasen ohne Änderung mehr als eine Aufnahme angefertigt wird. Bei der Speicherung des Modellzustandes (egal ob automatisiert oder explizit ausge- löst) wird eine Kopie der digitalen Modellrepräsentation angefertigt. Diese beinhaltet 233 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software im Sinne einer „Deep Copy“ Kopien aller Informationen, die im Modell abgelegt sind, so dass keine Referenzen mehr auf das aktuelle Modell zeigen. Damit wird sicherge- stellt, dass laufende Änderungen am Modell keine Auswirkungen auf den gesicherten Zustand haben. Technisch wurde dies gelöst, indem die „clone“-Methode aller daten- tragenden Objekte (Modellobjekte und Verbindungsobjekte) so überladen wurden, dass sämtliche referenzierten Objekte (etwa Benennungen, eingebettete Objekte, . . . ) dupli- ziert werden und im kopierten Objekt Referenzen auf die erstellten Duplikate eingefügt werden. Dieses Vorgehen ist bei großen Modellen und langer Modellierungszeit durch- aus speicherintensiv und bedarf einer ausreichenden Größe des Heaps (der ggf. durch Kommandozeilen-Parameter beim Start des Systems angepasst werden muss). Navigation in der Modellierungshistorie Die Navigation in der Modellierungshistorie wird mittels des in den Abschnitten 7.2.2 und 7.3.6 beschriebenen runden Tokens durchgeführt. Die Erkennung der Rotation er- folgt durch den von ReacTIVision übergebenen Rotationswert des Tokens, der in Ra- diant geliefert wird. Das Interpretationsmodul schaltet dementsprechend bei jeweils bei Vielfachen von π 4 (also alle 45◦) einen gespeicherten Schritt weiter oder zurück (je nach Drehrichtung). Zur Verwaltung der Modellierungshistorie wird ein Objekt benutzt, das alle gespeicher- ten Zustände in der Reihenfolge ihrer Speicherung referenziert, den aktuell ausgewähl- ten Zustand speichert und den Abruf von gespeicherten Zuständen sowie die Navigation durch diese ermöglicht. Dieses Objekt wird durch das Interpretationsmodul kontrolliert und gesteuert – für übergeordnete Software-Module ist das Umschalten zwischen dem aktuellen Modellzustand und einem gespeicherten Zustand transparent. Das Format, in dem die gespeicherten Zustände ausgeliefert werden, entspricht jenem in dem auch die aktuellen Modell-Daten verwaltet werden – dadurch wird auch das Umschalten auf einen gespeicherten Zustand im Zuge einer Wiederherstellung einer vergangenen Modellversion erleichtert. Wiederherstellung eines Modellzustandes Der Ablauf der Wiederherstellungsunterstützung wird – wie in Abschnitt 7.3.6 bereits erwähnt – erst in Kapitel 8 im Detail beschrieben, da er vorrangig die Ausgabekanäle betrifft. Da die Modellierungshistorie konzeptuell jedoch im Interpretationsmodul ange- siedelt ist und der Vorgang der Wiederherstellung auch durch dieses ausgelöst wird (nach Erkennung des entsprechenden Tokens), werden die technischen Details hier besprochen. Im Zuge der Wiederherstellungsunterstützung müssen die Unterschiede zwischen dem aktuellen Modell und dem wiederherzustellenden gespeicherten Zustand erkannt werden, um die Benutzer schrittweise bei der Wiederherstellung anleiten zu können. Da nur die 234 7.4. Erfassung der Benutzerinteraktion durch Software physischen Bausteine durch den Benutzer manipuliert werden müssen, beschränkt sich die Differenzbildung zwischen den Modellen auf diese. Rein digitale Information – wie die Verbinder – können am Ende des Wiederherstellungsvorgangs geladen und über die Ausgabekanäle dargestellt werden. Bei den physischen Bausteine, also im wesentlichen den Modellierungs-Tokens sind im ersten Schritt drei Fälle zu unterscheiden: • Tokens, die im aktuellen Modell enthalten sind und im wiederherzustellenden Mo- dell nicht vorhanden waren • Tokens, die sich im aktuellen Modell an einer anderen Position befinden als im wiederherzustellenden Modell • Tokens, die im aktuellen Modell nicht vorhanden sind, im wiederherzustellenden Modell aber vorhanden waren Im ersten und dritten Fall reicht für die Erkennung eine Differenzbildung zwischen den beiden Modellobjekt-Mengen aus, wobei im ersten Fall die Menge der wiederherzustellen- den Modellobjekte von der aktuellen Menge der Modellobjekte abgezogen werden muss um die zu entfernenden Tokens zu identifizieren, im dritten Fall umgekehrt die Men- ge der aktuellen Modellobjekte von der Menge der wiederherzustellenden Modellobjekte abgezogen wird um die hinzufügenden Tokens zu identifizieren. Im zweiten Fall muss für jedes Token dessen aktuelle und gespeicherte Position verglichen werden um die zu ver- schiebenden Tokens zu identifizieren. Zusätzlich muss noch der Inhalt der Tokens (also deren eingebetteten Tokens) abgeglichen werden um auch hier Differenzen identifizieren zu können. Zur Durchführung der Wiederherstellungsunterstützung wird das System in einen spe- ziellen Zustand geschaltet, in dem es aufgabengesteuert arbeitet. Jede vorzunehmende Änderung im Modell wird auf eine Aufgabe abgebildet. Eine Aufgabe ist ein speziel- les Objekt, das neben der vorzunehmenden Änderung auch eine Methode enthält, die prüft, ob die Aufgabe erfolgreich abgeschlossen wurde (wobei die Bedingungen von der konkreten Aufgabe abhängen). Befindet sich das System im Wiederherstellungsmodus, wird bei jeder von ReacTIVision gemeldeten Änderung auf der Modellierungsoberflä- che geprüft, ob mit dieser Änderung die Aufgabe erfüllt wurde. Ist dies nicht der Fall, bleibt die Aufgabe aktiv. Wurde die Aufgabe erfüllt, wird durch einen erneuten Vergleich zwischen Ist- und Soll-Zustand die nächste Aufgabe identifiziert und aktiv gesetzt. Da- zu wird entsprechendes Feedback auf den Ausgabekanälen ausgegeben. Sobald Ist- und Soll-Zustand gleich sind, werden die rein digitalen Teile des Modells geladen, womit das aktuelle Modell dem gespeicherten Zustand vollständig entspricht. 7.4.8. Verteilung des Modellzustandes Die Verteilung der darzustellenden Modellinformation an die übergeordneten Software- module ist Gegenstand des letzten Abschnitts in diesem Kapitel. Die interpretierten und aggregierten Informationen werden jenen Softwaremodulen zur Verfügung gestellt, 235 7.5. Zusammenfassung die bisher in ihrer Gesamtheit als „Ausgabekanäle“ bezeichnet wurden. Diese Ausga- bekanäle sind in der vorgestellten Anwendung mehrere grafische Oberflächen, die den Systemzustand visuell widergeben (siehe dazu Details in Kapitel 8). Wichtig im Kontext dieses Kapitels ist dabei, dass die Ausgabekanäle frei definier- bar und erweiterbar sein sollen. Um dieser Anforderung auch vor dem Einsatz eines Frameworks wie TUIpist gerecht zu werden, wurde eine Verteilungskomponente imple- mentiert, die auf dem bereits oben mehrmals erwähnten Besuchermuster von Gamma et al. (1995) basiert. Dabei registrieren sich Ausgabekanäle beim Interpretationsmodul und werden danach über eine definierte Schnittstelle mit der entsprechenden Modellin- formation versorgt. Die Schnittstelle ist Teil des Interpretationsmoduls und muss von jedem Ausgabekanal vollständig implementiert werden, auch wenn dieser die betreffende Information nicht benötigt (in diesem Fall bleibt die ausgabeseitig aufgerufene Methode leer). 7.5. Zusammenfassung In diesem Kaptitel wurde jener Teil des Werkzeugs im Detail beschrieben, der sich mit der Erfassung und der Interpretation der Benutzereingaben beschäftigt. Im ersten Teil wurden in Frage kommende technologische Ansätze zur Erfassung der Benutzeraktivität betrachtet und einander gegenübergestellt. Nach der Entscheidung für den Einsatz eines optischen Ansatzes wurden für diesen Zweck geeignete Frameworks betrachtet. Dabei wurden Framework zur optischen Identifikation von physischen Tokens sowie generische Frameworks, die als Middleware für Tabletop Interfaces geeignet sind, beschrieben und vergleichen. Die Entscheidung fiel hier zugunsten ReacTIVision (Kaltenbrunner und Bencina, 2007) als optisches Erkennungsframework und TUIpist (Furtmüller und Oppl, 2007) als Middleware. Im zweiten Teil wurde die Umsetzung des Hardwarekomponenten beschrieben, die maßgeblich von den zuvor getroffenen Technologie-Entscheidungen abhängig ist. Dabei wurde die Infrastruktur des Werkzeugs beschrieben (der „Tisch“), wobei in diesem Kapi- tel der Fokus auf jenen Komponenten lag, die die Erfassung von Benutzerinteraktion die- nen. Zusätzlich wurden die eigentlichen Tokens, mit denen die Benutzer mit dem System interagieren, beschrieben. Hier ist zwischen Modellierungs-Tokens und Werkzeug-Tokens zu unterscheiden, wobei erstere der eigentlichen Modellbildung dienen und zweitere das Systemverhalten kontrollieren. Die eigentliche Interaktion der Benutzer mit dem System ist Gegenstand des dritten Teils. Hier wurde die Verwendung der Tokens bei der Modellbildung und zur Steue- rung des Systems skizziert und damit jene Interaktionsabläufe definiert, die vom Sys- tem erkannt und korrekt interpretiert werden müssen. Die Unterabschnitte dieses Teils 236 7.5. Zusammenfassung entsprechen im Wesentlichen den Anforderungen, die das Werkzeug erfüllen muss, und beschreiben deren Umsetzung. Nach der Definition der Interaktionsabläufe konnte im vierten Teil die software-technische Behandlung der durch das ReacTIVision-Framework erkannten Eingabedaen beschrie- ben werden. Die ersten beiden Abschnitte behandeln allgemein die Systemarchitektur und die Kompensation eventueller Erkennungsprobleme der Tokens auf der Modellie- rungsoberfläche. Zweiteres ist notwendig, weil optische Frameworks generell sensibel auf Änderung der Beleuchtungsbedingungen reagieren und es dementsprechend zu (tempo- rären) Fehlfunktionen bei der Erkennung kommen kann. Dazu wurden die möglichen Fehlerquellen aufgelistet und die umgesetzten sowie zusätzlich mögliche Kompensati- onsansätze beschrieben. In den übrigen Abschnitten wird die software-technische Er- kennung und Behandlung der im vorhergehenden Teil definierten Interaktionsabläufe beschrieben. Der Fokus lag hier auf den konzeptuellen Implementierungsdetails und der Beschreibung der Lösung spezifischer Herausforderungen, die durch durch die gewählte Technologiekonstellation auftreten. Im letzen Abschnitt wurde als Brücke zu den weite- ren Kapiteln jene Komponente beschrieben, die für die Verteilung der Information an die weiterverarbeitenden Software-Module zuständig ist. 7.5.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung In diesem Kapitel wird die konkrete Umsetzung des Werkzeugs behandelt. Hinsichtlich der globalen Zielsetzung tragen die hier dargestellten Inhalte also zur Beantwortung der Fragestellung 4 bei. 7.5.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse Die in diesem Kapitel getroffenen Technologieentscheidungen beeinflussen die Umset- zung der in Kapitel 8 beschriebenen Ausgabekanäle. Auch die beschriebene Software- Architektur wird in Kapitel 8 fortgeführt. Zusammen mit dem in Kapitel 8 beschriebenen Ausgabekanälen sind die Inhalte dieses Kapitels außerdem Gegenstand der konzeptuellen Prüfung des Werkzeugs in Kapitel 10. 237 8. Ausgabe In diesem Kapitel wird die konzeptuelle Ausrichtung und technische Umsetzung jenes Teils des Werkzeugs behandelt, der sich mit der Ausgabe von Information an die Be- nutzer beschäftigt. Bei Tangible Interfaces erfolgt die Ausgabe von Information zumeist kohärent mit dem Eingabemedium, eine physische Trennung zwischen Eingabe- und Ausgabekanälen wie in der herkömmlichen Mensch-Maschine-Interaktion liegt nicht vor (Ullmer und Ishii, 2000). Fishkin (2004) relativiert die strikte Forderung nach Kohä- renz in seiner Taxonomie für Tangible Interfaces (wie in Abschnitt 6.4.11 beschrieben) und klassifiziert Benutzungsschnittstellen unter anderem nach dem Grad der Kohärenz von Ein- und Ausgabe. Dementsprechend sind nicht nur jene Ausgabekanäle Gegen- stand dieses Kapitels, die Information in direkter Verbindung mit den Eingabemedien zurückspiegeln, sondern auch jene, die Information auf anderen, nicht-kohärenten We- gen ausgeben. Abbildung 8.1 stellt dieses Kapitel und dessen Aufbau im Kontext der anderen inhaltlich vor- und nachgelagerten Kapitel dar. Abbildung 8.1.: Kapitel „Ausgabe“ im Gesamtzusammenhang Im ersten Abschnitt dieses Kapitels werden auf Basis der in Kapitel 5 genannten Anforderung an das Werkzeug die den Benutzern mitzuteilenden Informationen identifi- 238 8.1. Auszugebende Information ziert, noch ohne konkret auf die technologische Realisierung der Ausgabekanäle einzuge- hen. Im darauf folgenden Abschnitt werden die technischen Möglichkeiten zur Ausgabe von Information betrachtet. Im Anschluss werden diese Möglichkeiten hinsichtlich ihrer Eignung für die im konkreten Anwendungsfall auszugebende Information bewertet und entsprechend zugeordnet. Auf Basis der grundsätzlichen Technologieentscheidung werden in der Folge Software- Frameworks beschrieben, die die Realisierung der gewählten Ausgabekanäle ermögli- chen. Die Entscheidung für ein konkretes Framework wird auf Basis der funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen an die Ausgabe und deren Umsetzung getroffen. Der letzte Abschnitt beschreibt die eigentliche Umsetzung der Ausgabekanäle mittels der gewählten Technologie und geht auf die spezifischen Eigenschaften und Implemen- tierungsentscheidungen der vorgestellten Lösung ein. 8.1. Auszugebende Information Den Benutzern des Systems müssen während der Modellierung unterschiedliche Infor- mation zur Verfügung gestellt werden. Einerseits ist dies Information, die das Modell selbst betrifft, andererseits muss auch Information ausgegeben werden, die Aspekte des Modellierungsablaufs beschreibt oder unterstützt. Die das Modell betreffende Information umfasst folgende Aspekte: • Die Modellelemente betreffende Information (Art, Position, Benennung) • Die Verbinder betreffende Information (Art, Endpunkte, Benennung) • Eingebettete Elemente betreffende Information (Art, Inhalt, Container) Zur Unterstützung des Modellierungsablaufs müssen folgende Aspekte zur Verfügung gestellt werden: • Information über vergangene Modellzustände • Information zur Wiederherstellung von Modellzuständen Hier wird bewusst noch nicht auf die technische Umsetzung dieser Ausgabe eingegan- gen. In den folgenden Abschnitten wird erörtert, welche grundlegenden Technologien in Frage kommen, bevor auf Basis deren Eignung und den Vorgaben aus den Technologie- entscheidungen zur Informationseingabe eine konkrete Lösung ausgewählt wird. 8.2. Technologische Grundlage der Ausgabe Bei der Ausgabe von Information muss im Falle von Tangible Interfaces zwischen An- sätzen mit unterschiedlich stark ausgeprägter Kohärenz mit den Eingabekanälen unter- schieden werden. Unter Kohärenz ist hier zu verstehen, dass jene Artefakte, die zur Ein- 239 8.2. Technologische Grundlage der Ausgabe gabe verwendet werden, gleichzeitig auch die Reaktion des Systems – also die Ausgabe – wiederspiegeln. In der von Fishkin (2004) vorgeschlagenen Taxonomie (siehe Abschnitt 6.4.11) werden in der Dimension „Embodiment“ auch Werkzeuge als Tangible Interfaces klassifiziert, bei denen die Ausgabe vollständig von der Eingabe entkoppelt ist. Diesem Verständnis folgt auch diese Arbeit. Bei Tabletop Interfaces bietet sich die Tischoberfläche als Ausgabemedium an, um kohärente Informationsausgabe zu gewährleisten. Die Tischoberfläche dient hier wie in Kapitel 7 beschrieben der Eingabe und kann durch unterschiedliche technologische Maß- nahme auch zur Ausgabe genutzt werden. Eine weitere Möglichkeit die Ausgabekohärenz bei Tabletop Interfaces sicherzustellen bzw. zu steigern, ist die Verwendung der zur In- teraktion mit dem System verwendeten Tokens als Ausgabemedium. Je nach verfolgtem Ansatz (bzw. einer Kombination) sind unterschiedliche technische Maßnahmen zu setzen. In den folgenden Abschnitten werden die erwähnten grundsätzlich in Frage kommenden Ansätze betrachtet und im Anschluss hinsichtlich ihrer Eignung für das hier entwickel- te System beurteilt. Basierend auf der grundsätzlichen Technologieentscheidung werden im Anschluss unterschiedliche technische Lösungen zur Erfüllung der Anforderungen beschrieben. 8.2.1. Ansätze zur kohärenten Ausgabe In diesem Abschnitt werden Ausgabeansätze behandelt, die nach (Fishkin, 2004) in der Embodiment-Dimension den Ausprägungen „full“ oder „nearby“ zuzuordnen sind. Die Ausgabe erfolgt bei den hier vorgestellten Ansätzen also direkt über die Eingabetokens („full“) oder ist räumlich unmittelbar in der Umgebung der Tokens angesiedelt. Darstellung auf der Tischoberfläche Bei Tabletop-Interfaces ist die Nutzung der Tischoberfläche ein naheliegender und gän- giger Ansatz zur Realisierung der Ausgabekanäle. Die Ausgabe erfolgt hierbei vorrangig visuell, also durch die Darstellung der auszugebenden Information. Ein derart ausge- staltetes Interface ist hinsichtlich seiner Ausprägung in der Embodiment-Dimension als „nearby“ zu klassifizieren. Technologisch kommen zur Darstellung horizontal eingesetzte Bildschirme oder Oberflächen, auf die projiziert werden kann, in Frage. Bei der Verwendung von Bildschirmen sind die Größe der zur Anzeige verwendbaren Oberfläche sowie die zur Anzeige verfügbare Auflösung (also indirekt die Größe eines Bildpunktes) wesentliche Kriterien. Bei heute verfügbaren LCD1-Modulen mit Größen bis zu 132 cm in der Diagonale und Auflösungen von 1920 x 1080 Bildpunkten ist die Technologie soweit ausgereift und verfügbar, dass dieser Ansatz grundsätzlich für den Einsatz in Tabletop Interfaces in Frage kommt. Vorteile sind die geringe Bauhöhe der 1Liquid Crystal Display (Flüssigkristallanzeige) 240 8.2. Technologische Grundlage der Ausgabe Ausgabeeinheit (im Vergleich zu den im Folgenden vorgestellten Projektions-Lösungen). Nachteile sind die relative geringe Leuchtstärke, die einen Einsatz bei Tageslichtbedin- gungen schwierig machen sowie die Blickwinkelabhängigkeit, die bei horizontalem Ein- bau der Anzeigeeinheit stärker zum Tragen kommt als bei herkömmlicher vertikaler Verwendung. Als Alternative zur Verwendung von aktiven Anzeigeeinheiten können Projektoren ver- wendet werden, die die darzustellende Information auf die Tischoberfläche projizieren. Hier ist zwischen Lösungen zu unterscheiden, bei denen die Projektion von oben erfolgt und jenen, bei denen von unten auf eine durchscheinende Tischoberfläche projiziert wird. Bei ersteren muss der Projektor in ausreichender Höhe über der Tischoberfläche ange- bracht werden, damit das projizierte Bild die notwendige Größe erreicht. Bei beschränk- ter Höhe nach oben kann ein Projektor mit Weitwinkelobjektiv oder ein Umlenkspiegel benutzt werden, der durch eine Vergrößerung des Abstands zwischen Projektor und Oberfläche auf einer nicht vertikalen Achse die notwendige Bauhöhe reduziert. Der größte Nachteil eine Projektion von oben ist die Abschattung der projizierten In- formation bei Manipulationen der Tokens auf der Oberfläche. Dieses Problem tritt nicht auf, wenn von unten auf eine durchscheinende Oberfläche projiziert wird. Bei diesem Lö- sungsansatz kommt es zu keinerlei Abschattungen, die Information wird wie bei Einsatz eines Bildschirms ständig angezeigt. Nachteilig wirkt sich hier der durch den Einsatz einer durchscheinenden Oberfläche verursachte Leuchtkraftverlust aus. Bei dieser Form der Projektion wird immer ein Teil des durch den Projektor ausgestrahlten Lichts von der Oberfläche nach unten zurück reflektiert. Im Gegensatz zur Projektion von oben ist dadurch der Kontrast der Darstellung wesentlich geringer. Für den Einsatz unter Tages- lichtbedingungen ist also der erstgenannte Ansatz generell besser geeignet. Ein kritischer Faktor ist bei der Projektion von unten der notwendige Abstand zwischen Projektor und Tisch, da sich dieser direkt auf die Höhe des Tisches auswirkt. Um eine akzeptable Bau- höhe zu erreichen – also den Tisch durch durchschnittliche große Personen bedienbar zu halten (Höhe nicht mehr als etwa 100 cm) – ist hier der Einsatz eines Umlenkspie- gels nahezu unabdingbar. Beiden Projektions-Ansätzen gleich ist, dass die abzudeckende Oberfläche variabel durch den Abstand des Projektors gewählt werden kann. Grenzen sind hier nach unten durch die Fokussierbarkeit des Projektors bei kleinen Abständen und nach oben durch die Abnahme der Projektionshelligkeit bei großen Abständen ge- geben. Bei großen Oberflächen ist zudem auf die verfügbare Auflösung des Projektors zu achten, da die Größe eines Bildpunktes mit zunehmendem Abstand so ansteigt, dass eine feinauflösende Projektion der Information auf der Oberfläche nicht mehr möglich ist. Aktive Anzeige auf Tokens Alternativ zur Darstellung auf der Tischoberfläche können bei Tabletop-Interfaces auch die Tokens selbst als Ausgabekanal dienen. Da hier das Eingabemedium gleich dem Aus- 241 8.2. Technologische Grundlage der Ausgabe gabemedium ist, ist diese Form der Ausgabe hinsichtlich der Embodiment-Dimension in die Ausprägung „full“ einzuordnen. Technologisch können je nach Art der darzustellen- den Information Tokens mit Displays ausgestattet werden oder lediglich visuelle Sta- tusanzeigen beinhalten, die Feedback über den aktuellen Zustand des Tokens geben. In beiden Fällen müssen die Tokens generell mit Elektronik und Energieversorgung aus- gestattet sein und die Möglichkeit haben, selbst oder über eine Verbindung mit der Infrastruktur ihren Zustand festzustellen. Um textuelle oder grafische Information auf Tokens darzustellen ist die Verwendung von Displays notwendig. Bei der Verwendung von herkömmlichen LCD-Displays ist durch die benötigte Hintergrundbeleuchtung sowie der zur Aufrechterhaltung der Anzei- ge notwendigen Stromversorgung der Energieverbrauch verhältnismäßig hoch. Alternativ können neuere Technologien wie OLED2- (Shinar, 2004) oder eInk-Displays (Comiskey et al., 1998) verwendet werden. OLEDs bestehen aus organischen Materialien und be- nötigen keine Hintergrundbeleuchtung, da das Material selbst Licht emmitiert. eInk verwendet eine papierartige Oberfläche zur Anzeige, strahlt selbst kein Licht aus und ist deshalb auf Umgebungshelligkeit zur Verwendung angewiesen. eInk bietet in hel- len Umgebungen die besten Kontrastverhältnisse (vergleichbar mit bedrucktem Papier), kann allerdings beim heutigen Stand der Entwickung keine Farben darstellen. Der größte Vorteil von eInk liegt in der Eigenschaft, dass die Anzeige auch ohne Energieversorgung aufrecht bleibt – Energie ist lediglich zur Änderung des Display-Inhalts notwendig. Durch das Wegfallen der Hintergrundbeleuchtung sind OLED- und eInk-Displays we- sentlich dünner als LCD-Module und können auch auf nicht ebenen Oberflächen ange- bracht werden. Allen drei Ansätzen gleich ist, dass zur Ansteuerung des Anzeigemoduls Elektronik notwendig ist, die die darzustellende Information auf die zur Verfügung ste- hen Bildpunkte abbildet und das Display entsprechend ansteuert. Neben der Verwendung eines Displays kann der Status eines Tokens auch mit Leucht- anzeigen unter Verwendung von LED3-Einheiten visualisiert werden. Der Nachteil dieses Ansatzes ist die schwierige Realisierbarkeit von komplexen Statusanzeigen - durch die auf zwei Zustände (ein/aus) beschränkte Aussagekraft einer LED sind andere als bipolare Visualisierungen schwer zu realisieren. Möglich ist die Verwendung von mehreren LEDs. Sollen dadurch mehrere voneinander unabhängige Aussagen visualisiert werden, führt diese Variante jedoch rasch zu schwer erfassbaren und kaum unterscheidbaren Visua- lisierungen. Lediglich die Kopplung mehrere LEDs zur aussagekräftigen Visualisierung von dynamischen Zuständen hat sich als intuitiv erfassbar und verständlich erwiesen (Zuckerman et al., 2005). So können gekoppelte LEDs z.B. dazu verwendet werden, Flussrichtungen von Ressourcenströmen anzuzeigen, indem eine LED-Reihe entweder von links nach rechts oder von rechts nach links angesteuert wird. Auch beim Einsatz von LEDs ist einer ständige Energieversorgung notwendig. Zur Reduktion des Energie- 2Organic Light Emitting Diode 3Light Emitting Diode (Leuchtdiode) 242 8.2. Technologische Grundlage der Ausgabe verbrauchs können wiederum die oben genannten Alternativ-Technologien OLED und eInk zum Einsatz kommen, wobei diese aktuell nicht in den Bauformen herkömmlicher LEDs angeboten werden. eInk-Anzeigen eignen sich aufgrund ihrer langsamen Schalt- dauer außerdem nicht für die Realisierung dynamischer Anzeigen. Tokens mit Aktuatoren Neben der Verwendung von Displays zur Realisierung eines „full embodied“ Ausgabeka- nals können Tokens auch mit Aktuatoren ausgestattet werden, die es erlauben, das Token bzw. dessen Verhalten selbst ohne direkte Benutzerinteraktion zu beeinflussen. Beispiele für Aktuatoren sind unter anderem Vibrationsmodule oder mechanische Einheiten zur Veränderung der äußeren Form des Tokens oder dessen Position (auf der Tischoberflä- che). Der Einsatz von Aktuatoren ist ob der technologischen und anwendungsspezifischen Vielfalt nicht generisch beschreibbar wie das bei reinen optischen Anzeigeeinheiten der Fall war. Aktuatoren müssen auf den jeweiligen Anwendungsfall abgestimmt sein. Ihr Einsatz ist im Allgemeinen eher disruptiv, unterbricht durch die vom Benutzer nicht selbst ausgelöste Interaktion dessen aktuelle Aktivität und zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Dies kann im einzelnen Anwendungsfall erwünscht sein, kann aber zu uner- wünschten Effekten bei der Verwendbarkeit des Systems führen. Wie bei Anzeigemodulen müssen auch hier die Tokens mit Energie versorgt werden und mit Elektronik ausgestattet sein, die für die Ansteuerung der Aktuatoren sorgt. Im Bereich der Tabletop Interfaces ist die Verwendung von Aktuatoren eher selten anzutreffen. Im Bereich der Ambient Interfaces kann der Einsatz von Aktuatoren aber sinnvoll sein, wenn sich das Interface so in die Umgebung seines Einsatzbereichs inte- grieren kann (Gross, 2003). 8.2.2. Ansätze zur entkoppelten Ausgabe Ansätze zur entkoppelten Ausgabe werden von Fishkin (2004) in seiner Taxonomie in der Embodiment-Dimension unter den Ausprägungen „environment“ oder „distant“ ein- geordnet. „Environmental Embodiment“ ist dann gegeben, wenn Eingabe- und Ausgabekanäle räumlich nicht kohärent sind, aber Eingaben trotzdem offensichtlich Reaktionen in der unmittelbaren Umgebung auslösen. Klassische von Fishkin genannte Ansätze sind hier Audiokanäle aber auch die Veränderung von Umgebungslicht oder Temperatur. Auch olfaktorische Interfaces sind in diese Kategorie einzuordnen. In den folgenden Abschnit- ten werden jedoch ausschließlich audio-basierte Kanäle beschrieben, da diese im Bereich der Tabletop Interfaces Relevanz besitzen (etwa in (Kaltenbrunner et al., 2006) und (Pedersen und Hornb, 2009)) 243 8.2. Technologische Grundlage der Ausgabe Die Ausprägung „distant“ kennzeichnet Ansätze, in denen die Eingabekanäle räumlich von den Ausgabekanälen vollkommen entkoppelt sind bzw. entkoppelt werden können. Ein Kriterium zur Einordnung eines Ansatzes unter „distant“ ist, dass Benutzer zur Beobachtung der Ausgabe nicht mehr die Eingabe im Blickfeld haben können (was bei allen anderen Ausprägungen möglich ist). Klassische Vertreter dieses Ansatzes sind alle Ansätze, die auf der Darstellung von Information auf herkömmlichen Bildschirmen oder Projektionsflächen basieren. Darstellung auf Monitoren Bei der Darstellung von Information auf Bildschirmen kommen die auch in der her- kömmlichen Desktop-basierten Mensch-Maschine-Interaktion gängigen Anzeigetechno- logien zur Anwendung. Im Kontext von Tabletop Interfaces ist bei Monitoren auf die Sichtbarkeit der Information für alle an der Interaktion beteiligten Personen zu achten – diese ist nicht nur von der Entfernung zum Monitor abhängig, sondern bei den heute gängigen LCD-Displays auch vom Blickwinkel. Gegebenenfalls müssen mehrere Monitore verwendet werden, auf denen entweder simultan die gleiche Information dargestellt wird oder – abhängig von der Anwendung – lediglich für die jeweils eingenommene Perspektive relevante Information angezeigt wird. Mit Monitoren kann auch eine vollständig räum- lich entkoppelte Darstellung realisiert werden, indem die darzustellende Information auf entfernte Displays übertragen wird. So kann zum Beispiel die Interaktion auf einem Tabletop Interface bzw. deren Auswirkungen auch räumlich entfernt verfolgt werden. Generell muss bei entkoppelten Ausgabekanälen darauf geachtet werden, dass bei In- teraktionen mit den tangiblen Eingabekanälen entsprechend eindeutig zuzuordnendes Feedback über die Ausgabekanäle rückgespiegelt wird. Bei Tabletop Interfaces ist hier- bei (wiederum abgängig von der Anwendung) eine schematische Darstellung der Tisch- oberfläche mit einer Kenntlichmachung des Bereichs, in dem eine Interaktion erkannt wurde, sinnvoll. Projektion auf entfernte Oberflächen Bei Ausgabe mittels Projektion auf entfernte Oberfläche (im Sinne von Oberflächen, die nicht dem eigentlichen Interface zuzuordnen sind) sind Aspekte wie die Größe des Bil- des oder die Blickwinkelabhängigkeit der Darstellung meist keine Herausforderung. Mit einem Projektor können zumeist alle Benutzer ausreichend mit Information bedient wer- den. Ansonsten gelten die obigen Ausführungen hinsichtlich eindeutig zuzuordnendem Feedbacks analog. Bei individueller Nutzung eines Tangible Interfaces ist in der Verwendung von Bild- schirm oder Projektor noch ein unterschiedlich hoher Grad an Privatheit der Ausgabe- kanäle festzustellen. Während Bildschirme eher dem mit dem System interagierenden 244 8.2. Technologische Grundlage der Ausgabe Individuum als Ausgabekanal vorbehalten bleiben, sind projizierte Informationen quasi öffentlich verfügbar. Abhängig vom Anwendungsszenario des Tangible Interfaces kann dies erwünscht sein oder nicht. Audio-basierte Ausgabekanäle Audio-basierte Ansätze werden hier als Vertreter von Ausgabekanälen vorgestellt, die in die Kategorie „environmental Embodiment“ eingeordnet werden. Audio-Interfaces ar- beiten mit akustischer Ausgabe von Information, die im Allgemeinen in Zusammenhang mit den Eingaben am Tangible Interface stehen. Die ausgegebene Information kann abstrakt, codiert oder natürlichsprachlich sein. Un- ter „abstrakter“ Information werden hier akustische Ausgaben verstanden, die nicht un- mittelbar Bedeutung im sprachlichen Sinn tragen, sondern auf Meldodien oder anderen Klangmustern basieren. Derartige Formen der Ausgabe kommen vor allem im künstle- rischen Bereich zum Einsatz (z.B. (Kaltenbrunner et al., 2006), (Pedersen und Hornb, 2009)). „Codierte“ akustische Ausgabe deckt alle Bereiche ab, in denen Klänge verwen- det werden, um Information zu transportieren, ohne dass diese selbst in diesen Klängen abgebildet ist. Beispiele hierfür sind Signaltöne, die einen Fehler melden oder anderweitig die Aufmerksamkeit der Benutzer auf sich ziehen sollen. Unter „natürlichsprachlicher“ akustischer Ausgabe werden hier schließlich alle Ansätze eingeordnet, die die Ausgabe der Information direkt in Sprache umgesetzt vornehmen. Dies kann mittels gespeicher- ten (Teil-)Ansagen oder mittels Sprachsynthese realisiert werden. Im Gegensatz zu den anderen beiden Formen der akustischen Ausgabe ist die natürlichsprachliche Ausgabe abhängig vom Sprachverständnis der Benutzer und deshalb in einer bestimmten Konfi- guration nur für einen beschränkten Benutzerkreis nutzbar. Akustische Ausgabe ist allen ihren Ausprägungen der Embodiment-Dimension „en- vironment“ zuzuordnen. Sie kann im Allgemeinen (ohne den Einsatz von Ohrhörern) von allen sich im Umfeld des Interfaces befindlichen Personen wahrgenommen werden. Bei codierter Ausgabe muss darauf geachtet werden, dass die Interpretation der Signale bekannt ist bzw. durch unterstützende (visuelle oder taktile) Maßnahmen erschließbar wird. 8.2.3. Technologie-Entscheidung Auf Basis der in Abschnitt 8.1 festgelegten auszugebenden Information und den im letz- ten Abschnitt beschriebenen technologischen Alternativen zur Realisierung unterschied- lich ausgeprägter Ausgabekanäle können nun grundsätzliche Technologieentscheidungen getroffen werden. Für die im Kontext der eigentlichen Modellierung auszugebenden Information (Benen- nungen, . . . ) ist ein kohärenter Ansatz am besten geeignet, da die Information inhärenter 245 8.2. Technologische Grundlage der Ausgabe Bestandteil des Modells ist und deshalb räumlich mit den physischen Elementteilen (den Tokens) in eine einheitliche Modellsicht integriert werden sollte. Mit der bereits in Kapi- tel 7 argumentierten Entscheidung für passive Tokens ist die Projektion der Information auf die Tischoberfläche der einzig naheliegende Ansatz. Dabei wird im Sinne der kom- pakteren Bauweise und der nicht vorhandenen Einschränkung bezüglich Verdeckungen der Projektion durch modellierende Personen ein Lösungsansatz mit Projektion auf die Unterseite bevorzugt. Die kompaktere Bauweise ergibt sich aus der Tatsache, dass der Innenraum des Tisches ohnehin bereits für die Erfassung der Tokens durch die Kame- ra genutzt wird und dass bei gleichzeitiger Nutzung für die Projektion ein Auf- bzw. Überbau des Tisches zur Aufnahme des Projektors entfällt. Die Ausgabe vergangener Modellzustände ist mit den gegebenen technologischen Rah- menbedingungen hingegen nicht für kohärente Ausgabe geeignet. Passive Tokens können ihre Position nicht selbstständig verändern, weshalb die auf der Tischoberfläche vor- handenen Modellierungstokens immer an den Positionen liegen, an denen sie sich im aktuelleń Modellzustand befinden. Eine kohärente Ausgabe von vergangenen Modellzu- ständen auf der gleichen Oberfläche ist deswegen nicht möglich – es käme zu Überlage- rungen der physischen und projizierten Modelldarstellungen. Aus diesem Grund wird ein zweiter Ausgabekanal verwendet, der die Modellierungshistorie nicht kohärent darstellt. Akustische Ansätze sind ob der Komplexität der Modelle und deren inhärent visuell- diagrammatischen Darstellung im Vergleich zu visuellen Ansätzen nicht geeignet. Zu diesem Zweck wird also ein Bildschirm- oder Projektions-basierter Ausgabekanal imple- mentiert. Dies hat auch den Vorteil, dass ins Modell zu integrierende digitale Ressourcen in ihrer „natürlichen“ Umgebung, dem Bildschirm eines Rechners manipuliert und aus- gewählt werden können. Letztendlich lässt sich ein derartiger Ausgabekanal beliebig replizieren und auch für entfernte Ausgabe des Modellzustandes nutzen. Konkret werden für das vorgestellte System zwei Ausgabekanäle genutzt, die beide auf der visuellen Darstellung von Information basieren und sich in ihrer Ausprägung der „Embodiment“-Dimension nach Fishkin (2004) unterschieden. Der hauptsächliche Aus- gabekanal ist die Tischoberfläche, auf ihr wird Information „nearby“ ausgegeben. Für Funktionen, für die diese kohärente Ausgabeform nicht adäquat einsetzbar ist, existiert ein zweiter, „distant“ Ausgabekanal in Form eines Bildschirms oder eines externen Pro- jektors. Dieser Kanal kann in zwei Modi betrieben werden. Wird er nicht benötigt, kann er entweder deaktiviert werden (und so den Fokus auf den primären Ausgabekanal, die Tischoberfläche, lenken) oder synchron mit der Tischoberfläche den aktuellen Modellzu- stand anzeigen. Zweiteres ist sinnvoll, wenn der Modellierungsprozess auch von Personen verfolgt werden können soll, die sich nicht unmittelbar bei der Modellierungsoberfläche befinden. Hardwareseitig ergibt sich aus dieser Entscheidung der in Abbildung 8.2 dargestellte Aufbau. Dabei kann der in der Standardkonfiguration vorhandene Bildschirm als Ausga- 246 8.2. Technologische Grundlage der Ausgabe Abbildung 8.2.: Überblick über den Aufbau des Werkzeugs – Ausgabekomponenten bekanal je nach den räumlichen Gegebenheiten und dem konkreten Anwendungsszenario durch einen Projektor ersetzt werden. 8.2.4. Frameworks zur Ausgabe Im Sinne der eben getroffenen Technologieentscheidung wird nun eine Softwarekompo- nente benötigt, die die Ansteuerung der Ausgabekanäle erlaubt. Diese Softwarekompo- nente muss im Wesentlichen die Modellinformation, die über die Eingabekanäle erhoben wurde, visuell ausgeben. Zusätzlich muss sie den Funktionen zur Modellierungsunter- stützungs einen Kanal zur Kommunikation mit den Benutzern bieten. Für die graphische Darstellung diagrammatischer Modelle (also vernetzter Struktu- ren) existieren verschiedene Frameworks, die – basierend auf unterschiedlichen techno- logischen Ansätzen – die Darstellung von Modellelementen, der Verbindung und der Manipulation des Modells durch bereits implementierte Funktionalität ermöglichen und unterstützen. In Frage kommende Frameworks Die Anzahl der Möglichkeiten zur Darstellung graphischer Modelle durch Java ist groß. Die unterschiedlichen Ansätze unterscheiden sich vor allem in der angebotenen Abs- traktionsstufe, wobei die Pole durch eine direkte Manipulation der Pixelgrafik in der das Modell dargestellt werden soll einerseits und eine rein logische, von der eigentlichen 247 8.2. Technologische Grundlage der Ausgabe Darstellung vollständig entkoppelte Repräsentation des Modells andererseits gebildet werden. Hier wurden nur Frameworks betrachtet, die eine Verwaltung des darzustel- lenden Modells auf logischer Ebene ermöglichen und die eigentliche Ausgabe auf den Bildschirm übernehmen und kapseln. Kandidaten für Frameworks, die diese Forderung erfüllen4, waren zum Zeitpunkt der Technologie-Entscheidung: • Eclipse GEF (Moore et al., 2004) • JHotDraw (Gamma und Eggenschwiler, 1996) • Piccolo (Bederson et al., 2004) Piccolo stellte sich in der ersten Betrachtung als Framework zur Spezifikation von Benutzungsschnittstellen heraus, das die Erstellung graphischer Modelleditoren zwar erlaubt, in seinem Umfang aber weit über die benötigte Funktionalität und Flexibilität hinausgeht. Dementsprechend umfangreich und komplex ist auch der Anpassungsprozess des Frameworks an eine gegebene Anwendung. Piccolo wurde in der Betrachtung deshalb im ersten Schritt zurückgestellt und wurde später, nachdem fokussiertere Frameworks identifizierte werden konnten, aus der engeren Auswahl entfernt und nicht mehr näher betrachtet. In der engeren Auswahl standen also noch Eclipse GEF und JHotDraw. Diese beiden Frameworks werden in der Folge detaillierter betrachtet und hinsichtlich ihrer Eignung für die zu erstellende Anwendung beurteilt. Eclipse GEF Das Graphical Editing Framework (Moore et al., 2004) stellt als Teil der Eclipse Plattform (Holzner, 2004) eine Möglichkeit dar, graphische Editoren zu erstellen und diese in einer Eclipse Applikation eingebettet auszuführen. Das GEF5 bildet zu- sammen mit EMF6 (Budinsky et al., 2003) auch die Grundlage für das GMF7 (Eclipse Foundation, 2009), das die graphische Erstellung von domänen-spezifischen Sprachen mit nachfolgender Generierung von entsprechenden Klassen ermöglicht. Diese Klassen binden sich nahtlos in die Eclipse Infrastruktur ein und werden als Teil eines modell- getriebenen Softwareentwicklungszylus zur Erstellung domänen-spezifischen Applikatio- nen verwendet. GEF behandelt lediglich die graphische Ausgabe und erlaubt die Darstellung vernetz- ter Strukturen, die flexibel ausgestaltet werden können. GEF baut dabei konsequent auf dem MVC-Konzept (Krasner und Pope, 1988) auf und trennt strikt zwischen Reprä- sentation der Daten und deren Darstellung. In dieser Eigenschaft liegt auch der größte Vorteil dieses Ansatzes. Durch die Entkopplung der Visualisierung ist eine flexible Be- handlung der Ausgabe möglich. Diese kann entsprechend der Notwendigkeiten des jewei- ligen Ausgabekanals angepasst werden und erlaubt auch eine dynamische Veränderung bzw. Erweiterung der Darstellung zur Laufzeit. 4identifiziert im Rahmen von (Feiner, 2008) und (Seiringer, 2008) 5Graphical Editing Framework (Eclipse-Komponente) 6Eclipse Modeling Framework 7Graphical Modeling Framework (Eclipse-Komponente) 248 8.2. Technologische Grundlage der Ausgabe Der größte Nachteil des GEF-Ansatzes liegt für die hier vorgestellte Anwendung in der engen Verwobenheit mit der Eclipse-Plattform bzw. den starken Abhängigkeiten zu anderen Komponenten wie dem EMF. Durch diese Abhängigkeiten ist zum ersten der konzeptuelle und technische Einarbeitungsaufwand höher als in funktional fokussierte- ren Frameworks. Zum zweiten bringen GEF-basierte Applikationen eine Vielzahl von Features mit sich, die im konkreten Anwendungsfall nicht benötigt werden. Auf Seiten der Benutzungsschnittstelle kann die damit einhergehende größere Komplexität zwar vermieden werden, indem die überflüssigen Elemente ausgeblendet werden, implemen- tierungsseitig bleibt die Komplexität und die damit einhergehende größere Anzahl von potentiellen Fehlerquellen aber bestehen. JHotDraw Das JHotDraw-Framework (Gamma und Eggenschwiler, 1996) ist eine Java- Implementierung des Smalltalk-Frameworks HotDraw (Brant, 1995). Dieses wurde ent- wickelt, um einerseits eine einfache Möglichkeit zur Erstellung graphischer Editoren be- liebiger Natur zu bieten und andererseits die Stärken und Möglichkeiten objektorientier- ter Softwareentwicklung unter Einsatz der von (REF Entwurfsmuster) vorgeschlagenen Entwurfsmuster zu zeigen. JHotDraw nutzt intensiv objektorientierte Konzepte, vor allem die dynamische Ty- pisierung von Objekten und implementiert einen Großteil seiner Features als Instanzen der eben erwähnten Entwurfsmuster. Dies erleichtert die Adaptierung und Erweiterung des Systems für eigenen Anwendungsfälle und ermöglicht eine rasche, unaufwändige Im- plementierung anwendungsspezifischer graphischer Editoren. Ein Vorteil von JHotDraw liegt in der überschaubaren Struktur und im insgesamt für graphische Editoren-Frameworks eher kompakten Aufbau. Dies ist sowohl auf die resultierenden Applikationen bezogen, die wenig Ressourcen benötigen und ohne merk- liche Verzögerung starten, als auch auf Framework-Klassen-Struktur zur Erstellung die- ser Applikationen, die eine rasche Entwicklung ohne hohen Einarbeitungsaufwand oder weitgehende Parametrisierungen ermöglicht. Ein weiterer Vorteil von JHotDraw ist die Eigenständigkeit seiner Klassenbibliothek, die von keinen anderen Bibliotheken abhängt. Die einzige zu erfüllende Abhängigkeit besteht zum Fenster-Management-System Java SWING, das ohnehin Teil des JRE8 ist. JHotDraw-basierte Applikationen können so ohne weiteren Installations-Aufwand auf allen Rechneren ausgeführt werden, auf denen ein JRE vorhanden ist. Zusätzlich ist SWING auch Teil jener Bibliotheken, die von Java Applets zur Ausführung in Browsern verwendet werden können. Jede JHotDraw-Applikation kann damit ohne Modifikation lediglich durch Austausch der Basisklasse über eine HTTP9-Verbindung geladen und im Browser ausgeführt werden. 8Java Runtime Environment 9Hypertext Transfer Protocol 249 8.3. Ausgabe von Information Framework-Entscheidung Für das konkret zu implementierende System sind grundsätzlich beide Frameworks ge- eignet. JHotDraw weist in der Standarddistribution einen geringeren, dafür aber auf die eigentliche Visualisierungsaufgabe fokussierteren Funktionsumfang auf, was sich positiv auf den für die Verwendung notwendigen Lernaufwand auswirkt. Für die Entwicklung des prototypischen Systems wurde neben diesem Grund aufgrund der leichtgewichtigeren Bibliothek und geringeren Abhängigkeiten von externen Bibliotheken sowie des größe- ren Umfangs von in der Standarddistribution mitgelieferten benötigten Funktionalitäten JHotDraw ausgewählt. In einer im Kontext der hier vorgestellten Arbeit angefertigten Diplomarbeit (Feiner, 2008) wurde ein auf GEF basierendes System entwickelt, das an die existierenden Einga- bekanäle angebunden werden kann und prototypisch zeigt, wie GEF für die Darstellung flexibler Modelle (im Sinne von dynamisch zugewiesener Semantik und Visualisierung) eingesetzt werden kann. Ein zusätzlicher Aspekt dieser Arbeit ist die Möglichkeit zum synchronen verteilten Betrieb mehrerer Instanzen der Applikation, die simultan am glei- chen Modell arbeiten. Die Arbeit schafft damit die Voraussetzungen, synchron an mehre- ren (physischen oder graphischen) Schnittstellen ein Modell kooperativ zu manipulieren. Sie ist außerdem aufgrund der gemeinsamen Basis-Infrastruktur in Instanzen der Eclipse Rich Client Platform (McAffer und Lemieux, 2005) integrierbar und kann so nahtlos in komplexere, auf dieser Plattform basierende Systeme integriert werden. 8.3. Ausgabe von Information In diesem Abschnitt wird nun auf Basis der eben getroffenen Framework-Entscheidung und unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Entscheidung für zwei Ausgabekanäle, die in Abschnitt 8.2 getroffen wurde, die konkrete Informationsausgabe für das hier vorgestellte Werkzeug beschrieben. Wie bereits in Kapitel 7 auf abstrakter Ebene beginnend, wird zuerst das Konzept be- schrieben, das bei der Umsetzung der Ausgabe verfolgt wird. Aufbauend darauf wird die Architektur der Software beschrieben, die auf den in Kapitel 7 beschriebenen Komponen- ten aufsetzt und für die Ansteuerung der Ausgabekanäle sorgt. Nach einer detaillierten Beschreibung der konkreten Ausgabeform für alle ausgebenden Informationstypen wird schließlich die Implementierung des hier verfolgten Ansatzes in Software vorgestellt. 8.3.1. Konzept Wie bereits oben beschrieben wird die auszugebende Information im konkreten Werk- zeug auf zwei Ausgabekanäle verteilt. Grundsätzlich wird Information auf einem mit den 250 8.3. Ausgabe von Information Eingabekanälen räumlich kohärenten Kanal (der Tischoberfläche) ausgegeben. Ist dies aufgrund der Art der auszugebenden Information nicht adäquat möglich, wird der zwei- te Ausgabekanal als primäres Kommunikationsmedium verwendet. In der übrigen Zeit spielt der zweite Ausgabekanal eine untergeordnete Rolle und kann zur unterstützenden simultanen Visualisierung der am primären Kanal ohnehin ausgegebenen Information dienen. Während eines Modellierungsvorgangs bleibt der Fokus der Ausgabe grundsätzlich am primären Ausgabekanal, der Tischoberfläche. Auf dieser wird Information kohärent mit den vorhandenen Tokens ausgegeben. In lediglich zwei Fällen erhält der zweite Ausga- bekanal den Fokus: • Wenn Information ausgegeben werden muss, die nicht kohärent mit den auf der Oberfläche vorhanden physischen Tokens dargestellt werden kann (z.B. bei der Ausgabe von gespeicherten Modellzuständen). • Wenn Interaktion mit den Benutzern einen Fokus auf die digitale Welt, also auf über den Rechner zugreifbare Ressourcen hat (wie bei der Auswahl von Dateien zur Einbettung in Container-Tokens). In beiden Fällen wird das Modell auf der Oberfläche nicht simultan verändert, den Benutzern ist es möglich, sich auf die Interaktion mit dem sekundären Ausgabekanal zu konzentrieren. Während der Arbeit mit dem Werkzeug, bei der der zweite Ausgabekanal grundsätz- lich nicht benötigt wird, kann mit diesen auf unterschiedliche Arten umgegangen werden. Zum einen kann der zweite Ausgabekanal abgeschaltet werden, also keine Ausgabe über den Bildschirm oder externen Projektor mehr erfolgen. Vorteil dieser Lösung ist, das ein Fokuswechsel auf den sekundären Ausgabekanal eindeutig erkennbar ist, da dazu die Darstellung explizit aktiviert wird. Während der eigentlichen Modellierung werden Benutzer nicht abgelenkt und können auf die Interaktion auf der Tischoberfläche fokus- sieren. Zum anderen ist es möglich, am sekundären Ausgabekanal die Ausgabe des primä- ren Kanals zu spiegeln, auf diesem also synchron die gleiche Information auszugeben wie auf der Tischoberfläche. Ein Vorteil dieser Lösung ist, dass in dieser Darstellung zusätzlich Information eingeblendet werden kann, die auf der Tischoberfläche in der Überdeckung zwischen physischen Elementen und projizierter Information nicht darge- stellt werden kann. So ist unter anderem denkbar, die Abstaktionsstufe, auf der aktuell modelliert wird, am sekundären Ausgabekanal zu visualisieren. Diese Information ist aus dem Modell auf der Tischoberfläche nicht erkennbar (weder eingebettete Teilmodel- le noch übergeordnete Modelle sind auf im Modell ohne weitere Interaktion sichtbar). Für den Modellierungsvorgang ist diese Information aber auch zumeist nicht unmittel- bar relevant. Ist sie nun auf der sekundären Oberfläche permanent sichtbar, besteht für Benutzer die Möglichkeit, rasch und ohne zusätzlichen Interaktionsaufwand einen Überblick über den Kontext des aktuell bearbeiteten (Teil-)Modells zu erhalten. 251 8.3. Ausgabe von Information Ein zweiter Aspekt der Spiegelung der Ausgabe auf dem sekundären Ausgabekanal ist das unmittelbare Feedback, das Benutzern über die Tätigkeit des Systems zur Verfü- gung gestellt wird. Wenn ein Modellierungstoken bewegt oder geöffnet wird, erfolgt eine unmittelbare Reaktion in der Modellvisualisierung auf dem sekundären Ausgabekanal. Auch eventuelle Fehlerkennungen werden offensichtlich, wenn z.B. ein Element von der sekundären Visualisierung verschwindet, obwohl es auf der Oberfläche noch vorhanden ist. Für die Benutzer ist damit das Systemverhalten klarer erkennbar, die Bildung eines mentalen Modells zur Erklärung der Funktionsweise des Werkzeugs ist einfacher und lenkt nach der Einarbeitungsphase nicht mehr von der eigentlichen Tätigkeit ab (Nor- man, 1983). Letztendlich besteht bei der Einbindung mehrerer Benutzer die Möglichkeit, allen Beteiligten einen Überblick über den aktuellen Modellzustand zur Verfügung zu stellen, auch wenn diese im Moment nicht aktiv am Werkzeug arbeiten. Nachteile dieses Ansatzes liegen einerseits in der möglichen Ablenkung der Benutzer von der eigentlichen Modellierungsoberfläche (was insofern weitgehend unkritisch ist, als dass die gesamte Information über den sekundären Informationskanal zur Verfügung gestellt wird), vor allem aber darin, das der Wechsel des Interaktionsfokus von einem Ausgabekanal zum anderen nicht mehr so explizit sichtbar wird wie im ersten Ansatz. Benutzer sind so unter Umständen desorientiert und können dem Systemverhalten nicht folgen. Aus den vorangegangenen Ausführungen ist ersichtlich, dass beide Ansätze Vor- und Nachteile bieten, die nicht eindeutig für eine der beiden Lösungen sprechen. Vielmehr muss im einzelnen Anwendungsfall abgewogen werden, welche Lösung eher geeignet ist. Einflussfaktoren sind dabei die Anzahl der an der Modellierung teilnehmenden Benutzer (bessere Verfolgbarkeit des Modellierungsvorgangs bei synchroner Anzeige auf beiden Kanälen), die Modellierungsaufgabe an sich (generelle Notwendigkeit der Nutzung des sekundären Ausgabekanals) sowie das persönliche Modellierungsverhalten der Beteilig- ten (eher am Bildschirm oder eher an der Tischoberfläche orientiert). Aus diesen Grün- den werden beide Formen der Verwendung des sekundären Ausgabekanals unterstützt, wobei die Benutzer durch eine Tastenkombination zwischen den beiden Modi umschalten können – also ggf. auch in unterschiedlichen Phasen eines Modellierungsvorgangs eine unterschiedliche Konfiguration der Ausgabekanäle nutzen können. 8.3.2. Architektur Wie im letzten Abschnitt beschrieben, unterscheidet sich die Ausgabe von Information auf den beiden Ausgabekanälen nur in einigen Fällen, im synchronen Ausgabemodus wird weitgehend die gleiche Information zum Teil – den unterschiedlichen Ausgabemedien geschuldet – in unterschiedlichen Ausgabeformen dargestellt. Grundsätzlich wird die Architektur der Ausgabekanal-Verwaltung erweiterbar angelegt um veränderte Anforderungen an das Werkzeug oder erweiterte Funktionalität umset- zen zu können. Basis dieser erweiterbaren Architektur ist das in Abschnitt 7.4.8 bereits 252 8.3. Ausgabe von Information beschriebene Modul zur Verteilung des aktuellen Modellzustandes an die verwendeten Ausgabekanäle. Jeder Ausgabekanal, der über Änderungen am Modell an den Eingabe- kanälen benachrichtigt werden soll, muss ein definiertes Interface implementieren, das jene Methoden definiert, die zur Datenübermittlung zwischen dem Interpretationsmodul und den Ausgabekanälen notwendig sind. In der konkreten Implementierung sind zur Zeit zwei auf JHotDraw basierende Ausgabekanäle umgesetzt, zusätzlich existiert ein weiteres Modul, das gegenüber dem System als Ausgabekanal agiert, die übermittelte Information selbst jedoch wieder an beliebige via TCP10/IP11 angebundene Clients ver- teilt (siehe Abbildung 8.3). Auf diesem Weg können entfernte Ausgabekanäle realisiert werden, die es erlauben den Modellierungsprozess auch ohne räumliche Anwesenheit zur verfolgen. Mittels der gleichen Schnittstelle können auch weitere, nicht auf visuelle Ausgabe beschränkte Kanäle wie z.B. akustische Benachrichtigungen mit Information versorgt werden. Durch die flexible Architekur von JHotDraw ist es möglich, unterschiedliche Ausga- bekanäle mit der gleichen Codebasis durch den Einsatz verschiedener Basisklassen als vollständig eigenständige Applikation auszuführen oder als Applet in Webbrowsern zu starten (siehe Abbildung 8.11). Auf diese Weise ist es möglich die einmal implementier- te Visualisierung des Modellzustandes für die lokalen Ausgabekanäle sowie für entfernte Betrachter zu verwenden, die alle über die gleiche Schnittstelle synchron mit Information versorgt werden. 8.3.3. Ausgabe von Information zum Modell Um im Folgenden auf die Details der Implementierung eingehen zu können, muss an dieser Stelle noch ausgeführt werden, welche Arten von Information in welcher Form über welchen Kanal ausgegeben werden. Grundsätzlich sind konzeptuell zwei Arten von Information zu unterscheiden. Dieser Abschnitt behandelt die Ausgabe von Information zum Modell selbst, im folgenden Abschnitt werden jene Informationen Ausgabekanälen zugeordnet, die der Kontrolle des Systems und der Unterstützung des Modellierungsvor- gangs dienen. Information zu Modellelementen Information, die im Zusammenhang mit einzelnen Modellelementen ausgegeben wird, wird unmittelbar auf der Modellierungsoberfläche, also am primären Ausgabekanal, dar- gestellt. Wenn der sekundäre Ausgabekanal für synchrone Modelldarstellung konfiguriert ist oder entfernte Modellbetrachter eingesetzt werden, so wird diese Information auch 10Transport Control Protocol 11Internet Protocol 253 8.3. Ausgabe von Information Abbildung 8.3.: Softwarearchitektur zur Verwaltung der Ausgabekanäle 254 8.3. Ausgabe von Information dort dargestellt. Die Ausgabe auf entfernten Ausgabekanälen ist dabei immer identisch mit jener am sekundären Ausgabekanal. Dabei wird das Modellelement selbst graphisch repräsentiert, um eine Zuordnung der Information zu ermöglichen. Auf der Tischoberflä- che ist eine separate Darstellung des Modellelements nicht notwendig, das dieses durch die kohärente Eingabe ohnedies durch das entsprechende Modellierungstoken dargestellt wird (siehe Abbildung 8.4) Abbildung 8.4.: Darstellung von Modellelementen (links: Tischoberfläche, rechts: Bildschirm) In der aktuellen Implementierung wird lediglich die Bezeichnung des Tokens auf beiden Ausgabekanälen explizit ausgegeben. Der Typ des Tokens ist in der Farb- und Form- gebung codiert. Auf dem sekundären Ausgabekanal sind die Elemente in der graphi- schen Darstellung den physischen Elementen nachempfunden und bilden deren Farbe und Grundriss ab. Zusätzlich wird ein Element, das als Container fungiert, am sekun- dären Ausgabekanal durch eine Markierung gekennzeichnet. Ebenfalls nur auf der sekundären Oberfläche explizit ausgegeben wird die Information hinsichtlich der aktuellen Rotation eines Modellierungstokens. Auf der Oberfläche ist diese am physischen Token erkennbar bzw. wird durch diese festgelegt. In der graphischen Repräsentation am sekundären Ausgabekanal muss diese Rotation ebenfalls abgebildet und nachgeführt werden. Information zu Verbindern Da Verbinder nicht physisch existieren, sondern immer über die Ausgabekanäle darge- stellt werden müssen, gelten die nun folgenden Ausführungen für beide Ausgabekanäle. Wird ein Verbinder hergestellt, so kann neben den beiden Endpunkten (Modellelemen- ten) auch noch die Richtung des Verbinders sowie eine Bezeichnung festgelegt werden. Ein Verbinder wird auf den Ausgabekanälen als Linie dargestellt, die zwei Modellie- rungstokens bzw. deren graphische Repräsentation verbindet (siehe Abbildung 8.5). Die Richtung des Verbinders wird über Pfeilspitzen angegeben, die an den Enden der Linien angebracht werden (siehe Abbildung 8.6). Dabei können diese Pfeilspitzen fehlen (unge- 255 8.3. Ausgabe von Information Abbildung 8.5.: Darstellung von Verbindern (oben Tischoberfläche, unten Bildschirm) 256 8.3. Ausgabe von Information richteter Verbinder), an einem Ende angebracht werden (gerichteter Verbinder) oder an beiden Enden dargestellt werden (bidirektionaler Verbinder). Die Ausgabe der Benen- nung eines Verbinders erfolgt – sofern vorhanden – zentriert auf halbem Weg zwischen den verbundenen Modellelementen unterhalb der Linie. Abbildung 8.6.: Darstellung gerichteter Verbinder Information zu eingebetteten Elementen Im Kontext der Ausgabe von Information zu eingebetteten Elementen müssen unter- schiedliche Modellaspekte berücksichtigt werden. Im einzelnen sind dies: • Öffnungszustand von Modellelementen • Anzahl und Art der eingebetteten Elemente • Information, welche an eingebettete Elemente gebunden ist Der Öffnungszustand von Modellelementen ist auf der Tischoberfläche durch den Zu- stand des jeweiligen Containertokens ersichtlich. Auch die Art und Anzahl der einge- betteten Elemente ist sichtbar, wenn ein Containertoken geöffnet ist. Am sekundären Ausgabekanal, also auf dem Bildschirm wird ein geöffnetes Modellelement vergrößert dargestellt um innerhalb der Fläche des Elements visuelle Repräsentationen der einge- betteten Elemente einblenden zu können. Somit ist auch am sekundären Ausgabekanal erkennbar, wann bzw. dass ein Element geöffnet ist (siehe Abbildung 8.7). Jene Information, die an die eingebetteten Elemente gebunden ist, wird auf beiden Kanälen nicht ohne explizite Benutzerinteraktion dargestellt. Fordern die Benutzer auf einem Eingabekanal die Darstellung der eingebetteten Information an, so wird diese auf dem sekundären, nicht kohärenten Ausgabekanal dargestellt. Eine Darstellung der angebundenen Information auf der Tischoberfläche kann durch die physisch vorhanden 257 8.3. Ausgabe von Information Abbildung 8.7.: Darstellung von Containern und eingebetteten Elementen (links Tischoberfläche, rechts Bildschirm) Modellelemente gestört werden. Die eingebetteten Submodelle bzw. die sonstigen digi- talen Ressourcen werden also auf dem Bildschirm dargestellt. Die Submodelle ersetzen dabei den aktuellen Modellzustand temporär, andere Ressourcen werden mittels der im Betriebssystem definierten Standardapplikation geöffnet. 8.3.4. Ausgabe zur Kontrolle des Systems Neben der eigentlichen Modellinformation wird auch Information ausgegeben, die zum Feedback über den Systemzustand oder der Kontrolle desselben notwendig ist. Wo mög- lich wird auch in diesem Fall die Tischoberfläche als primärer Ausgabekanal genutzt. Zustands- und Ereignismeldungen Bei der Verwendung der die Modellierung unterstützenden Werkzeuge muss den Be- nutzern Feedback über deren Erkennung bzw. den durch diese ausgelösten Änderung des Systemzustandes gegeben werden. Dabei ist zwischen jenen Interaktionen zu unter- scheiden, die ein Ereignis auslösen und jenen, die den Systemzustand permanent ändern. Dieser Unterschied muss auch in der Visualisierung den Benutzern kommuniziert werden. Dabei kann es duch die vom System nicht beeinflussbaren physischen Werkzeugtokens zu potentiellen Missverständnissen kommen. Wird ein Werkzeugtoken, das lediglich ein Ereignis auslöst (wie zum Beispiel das Markierungstoken), von den Modellierenden auf der Oberfläche belassen, kann dieses unter Umständen als zustandsverändernd und nicht als ereignisauslösend wahrgenommen werden. Elementauswahl Wird mittels demMarkierungstoken ein Element ausgewählt, so müs- sen die Benutzer über die Erkennung der Markierung benachrichtigt werden. Dabei muss 258 8.3. Ausgabe von Information erkenntlich sein, welches Element ausgewählt wurde und wie lange die Auswahl gültig ist. Die Auswahl eines Elements ist grundsätzlich ein Ereignis, ist jedoch immer Teil ei- ner umfassenderen Interaktion, in der die Benutzer das ausgewählte Element verwenden (z.B. dieses benennen). Abbildung 8.8.: Markierung von Modellelementen Die Anzeige der Auswahl erfolgt auf beiden Ausgabekanälen mittels einer ovalen Mar- kierung, die das ausgewählte Element umschließt (siehe Abbildung 8.8). Diese wird so- lange angezeigt, bis die Interaktion, der sie zuzuordnen ist, abgeschlossen ist oder ein anderes Element ausgewählt wird. Außerdem ist es möglich, eine Markierung durch ex- plizite Interaktion (erneute Auswahl mit dem Markierungstoken) wieder zu entfernen. Verbindungsherstellung Die Herstellung von Verbindungen kann auf zwei unterschied- liche Arten durch die Benutzer ausgelöst werden. Wird eine Verbindung duch die Aus- wahl zweier Modellelemente hergestellt, werden die eben beschriebenen ovalen Markie- rungen zur Visualisierung der Auswahl verwendet. Dabei kann es zur Auswahl eines Elements als Endpunkt einer gerichteten Verbindung kommen. Die ovale Markierung wechselt in diesem Fall die Farbe um die erfolgreiche Erkennung einer Pfeilspitze rück- zumelden. Nachdem beide Endpunkte erkannt und markiert wurden, wird unmittelbar die Verbindung hergestellt. Diese wird initial als eine Linie dargestellt, die in Farbe und Strichstärke hervorsticht und in der Folge in einer Animation durch eine herkömmliche Verbindung ersetzt. Diese Animation dient dazu, das Ereignis der Verbindungsherstel- lung klar zu visualisieren und die Aufmerksamkeit der Benutzer auf dieses Ereignis zu lenken. Werden zwei Elemente durch ihre räumliche Nähe zueinander in Beziehung gesetzt und eine Verbindung hergestellt, entfallen die ovalen Markierungen (da keine explizite Aus- wahl der Elemente erfolgt). Es wird lediglich die Animation zur Verbindungsherstellung dargestellt. Auf diesem Wege ist keine direkte Herstellung von gerichteten Verbindern möglich. 259 8.3. Ausgabe von Information explizite Snapshots Im Zusammenhang mit der Speicherung der Modellierungshistorie (also der über die Zeit veränderten Modellzustände) ist es möglich neben der automa- tischen Speicherung auch explizit der Aufnahme eines Snapshots auszulösen. Während bei der automatischen Speicherung kein Feedback an die Benutzer gegeben wird (da auch keine Interaktion zum Auslösen derselben stattfindet), wird im Falle einer explizi- ten Speicherung den Benutzern die erfolgreiche Durchführung der Aktion rückgemeldet. Die Speicherung des Snapshots ist ein Ereignis ohne zeitliche Ausdehnung und wird dementsprechend visualisiert. Dies erfolgt in Form eines kurzen Aufblitzens sowohl der Tischoberfläche als auch des Bildschirms. Die Verwendung der gespeicherten Modellzu- stände und deren Visualisierung wird in Abschnitt 8.3.4 im Detail behandelt. Löschmodus Im Gegensatz zu den in den vorangegangenen Abschnitten behandelten Werkzeugen löst der Einsatz des Lösch-Tokens kein Ereignis aus, sondern schaltet das System in einen anderen Zustand, solange es auf der Oberfläche vorhanden ist. Dies spiegelt sich auch in der Visualisierung wieder. Solange das Lösch-Token von der Kame- ra erfasst wird, wird auf beiden Ausgabekanälen der Hintergrund des Modells (also die gesamte Tischoberfläche bzw. der gesamte Bildschirm) in roter Farbe dargestellt, wäh- rend im Vordergrund nach wie vor der aktuelle Modellzustand visualisiert wird. Dies entspricht den Interaktionsmöglichkeiten der Benutzer – das Modell kann nach wie vor manipuliert werden, jene Interaktionen, die aber im Normalfall eine Verbindung her- stellen, löschen diese in diesem Modus wieder. Wird das Lösch-Token entfernt, wechselt der Hintergrund wieder auf die Standard-Farbe, das System reagiert auf dei betroffenen Interaktionen wieder mit der Herstellung eines Verbinders. Abruf der Modellierungshistorie Der Abruf der Modellierungshistorie wird mit dem runden Kontroll-Token ausgelöst und kontrolliert. Hinsichtlich der Darstellung ist die Modellierungshistorie die erste der hier beschriebenen Zustands- und Ereignismeldungen, bei der keine kohärente Darstellung möglich ist. Auf der Tischoberfläche befinden sich zum Zeitpunkt der Aktivierung des Historienmodus alle Tokens, die im Elemente im aktuellen Modellzustand repräsentieren. Da der Historienmodus als Referenz dient, in der die Entstehung des Models rekapituliert werden kann, die gespeicherten Modellzustände aber im Allgemeinen nicht den aktuellen Zustand ersetzen sollen, verbleiben diese Tokens auch auf der Oberfläche. Damit kann nach Deaktivierung des Historienmodus der Modellierungsvorgang unmittelbar fortge- setzt werden. Die auf der Oberfläche befindlichen Tokens stören aber die Darstellung gespeicherter Modellzustände, da sie Teile verdecken und keinen Bezug zum projizierten historischen Modell haben. Die Information des Historienmodus wird deshalb ausschließlich auf dem sekundären Ausgabekanal – dem Bildschirm – dargestellt (die Kontrolle verbleibt mit dem runden Kontroll-Token auf der Tischoberfläche). Die gespeicherten Modellzustände ersetzen da- 260 8.3. Ausgabe von Information bei den aktuellen Modellzustand, der im Normalbetrieb synchron zur Tischoberfläche dargestellt wird. Ist das System so konfiguriert, dass der sekundäre Ausgabekanal nicht synchron betrieben wird, so wird er bei Erkennung des Historienmodus aktiviert. Abbildung 8.9.: Darstellung der Modellierungshistorie Zusätzlich zur graphischen Darstellung des gespeicherten Modellzustandes wird ein Zeitstempel in der linken oberen Ecke eingeblendet, der den Zeitpunkt der Speicherung angibt. Am unteren Rand des Bildes wird ein Balken eingeblendet, der auf den relati- ven Zeitpunkt der Aufnahme (bezogen auf die Gesamtzahl der gespeicherten Zustände) angibt (siehe Abbildung 8.9). Die Schrittweite (also die Verlängerung des Balken, die durch das Umschalten auf einen unmittelbar folgenden Zustand verursacht wird) wird dazu dynamisch an die Anzahl der gespeicherten Modellzustände angepasst. Ist der erste bzw. letzte Modellzustand erreicht, werden weitere entsprechende Kom- mandos durch Drehen des Kontroll-Tokens ignoriert. Die Benutzer werden durch einen vollständig leeren bzw. ausgefüllten Balken auf das Erreichen des jeweiligen Endpunktes hingewiesen. Wird das Kontroll-Token von der Tischoberfläche entfernt, so wird der His- torienmodus deaktiviert. Die Darstellung auf dem sekundären Ausgabekanal wird wieder auf die synchrone Darstellung des aktuellen Modellzustandes geschaltet bzw. wird diese deaktiviert, falls das System dementsprechend konfiguriert ist. Wiederherstellungsunterstützung Im Rahmen des Abrufs der Modellierungshistorie kann von den Benutzern die Wie- derherstellungsunterstützung aktiviert werden. Im Rahmen der Wiederherstellungsun- terstützung leitet das System die Benutzer bei der Rekonstruktion eines gespeicherten Modellzustandes an. Dazu werden auf der Tischoberfläche und am Bildschirm (sofern aktiviert) – also auf beiden Ausgabekanälen – Hinweise angezeigt, wie der aktuelle Mo- dellzustand verändert werden muss, um den gespeicherten Zustand wieder herzustellen. 261 8.3. Ausgabe von Information Da der aktuelle Modellzustand als Ausgangspunkt dient, kann eine kohärente Visuali- sierung zum Einsatz kommen. Bei der Aktivierung der Wiederherstellungsunterstützung werden die im Modell be- findlichen Verbinder ausgeblendet, da diese nicht manuell verändert werden müssen. Die notwendige manuelle Intervention der Benutzer zur Wiederherstellung beschränkt sich auf die Platzierung der Modellierungstokens an die dem gespeicherten Modellzustand entsprechenden Orte. In der ersten Phase werden vom System schrittweise alle Tokens markiert, die im aktuellen Modell enthalten sind und im gespeicherten Modellzustand nicht vorhanden sind, also entfernt werden müssen. Schrittweise heißt in diesem Zu- sammenhang, dass immer nur ein Token markiert wird, sobald dieses entfernt wurde, wird das nächste Token zur Entfernung markiert. Die Markierung ist als rote, ovale Hinterlegung des Tokens umgesetzt. In der zweiten Phase werden jene Tokens behandelt, die sowohl im aktuellen als auch im gespeicherten Modellzustand enthalten sind, sich aber jeweils an unterschiedlichen Positionen befinden, also verschoben werden müssen. Dazu wird wiederum schrittweise eine Markierung an der Zielposition des Tokens eingeblendet und diese mit einem Pfeil mit der aktuellen Position des betroffenen Tokens verbunden (siehe Abbildung 8.10). In der letzten Phase werden alle Tokens hinzugefügt, die im aktuellen Modell nicht vorhanden sind, es im gespeicherten Modellzustand aber waren. Diese werden schritt- weise durch grüne, ovale Markierungen an den jeweiligen Positionen angezeigt, wobei die Benennung des Tokens in die Markierung eingeblendet wird, um das jeweilige zu platzierende Element identifizieren zu können. Abbildung 8.10.: Unterstützung der Wiederherstellung von Modellzuständen Die zur Rekonstruktions des Modellzustandes notwendigen Schritte sind nicht vor- berechnet sondern werden vielmehr Schritt für Schritt aus der aktuell auf der Tisch- oberfläche befindlichen Token-Konstellation extrahiert. Dadurch ist es möglich, auch irrtümlicherweise während der Wiederherstellung entfernte, hinzugefügte oder vor allem 262 8.4. Umsetzung der Ausgabe mit Software verschobene Tokens zu korrigieren, auch wenn die Rekonstruktion grundsätzlich schon in eine spätere Phase getreten wäre. So greift das System beispielsweise nach Abschluss eines Schrittes in der dritten Phase (Elemente hinzufügen) auf eine Anweisung in der zweiten Phase (Verschieben) zurück, wenn durch das Hinzufügen ein anderes, bereits an der korrekten Position befindliches Element verschoben worden wäre. Sobald sich die Positionen der Tokens mit jenen des gespeicherten Modellzustandes de- cken, ist die notwendige Benutzerintervention zur Wiederherstellung abgeschlossen. Die Benutzer werden nun aufgefordert, das Historien-Kontroll-Token und dasWiederherstellungs- Token zu entfernen (sofern sich diese noch auf der Oberfläche befinden). Dieser Schritt schließt die Wiederherstellungsunterstützung ab. Das System blendet die Verbinder (nun aus dem gespeicherten Modellzustand) wieder ein und zeigt damit den (neuen) aktuellen Modellzustand an. 8.4. Umsetzung der Ausgabe mit Software Wie in Abschnitt 8.3.1 bereits beschrieben, basiert die Implementierung der Ausgabe- kanäle auf dem JHotDraw-Framework. Die Implementierung erfolgt dabei in Modulen, die die Art und Anzahl der Ausgabekanäle flexibel erweiterbar macht. Die Anforderun- gen an die Ausgabekanäle unterscheiden sich zwar durchaus im Detail, im Allgemeinen ähneln sie sich aber stark. Dies legt die Verwendung einer gemeinsamen Basisklasse na- he, die alle verallgemeinerbaren Aufgaben der Ausgabekanäle umfasst. Von ihr werden die konkreten Implementierungen der Ausgabekanäle mit ihren spezifischen Funktionen abgeleitet werden. So müssen auf dem bildschirmbasierten Ausgabekanal unter anderem die Modellelemente graphisch dargestellt werden, wohingegen diese auf der Tischoberflä- che in Form der physischen Modellierungstokens bereits vorhanden sind. Beiden Kanälen gemein ist hingegen zum Beispiel die Behandlung der Verbinder, die hier wie dort darge- stellt bzw. projiziert werden müssen. Durch das nur partiell unterschiedliche Verhalten der beiden Ausgabekanäle ist es möglich, diese von einer gemeinsamen Basisklasse ab- zuleiten und die Spezifika in Subklassen zu implementieren. Dies reduziert auch den Wartungsaufwand der Codebasis und vermindert die Gefahr von Inkonsistenzen. Konkret wurde die Architektur wie in 8.11 dargestellt auf Klassen abgebildet. Zentrale Schnittstelle zu den informationsliefernden Modulen ist das Interface DispatcherListener, das eine Reihe von Methoden definiert, die Ausgabekanäle implementieren müssen, falls sie an die Informationeingabe- und -interpretations-Infrastruktur angebunden werden sollen. Das Interface ist allgemein einsetzbar, kann also auch durch Ausgabekanäle an- derer technologischer Ansätze implementiert werden. Als zentrales Element implemen- tiert die Klasse zur Ausgabe von Information auf dem sekundären Ausgabekanal (dem Bildschirm) dieses Interface. Diese Klasse wurde deswegen als zentraler Knotenpunkt gewählt, weil sie im Vergleich mit den anderen Ausgabekanälen den größten Anteil an 263 8.4. Umsetzung der Ausgabe mit Software Abbildung 8.11.: Zusammenhänge der Klassen zur Ausgabebehandlung 264 8.4. Umsetzung der Ausgabe mit Software auszugegebender Information besitzt. Die Klasse zur Ausgabe von Information auf der Tischoberfläche implementiert lediglich ein Subset an Visualisierungs-Methoden (so müs- sen z.B. die Elemente selbst nicht ausgegeben werden) und wird deshalb von jener zur Behandlung des sekundären Ausgabekanals abgeleitet. Die nicht benötigten Methoden werden mit leeren Methoden überschrieben. Die zur Ausgabe benötigten Methoden wer- den unverändert übernommen, unterschiedliche Darstellungsformen (etwa die Stichstär- ke bei Verbindungen) werden durch Parametrisierung der Datenklassen realisiert, die die darzustellende Information kapseln. Beide lokale Ausgabekanäle betten die eigentliche Visualisierungs-Klasse in einen JHotDraw- Rahmen ein, der die Applikationsinfrastruktur zur Verfügung stellt. In diesem Fall ist dies die Klasse DrawApplication, die eine direkt ausführbare Java-Applikation erzeugt. Die Einbindung der eigentlichen Ausgabekanäle erfolgt über die Klasse DrawingView, die als Basisklasse für die die Ausgabekanäle bedienenden Klassen fungiert. Zur Anzeige auf der Tischoberfläche wird die JHotDraw-Applikation in den Vollbild-Modus geschal- ten und mit schwarzem Hintergrund versehen. Auf der Tischoberfläche ist dadurch keine Projektion zu erkennen, wenn sich keine Modellelemente auf ihr befinden. Die Anzeige am sekundären Ausgabekanal erfolgt in einem regulären Fenster. Die Ausgabe auf entfernten (visuellen) Kanälen basiert ebenfalls auf der Klasse, die den sekundären Ausgabekanal bedient. Tatsächlich ist die Form der Visualisierung identisch mit einem im Modus synchroner Darstellung betriebenen sekundären Ausgabekanal. Die Implementierung von entfernten Kanälen unterscheidet sich ausschließlich in der Übermittlung der darzustellenden Information über eine Netzwerkverbindung. 8.4.1. Ausgabe des Modellzustands Die Zustand des Modells, also Art und Parameter der auf der Oberfläche befindlichen Elemente und Verbindungen sind in Objekten der Klassen BasicBuildingBlock bzw. Connector abgebildet. Diese Klassen kapseln sämtliche Information, die zur Beschrei- bung des Elementzustandes notwendig ist. Diese Objekte sind außerdem in der Lage, sich durch ihre clone-Methode selbst vollständig zu reproduzieren. ”Vollständig” bedeutet in diesem Zusammenhang, dass im Duplikat keine Referenzen mehr auf die Attribute des Originalobjekts vorhanden sind – das Objekt wird im Sinne einer ”Deep-Copy” vollstän- dig reproduziert. Dies ist notwendig um gespeicherte Modellzustände vollständig vom aktuellen Modellzustand zu entkoppeln und persistent abzulegen. Die Ausgabe erfolgt mittels einer CompositeFigure (eine Komponente des JHotDraw-Frameworks), in die die graphische Repräsentation des Elements, dessen Benennung sowie ggf. die eingebet- teten Elemente geschrieben werden. Eventuell vorhandene Markierungen (wie jene, die durch das Auswahltoken verursacht werden oder die im Rahmen der Wiederherstellungs- unterstützung als Hinweis zum Entfernen eines Elements hinzugefügt werden) werden ebenfalls direkt in die CompositeFigure aufgenommen. Die hat den Vorteil, dass Mar- 265 8.4. Umsetzung der Ausgabe mit Software kierungen an das Element gebunden bleiben und mit diesem bewegt werden, wenn das betreffende Token verschoben wird. Eingebettete Elemente enthalten neben ihrer graphischen Repräsentation und ihrer Benennung auch eine Referenz auf die Ressource, die durch sie repräsentiert wird. Ist diese Ressoruce ein Teilmodell, so wird dieses als gespeicherter Modellzustand referen- ziert und beim Abruf entsprechend am sekundären Ausgabekanal dargestellt. Sind ex- terne Ressourcen (im Sinne von Dateien im Filesystem) angebunden, so werden die- se beim Abruf mittels der durch die Java-Plattform zur Verfügung gestellten Metho- de Desktop.open geöffnet. Diese Methode greift dazu auf die Plattform-spezifischen Dateitypen-Bindungen zu und öffnet die jeweilige Datei mit der zugeordneten Standard- Applikation. Assoziationen sind von der durch JHotDraw zur Verfügung gestellten Klasse LineConnection abgeleitet und werden durch deren Eigenschaften bei der Erstellung explizit an den End- punkten an zwei Figures (in diesem Fall an BasicBuildingBlocks) gebunden. Der Ver- binder wird dadurch mit jeder Bewegung eines der Elemente mitgeführt und muss nicht manuell an den neuen Endpunkt verlegt werden. Methoden zur Anzeige Pfeilspitzen und Benennung können ebenfalls von der Klasse LineConnection übernommen werden. Kalibrierung der Ausgabe Der Projektor, der die Information auf die Tischoberfläche projiziert, ist aus Gründen der Transportierbarkeit nicht fix im Boden des Tisches eingebaut. Deswegen ist nach dem Aufbau des Systems im Allgemeinen die projizierte Version des Modells nicht de- ckungsgleich mit der Position der physischen Tokens. Es kann eine Verschiebung entlang beider Achsen auftreten, die alle zu den physischen Tokens ausgegebene Information von diesen absetzt. Dadurch kann die Information unter Umständen nicht mehr eindeutig zugeordnet werden. Aus diesem Grund ist die Position der projizierten Modellversion einstellbar, die Ka- librierung muss einmalig nach dem Aufbau des Werkzeugs vorgenommen werden. Auf- grund der Verwendung des Umlenkspiegels kann es nicht nur zu einer Verschiebung der Information auf der X- oder Y-Achse kommen, es können auch Spreizungen oder Stau- chungen auftreten, welche den Projektions-Fehler von links nach rechts bzw. von oben nach unten zunehmen lassen. Auch diese Spreizungen oder Stauchungen sind software- seitig im Rahmen der Kalibrierung korrigierbar. 8.4.2. Ausgabe der Modellierungshistorie Wird die Modellierungshistorie abgerufen, so wird am sekundären Ausgabekanal der zuletzt gespeicherte Modellzustand angezeigt. Am primären Ausgabekanal kommt wei- terhin der aktuelle Modellzustand zur Anzeige. Die Modellierungshistorie wird in Form 266 8.4. Umsetzung der Ausgabe mit Software von Snapshot-Objekten in einem History-Objekt gespeichert. Das Objekt der Klasse History dient dabei der Verwaltung der gesamten Historie (also aller Snapshots) und ermöglicht die Ablage neuer Snapshots und Navigation durch diese sowie den Abruf der bereits gespeicherten Modellzustände. In den Snapshot-Objekten selbst ist neben dem eigentlichen Modellzustand ein Zeitstempel abgelegt, der den Zeitpunkt der Speiche- rung kennzeichnet. Außerdem gibt ein Flag an, ob die Speicherung automatisch erfolgte oder explizit ausgelöst wurde. Der eigentliche Modellzustand wird als Collection von Figures gespeichert. Da sowohl BasicBuildingBlocks als auch Connections von der Klasse Figure abgeleitet sind, können diese hier einheitlich verwaltet werden. Auch bei der Darstellung muss nicht zwischen den beiden Klassen unterschieden werden, da dem DrawingView (also der Zeichenoberfläche) zur Darstellung auch lediglich Figures über- geben werden müssen. Bei der Navigation durch die Modellierungshistorie wird entsprechend der Drehbe- wegung des Kontroll-Tokens aus dem History-Objekt der vorhergehende bzw. nachfol- gende Snapshot abgerufen. Der aktuell auf dem sekundären Ausgabekanal dargestellte Modellzustand wird gelöscht und durch die im Snapshot gespeicherten Modellelemen- te und Verbinder ersetzt. Zusätzlich wird der Zeitstempel als Text dargestellt und am unteren Bildschirmrand der Fortschrittsbalken ausgegeben. Dieser zeigt an, wo in der ge- samten Historie der aktuell angezeigte Modellzustand zu verorten ist und gibt Feedback darüber, ob eine weitere Navigation nach vor oder zurück möglich ist. 8.4.3. Umsetzung der Wiederherstellungsunterstützung Wenn die Wiederherstellungsunterstützung ausgelöst wird, werden vor dem Start der Ausgabe der Wiederherstellungsanweisungen alle Verbinder ausgeblendet. Da die Be- nutzer lediglich die Element (bzw. die diese repräsentierenden Tokens) manipulieren muss, ist die Anzeige der Verbinder nicht notwendig bzw. sogar störend, da sich diese mit den auf der Oberfläche angezeigten Anweisungen zur Wiederherstellung überlappen können. Die eigentliche Wiederherstellungsunterstützung beginnt mit der Berechnung des ers- ten Schrittes, der von den Benutzern zu setzen ist. Dabei wird geprüft, ob im aktuell auf der Oberfläche befindlichen Modell ein Element enthalten ist, das im wiederherzustel- lenden Zustand fehlt. Ist dies der Fall, wird dieses Element markiert und die Benutzer damit aufgefordert, es zu entfernen. Die so gestellte Aufgabe wird in einem Objekt der Klasse Task gespeichert. Bei jeder eintreffenden Meldung über Änderungen auf der Modellierungsoberfläche wird nun mit Hilfe der completed-Methode der Task-Objekts überprüft, ob der erste Schritt damit ausgeführt wurde (ob im konkreten Fall also das Element entfernt wurde). Ist dies der Fall, so wird die Methode zur Berechnung des nächs- ten Schrittes erneut aufgerufen und ein neues Task-Objekt erzeugt, das bei Änderung auf der Oberfläche wiederum zur Prüfung der Durchführung des Schrittes herangezogen 267 8.4. Umsetzung der Ausgabe mit Software wird. Sind noch Elemente vorhanden, die im Zielzustand nicht enthalten sind, ist der nächste Schritt wiederum eine „Entfernen“-Aufgabe. Befinden sich keine überflüssigen Elemente mehr auf der Oberfläche, so wird die nächs- te Aufgaben-Kategorie – „Bewegen“ – geprüft. Hier werden all jene Elemente behandelt, die sowohl im Ausgangs- als auch im Zielzustand enthalten sind, sich jedoch auf unter- schiedlichen Positionen befinden. Zur Anzeige dieser Art von Aufgaben wird ein Vektor berechnet, der auf den Ausgabekanälen angezeigt wird und von der aktuellen Position des zu bewegenden Elements auf die Zielposition weißt, die zusätzlich mit einer Mar- kierung gekennzeichnet wird. Auch in dieser Kategorie wird bei jeder Änderung auf der Modellierungsoberfläche geprüft, ob die Aufgabe bereits erfüllt ist. Wurden auch alle verschobenen Elemente an die korrekte Position bewegt, wird die Prüfung der letzten Kategorie von Aufgaben – „Hinzufügen“ – durchgeführt. Hier wer- den Aufgaben für all jene Elemente definiert, die im Zielzustand enthalten sind, im Aus- gangszustand aber fehlen. Die Zielposition des hinzuzufügenden Tokens wird auf den Ausgabekanälen mittels einer Markierung und der Benennung des Elements angezeigt. Sind auch die Aufgaben dieser Kategorie abgeschlossen, werden die Verbinder des Zielzu- standes eingeblendet (indem die gespeicherten Connector-Objekte der Zeichenoberfläch einfach hinzugefügt werden) und das System wieder in den Modellierungs-Modus ver- setzt. Implementierungstechnisch ist hier noch auf die Entkopplung zwischen Identifikation des nächsten Schrittes und der Prüfung dessen Durchführung mittels Objekten der Klas- se Task hinzuweisen. Dies ist notwendig, weil Wiederherstellungsaufgaben über mehrere Ereignisse auf der Modellierungsoberfläche (also das Verschieben, Hinzufügen oder Weg- nehmen von Elementen) aktuell bleiben können und so der die Erfüllung der Aufgabe unabhängig von deren Erstellung geprüft werden muss. Dies hat mehrere Implikationen für die Implementierung. Zum einen bringt die Klasse Task eine eigene Methode zur Prüfung der Erfüllung der in ihr gekapselten Aufgabe mit – Objekte von Task kennen also die Kriterien ihrer Erfüllung und können diese auch überprüfen. Zum anderen ist es nicht sinnvoll bzw. in machen Fällen nicht möglich, die durchzuführenden Aufgaben bei der Aktivierung des Wiederherstellungsmodus vorzuberechnen. Durch den Ablauf der Wiederherstellung kann der Ausgangszustand auch außerhalb der durch die Aufgaben vorgegebenen Modi- fikation verändert werden. Dadurch können vorberechnete Aufgaben obsolet bzw. falsch sein und können deshalb nicht sinnvoll zur Rekonstruktion eingesetzt werden. Tatsäch- lich wird nach jeder abgeschlossenen Aufgabe der nächste Schritt so bestimmt, als wäre der Wiederherstellungsmodus eben aktiviert worden. Der aktuelle Zustand auf der Mo- dellierungsoberfläche wird als Ausgangspunkt herangezogen und wie ober beschrieben mit dem Zielzustand verglichen. So ist es auch möglich, dass auf eine Aufgabe der zweiten Kategorie (”Verschieben”) wieder ein Aufgabe der ersten Kategorie (”Entfernen”) folgt, falls das Modell im vorhergehenden Schritt entsprechend verändert wurde (also etwa ein 268 8.5. Zusammenfassung nicht benötigtes Element hinzugefügt wurde. Erst wenn in allen drei Kategorien keine Differenzen zwischen aktuellem Zustand und Zielzustand mehr festgestellt werden, ist die Wiederherstellungsunterstützung abgeschlossen. 8.5. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden alle Aspekte dargestellt, die in Zusammenhang mit der Aus- gabe von Information durch das hier entwickelte Werkzeug stehen. Die Struktur des Kapitels wurde dabei analog zu jener des vorhergehenden Kapitels erstellt um eine kon- sistente Darstellung der technischen Aspekte des Systems zu gewährleisten. Im ersten Teil wurde auf Basis der in Kapitel 5 definierten Anforderungen abgeleitet, welche Ar- ten von Information den Benutzern zur Unterstützung der Modellierung zur Verfügung gestellt werden müssen. Die dort identifizierten Aspekte bilden die Grundlage der Tech- nologieentscheidung und der konkreten Umsetzung des Systems. Im zweiten Abschnitt wurden die technologischen Grundlagen der Informationsausga- be behandelt. Nach der Identifikation der Kohärenz von Ein- und Ausgabekanälen als wesentliches Designkriterium bei Tangible User Interfaces wurden unterschiedliche tech- nische Lösungen für kohärente und nicht kohärente Informationsausgabe beschrieben. Die Klassifikation der Ansätze erfolgt dabei auf Basis der von (Fishkin, 2004) vorgeschla- genen Taxonomie. Auf Basis der bereits vorhandenen technologischen Einschränkungen durch die Technologie-Entscheidung in Kapitel 7 wurde in der Folge für jede auszu- gebende Informationsart eine Zuordnung zu kohärenten oder nicht-kohärenten Ausga- beformen getroffen. Daraus resultiert die Entscheidung, mehr als einen Ausgabekanal zu verwenden, da eine durchgängig kohärente Ausgabe nicht möglich ist. Für die Um- setzung der Ausgabekanäle, die auf visuellem Weg realisiert werden, wurden geeignete Software-Frameworks beschrieben und einander gegenübergestellt. Auf Basis der fest- gelegten funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen kommen die Frameworks JHotDraw (Gamma und Eggenschwiler, 1996) und GEF (Moore et al., 2004) in Frage, von denen für die Erstellung des Prototypen JHotDraw als das System mit der fokus- sierteren Funktionalität und geringerem Einarbeitungsaufwand ausgewählt wurde. Im Rahmen einer Diplomarbeit (Feiner, 2008) wurde jedoch daneben ein auf GEF basieren- der Ausgabekanal implementiert. Der dritte Abschnitt widmet sich auf Basis der auszugebenden Information und der zuvor getroffenen Technologieentscheidung der konzeptuellen Architektur der Ausgabe- kanäle. Hier wurde festgelegt, welche Information in welcher Form auf welchem Ausga- bekanal dargestellt wird. Dabei wurde zur besseren Strukturierung in Ausgaben unter- schieden, die dem Modell selbst zuzuordnen sind und in solche, die der Unterstützung der Modellbildung dienen. 269 8.5. Zusammenfassung Die Beschreibung der konkreten Umsetzung der Ausgabekanäle ist Gegenstand des vierten Abschnitts. Anhand eines Klassendiagramms der konkreten Umsetzung wurden die Zusammenhänge zwischen den Implementierungen der Ausgabekanäle gezeigt, die so ausgelegt sind, dass Änderungen mit minimalem Aufwand an nur einer Stelle für beide Ausgabekanäle durchgeführt werden können. Außerdem wurde beschrieben, wie die An- bindung entfernter Ausgabekanäle realisiert wurde. Für jede Art von auszugebender In- formation (Modellzustand, Modellierungshistorie und Wiederherstellungsunterstützung) ist außerdem angeführt, welche Abläufe innerhalb des Systems letztendlich zur Ausgabe der korrekten Visualisierung führt. 8.5.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung In diesem Kapitel wird die konkrete Umsetzung des Werkzeugs behandelt. Hinsichtlich der globalen Zielsetzung tragen die hier dargestellten Inhalte also zur Beantwortung der Fragestellung 4 bei. 8.5.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse Mit der Beschreibung der Softwarekomponenten, die für die Ausgabe der Information sorgen, ist die eigentliche Benutzungsschnittstelle vollständig definiert. Auf Basis dieses und des vorhergehenden Kapitels wird in Kapitel 10 das System in die in Kapitel 6 beschriebenen Erklärungs- und Strukturierungsansätze für Tangible Interfaces eingeord- net. Ein weiterer Aspekt der Implementierung, der in dieser Arbeit zu berücksichtigen ist, ist die Persistierung der Modell-Information in einer Form, die eine vollständige Ab- bildung der Semantik der Modelle und eine Weiterverarbeitung durch externe System erlaubt. Dieser Aspekt ist Gegenstand des folgenden Kapitels. 270 9. Persistierung In den beiden vorangegangen Kapiteln wurde die Umsetzung der Benutzungsschnittstel- le des Werkzeugs beschrieben. Neben der Unterstützung des Modellierungsvorgangs ist aber auch die Speicherung der erstellten Modelle zum Zwecke der Weiterverarbeitung ei- ne Anforderung an das Werkzeug. Dieser Themenbereich ist der Betrachtungsgegenstand in diesem Kapitel. Abbildung 9.1 stellt dieses Kapitel und dessen Aufbau im Kontext der anderen inhaltlich vor- und nachgelagerten Kapitel dar. Abbildung 9.1.: Kapitel „Persistierung“ im Gesamtzusammenhang Auf die Persistierung wirken vor allem zwei der in Kapitel 5 identifzierten Anforde- rungen ein. Zum Ersten ist die Nachvollziehbarkeit des Modellierungsvorganges sicher- zustellen – dies gilt nicht nur während des Vorgangs selbst, sondern auch danach. Dem- entsprechend ist sämtliche Information zu persistieren, die zur Wiederherstellung nicht nur des Modells selbst, sondern auch der gesamten Modellierungshistorie notwendig ist. Zum Zweiten hat die Forderung nach semantischer Offenheit bei der Modellierung auch unmittelbare Auswirkungen auf die Persistierung. Neben dem Modell selbst muss auf- 271 9.1. Topic Maps grund dieser Anforderung auch die Bedeutung der verwendeten Modellierungselemente miterfasst und persistiert werden, so dass diese bei der Weiterverarbeitung der Modelle verwendet werden kann. Die Frage nach einem für diese Anforderungen geeigneten Datenformat kann nicht ausschließlich auf Ebene der syntaktischen Strukturierung der Daten behandelt werden. Vielmehr ist es notwendig, Datenformate zu identifizieren, die explizit eine Flexibilisie- rung und dynamische Festlegung der Semantik der Repräsentation erlauben. Konkret bedeutet dies, dass hier nicht vorrangig die Codierung der Daten (z.B. in einer rela- tionalen Datenbank, in XML1 oder anderen, proprietären Datenformaten) von Interes- se ist, sondern Technologien betrachtet werden müssen, die konzeptuell einen Umgang mit semantisch angereicherten Daten erlauben. Aktuell dafür verfügbare Ansätze sind RDF2/OWL3 sowie ISO Topic Maps. Bei RDF/OWL steht die Angabe von semanti- schen Metadaten zu einzelnen Informationseinheiten im Zentrum, die Verknüpfung der Information ist implizit in diese Metadaten codiert. Topic Maps behandeln Informati- onseinheiten und Verknüpfungen gleichrangig und legen stärkeren Fokus auf den Ver- netzungsaspekt des gesamten Modells. Sie sind deshalb für die in dieser Arbeit erzeugte Art von Information besser geeignet und werden in der Folge für die Persisitierung her- angezogen. Eine umfassende Darstellung sowohl von RDF/OWL als auch Topic Maps sowie eine tiefergehende Beschreibung der jeweiligen Vor- und Nachteile im Kontext des hier verfolgten Verwendungszwecks ist in (Oppl, 2007a) verfügbar. In diesem Kapitel werden nun zu Beginn Topic Maps auf konzeptueller Ebene be- schrieben. Die Abbildung der Modelle und der ebenfalls zu persistierenden zusätzlichen Information in ein geeignetes Datenmodell ist Gegenstand des darauf folgenden Ab- schnitts. Schließlich wird die konkrete technische Umsetzung der Persistierung dargelegt und die dazu notwendigen Software-Infrastruktur im Detail beschrieben. 9.1. Topic Maps Topic Maps (ISO JTC1/SC34/WG3, 2008) sind wie bereits beschrieben ein Mittel zur Abbildung von semantischen Netzen. In Topic Maps können beliebige Daten strukutriert aufbereitet und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Die Art der zu repräsentieren- den Daten ist dabei irrelvant, eine Topic Map trifft keine Aussage über ein den reprä- sentierten Daten zugrundeliegendes Begriffsystem (sie ist „ontology-agnostic“ (Vatant, 2004)). Historisch stammen Topic Maps aus dem Bereich der technischen Repräsentation von Thesauri und Indizes (Pepper, 2000) (Rath, 2003). Aus diesen Bereichen motivieren 1Extensible Markup Language 2Ressource Description Framework 3Ontology Web Language 272 9.1. Topic Maps sich auch die Bausteine einer Topic Map, wenngleich deren Verwendung durch diesen Ursprung nicht eingeschränkt wird. Die grundlegenden Elemente einer Topic Map sind „Topics“, „Associations“ und „Occurrences“ (siehe Abbildung 9.2). Abbildung 9.2.: Grundlegende Elemente einer Topic Map „Topics“ stellen Begriffe dar und bilden die Knoten des semantischen Netzes. Ein To- pic kann beliebige Information darstellen, repräsentiert aber immer genau ein Phänomen der realen Welt (d.h. zu einem Topic muss es eine Entsprechung außerhalb der Topic Maps geben, die beobachtbar oder beschreibbar ist und auf die die modellierende Per- son Bezug nehmen will 4). Eine Topic Map ist damit im Sinne von Stachowiak (1973) ein diagrammatisches Modell, das einen bestimmten, für den Modellersteller relevanten Ausschnitt der Realität abbildet. „Associations“ bilden die Beziehungen zwischen Topics ab und stellen damit die Kan- ten des semantischen Netzes dar. Eine Association verknüpft Topics semantisch mitein- ander und kann frei mit Bedeutung belegt werden. Die Art der Beziehungen ist also nicht festgelegt und kann wie die Bedeutung der Topics frei gewählt werden. Topics und Associations decken historisch den Bereich der Darstellung von Thesauri ab, in denen Begriffe definiert und zueinanden in Beziehung gesetzt werden. Der zweite historische Ursprung von Topic Maps, die Indizes, werden durch das Kon- strukt der „Occurences“ abgedeckt. Occurences (“Auftreten“) sind Referenzen aus der Topic Map in die reale Welt. Sie setzen die Topics einer Topic Map in Bezug zu beliebiger 4„A subject can be anything whatsoever, regardless of whether it exists or has any other specific charac- teristics, about which anything whatsoever may be asserted by any means whatsoever. In particular, it is anything about which the creator of a topic map chooses to discourse.“ (ISO JTC1/SC34/WG3, 2008, S.8) 273 9.1. Topic Maps referenzierbarer Information (z.B. Dokumente). Im Kontext der eben genannten Indizes kann eine Topic Map als der mit Querverweisen versehene Index eines Buches verstanden werden, in dem durch die Angabe von Seitenzahlen auf den Text des Buches verwiesen wird. Diese Verweise durch Angabe der Seitenzahlen werden in diesem Zusammenhang durch Occurrences dargestellt. Die Ansammlung von durch Associations verknüpften und mit Occurrences versehe- nen Topics bilden eine Topic Map. Darüber hinaus kann in Topic Maps jedoch noch weiterführende Information repräsentiert werden (siehe Abbildung 9.3), die Gegenstand der folgenden Abschnitte sein werden. Abbildung 9.3.: Umfassende Darstellung der Elemente einer Topic Map 274 9.1. Topic Maps 9.1.1. Topics, Subjects, Topic Names und Variants Wie oben bereits beschrieben, repräsentiert ein Topic ein Phänomen der realen Welt in einer Topic Map. Dieses Phänomen der realen Welt, das durch das Topic repräsentiert wird, wird als „Subject“ bezeichnet. In einer Topic Map darf es zu einem Subject nur exakt ein Topic geben, umgekehrt kann ein Topic auch nicht mehrere Subjects reprä- sentieren, die Zuordnung zwischen Subject und Topic ist also eineindeutig (bijektiv). Im Topic wird dazu exakt ein „Subject Identifier“ registriert, der auf eine Informations- ressource verweist, die das Subject für Menschen eindeutig identifizierbar macht (diese Ressource wird als „Subject Indicator“ bezeichnet). Zusätzlich kann ein „Subject Loca- tor“ angegeben werden, der auf das tatsächlich in der realen Welt vorhandene Subject verweist. In Abgrenzung dazu kann es bei der anderen Brücke zwischen realer Welt und Topic Map, den Occurrences, für jeder Topic beliebig viele Zuordnungen geben. Eine Oc- currence referenziert auch auf die reale Welt, zeigt aber dort nicht auf das Subject selbst, sondern auf ein dieses Subject beschreibendes Objekt in der realen Welt. Beispielhaft ist dazu in Abbildung 9.4 dieser Zusammenhang anhand des Topics „Tasse“ dargestellt. Ein anderes Beispiel ist ein Topic „London“, das als Subject die reale Stadt London re- präsentiert und dem eine Occurrence zugeordnet werden könnte, die auf eine Landkarte (als in der Realität vorhandene Beschreibung der realen Stadt London) referenziert. Abbildung 9.4.: Abgrenzung zwischen Subject und Occurrence in Topic Maps 275 9.1. Topic Maps Bislang wurde vereinfacht ein Topic immer mit einem direkt zugeordneten Namen dargestellt. In einer Topic Map besitzt ein Topic jedoch keinen eindeutigen Namen. Es wird vielmehr durch seinen Subject Identifier eindeutig gekennzeichnet. Dieser ist jedoch nicht unbedingt für Menschen les- und/oder interpretierbar – der Subject Identifier hat das Ziel, ein Subject für die Verarbeitung durch Software eindeutig zuordnenbar zu ma- chen. Für die Bezeichnung eines Topics in einer für Menschen interpretierbaren Form ist die Verwendung von „Topic Names“ vorgesehen (siehe Abbildung 9.5). Topic Names werden immer textuell angegeben und beschreiben das Subject, das durch das betref- fende Topic referenziert wird. Durch einen Topic Name soll das Subject für Menschen erkennbar sein, wobei die Zuordnung nicht notwendigerweise eindeutig sein muss (Bei- spiel: der Topic Name „Jaguar“ kann ein Fahrzeug oder eine Großkatze bezeichnen und ist dementsprechend ein zulässiger Name für zwei unterschiedliche Topics). Einem Topic können beliebig viele Topic Names zugewiesen werden – es ist so zum Beispiel möglich, eine Topic Map zu realisieren, in der zu jedem Topic Synonyme als eigene Topic Names angegeben werden. Abbildung 9.5.: Benennung von Topics Als weitere Detaillierungsstufe können zu jedem Topic Name „Variants“ angegeben werden. Wie durch den Namen angedeutet, handelt es sich dabei um Varianten eines Topic Names, die in bestimmten Zusammenhängen oder für gewisse Anwendungszwecke besser geeignet sein können als der eigentlich Topic Name. Ein Beispiel für eine mögli- che Variante ist die Angabe einer gesprochenen Version des Topic Names. Ein weiteres Anwendungsgebiet für Varianten ist die im Standard explizit vorgesehene Angabe eines „Sort Name“ (ISO JTC1/SC34/WG3, 2008, S. 18), der es erlauben soll, Topic Maps in eine durch diesen Namen vorgegebene Ordnung bringen zu können. Varianten wer- den durch die Angabe eines dezidiert dafür gewidmeten Topics in deren Scope (siehe Abschnitt 9.1.5) als Sort Names gekennzeichnet. 276 9.1. Topic Maps 9.1.2. Associations und Roles „Associations“ stellen Verbindungen zwischen den einzelnen Topics einer Topic Map her. Associations haben beliebig viele Endpunkte, mindestens jedoch einen (sind also nicht von vorneherein immer binär sondern können auch unär sein oder mehr als zwei Topics verknüpfen). Eine Association enthält wie ein Topic nicht unmittelbar einen für Men- schen lesbaren Namen. Diese wird durch ein Topic festgelegt, das die Kategorie festlegt, der die Association zuzuordnen sind (siehe Abschnitt 9.1.4). Diesem Topic kann wieder- um mindestens ein Topic Name zugeordnet werden, welcher letzendlich die Benennung der Association festlegt. Associations werden jedoch nicht direkt mit Topics verknüpft. Um ausdrucksstärkere Verknüpfungen realisieren zu können, agieren „Roles“ als Verknüpfung zwischen Asso- ciations und den betreffenden Topics. Roles legen die „Rolle“ – also die Bedeutung – eines Topics in exakt der betrachteten Association fest. Diese Bedeutung kann generisch sein und zum Beispiel dazu verwendet werden, die per se ungerichteten Associations un- abhängig von ihrer konkreten Bedeutung mit einer Richtung zu versehen (zum Beispiel durch die Zuordnung von Roles „Anfang“ und „Ende“) aber auch um die Beziehung semantisch anzureichern (zum Beispiel durch die Zuordnung von Roles „Veranwortli- cher“, „Ausführender“ und „Prozessschritt“ in einer Association „durchzuführen“). Die Anzahl der in einer Association referenzierten Roles gibt damit auch die Kardinalität der Association (also die Anzahl ihrer Endpunkte) an. Aus den konkreten Roles wird dann auf die Topics verwiesen, die diese Roles einnehmen bzw. „spielen“ (tatsächlich heißt die betreffende Eigenschaft einer Role „player“). Wie Associations werden Roles nicht direkt benannt, sondern über ein Topic, das ihre Kategorie bestimmt, mit einer Benennung versehen (Details dazu sind wiederum in Abschnitt 9.1.4 angeführt). 9.1.3. Occurrences und Datatypes Wie zu Beginn dieses Abschnitts bereits beschrieben und in den Erläuterungen zur The- matik der Subjects (siehe Abschnitt 9.1.1) angedeutet, bilden „Occurrences“ die Brücke aus der Topic Map in die reale Welt, indem sie auf Ressourcen referenzieren, die in einem beliebigen Zusammenhang mit den jeweiligen Topics stehen. Ein Topic kann beliebig vie- le Occurrences haben. Anders als bei Associations existieren für Occurrences keine Roles (was auch nur bedingt sinnvoll wäre, da jede Occurrence nur zu exakt einem Topic gehö- ren kann). Die Bedeutung der Occurrence für das Topic kann wie bei Associations über die Kategorie der Occurrence festgelegt werden, die wiederum durch ein separates Topic repräsentiert wird (siehe dazu auch Abschnitt 9.1.4). Beispielsweise kann eine Occur- rence zur Kategorie „Karte“ gehören und so angeben, dass die derart gekennzeichnete Occurrence zum Topic „London“ auf eine Karte des Stadtgebiets verweist. Zusätzlich zu der Kategorie wird in einer Occurrence auch der Datentyp der Informa- tion angegeben, in dem die referenzierte Information vorliegt. Dabei können beliebige 277 9.1. Topic Maps URIs56) verwendet werden. Da URIs beliebigen Inhalt haben können, wäre es in obi- gen Beispiel möglich, durch den Datentyp einer Occurrence festzulegen, ob es sich bei der Karte um eine Rastergrafik oder eine Vektorgrafik handelt und so Information über deren möglich Einsatzgebiete einzubetten. 9.1.4. Metamodellierung in Topic Maps Wie oben bereits mehrmals angedeutet, kann in einer Topic Map neben den eigentlichen zu repräsentierenden Informationen (Topics, Associations, Roles und Occurrences) auch Information über die Topic Map selbst eingebettet werden (neben dem Model kann also auch das Meta-Modell abgebildet werden). Die Information umfasst Angaben über die in der jeweiligen Topic Map existierenen Kategorien von Topics, Topic Names, Associa- tions, Roles und Occurrences. Hinsichtlich der Repräsentation dieser Information sind zwei Ansätze zu unterscheiden, von denen der erste bei Kategorieangaben von Topics zum Einsatz kommt, der andere bei Kategorieangaben jeder anderen Art von Infor- mation. Allen Kategorien ist gemein, dass sie selbst wiederum als Topics repräsentiert werden und auch als solche verwendet werden können. Es ist also möglich, zu einem Topic, das als Kategorie verwendet wird, selbst wiederum eine Kategorie anzugeben, wodurch die Einführung beliebig vieler Meta-Ebenen möglich ist. Außerdem können als Kategorien verwendete Topics ebenfalls wieder mit Associations verknüpft und mit Oc- currences versehen werden. Hinsichtlich der Nomenklatur ist noch darauf hinzuweisen, dass Kategorien im Allgemeinen als „Types“ bezeichnet werden, man also von „Topic Types“, „Topic Name Types“, „Association Types“, „Role Types“ und „Occurrence Ty- pes“ spricht. Topic Types Topic Types werden in einer Topic Map durch ein spezielle, im Standard festgelegte Association definiert. Soll einem Topic ein Type zugewiesen werden, muss eine Associa- tion der Kategorie „type-instance“ eingefügt werden, bei der das Topic selbst die Role „instance“ einnimmt und dem Topic, das die Kategorie repräsentiert, die Role „type“ zugewiesen wird. Diese Beziehung entspricht einer Konkretisierung einer (abstrakten) Kategorie oder Klasse von Topics auf eine bestimmte Instanz, die die Merkmale dieser Klasse trägt. In Abbildung 9.6 besteht eine type-instance-Beziehung (dort als „instance- of“ bezeichnet) zwischen der Kategorie „VW Golf“ und der konkreten Instanz „SR-174 AU“ (also einem Topic, bei dem das amtliche Kennzeichen als Topic Name verwendet wurde). „VW Golf“ fungiert hier also als Topic Type, wobei es selbst ein Topic ist, das sich durch nichts als die eingenommene „type“-Rolle von einem anderen Topic unter- scheidet und dementsprechend behandelt werden kann. 5Uniform Resource Identifiers 6wie in RFC 3986 definiert und unter http://www.ietf.org/rfc/rfc3986.txt abzurufen 278 9.1. Topic Maps Einem Topic können beliebig viele Topic Types zugewiesen werden, indem es in mehr als einer Association die Role „instance“ einnimmt. Es wird so als mehreren Kategorien zugehörig gekennzeichnet. Umgekehrt kann ein Topic Type mehr als einem Topic zuge- wiesen werden, indem das betreffende den Topic Type repräsentierende Topic die Role „type“ mehrfach einnimmt. Abbildung 9.6.: Beziehungen in der Metamodellbildung in Topic Maps Auch ist es möglich, Hierarchien von Types zu bilden, indem einem Topic, das als Topic Type fungiert, selbst wieder ein Topic Type zugewiesen wird. Diese Möglichkeit ist jedoch mit Vorsicht zu gebrauchen, da zur Abbildung der Struktur einer Domäne ein seman- tisch ähnliches, bei näherer Betrachtung aber eine unterschiedliche Bedeutung tragendes Konstrukt zum Einsatz kommt. Grundsätzlich muss unterschieden werden, ob ein Topic eine konkrete Instanz eines anderen ist oder lediglich eine Spezialisierung darstellt. Im ersteren Fall kommt eine „type-instance“ zum Einsatz, das übergeordnete Topic befindet sich semantisch auf einer anderen, abstrakteren Ebene und stellt eine Kategorie (also einen Topic Type) dar. Im Falle einer Spezialisierung kommt eine „supertype-subtype“- Association zum Einsatz, deren Rollen „supertype“ vom übergeordneten, allgemeineren bzw. „subtype“ vom untergeordneten, spezielleren Topic eingenommen wird. Hier befin- den sich beide Topics semantisch auf einer Ebene, keines ist abstrakter als das andere. Der Unterschied liegt vielmehr in der mehr oder weniger konkreten Festlegung der durch die Topics repräsentierten Subjects. So ist – wie in Abbildung 9.6 dargestellt – das To- pic „VW Golf“ ein Subtype des Topics „Automobil“ welches wiederum ein Subtype des Topics „Fahrzeug“ ist. Hier ist erkennbar, dass „Automobil“ insofern eine Spezialisie- rung von „Fahrzeug“ ist, als dass es im Allgemeinen motorisiert ist und vier Räder besitzt. „VW Golf“ ist wiederum eine Spezialisierung von Fahrzeug, die hinsichtlich der Form der Karosserie, der Anzahl der Türen und anderen Merkmalen mehr spezialisiert. Zwischen keinem der Topics findet jedoch eine Konkretisierung in dem Sinne statt, als dass auf der untergeordneten Seite von einem konkreten, real existierenden Fahrzeug die Rede wäre – dazu ist die „type-instance“-Beziehung zu verwenden. Die „subtype- supertype“-Beziehung ist transitiv, d.h. dass ein „VW Golf“ nicht nur ein „Automobil“ 279 9.1. Topic Maps ist, sondern auch ein „Fahrzeug“. Für „type-instance“-Beziehungen ist diese Eigenschaft nicht gegeben. Andere Types Bei allen anderen Types (konkret also Topic Name Types, Association Types, Role Ty- pes und Occurrence Types) wird die Kategorie nicht durch eine separate Association abgebildet, sondern durch eine im jeweiligen Informationselement enthaltene Referenz auf ein Topic, das als Type fungiert. Die Darstellung der Kategorie-Information ist damit nicht so explizit wie bei Topic Types, wo sich direkt in der Repräsentation der eigentli- chen Nutzinformation niederschlägt. Auch semantisch sind die hier behandelten Types gegenüber Topic Types insofern eingeschränkt, als dass jedem Element exakt ein Type zugeordnet sein muss (der Type kann also nicht leer sein, auch können nicht mehrere Types zugeordnet werden). Wie oben bereits erwähnt, sind Topic Types hier flexibler, einem Topic können beliebig viele oder auch keine Topic Types zugeordnet werden. Dies ist aber nur vordergründig eine Einschränkung. Topics dürfen wie oben beschrieben für jedes Subjekt nur einmal existieren. Hat aber ein Subject und damit ein Topic in un- terschiedlichen Domänen unterschiedliche Bedeutungen, muss dies über mehrere Topic Types (in Verbindung mit Scopes, siehe Abschnitt 9.1.5) abgebildet werden. Alle anderen Informationskategorien in der Topic Map unterliegen nicht dieser Eineindeutigkeitsre- gel und können bzw. müssen, sollten sie unterschiedlichen Kategorien zuzuordnen sein, auch mehrfach vorhanden sein. Eine Assoziation, die einen anderen Namen trägt (also einer anderen Kategorie angehört) ist beispielsweise nicht identisch mit der ursprüngli- chen Assoziation, deren Name ebenfalls bereits durch die Zuordnung zu einer Kategorie festgelegt wurde. Modellieren von Einschränkungen Der Topic Map Standard erlaubt zwar die Angabe von Metamodellelementen (Types), ermöglicht es aber nicht, Regeln anzugeben, anhand derer der semantisch korrekte Auf- bau einer Topic Map geprüft werden. Es ist beispielsweise möglich, einen Association- Type „hat Mitglieder“ zu definieren, der mittels den Roles „Organisationseinheit“ und „Mitarbeiter“ die Zuordnung von Mitarbeitern zu den Organisationseinheiten eines Un- ternehmens zuzuordnen. Es ist jedoch in der Topic Map nicht möglich zu spezifizieren, dass beispielsweise mindestens drei Mitarbeiter zugeordnet werden müssen oder dass es in dieser Beziehung nur eine Organisationseinheit geben darf. Weiters kann nicht spe- zifiziert werden, durch Topics welchen Types die jeweiligen Roles eingenommen werden dürfen – beispielsweise ist eine Zuordnung von Produktionsmitteln in der Role „Mitar- beiter“ zulässig bzw. kann sie nicht als unzulässig gekennzeichnet werden. Ist eine derartige semantische Einschränkung bei der Topic Map Erstellung und die Einführung verbindlicher Strukturvorgaben notwendig, so muss dies außerhalb der To- 280 9.1. Topic Maps pic Map oder durch externe Interpretation spezifischer Topic Map Elemente geschehen. In ersterem Fall kann die noch nicht in finalem Zustand vorliegende TMCL (Topic Map Constraint Language, (ISO JTC1/SC34, 2008)), eine Regelsprache zur Einschrän- kung der Repräsentationsmöglichkeiten in einer Topic Map, verwendet werden (vgl. dazu Mayrhauser (2010)). Im zweiten Fall können die Metamodell-Elemente (also alle Topics, die als Types verwendet werden) durch zusätzliche Associations verknüpft werden, die semantisch so interpretiert werden, dass sie eine zulässige Kombination von Topics der jeweiligen Kategorie anzeigen (vgl. dazu (Oppl, 2007a) und (Neubauer, 2008)). 9.1.5. Statements und Scopes Topic Maps bieten die Möglichkeit, Gültigkeitsbereiche für die in ihnen abgebildeten In- formationen zu spezifizieren. Ein Gültigkeitsbereich definiert, in welchem Kontext eine Information gültig ist. Außerhalb dieses Kontextes kann über die Gültigkeit keine Aus- sage getroffen werden. Der Gültigkeitsbereich wird als „Scope“ bezeichnet. Ein Scope kann für jedes „Statement“ in der Topic Map gesetzt werden. Statements sind alle „Aus- sagen“ über Topics, die in der Topic Map abgebildet werden, nicht aber Topics selbst. Als Statement werden Topic Names, Associations und Occurrences betrachtet. Roles und Variants besitzen keinen Scope, da sie keine direkte Aussage über Topics treffen, sondern nur im Zusammenhang mit Associations bzw. Topic Names existieren, deren Scope sich quasi auf sie vererbt. Ein Scope für ein Statement wird durch die Angabe eines oder mehrerer Topics festge- legt. Wird kein Topic angegeben, so gilt der „unconstrainted scope“, das Statement ist unbeschränkt gültig. Topics zur Abbildung von Scopes können explizit angelegt werden (z.B. Topics „Deutsch“ und „Englisch“, die Sprach-Scopes ermöglichen, Topics „Zoolo- gie“ und „Sozialverhalten“ zur Domänenabgrenzung – siehe Abbildung 9.7), es ist jedoch grundsätzlich auch möglich, die Gesamtheit der Topics einer Domäne zur Definition ei- nes betreffenden Scopes heranzuziehen (also alle in der Topic Map vorhandenen Topics, die Tiere repräsentieren, als Scope zu verwenden, um den Gültigkeitsbereich „Zoolo- gie“ abzubilden). Obwohl der Topic Map Standard hier explizit offen bleibt, ist jedoch erstere Variante wegen der einfacheren Verwaltbarkeit aber auch der semantischen Voll- ständigkeit wegen besser geeignet (das Konzept „Zoologie“ käme ansonsten z.B. nicht notwendigerweise vor, sondern ist nur implizit vorhanden, was eine Auswertung schwierig macht). Wird mehr als ein Topic angegeben, so bilden alle Topics gemeinsam den Kontext, indem das Statement gültig ist. Bei der Auswertung des Gültigkeitsbereichs müssen also alle angegebenen Topics relevant sein, damit ein Statement gültig ist. Ein Statement dessen Scope die Topics „Zoologie“ und „Deutsch“ enthält, ist also nur gültig, wenn beide Topics zutreffen (also z.B. zur Filterung ausgewählt wurden). Die gültigen State- ments sind also die Schnittmenge jener der Statements, die im Scope „Zoologie“ und im 281 9.1. Topic Maps Abbildung 9.7.: Abbildung von Gültigkeitsbereichen durch Scopes Scope „Deutsch“ gültig sind (siehe Abbildung 9.7). Die Angabe eines Scopes zu einem Statement, das in beiden Scopes (unabhängig voneinander gesehen) gültig sein soll, ist nicht direkt möglich. In diesem Fall muss das Statement zweimal jeweils unter Angabe eines der beiden Scopes eingefügt werden. Für Topics selbst kann kein Scope angegeben werden. Das ist hinsichtlich des Topic Maps zugrunde liegenden Konzepts auch nicht sinnvoll, da Topics immer ein Phänomen der realen Welt, das Subject, repräsentieren, das selbst immer vorhanden ist und dessen Gültigkeit bzw. Existenz nicht von anderen Rahmenbedingungen, wie anderen Subjects, abhängt. Dementsprechend existiert ein Topic immer, lediglich seine Bezeichnung, die Beziehungen zu anderen Topics oder seine Occurrences können abhängig vom einem Scope unterschiedlich sein. 9.1.6. Reification Wie bereits zu Beginn angeführt, können in einer Topic Map beliebige Inhalte abgebildet werden, jegliche Phänomene der realen Welt können durch Topics repräsentiert werden. Konsequenterweise können nun auch Elemente der Topic Map selbst oder sogar die Topic Map an sich durch ein Topic dargestellt werden. Eine derartige selbstbezügliche Abbil- dung wird als „Reification“ bezeichnet. Der Ausgangspunkt für eine Reification kann ein Statement sein oder eine Topic Map selbst. Topics können nicht verwendet werden, da ein sie repräsentierendes Topic semantisch äquivalent mit dem Ausgangspunkt wäre und damit zwei Topics vorhanden wären, die das gleiche Subject referenzieren. Nach- 282 9.2. Abbildung von Modellen auf Topic Maps dem die Abbildung zwischen Subject und Topic eineindeutig sein muss, ist ein derartiges Konstrukt nicht erlaubt. In Abgrenzung zur Types (Association Types, Occurrence Types, . . . ) repräsentiert ein reifizierendes Topic nicht die Kategorie eines Elements, sondern das konkrete Element selbst. Es ist so möglich, einem konkreten Element wie einer Association zusätzliche Information hinzuzufügen (etwa eine Occurrence) oder auch eine bestehende Topic Map als Ganzes zu kapseln und durch das sie reifizierende Topic Bezug zu nehmen. 9.1.7. Merging Unter „Merging“ versteht man die Vereinigung zweier voneinander getrennter Topic Maps zu einer gemeinsamen Map. Dabei ist vor allem die Eineindeutigkeitsregel zu be- achten, für ein Subject darf also in der resultierenden Topic Map nur ein Topic existieren. Strukturell nicht kritisch, jedoch die Verwendbarkeit einschränkend, sind mehrfach auf- tretende semantisch identische Statements. Soweit möglich, sollten auch diese Duplikate im Merging-Prozess entfernt werden. Der Topic Map Standard definiert für jede Art von Element Regeln, anhand der festge- stellt werden kann, ob zwei Elemente dieser Art identisch sind oder nicht. Ausgangspunkt sind immer die Topics, wobei beim Vergleich ausschließlich vom abgebildeten Subject ausgegangen werden muss. Sind die Subjects identisch, sind im Wesentlichen auch die beiden Topics identisch und können durch ein gemeinsames Topic ersetzt werden. Auf Basis der vereinigten Topic Menge werden nun die enthaltenen Statements verglichen. Damit Statements als identisch erkannt werden, müssen nicht nur ihr eigentlicher Inhalt, sondern auch ihre Kategorie (Type), ihr Gültigkeitsbereich (Scope) und das/die ihnen zugeordnete(n) anderen Element(e) identisch sein. Eine Role ist also nur dann mit ei- ner anderen Role identisch, wenn ihr Type, ihr Scope, die Association, der sie angehört und das referenzierte Topic identisch ist. Daraus folgt, dass in der Merging-Reihenfolge zuerst die Topics, dann die eigenständigen Statements wie Topic Names, Associations und Occurrences und letztendlich die abhängigen Statements wie Roles und Variants behandelt werden müssen. 9.2. Abbildung von Modellen auf Topic Maps Diagrammatische Modelle (siehe etwa Oppl und Stary, 2005) können direkt ohne zusätz- liche Transformationen auf Topic Maps abgebildet werden. Derartige Modelle bestehen aus Knoten und Kanten, die Verwendung dieser im konkreten Anwendungskontext ist durch die Modellierungssprache festgelegt. In den folgenden Abschnitten wird nun be- schrieben, wie die einzelnen Aspekte eines diagrammatischen Modells auf eine Topic Map abgebildet werden können. 283 9.2. Abbildung von Modellen auf Topic Maps 9.2.1. Grundlegende Abbildung Ein Ansatz, um diagrammatische Modelle auf Topic Maps abzubilden, ist, die Knoten auf Topics, die Kanten auf Associations abzubilden (siehe Abbildung 9.8, Variante 1). Ist in den Kanten mehr Information als die bloße Anzeige der Verbindung von zwei Knoten abgebildet (wie z.B. in UML7 State Charts (Rumbaugh et al., 2004), bei denen die zu einem Zustandsübergang führenden Ereignisse inkl. Bedingungen und ablaufende Aktionen in den Kanten repräsentiert werden), so kann es sinnvoll sein, auch die Kanten auf Topics abzubilden, da diesen auf dem Wege der Occurrences zusätzliche Informati- on zugewiesen werden kann (siehe Abbildung 9.8, Variante 2). Associations können in diesem Fall verwendet werden, um die Knoten und Kanten des Modells zu verbinden, spielen also in der Repräsentation der Information nur noch ein untergeordnete Rolle. Ein Weg, die direkte Abbildung beizubehalten (indem Knoten auf Topics und Kanten auf Associations abgebildet werden) ist, zur Repräsentation der zusätzlich in den Kan- ten liegenden Information die Möglichkeit der Reification zu nutzen, den Associations also Topics zuzuweisen, die genutzt werden können, um diese zusätzliche Information zu verwalten (siehe Abbildung 9.8, Variante 3). Abbildung 9.8.: Abbildung von Modellinformation in Topic Maps Die Bedeutung der Knoten des abzubildenden Modells im Kontext einer bestimmten Kante muss in den direkt abbildenden Varianten (in denen Kanten auf Associations 7Unified Modelling Language 284 9.2. Abbildung von Modellen auf Topic Maps abgebildet werden) durch Roles dargestellt werden. In der indirekten Abbildung (bei der Kanten auf Topics abgebildet werden) kann diese Information auch in den Associa- tions repräsentiert werden, die die Topics, die Knoten darstellen und jene, die Kanten darstellen, miteinander verbinden. 9.2.2. Abbildung des Metamodells Da Topic Maps von vorneherein nicht auf eine bestimmte semantische Bedeutung der Topics und Associations festgelegt sind, muss auch das Meta-Model der abgebildeten Modellierungssprache mit eingebettet werden. Dies wird in Topic Maps durch die Ein- bindung von Types ermöglicht. In den nun folgenden Ausführungen wird nur noch auf die direkt abbildende Variante Bezug genommen, da deren Ausdrucksstärke durch die Mög- lichkeit zur Reification gegenüber dem indirekt abbildenden Ansatz nicht eingeschränkt ist und die unmittelbare Abbildung zu insgesamt kleineren, einfacher zu verwaltenden Topic Maps führt (für eine Kante wird nur eine Association benötigt, im Gegensatz dazu benötigt der alternative Ansatz ein Topic und mindestens zwei Associations zu Abbildung einer Kante). Die in der Modellierungssprache festgelegten Arten von Knotentypen (also den eigent- lichen Modellierungselementen) werden auf Topic Types abgebildet. Durch die Referen- zierung eines einen Knoten repräsentierenden Topics auf diesen Topic Type wird die Bedeutung zugewiesen. Ebenso wird mit Kanten verfahren. Durch die Einführung von Topics, die als Associa- tion Types und Role Types fungieren, kann die Bedeutung einer Kante im abzubildenden Modell definiert werden. Dazu wird ein Association Type festgelegt, der die eigentliche Bedeutung der Kante festlegt, die zugehörigen Role Types definieren, wie viele End- punkte existieren und welche Bedeutung diese haben. Für eine konkrete Kante wird dann eine Association und eine der Anzahl der Endpunkte entsprechende Nummer an Roles erstellt, denen der jeweilige Association bzw. Role Type zugewiesen wird. Die Verwendung von Occurrences und dementsprechend die Erstellung von Occurrence Types ist zur reinen Abbildung von diagrammatischen Modellen nicht notwendig. Die Verwendung von Occurrences kann aber sinnvoll sein, wenn aus dem ursprünglichen Modell ebenfalls Ressourcen referenziert werden, die für die weitere Verarbeitung des Modells notwendig sind. Occurrences werden dann im Sinne der Topic Map zur Referen- zierung dieser Ressourcen verwendet, wobei sich die zu verwendenden Occurrence Types an der Bedeutung der Ressourcen im abzubildenden Modell orientieren. Wie in Abschnitt 9.1.4 bereits beschrieben, bietet die Topic Map selbst keine Mög- lichkeit, eine explizite Zuordnung zwischen Topic Types, Association Types und Role Types zu definieren, so dass ein in einer Topic Map repräsentiertes Modell auf semanti- sche Korrektheit hin überprüft werden könnte. Die einzige ohne zusätzliche Information 285 9.2. Abbildung von Modellen auf Topic Maps überprüfbaren Bedingungen ist die Prüfung, ob alle Knoten und Kanten (also Topics, Associations und Roles) einer Kategorie (also einem Type) zugewiesen wurden. Es muss also zusätzlich eine externe Möglichkeit geschaffen werden, semantische Korrektheits- Bedingungen zu formulieren und zu überprüfen. Dies umfasst im Einzelnen: 1. Zulässige Kategorien von Knoten (Topic Types) 2. Zulässige Kategorien von Kanten (Association Types, Role Types und eine Zu- ordnung zwischen diesen, die eine Aussage über die Anzahl und Bedeutung der Endpunkte der Kante zulässt) 3. Zulässige Verbindungen zwischen Knoten und Kanten (Zuordnung zwischen End- punkten einer Kantenkategorie und den Knotenkategorien, die diese Endpunkte belegen dürfen – also eine Zuordnung zwischen Role Types und Topic Types) Wie bereits oben beschrieben, können derartige Bedingungen innerhalb oder außerhalb der Topic Map formuliert werden. Die Interpretation der formulierten Bedingungen und deren Anwendung auf konkrete Anwendungsfälle muss immer von außerhalb der Topic Map durchgeführt werden. In dieser Arbeit wird der Ansatz der Repräsentation der Bedingungen innerhalb der Topic Map verfolgt, um durch die Übermittlung einer Topic Map nicht nur ein Modell an sich zu übertragen, sondern auch jene Information zu liefern, die zur Interpretation derselben notwendig ist. Die Formulierung der Bedingungen erfolgt auf Ebene der als Types eingesetzten Topics und vervollständigt so das in der Topic Map enthaltene Meta-Modell der Sprache, in der das zu repräsentierende Modell erstellt wurde. Die Information über zulässige Knoten und Kanten wird über die Festlegung von entsprechenden Types definiert. Für jeden Typen wird ein Topic eingeführt, das aus dem auf die Topic Map abgebildeten Modell referenziert werden kann. Alle oben notwendigen Zuordnungen zwischen diesen Types werden über Associations abgebildet, die die als Types verwendeten Topics verbinden (siehe Abbildung 9.9). Die Definition der Kantentypen erfolgt über eine Association mit mindestens drei Roles. Eine dieser Roles referenziert den Association Type, die anderen Roles verweisen auf die zu verwendenden Role Types, die zur Beschreibung der Endpunkte der Kante verwendet werden (wovon mindestens zwei vorhanden sein müssen). Die Angabe der Kardinaliät (d.h. wie oft ein bestimmter Endpunkt im konkreten Modell auftreten darf) wird durch ein die jeweilige Role reifizierendes Topic festgelegt. Ähnlich wird die Zuordnung zwischen Endpunkten und Knotenkategorien realisiert. Zwischen den entsprechenden Topic Types und Role Types werden Associations erstellt, die festlegen, ob eine bestimmte Knotenkategorie einen Endpunkt einnehmen darf oder nicht. Dazu enthält die betreffende Association mindestens zwei Roles, von denen eine auf den Role Type verweist, der den Endpunkt realisiert und eine entsprechende Anzahl von Roles, an die die zulässigen Topic Types (also Knotenkategorien) angebunden werden. 286 9.2. Abbildung von Modellen auf Topic Maps Abbildung 9.9.: Definition des Meta-Models (ohne Kardinalitäten) 287 9.2. Abbildung von Modellen auf Topic Maps Die eben beschriebenen Abbildungsvorschriften selbst werden ebenfalls in der Topic Map abgebildet. Die Topic Map enthält damit auch das Meta-Meta-Modell, das die Elemente festlegt, die zur Festlegung eines Meta-Models und deren Zusammenspiel not- wendig sind. Eine so definierte Topic Map ist also semantisch vollständig definiert und ermöglicht eine Rekonstruktion eines Modells, das in einer im Vorfeld unbekannten Spra- che modelliert wurde, sofern lediglich das Meta-Meta-Modell bekannt ist, das zur Inter- pretation der Sprachbeschreibung (Meta-Modell) notwendig ist (siehe Abbildung 9.10). 9.2.3. Abgrenzung von Submodellen In einem Modell kann es sinnvoll oder notwendig sein, unterschiedliche Modellbereiche voneinander abzugrenzen. Der Grund für die Abgrenzung kann ein inhaltlicher sein (z.B. eine Partitionierung nach Akteuren bei Aktivitätsdiagrammen (Rumbaugh et al., 2004)) oder aus dem Modellierungsvorgang heraus motiviert sein (etwa bei der Abgrenzung von Teilmodellen, die durch verschiedene Personen erstellt wurden). Außerdem ist es möglich, in einer Topic Map mehrere Modelle zu repräsentieren, die ebenfalls voneinander abgrenzt werden müssen. Für diese Abgrenzung bietet sich die Verwendung von Scopes an. Scopes haben zwar keinen Einfluss auf die vorhandenen Topics, wirken jedoch auf die Statements und – hier relevant – vor allem auf die die Topics verbindenden Associations. Werden also Scopes eingesetzt, um Teilmodelle voneinander zu unterscheiden bzw. zu trennen, so können die im Moment nicht relevanten Teilmodelle zwar nicht „ausgeblendet“ werden (im Sinne von „temporär vollkommen entfernt“), durch die Entfernung der nicht relevanten Statements sind jedoch nur noch jene Topics untereinander verbunden, die dem aktuell betrachteten Submodell angehören. Ausgehend von einer beliebigen, im Scope gültigen Association oder einem Topic, das bekannterweise dem aktuellen Teilmodell angehört, kann so der gesamte relevante Teil der Topic Map erschlossen werden. Die Realisierung der Trennung zwischen Teilmodellen durch das Ausblenden irrele- vanter Verbindungen zwischen Topics birgt einen weiteren potentiellen Vorteil. Werden in einer Topic Map mehrere untereinander zusammenhängende Modelle abgebildet, so wird – der Grundforderung einer Topic Map nach Eineindeutigkeit entsprechend – jedes Element nur einmal abgebildet, egal ob es in nur einem Modell verwendet wird oder in mehreren. Durch den Einsatz von Scopes bilden in mehreren Modellen verwendete Ele- mente automatisch eine Schnittstelle, an der zwischen den Modellen navigiert werden kann. Dieser Vorteil muss in herkömmlichen Modellierungsansätzen, die wie die UML (Rumbaugh et al., 2004) oder ARIS (Scheer, 2003) mit mehreren untereinander ver- knüpften Modellen arbeiten, technisch durch explizite Verknüpfung bzw. Referenzierung der äquivalenten Modellelemente in den unterschiedlichen Modellen erzeugt werden. 288 9.2. Abbildung von Modellen auf Topic Maps Abbildung 9.10.: Einbindung des Meta-Meta-Modells 289 9.3. Technische Umsetzung der Persistierung von Modellen Zur Kennzeichnung des Scopes muss zumindest ein Topic verwendet werden. Im Meta- Modell muss festgelegt werden, ob dazu ein Topic eines bestehenden Types verwendet wird oder ein neuer Type eingeführt werden, dessen Topics ausschließlich zum Aufspan- nen eines Scopes verwendet werden. Dazu wird im Meta-Meta-Modell ein Type „Parti- tion“ eingeführt, der für alle Elemente des Meta-Modells verwendet werden muss, deren konkrete Instanzen einen Scope im Modell kennzeichnen sollen. 9.2.4. Flexibilisierung der Abbildung Wie in Kapitel 5 beschrieben, ist das Meta-Modell von Modellen, die im vorgestellten Ansatz entstehen, nicht im vorhinein festgelegt. Die Modellierungssprache – also das Meta-Modell – wird während der Modellbildung semantisch definiert und ist damit erst zur Modellierungszeit bekannt. Das Metamodell kann außerdem während der Modellie- rung erweitert werden, es ist auch möglich, dass sich die Bedeutung bereits existierender Meta-Modell-Elemente ändert. Für die Persistierung bedeutet dies, dass das Meta-Modell nicht im Vorhinein, sondern erst zum Zeitpunkt der Speicherung festgeschrieben werden kann. Außerdem kann die Prüfung auf semantische Korrektheit des Modells ebenfalls nur durchgeführt werden, sobald das Modell definiert ist. Um die geforderte Flexibilität bei der Sprachdefinition in Form und Zeitpunkt zu gewährleisten, wurde von Neubauer (2008) ein System entwickelt, das es erlaubt, dy- namisch zur Laufzeit Modellelemente zu definieren, die Regeln zu deren Verwendung festzulegen und diese ohne Unterbrechung des Modellierungsvorgangs unmittelbar zu verwenden (wobei auch die Prüfung der semantischen Korrektheit zur Laufzeit adaptiert wird). Die technische Umsetzung dieses Ansatzes wird in Abschnitt 9.3.2 beschrieben. 9.3. Technische Umsetzung der Persistierung von Modellen Die oben beschriebenen Konzepte zur Persisitierung von Modellen wurden wie die übri- gen Software-Komponenten des Systems in Java implementiert. Die Basis der Persistenz- Komponente bildet eine Topic Map Engine, die im Rahmen einer Arbeit über flexible Content-Repräsentation vom Autor entwickelt wurde (Oppl, 2007a). Das von Neubauer (2008) entwickelte System zur Generierung und Verwendung dynamischer Metamodelle, das bereits in Abschnitt 9.2.4 konzeptuell beschrieben wurde, wird in der Folge hinsicht- lich seiner technischen Umsetzung betrachtet. Basierend auf diesen beiden Komponenten wurde die eigentlichen Persistierung implementiert. Der dort verfolgte Ansatz ist Thema des letzten Teils dieses Abschnitts. 290 9.3. Technische Umsetzung der Persistierung von Modellen 9.3.1. Topic Map Engine Als Topic Map Engine bezeichnet man ein Software-Modul, mit dessen Hilfe Topic Maps verwaltet werden können und das oft auch Funktionalität zur Persistierung der Topic Map anbietet. Für den Topic Map Standard (ISO JTC1/SC34/WG3, 2008), der dieser Arbeit zugrunde liegt, war zum Zeitpunkt der Erstellung der Software nur eine derarti- ge Engine vertrieben, die von Ontopia8 kommerziell vertrieben wurde und keine offenen Schnittstellen bot9. Zu diesem Zeitpunkt noch nicht für den verwendeten Topic Map Standard verfügbar war die Open-Source-Engine TinyTIM10, die auf Basis der ebenfalls erst seit einigen Monaten verfügbaren Topic Map API eine offene Schnittstelle zur Ver- waltung von Topic Maps in Java anbietet und unterschiedliche Formate zur Persistierung und zum Import unterstützt. Für diese Arbeit wurde mangels verfügbarer Alternativen eine eigene Topic Map En- gine erstellt. Deren Funktionalität hier nur kurz umrissen werden soll. Die detaillierte Beschreibung der Implementierung und die allgemeine Verwendung der Engine sind in (Oppl, 2007a) beschrieben. Die Topic Map Engine bildet die Komponenten einer Topic Map direkt auf Java Klas- sen ab. Zusätzlich zu den Klassen, die Topics und Statements repräsentieren, wird eine Management-Klasse verwendet, deren Instanzen jeweils für die Verwaltung einer abge- schlossenen Topic Map zuständig sind. Diese Management-Klasse ermöglicht das Hinzu- fügen und Entfernen von Topics und Statements sowie die Suche nach einzelnen Topics oder definierten Teilstrukturen (z.B. alle Topics die mittels einer bestimmten Assoziation mit einem gegebenen Topic in Beziehung stehen). Um die Suche zu beschleunigen, ver- walten Management-Objekte Indizies bestimmter speziell verwendeter Topics, wie etwa Topics, die als Topic Types oder Association Types verwendet wurden. Die Topic Map Engine bietet zur Persistierung ein Interface an, über welches Topic Maps auf der Engine exportiert werden können bzw. in die Engine geladen werden. Das Interface abstrahiert dabei von der konkreten Persistierungs-Technologie und erlaubt die Einbindung unterschiedlicher Ansätze zur Speicherung von Topic Maps. Konkret wurden drei Implementierungen des Persistenz-Interfaces erstellt. Die ers- te Implementierung liest und schreibt Topic Maps von bzw. in im XTM11-Format (ISO JTC1/SC34/WG3, 2006) spezifizierte XML-Dateien. So wird ein standardkonformer Da- tenaustausch zwischen Topic Map Engines ermöglicht. Die zweite Implementierung bin- det die Topic Map Engine via Hibernate (Red Hat Middleware, 2007) an eine relationale Datenbank an. Im Gegensatz zur Speicherung in XML-Files ermöglicht die Ablage der 8http://www.ontopia.com 9mittlerweile wurde Ontopia als Open-Source-Software veröffentlich, was jedoch für diese Arbeit keine Berücksichtigung mehr fand. 10http://tinytim.sourceforge.net/ 11XML Topic Map 291 9.3. Technische Umsetzung der Persistierung von Modellen Daten in einem RDBMS12 einen effizienteren, selektiven Zugriff, sodass nicht unter allen Umständen die gesamte Datenbasis einer Topic Map im Arbeitsspeicher gehalten werden muss. Die dritte Implementierung des Persistenz-Interfaces ermöglicht lediglich den Export einer Topic Map in ein von GraphViz (Ellson et al., 2002) interpretierbares Format, das eine graphische Darstellung der Topic Map mit automatische Anordnung der Topics ermöglicht. Da das GraphViz-Format jedoch nicht so ausdrucksstark ist wie der Topic Map Ansatz, geht beim Export Information verloren. Dadurch ist es nicht möglich, eine Topic Map aus einem GraphViz-File zu rekonstrieren, der Import in die Engine ist also nicht möglich. Abbildung 9.11.: Ausschitt einer mittels GraphViz visualisierten Topic Map Zusätzlich zur Ausgabe der gesamten Topic Map ist das GraphViz-Export-Modul auch in der Lage, eine mittels HTML Imagemaps navigierbare Version der Topic Map zu exportieren, in der jeweils immer nur ein Topic mit dessen Kontext (also allen Topics, die mit dem zentralen Topic verbunden sind) dargestellt wird (siehe Abbildung 9.11). Durch die Imagemap werden die Kontext-Topics mit jenen an sichten verknüpft, wo 12Relationales Datenbank Management System 292 9.3. Technische Umsetzung der Persistierung von Modellen jeweils diese im Fokus der Betrachtung stehen. Damit ist eine schrittweise Navigation durch die Topic Map möglich. 9.3.2. Dynamische Metamodelle Wie oben bereits beschrieben, ermöglichen Topic Maps die Einführung und Erweiterung von Meta-Modellen ohne besonders dafür ausgezeichnete Elemente. Dies ist einerseits hinsichtlich der Flexibilität der Verwendung ein Vorteil, andererseits ist die Handhab- barkeit von Topic Maps mit integrierten Metamodellen bereits auf Ebene der Software- entwicklung nur bedingt gegeben, auf Ebene der Benutzer ist die Struktur kaum zu vermitteln. Aus diesem Grund wurde bereits von (Oppl, 2007a) eine Abstraktionsschicht einge- führt, in der die Elemente des Metamodells auf Java-Klassen abgebildet wurden. Diese Klassen abstrahieren von der darunter liegenden Topic Map und zeigen zum Benutzer hin eine vom Metamodell abhängige, domänenspezifische Schnittstelle (und inkludie- ren z.B. Methoden, die zur Verknüpfung zweier Konzepte verwendet werden können, die im Metamodell festgelegt wurden). Auch auf dieser Ebene wurde wiederum eine Management-Klasse zur Verwaltung der (nun) domänenspezifischen Modelle eingeführt. In der vorliegenden Arbeit ist jedoch aufgrund der dynamischen Herausbildung des Metamodells während des Modellierungsvorgangs die Verwendung von statischen Meta- Modellen bzw. deren Java-Repräsentationen nicht möglich. Von Neubauer (2008) wurde das zugrundeliegende System deshalb so erweitert, dass eine Veränderung der Meta- Modelle zur Laufzeit vorgenommen werden kann, wobei die Änderungen direkt und unmittelbar auf die verfügbaren Java-Klassen wirken. Zu diesem Zwecke wurde eine XML-basierte Beschreibungssprache definiert, mit der Meta-Modelle spezifiziert werden können. In einer weiteren Ausbaustufe ist angedacht, diese Repräsentation so in eine graphische Benutzungsschnittstelle zu kapseln, dass sie auch von Endanwendern benutzt werden kann. Aus diese XML-Repräsentation werden mittels Code-Generierung Java- Klassen erzeugt, die jenen entsprechen, die in der zugrunde liegenden Implementierung die Abstraktion auf Metamodell-Elemente abbilden. Diese Klassen werden wiederum zur Laufzeit mittels einem dafür implementierten Java-Classloader geladen und stehen damit der verwendenden Applikation zur Verfügung. Die Managmentklassen wurden dementsprechend so erweitert und angepasst, dass sie mit dynamischen Metamodellen betrieben werden können und die zur Verwendung notwendige Meta-Information an höher liegende Software-Module weitergeben können. 293 9.4. Export graphischer Repräsentationen 9.4. Export graphischer Repräsentationen Neben der Persistierung der Modelle in Form einer Topic Map ist es auch sinnvoll, die Modelle in deren graphischer Form als Referenz abzulegen. Das hier entwickelte Werk- zeug bedient sich der graphischen Ausgabefunktionalitäten, die der Java Klassenbiblio- thek mit der Version 1.4 hinzugefügt wurden, um das aktuelle Modell in unterschiedlichen Formen als Grafik auszugeben und zur späteren Referenz zu speichern. 9.4.1. Ausgabeformen Zur Speicherung der graphischen Repräsentation eines Modells wird grundsätzlich die Visualisierung verwendet, die auf dem sekundären Ausgabekanal (also dem Bildschirm) zur Anwendung kommt. Beim Export sind nun unterschiedliche Modellaspekte zu be- rücksichtigen, die je nach intendiertem Verwendungszweck einzeln oder in Kombination in die Ausgabe eingehen können. Diese Aspekte sind im Einzelnen • der aktuell auf der Oberfläche befindliche Modellzustand • die hierarchisch in diesen eingebetteten Submodelle • die Modellierungshistorie, also die Entwicklung des Modells über die Zeit Die Darstellung dieser Aspekte in einer graphischen Repräsentation ist (außer im erst- genannten Fall) insofern komplex, als dass eine beliebig lange zeitliche Abfolge bzw. eine beliebig tief verschachtelte Hierarchie in den zweidimensionalen Raum abgebildet wer- den muss. Im Falle einer Kombination des zweit- und drittgenannten Aspektes müssen zwei Dimensionen zugleich abgebildet werden, was die Darstellung zusätzlich erschwert. Der aktuell auf der Oberfläche befindliche Modellzustand wird exakt wie am sekun- dären Ausgabekanal (Bildschirm) dargestellt in eine Grafik transformiert und als Bild abgespeichert. Zur Abbildung der Modellierungshistorie bietet sich an, die einzelnen ge- speicherten Modellzustände chronologisch anzuordnen. Der sich so ergebende Zeitstrahl beginnt links oben und setzt sich von links nach recht und oben nach unten bis in die rechte untere Ecke fort, wo wiederum der aktuelle Modellzustand dargestellt wird. Die zweidimensionale Abbildung des Zeitstrahls erfolgt dabei derart, dass sowohl die hori- zontale als auch die vertikale Ausdehnung des resultierenden Bildes minimal sind (siehe Abbildung 9.12). Bei der Darstellung eines Modells mit hierarchisch geschachtelten Teilmodellen bietet sich eine baumartige Darstellung mit dem aktuellen Modellzustand als Wurzelknoten an. Diese ist aufgrund der notwendigen Detaildarstellung der einzelnen Modelle jedoch platzintensiv und kann nur schwer als physisches Dokument abgelegt werden. Deshalb wurde alternativ die hierarchische Struktur auf eine der Darstellung der zeitlichen Mo- dellentwicklung ähnliche Darstellungsform abgebildet. Dabei wird die Hierarchie flach 294 9.4. Export graphischer Repräsentationen Abbildung 9.12.: Modellierungshistorie als exportierte Grafik 295 9.4. Export graphischer Repräsentationen ausgerollt, die Einbettungen zeigen sich durch einen graduell dunkler werdenden Mo- dellhintergrund für tiefere verschachtelte Ebenen. Zusätzlich wird in jedes Submodell farblich abgesetzt auch das jeweilige Containerelement eingeblendet. Die Abfolge der einzelnen Modelle startet mit dem aktuellen Modellzustand als erstem Knoten. Da- hinter wird das erste im aktuellen Modell eingebettete Teilmodell angezeigt. Besitzt dieses Teilmodell wiederum eingebettete Teilmodelle, so werden diese in der Folge mit erneut abgedunkeltem Hintergrund dargestellt. Diese Form der Darstellung wird fort- gesetzt bis keine weiteren eingebetteten Modelle mehr vorhanden sind. Es folgt (sofern vorhanden) das zweite Submodelle des aktuellen Modellzustandes (mit dem abgedunkel- ten Hintergrund der ersten Einbettungsebene). Diese Hierarchie wird wiederum bis zu den Endpunkten nach unten verfolgt, es folgt ggf. das dritte Submodell auf der ersten Einbettungsebene. Die sich so ergebende Linie an Modellzuständen wird wie der chro- nologischen Darstellung der Modellierungshistorie so umgebrochen, dass sich sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung eine minimale Ausdehnung ergibt (siehe Abbildung 9.13). In der komplexesten Ausprägung der Darstellung eines Modells als graphische Reprä- sentation werden sowohl die Historie der Modellentstehung als auch die Hierarchie der eingebetteten Submodelle zugleich dargestellt. Dies erfolgt hier durch die Kombination der beiden eben beschriebenen Ansätze. Die Darstellung der Modellierungshistorie bil- det die oberste Ebene der Modelldarstellung. Beginnend mit dem ältesten gespeicherten Modellzustand werden die einzelnen Modelle in der Reihenfolge ihrer Entstehung abgebil- det, wobei zu jedemModellzustand unmittelbar folgend dessen eingebetteten Submodelle ausgegeben werden (deren Entstehung nicht mehr separat dargestellt wird). So ergibt sich eine kombinierte Linie aus chronologischer Modellentwicklung und eingebetteten Teilmodellen. Diese wird wie schon oben mit minimaler Ausdehnung in horizontaler wie vertikaler Richtung auf eine Grafik abgebildet. Die Entwicklung des Modells ist dabei wie gehabt von links oben nach rechts unten zu verfolgen, wobei nur jene Modellzustän- de mit weißem Hintergrund auf oberster Ebene der Zeitlinie angehören. Alle dunkler hinterlegten Modelle sind Teilmodelle und sind dem nach vorne nächstgelegenen weiß hinterlegten Modell zuzuordnen. 9.4.2. Technische Umsetzung des graphischen Exports Zur Umsetzung des graphischen Exports wird auf die mit der Java Plattform in der Ver- sion 1.4 eingeführten Klassen zu Verarbeitung von Grafikformaten zurückgegriffen. Diese unterstützen standardmäßig gängige Grafikformate wie JPEG13, GIF14 oder PNG15. Im konkreten Fall wurde ein verlustfrei komprimierendes Format gewählt, verlustbehaftete 13Joint Photographic Experts Group (File Interchange Format) 14Graphics Interchange Format 15Portable Network Graphics 296 9.4. Export graphischer Repräsentationen Abbildung 9.13.: Modell-Hierarchie als exportierte Grafik 297 9.5. Zusammenfassung Verfahren wie JPEG sind für die hier abzubildenden feinen Strukturen nicht geeignet, da es durch Kompressionsartefakte zu Qualitätsminderungen in der Darstellung von Details kommt. Die Ausgabe einer Datei im gewählten Grafikformat wird vollständig von der Klasse ImageIO übernommen. Der Schnittstellen-Methode write sind als Parmeter der Datei- name, das Grafikformat sowie ein Objekt der Klasse BufferedImage (allgemeiner: einer Klasse, die das Interface RenderedImage implementiert) zu übergeben, das die eigentli- chen Bilddaten enthält. Das BufferedImage-Objekt kann durch einen Methoden-Aufruf mit der graphischen Repräsentation einer Klasse, die von der Java AWT16-Klasse Component abgeleitet ist, befüllt werden. Da alle graphischen Komponenten des JHotDraw-Frameworks Subklas- sen eben dieser Klasse sind (inklusive der Zeichenoberfläche selbst), können diese durch einen Aufruf ihrer paint-Methode in ein ausreichend großes BufferedImage (bzw. des- sen Graphics-Objekt) geschrieben werden. In den aus mehr als einem Teilmodell bestehenden Ausgaben (also der Historie, der hierarchischen Darstellung der Teilmodelle oder der Kombination dieser beiden Fälle) muss das Bild aus den graphischen Repräsentationen der einzelnen Teilmodelle zusam- mengesetzt werden. Dazu werden (im Falle der hierarchischen Teilmodelle rekursiv) die logischen Modelle erzeugt und bereits in der korrekten linearisierten Darstellungsform in einem Vektor gespeichert. Die einzelnen logischen Modelle werden dann in graphi- sche Repräsentationen umgewandelt und in je einem BufferedImage gespeichert. Diese werden in der Folge so zusammengesetzt, dass die horizontale und vertikale Ausdehnung der Gesamtfläche minimal ist. 9.5. Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurde auf die Umsetzung der Forderung nach persistenter Ablage der erstellten Modelle eingegangen. Um eine vollständige Abbildung der flexibel struk- turierten Information gewährleisten zu können, wurde eine auf ISO Topic Maps basie- rende Speicherung verwendet. Da sich deren Handhabung bereits bei wenig komplexen Modell-Strukturen als sehr aufwändig erweist, wurden zusätzlich Werkzeuge zur Generie- rung und Verwaltung implementiert. Diese gehen auch speziell auf die Herausforderung der dynamisch veränderlichen Meta-Modelle ein und lösen diese durch den Einsatz von Codegenerierung und -deployment zur Laufzeit der Modellierungsapplikation. Zusätzlich zu der vollständigen und automatisiert weiterverarbeitbaren Repräsentation durch Topic Maps kann auch eine graphische, für Anwender erfassbare Darstellung des erstellten Modells bzw. wahlweise auch dessen Entstehungsgeschichte erstellt werden. 16Abstract Window Toolkit 298 9.5. Zusammenfassung Diese entspricht im Wesentlichen der Darstellung auf der sekundären Oberfläche und wird als Grafikdatei ausgegeben. Mittels dieser beiden Werkzeuge ist die weitere Verarbeitbarkeit der erstellten Modelle inklusive der Entstehungsgeschichte und aller zusätzlich festgelegter semantische Infor- mation gewährleistet, während gleichzeitig eine unmittelbare Dokumentation des Mo- dellierungsergebnisses und -prozesses für Benutzer erfassbar ausgegeben werden kann. 9.5.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung In diesem Kapitel wird die konkrete Umsetzung des Werkzeugs behandelt. Hinsichtlich der globalen Zielsetzung tragen die hier dargestellten Inhalte also zur Beantwortung der Fragestellung 4 bei. 9.5.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse Die Inhalte dieses Kapitels werden erst in den Schlussbetrachtungen (Kapitel 15) wieder aufgegriffen. Die Persistierung selbst ist eine Anforderung an das Werkzeug, die erfüllt sein muss, deren Erfüllung aber nicht im Rahmen von Benutzertests, die Gegenstand von Teil III dieser Arbeit sind, geprüft werden muss. 299 Teil III. Evaluierung des Instruments 300 Einleitung Nach der nun erfolgten Beschreibung der Umsetzung des Werkzeugs wird in diesem Teil die Überprüfung der Verwendbarkeit des entwickelten Instruments und seiner Effekte behandelt. Ziel dieser Arbeit ist es, die effektive Durchführung explizite „Articulation Work“ zu unterstützen. Ziel dieses Teils ist, diese Anforderung hinsichtlich ihrer Erfül- lung oder Nicht-Erfüllung zu überprüfen und damit die Beantwortung zweite in Kapitel 1 formulierte Forschungsfrage zu vervollständigen. Wie in Kapitel 3 argumentiert, führt ein möglicher Weg zur Unterstützung expliziter „Articulation Work“ über die (kollaborative) Externalisierung mentaler Modelle. Die aus dieser Externalisierung resultierenden Strukturen sind ihrerseits diagrammatische Modelle. Die Qualität dieser Modelle ist vielschichtig bewertbar, im Kontext des hier verfolgten Verwendungszwecks sind aber einige Bewertungsdimensionen identifizierbar, die bei der Unterstützung von „Articulation Work“ relevant sind. Diese Dimensionen werden ebenfalls hinsichtlich ihrer Ausprägung im hier vorgestellten Werkzeug zu be- werten sein. Letztendlich wird die Externalisierung mentaler Modelle technisch durch ein Table- top Interface unterstützt. Auch die technische Umsetzung bzw. deren Verständlichkeit und Verwendbarkeit hat Auswirkungen auf den Erfolg der Externalisierung und damit der durchgeführten „Articulation Work“. Das Werkzeug selbst und seine Nutzung muss also ebenfalls untersucht und im Kontext der Anforderungen in dieser Arbeit bewertet werden. Entsprechend dieser Ausführungen wurde die hier beschriebenen Untersuchung durch- geführt. Sie gliedert sich in drei Teile, die sich mit dem Werkzeug selbst, den erstellten Modellen und den Auswirkungen durchgeführten expliziten „Articulation Work“ aus- einandersetzen. Die Struktur dieses Teiles spiegelt diese Aufteilung wieder. In Kapitel 10 wird das Werkzeug aus Sicht seiner Eigenschaften als Tabletop Interface theoretisch- konzeptuell betrachtet und aus den in diesen Bereich verfügbaren Analyse- und Beschrei- bungsframeworks mögliches Verbesserungspotential identifiziert. Kapitel 11 beschreibt die Grundlagen der empirischen Untersuchung, in der das hier entwickelte Werkzeug hinsichtlich seiner Verwendbarkeit und Wirkung untersucht wurde. In Kapitel 12 wer- den Design und Umsetzung jener Tests beschrieben, in denen die Benutzbarkeit und Verständlichkeit des Werkzeugs überprüft wurden. Die Überprüfung der Effekte des Werkzeugs beginnt im darauf folgenden Kapitel 13, in dem die erstellten Modelle und deren Entstehungsprozess Gegenstand der Betrachtung sind. Letztendlich wird in Kapi- tel 14 auf die Wirkung des Werkzeugs auf „Articulation Work“ und damit letztendlich auf die im jeweiligen Anwendungsfall zu erzielenden Effekte eingegangen. 10. Konzeptuelle Einordnung des Werkzeugs An dieser Stelle erfolgt ein Rückgriff auf die in Abschnitt 6.4 beschriebenen konzeptuel- len Beschreibungs-Ansätze für Tangible User Interfaces. Das in den letzten drei Kapiteln beschriebene Werkzeug wird hier im Lichte eben dieser Ansätze betrachtet und wo mög- lich mittels der vorgeschlagenen Schemata beschrieben. Damit werden zwei Ziele ver- folgt. Einerseits soll die Praxistauglichkeit der konzeptuellen Ansätze überprüft werden, indem sie auf ein aktuelles, im Vergleich zu den beispielhaft in den Artikeln angege- benen Systemen komplexes und funktional umfangreiches System angewandt werden. Andererseits soll durch die konzeptuelle Betrachtung des Werkzeugs dessen Design und die Umsetzung auf Inkonsistenzen geprüft werden und Potential für Verbesserungen des Werkzeugs identifiziert werden. Die hier abgeleiteten Potentiale werden in Kapitel 15 den Erkenntnissen aus der praktischen Evaluierung des Systems gegenübergestellt. So wird es möglich, auch die potentiellen Auswirkungen der Anwendung eines der hier vorgestellten konzeptuellen Ansätze bei der Konzeption und Umsetzung eines TUI zu betrachten. Abbildung 10.1 stellt dieses Kapitel und dessen Aufbau im Kontext der anderen inhaltlich vor- und nachgelagerten Kapitel dar. Dieses Kapitel folgt im Aufbau der Struktur des Abschnitts 6.4 und betrachtet in der Folge jeden der vorgestellten Ansätze in einem separaten Abschnitt. Dabei werden jeweils die Konzepte des Ansatzes auf das Werkzeug angewandt (Unterabschnitt „Abbildung“) und in der Folge die Erkenntnisse über die Eignung des Ansatzes und mögliches Verbes- serungspotential des Werkzeugs angeführt (Unterabschnitt „Bewertung“). Abschließend erfolgt eine zusammenfassende Betrachtung der Ergebnisse hinsichtlich der beiden oben formulierten Ziele. 10.1. Einordnung in den Bricks-Designraum Grundlage der Betrachtungen in diesem Abschnitt ist das Konzept der Tangible Bits (Fitzmaurice et al., 1995), der in Abschnitt 6.4.1 beschrieben wird. 302 10.1. Einordnung in den Bricks-Designraum Abbildung 10.1.: Kapitel „Konzeptuelle Einordnung“ im Gesamtzusammenhang Abbildung Aus den Erfahrungen mit der Erstellung des „Bricks“-Systems leiten Fitzmaurice et al. (1995) einen „Design Space“ ab, der 13 Merkmale definiert, die bei der Konzeption eines TUI beachtet werden sollten bzw. die sich zum strukturierten Vergleich von TUIs eignen. Neben den Merkmalen geben die Autoren auch mögliche Ausprägungen an, die gemeinsam den Design Raum abstecken. Für das hier vorgestellte Werkzeug ergibt sich folgende Zuordnung: In der Kategorie Brick’s internal ability ist das System bzw. die eingesetzten Tokens als „inert“ zu klassifizieren, da die physischen Objekte keine Elektronik aufweisen und somit kein aktives Verhalten zeigen können. Bezieht man die unmittelbare Umgebung der Elemente, auf die Information projiziert werden kann, in die Beurteilung mit ein, so ist die Einstufung „simple expressions“ zu rechtfertigen. In der Kategorie Input & Output werden eingabeseitig in unterschiedlichen Interak- tionen folgende Parameter kontinuierlich oder ereignisgesteuert erfasst: X-Y-Position (kont.) , Rotation (kont.) , Tastatureingabe (ereignisgest.) und Kamerabild (ereignis- gest.). Ausgabeseitig werden folgende Parameter eingesetzt: Zustand auf der physischen Oberfläche, Projektion und Bildschirm. In der Kategorie Spatially aware ist (bezogen auf die Tokens) die Ausprägung „un- aware“ zu wählen, da die physischen Elemente selbst keine Möglichkeit zur Feststellung der Konfiguration ihrer Umgebung haben. Bezogen auf das Gesamtsystem ist die Aus- prägung „mutual awareness“ zu wählen, da den softwareseitigen Repräsentationen der 303 10.1. Einordnung in den Bricks-Designraum Elemente durch das im Hintergrund arbeitende Lokalisierungssystem durchaus bekannt ist, wo sie sich befinden und welche Elemente sich in ihrer Nähe befinden. In der Kategorie Communication ist keine Einordnung möglich, da die physischen Elemente des Systems nicht untereinander kommunizieren. In der Kategorie Interaction time span sind die Ausprägungen „quick“ und „interaction cache“ zu wählen. Die meisten Interaktionen laufen ereignisbasiert ab und sind mit der Auslösung wieder abgeschlossen („quick“). Manche Interaktionen (z.B. Herstellung einer Verbindung, Kontrolle der Modellierungshistorie, . . . ) benötigen jedoch längere Zeit bzw. die Manipulation mehrerer Tokens („interaction cache“). In der Kategorie Bricks in use at same time ist bei Betrachtung des gesamten Systems die Ausprägung (Größenordnung) „5-10“ zu wählen, da potentiell so viele Modellierungs- elemente gleichzeitig (auch durch mehrere Personen) benutzt werden. Bezogen auf die Werkzeug-Tokens (also die unmittelbar funktionsauslösenden physischen Elemente, die eigentlich von diesem Ansatz eigentlich betrachtet werden) sind die Ausprägungen „1“ oder „2“ (je nach Interaktion) zu wählen. In der Kategorie Function assignment ist bezogen auf die Werkzeug-Tokens die Ausprä- gung „permanent“ zu wählen, da diesen die durch sie ausgelöste Funktion fix zugeordnet ist. In der Kategorie Interaction representations ist die Ausprägung „balanced“ insofern für das vorliegende Werkzeug passend, als dass die physischen und digitalen Elemente einander in der Repräsentation des Systemzustandes gleichberechtigt ergänzen. In der Kategorie Physical & virtual layers erfüllt das System durch die beiden Aus- gabekanäle beide Ausprägungen („direct“ für die Tischoberfläche, „indirect“ für den sekundären Ausgabekanal). In der Kategorie Bond between physical & virtual layers sind physische und virtuel- le Ebene im hier vorgestellten System „tightly coupled“, da die Repräsentationen auf beiden Ebenen stets synchron sind. In der Kategorie Operating granularity ist aufgrund der physischen Natur des Systems (Tisch) die Ausprägung „Desktop“ zu wählen, wobei dies auch mit der vorgesehenen Auflösung des Tracking („fraction of inches accuracy“) korreliert. In der Kategorie Operating surface type erfüllt das System die Anforderungen der Ausprägung „dynamic“, da sich die Oberfläche durch die Projektion von Information zur Laufzeit ändert. In der Kategorie Operating surface texture ist die Ausprägung „continuous“ auszuwäh- len, da die Elemente frei auf der Oberfläche platziert werden können. 304 10.2. Bestimmung der Eigenschaften des Graspable User Interfaces Ansatz Bewertung Der von Fitzmaurice et al. (1995) aufgespannte Design Raum für Graspable User Inter- faces ist aus dem von den Autoren entwickelten System abgeleitet und weist mangels zum Zeitpunkt der Erstellung vorhandenen Alternativen starke Spezifika auf, die den Ansatz zur Einordnung anderer Systeme nur bedingt geeignet machen. Insbesondere die Ableitung mehrerer Eigenschaften aus der Tatsache, dass die physischen Elemente des Systems (die „Bricks“) aktive Bausteine sind und auf einer Oberfläche bewegt werden, schränkt die Verwendbarkeit einiger Kategorien für die Einordnung beliebiger TUIs ein (z.B. Communication oder Spatially aware). Außerdem ist der Design Raum auf Systeme ausgerichtet, die physische Elemente als Eingabewerkzeuge verwenden und berücksich- tigt keine Elemente, die ausschließlich zur Informationsrepräsentation verwendet werden. Das hier vorgestellte Werkzeug konnte weitgehend in den Design Raum eingeordnet werden, wenn auch die Verwendung passiver Tokens nicht vorgesehen ist und damit einige Kategorien nicht sinnvoll belegt werden können. Ansätze zur Verbesserung des Werkzeugs können nicht abgeleitet werden, da der Designraum für Detailbetrachtungen zu unspezifisch bleibt und seine generelle Ausrichtung nicht vollständig auf die Eigen- schaften des Werkzeugs abgebildet werden können. 10.2. Bestimmung der Eigenschaften des Graspable User Interfaces Ansatz Grundlage der Betrachtungen in diesem Abschnitt ist das Konzept der Tangible Bits (Fitzmaurice, 1996), der in Abschnitt 6.4.2 beschrieben wird. Abbildung Fitzmaurice (1996) definiert fünf Eigenschaften, die ein „Graspable User Interface“ aus- machen und legt mögliche Ausprägungen fest, deren Werte für ein konkretes System eine Aussage über dessen „Graspabiltity“ zulässt. Für das hier vorgestellte Werkzeug können folgende Einstufungen getroffen werden: In der Kategorie Space-multiplexing ist die höchste Ausprägung „permanent, never reassign“ auszuwählen. Dies ist der Fall, weil sämtlichen Werkzeugtokens des Systems eine vorgegebene Funktion zugewiesen ist, die sich während der Laufzeit nicht ändert. In der Kategorie Concurrency ist hinsichtlich der Verwendung von Werkzeugen die Ausprägung „occasionally 2“ zu wählen. Die Eigenschaften beziehen sich ausschließlich auf Werkzeuge zur Manipulation digitaler Information, so dass die Modellierungsto- kens, die den Systemzustand repräsentieren, außer acht gelassen werden. „Occasionally 2“ trifft dann deswegen zu, weil sowohl bei der Verbindungsherstellung als auch zum 305 10.3. Betrachtung im Lichte des Tangible Bits Ansatzes Auslösen der Wiederherstellungsunterstützung jeweils zwei Werkzeugtokens gleichzeitig eingesetzt werden müssen, in allen anderen Fällen aber nur ein Werkzeug zum Einsatz kommt. Berücksichtigt man die Modellierungstokens (als Werkzeuge zur Manipulation des Systemzustandes), ist die höchste Ausprägung „more than 3“ zu wählen. In der Kategorie Physical form ist die höhere Ausprägung „specific“ auszuwählen, da für jede Funktionalität ein spezifisches Werkzeug-Token existiert. In der Kategorie Spatially aware ist hinsichtlich der Werkzeugtokens eine Mischform zwischen „unaware“ und „aware“ zu wählen. Bei einem Teil der Werkzeugtokens ist die konkret ausgeführte Funktion von dessen Position bzw. Nähe zu Modellierungstokens ab- hängig (bei Markierungstokens) oder wird durch dessen Orientierung beeinflusst (beim Historien-Kontroll-Token). Die übrigen Werkzeug-Tokens sind jedoch insofern „spatial- ly unaware“, als dass ihre Positionierung auf der Oberfläche keinen Einfluss auf deren Funktionalität hat. Die Modellierungstokens und die einbettbaren Tokens sind bei Be- rücksichtigung als „spatially aware“ zu klassifizieren. In der Kategorie Spatial reconfiguarability ist das System in die Ausprägung „track“ einzuordnen, da die einzelnen Werkzeuge nicht unabhängig von der Oberfläche und der in ihr integrierten optischen Tracking-Funktion verwendet werden können. Bewertung Die Eigenschaften von Graspable User Interfaces erlauben eine allgemeine Bewertung eines TUI. Sie sind nicht geeignet um eine detailliert Analyse oder Spezifikation durch- zuführen. Dieser Aspekt – die Eigenschaften des Gesamtsystems – wird jedoch bei den meisten anderen Frameworks außer acht gelassen, so dass eine Einordnung in das vor- geschlagene Schema durchaus sinnvoll sein kann. Für das hier vorgestellte Werkzeug wurden durchwegs Ausprägungen identifiziert, die auf eher hohe „Graspability“ hinweisen. Ein Nachteil des Ansatzes liegt in der Fokussie- rung auf reine „Steuerungs“-TUIs, die zur Kontrolle oder Manipulation digitaler Infor- mation verwendet werden. Verbesserungspotential kann ob der allgemeinen und relativ abstrakten Beschreibung des Werkzeugs mit diesem Ansatz nicht abgeleitet werden. 10.3. Betrachtung im Lichte des Tangible Bits Ansatzes Grundlage der Betrachtungen in diesem Abschnitt ist das Konzept der Tangible Bits (Ishii und Ullmer, 1997), der in Abschnitt 6.4.3 beschrieben wird. 306 10.3. Betrachtung im Lichte des Tangible Bits Ansatzes Abbildung Das hier vorgestellte Werkzeug kann hinsichtlich seiner Funktion als eine Instanz des Konzepts „Interactive Surface“ betrachtet werden. Die „Surface“ ist hierbei eine Tisch- oberfläche, auf der interagiert wird. Die im Rahmen der Beschreibung des „metaDESK“ (Ullmer und Ishii, 1997) als Beispiel für eine „Interactive Surface“ eingeführten TUI- Elemente finden zum Teil auch im hier vorgestellten Werkzeug Anwendung. Die Modellierungstokens und einbettbaren Tokens des Werkzeugs sind Phicons, al- so passive Träger von digitaler Information. Die Werkzeugtokens zur Manipulation des Modells entsprechen Phandles, also Elementen, die dazu verwendet werden, digitale In- formation zu verändern bzw. festzulegen. Jene Werkzeugtokens, die der Steuerung der Systemfunktionen dienen, sind hingegen als Instruments zu klassifizieren. Lenses und Trays kommen im Werkzeug nicht zum Einsatz. Hinsichtlich der Metaphorik unterscheiden Ullmer und Ishii (1997) zwischen unter- schiedlichen Abstraktionsebenen von Phicons (generic – symbolic – model), wobei im vorliegenden System ob der offenen Semantik die Modellierungstokens ausschließlich ge- neric Phicons sind bzw. sein können. Die Werkzeugtokens sind zumeist als symbolic Phicons und im Falle des Löschtokens – dem Radiergummi – eher als model Phyicon zu klassifizieren. Bewertung Für die Bewertung des Werkzeugs ist vor allem dessen Gegenüberstellung zu den vorge- schlagenen Elementen einer „Interactive Surface“ von Interesse. Hier zeigt sich, dass die unterschiedlichen Arten von Tokens, die im Werkzeug eingeführt wurden, feingranular auf die unterschiedlichen Element-Arten von Ishii und Ullmer (1997) abbildbar sind. Insbesondere die explizite Unterscheidung zwischen Phandles und Instruments ist ein Alleinstellungsmerkmal der hier vorgeschlagenen Systematik. Eine mögliche Lücke, die Erweiterungspotential für das Werkzeug anzeigen könnte, ist die Abwesenheit von TUI-Elementen, die als Lenses oder Trays zu klassifizieren sind. Insbesondere Trays sind für die explizite Interaktion mit einzelnen Tokens – etwa der Benennung oder der Einbettung von Zusatzinformation – geeignet. Bei entsprechen- der Spezifikation bilden die dazu notwendigen Interaktionsabläufe den Vorgang der Zu- ordnung von Information explizit ab und unterscheiden sich dann stärker von anderen Interaktionen, die anderen Zwecken, z.B. der Herstellung von Verbindungen zwischen Modellierungstokens, dienen. 307 10.4. Einordnung in das Ordnungssystem von Holmquist et al. 10.4. Einordnung in das Ordnungssystem von Holmquist et al. Grundlage der Einordnung in diesem Abschnitt ist der Ansatz von Holmquist et al. (1999), der in Abschnitt 6.4.4 beschrieben wurde. Abbildung Die von Holmquist et al. verwendete Terminologie ist direkt auf jene abbildbar, die in dieser Arbeit verwendet wurde. Die Modellierungstokens und einbettbaren Tokens entsprechen im Wesentlichen Tokens. Dies ist dadurch begründbar, dass die Art eines Modellierungstokens in einem Modell immer im gleichen Zusammenhang mit der Art der Information steht, die durch dieses repräsentiert wird. Eine Eigenschaft, die eher Containern zuzuordnen ist, ist jedoch die dynamische Festlegbarkeit der Bedeutung einer Art von Modellierungstokens - die physischen Elemente an sich sind vor Beginn der Modellbildung generisch (also Container), werden aber im Zuge der Modellierung mit Bedeutung belegt (die dann für alle Instanzen dieser Art von Modellierungstokens gilt) und sind dann eher als Tokens zu klassifizieren. Die Werkzeugtokens des hier vorgestellten Systems entsprechen in ihrer Konzeption den Tools. Sie manipulieren digitale Information, lösen Aktionen aus oder versetzten das System in einen anderen Zustand und entsprechen damit exakt der Definition von Tools, die von den Autoren gegeben wird. Information Faucets sind im Kontext des hier vorgestellten Systems einerseits die Tischoberfläche, über die Information zu Modellierungstokens abgerufen werden kann, andererseits ist die Registrierungskamera ein klassisches Faucet im Sinne der Definition, da sie dem Abruf oder der Assoziation von Information an ein Token dient, sobald dieses in den Erfassungsbereich der Kamera gerät. Bewertung Die konzeptuellen Elemente des hier vorgestellten Systems sind also auf das Ordnungs- system von Holmquist et al. (1999) abbildbar. Die Problematik der nicht eindeutigen Zuordnung von Modellierungstokens zur Kategorie Tokens oder Constraints ist einerseits auf eine der grundlegenden Design-Paradigmen des hier entwickelten Werkzeugs – der Flexibilität der Abbildung – zurückzuführen, weist aber andererseits auch auf mögliches Verbesserungspotential hin. Durch die Flexibilisierung nicht nur der Bindung zwischen physischen Elementen und digitaler Repräsentation, sondern auch der Verwendung von unterschiedlichen physi- schen Elementen selbst könnten Modellierungstokens eher Token-artiger werden. Indem Modellierende eigene physische Elemente (auf ihrem Arbeitskontext) einbringen können, 308 10.5. Einordnung in das Object-Meaning-Kontinuum könnte die Erfassbarkeit der Bedeutung der physischen Repräsentation unter Umständen verbessert werden. 10.5. Einordnung in das Object-Meaning-Kontinuum Grundlage der Einordnung in diesem Abschnitt ist der Ansatz von Underkoffler und Ishii (1999), der in Abschnitt 6.4.5 beschrieben wurde. Abbildung Das Object-Meaning-Kontinuum ist einer der ersten Ansätze, die die physischen Objekte eines TUI nicht strikten Kategorien zuordnen, sondern auf einer kontinuierlichen Skala anordnen. Dabei wird kein kategorischer Unterschied zwischen informationsrepräsentie- renden Objekten und Werkzeug-Objekten gemacht – sowohl in der Mitte des Kontinu- ums als auch an den Enden verschwimmen die Grenzen zwischen dem Verständnis eines Objektes als reine Repräsentation und reinem Werkzeug. In der Folge werden die Elemente des Werkzeugs in das Kontinuum eingeordnet, wobei zur einfacheren Anwendbarkeit die entlang des Kontinuums von den Autoren definierten Ausprägungen verwendet werden. Die Ausprägung object as noun kommt im Werkzeug nicht zum Einsatz. Keines der physischen Elemente hat eine direkte Entsprechung in der realen Welt – durch die ge- forderte Flexibilität der Abbildung ist das auch nicht sinnvoll. Die Elemente, die zur Modellbildung verwendet werden – also Modellierungstokens und einbettbare Tokens – sind der Ausprägung object as attribute zuzuordnen, da in die Farbe bzw. Form der Tokens Bedeutung (nämlich die Semantik des jeweiligen Art von Tokens) codiert ist. Bei Modellierungstokens ist zu beachten, dass die Zuordnung der Bedeutung dynamisch zu Laufzeit erfolgt, der physischen Eigenschaft des Objekts also erst durch die Benutzer konkret Bedeutung zugewiesen wird. Keinem der Objekte des Werkzeugs ist aufgrund seines Designs die Ausprägung ob- ject as pure object zuzuweisen. Diese Zuordnung kann jedoch dynamisch bei der Mo- dellbildung für Modellierungstokens eintreten, wenn die Benutzer den unterschiedlichen Objektarten keine Bedeutung zuordnen und diese beliebig mit Information belegen. Die Tokens, die im Werkzeug nicht unmittelbar zur Modellbildung verwendet werden, verteilen sich zwischen den beiden funktional abstrahierten Ausprägungen des Konti- nuums. Der Ausprägung Object as Verb sind das Historiensteuerungs-Token und das Markierungstoken zur Herstellung einer gerichteten Verbindung zuzuordnen. Für das Historiensteuerungs-Token gilt dies, da dessen Drehbewegung zur zeitliche Navigation auf die Bewegungen eines Uhrzeigers abbildbar ist. Das Markierungstoken zur Herstel- lung einer gerichteten Verbindung weist eine Pfeilspitze als Grundfläche auf, wodurch 309 10.6. Betrachtung im Lichte des MCRpd-Modells eine physische Eigenschaft Hinweise auf die Funktion des Tokens gibt (hier allerdings grenzwertig, da die dreieckige Grundfläche nicht eindeutig als Pfeilspitze zu erkennen ist). Die übrigen Tokens sind eher im Bereich des object as reconfigurable tool anzusie- deln, da ihrer äußere Form oder andere physische Eigenschaften keine Hinweise auf deren Funktionalität geben. Dies gilt für die allgemeinen Markierungstokens, das Snaphshot- Token und das Wiederherstellungs-Token. Einen Spezialfall bildet das Löschtoken, das mit dem Radiergummi als Repräsentati- on eine object as verb-Einordnung suggeriert (Radiergummi zum direkten „Ausradieren“ von Verbindungen), tatsächlich das System aber lediglich in einen Löschmodus versetzt, in dem Verbindungen mittels anderer Interaktionsabläufe gelöscht werden können. Hin- sichtlich seiner tatsächlichen Verwendung ist das Löschtoken also als object as reconfi- gurable tool zu klassifizieren. Bewertung Das von den Autoren vorgeschlagene Kontinuum eignet sich um die Elemente eines TUI hinsichtlich deren Bedeutung und Verwendung einzuordnen. Diese Einordnung kann nützlich sein um Elemente zu identifizieren, deren tatsächliche Verwendung im TUI nicht mit der wahrgenommenen Bedeutung übereinstimmt. Dazu müssen die Elemente unabhängig von der konkreten Implementierung klassifiziert werden (ggf. von nicht am Design und der Entwicklung beteiligten Personen) und das Ergebnis der umgesetzten Funktionalität gegenübergestellt werden. Für das hier vorgestellte Werkzeug ist eine derartige Diskrepanz wie oben bereits beschrieben am Löschtoken zu erkennen. Dieses suggeriert eine Verwendbarkeit im Sinne von object as verb, setzt aber tatsächlich die augenscheinliche Funktion (Löschen) nicht um (bzw. ist auf eine andere Funktion – Löschmodus aktivieren – abgebildet) und ist deshalb lediglich als object as reconfigurable tool einzuordnen. Eine „Aufwertung“ des Löschtokens im Sinne einer Hinterlegung mit der tatsächlichen Lösch-Funkton trägt eine erwartungskonforme Verwendbarkeit eher sicherstellen und so zur Verbesserung des Gesamtsystems bei. 10.6. Betrachtung im Lichte des MCRpd-Modells Grundlage der Einordnung in diesem Abschnitt ist der Ansatz von Ullmer und Ishii (2000), der in Abschnitt 6.4.6 beschrieben wurde. 310 10.6. Betrachtung im Lichte des MCRpd-Modells Abbildung Wird das erstellte Werkzeug in seiner Gesamtheit dem MCRpd-Modell gegenüberge- stellt, so ist erkennbar, dass die Eigenschaften des Werkzeugs nicht den Anforderungen des MCRpd-Modells an ein Tangible User Interface genügen. Das Werkzeug verfügt über einen Ausgabekanal – den Bildschirm – der nicht an die physische Repräsentation gekop- pelt ist. Bei differenzierter Betrachtung ist eine vollständige Einordnung jedoch möglich. All jene Interaktionen, die mit der eigentlichen Modellierung zusammenhängen, genügen den Anforderungen des MCRpd-Modells ohne Einschränkungen. Die Manipulation des Model (im MCRpd-Modell) erfolgt über die Tischoberfläche, die gleichzeitig dazu ver- wendet wird, den Systemzustand zu manifestieren. Dem MCRpd-Modell laufen offenbar jene Interaktionsabläufe entgegen, die den sekundären Ausgabekanal einbeziehen. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden. Bei der Einbettung von Information in Modellelemente wird die sekundäre Oberfläche zur Auswahl der anzubindenden Ressource und damit als GUI benutzt. Eine Einordnung in das MCRpd-Modell ist hier damit nicht möglich. Bei der Betrachtung der Modellierungshistorie wird die sekundäre Oberfläche als alleiniges Ausgabemedium benutzt, der Systemzustand wird durch das runde Navigationstoken auf der Oberfläche beeinflusst. Dies verletzt grundsätzlich den Aufbau des MCRpd-Modells. Betrachtet man jedoch die daraus abgeleiteten Kern-Charakteristika von TUIs, so kann festgestellt werden, dass diese dennoch nicht verletzt sind. Das in Frage zu stellende Charakteristikum ist jenes mit der Forderung nach Koppelung zwischen der physischen Repräsentation des Models (REP-P) und der intangiblen, digitalen Manifestation von Modellaspekten in der realen Welt (REP-D). Die Autoren fordern von dem Zusammen- hang zwischen REP-P und REP-D jedoch ausschließlich, dass er „perceptually coupled“ sein müsse, die Koppelung also von den Benutzern als solche wahrgenommen werden müsse. Betrachtet man das runde Navigationstoken als REP-P und die Ausgabe am se- kundären Ausgabekanal als REP-D, so ist diese Koppelung feststellbar, da sich REP-D immer in direkter Abhängigkeit von REP-P verändert. Insofern ist das MCRpd-Modell nicht verletzt, das Werkzeug weist die von den Autoren als Kern-Charakteristika von Tangible User Interfaces bezeichneten Eigenschaften auf. Hinsichtlich der Kategorien von TUIs, die von den Autoren festgelegt werden, ist das System der Kategorie relational zuzuordnen. Das hier vorgestellte Werkzeug ist nicht spatial, da die Position der verwendeten Tokens relativ zum Referenzrahmen (der Tischoberfläche) keine spezifische Bedeutung haben. Die Bedeutung ist viel mehr in den Beziehungen der Tokens untereinander codiert, was wiederum für ein relationales System spricht. Gleichzeitig kann damit die Kategorie associative ausgeschlossen werden, da in Systemen dieser Art keine Beziehungen zwischen Tokens berücksichtigt werden. Da die Beziehungen zwischen Tokens nur digital und nicht physisch abgebildet werden, ist die Bedingung für ein konstruierendes System nicht erfüllt. Constructive ist das Werkzeug dann, wenn der Modellzustand vollständig durch physische Elemente und Verbindungen abgebildet ist. 311 10.7. Einordnung in den Tokens+Constraints Kontext Bewertung Das MCRpd-Modell ist ein im Vergleich zu anderen Ansätzen eher abstraktes, konzep- tuelles Modell zur Beschreibung eines Tangible User Interfaces. Trotzdem – oder auch deswegen – eignet es sich gut zur Reflexion der Eigenschaften eines TUIs bzw. zur Prü- fung der Konsistenz der vorgesehenen Benutzerinteraktionen. Das Werkzeug konnte in die Logik des Modells eingeordnet werden, wobei bei der Beschreibung der Interaktion zur Steuerung der Modellierungshistorie verstärkter Argu- mentationsbedarf herrschte. Dies kann auf eine möglicherweise zu schwache Kopplung zwischen REP-P und REP-D hinweisen. Tatsächlich wird bei der Kontrolle der Model- lierungshistorie auf der Tischoberfläche kein Feedback ausgegeben, ob das Steuerungs- Token erkannt wurde und in welchem Zustand es sich aktuell befindet. Die Kopplung kann etwa in Form einer Darstellung des aktuell dargestellten Zeitpunkts in der Model- lierungshistorie rund um das Kontroll-Token angezeigt werden. Dies würde die Kopplung zwischen den beiden Komponenten der Repräsentation verstärken. 10.7. Einordnung in den Tokens+Constraints Kontext Grundlage der Einordnung in diesem Abschnitt ist der Ansatz von Ullmer et al. (2005), der in Abschnitt 6.4.7 beschrieben wurde. Einordnung Eine unmittelbare Einordnung des hier vorgestelltenWerkzeugs in den Tokens+Constraints- Ansatz ist nicht möglich, da einerseits kein allgemeines Schema zur Betrachtung vorge- schlagen wird und das Werkzeug seiner Konzeption nach nicht dem Verständnis eines Tokens+Constraints-System nach Ullmer et al. (2005) entspricht. Dazu müsste es physi- sche Constraints aufweisen, die den Interaktionsraum der informationstragenden Tokens physisch einschränken. Das einzige nach dieser Definition identifizierbare Constraint des Werkzeugs ist der aktive Bereich der Tischoberfläche, die den Modellierungsraum be- schränkt. Diese Einschränkung ist aber im Vergleich zu den Beispielen für Constraints, die die Autoren angeben, eher wenig strikt und lässt viel Interaktionsraum. Am ehesten ist das vorliegende System als eine „interactive surface“ mit Aspekten ei- ner „constructive assembly“ zu klassifizieren. Die Qualifikation als „interactive surface“ ist ob der Interaktion mit physischen Blöcken auf einer digital augmentierten Oberfläche naheliegend. „Constructive assembly“-Aspekte sind im Bereich der Einbettung von infor- mationstragenden Tokens in Modellierungs-Tokens zu finden. Die Zuordnung wird dabei durch das Hineinlegen eines Tokens in ein anderes ausgedrückt, wodurch die konkrete Semantik in der Beziehung zwischen den beiden Tokens abgebildet ist. Generell wird die Semantik des abzubildenden Modells in der räumlichen und logischen Konfigurati- 312 10.7. Einordnung in den Tokens+Constraints Kontext on der Modellierungs-Tokens zueinander abgebildet, was ebenfalls einem „constructive assembly“-Aspekt entspricht. Nicht unmittelbar in Zusammenhang mit dem Tokens+Constraints-Ansatz stehen die fünf Fragen von Bellotti et al. (2002), die beim Design einer Benutzungsschnittstelle berücksichtigt werden sollten. In Ullmer et al. (2005) werden diese Fragen für den dort vorgestellten Ansatz beantwortet, an dieser Stelle sollen sie im Lichte des hier vorge- stellten Systems betrachtet werden. Address Das System interpretiert alle Interaktionen, die mit Modellierungs- oder Werk- zeugtokens unmittelbar auf der Tischoberfläche ausgeführt werden, als an es ge- richtet. Andere Interaktionen werden ignoriert und können auch technisch nicht erfasst werden. Attention Der Einsatz jedes Tokens löst unmittelbar eine Reaktion auf den Ausgabe- kanälen des Systems aus. Benutzer erhalten also direktes Feedback auf erkannte Interaktionen. Eine Verzögerung zwischen Ein- und Ausgabe tritt lediglich bei der Markierung von Elementen auf, die zur Robustheit gegen Fehlerkennungen erst erfasst wird, wenn das Eingabe-Token länger als 500 ms vorhanden ist. Action Befehle an das System können generell an einem beliebigen Punkt der Ober- fläche abgesetzt werden, sofern es sich um allgemeine Kommandos handelt, die das Gesamtsystem betreffen. Befehle, die einem bestimmten Objekt zuzuordnen sind (z.B. Auswahl oder Verbindungsherstellung) werden durch räumliche Nähe zugeordnet. Alignment Nach Ausführung einer Aktion befindet sich das System immer in einem stabilen Zustand, anhand dessen Visualisierung die Benutzer erkennen können, ob die intendierte Aktion korrekt erkannt und ausgeführt wurde. Accident Missverständnisse zwischen System und Benutzern können auf unterschiedli- che Arten aufgelöst werden. Die erste Möglichkeit ist, Missverständnisse explizit durch die gegenteilige Interaktion rückgängig gemacht werden (z.B. Löschen ei- ner versehentlich hergestellten Verbindung). Mittels der Wiederherstellung eines gespeicherten Systemzustandes kann ein Missverständnis ebenfalls korrigiert wer- den. Bewertung Der Tokens+Constraints-Ansatz ermöglicht in der vorliegenden Form keine direkte Ab- bildung des Werkzeugs auf seine Konzepte. Wertvoller für die Betrachtung sind an dieser Stelle die Ordnungsschemata und Fragestellungen, die von Ullmer et al. (2005) im Kon- text des Ansatzes erarbeitet bzw. beantwortet werden. Von Interesse sind insbesondere die fünf Fragen für das Design von Benutzungsschnitt- stellen, die von (Bellotti et al., 2002) gestellt werden. Bei der Beantwortung dieser Fragen 313 10.8. Einordnung in das Framework nach Koleva et al. für das vorliegende System ist durchaus Verbesserungspotential zu identifizieren. Am of- fensichtlichsten zeigt sich das am Beispiel des Feedbacks des Systems an Benutzer über einen erkannten Interaktionswunsch. Hier kommt es beim Einsatz des Markierungsto- kens technisch bedingt zu Verzögerungen, die – ob der ansonsten unmittelbaren Reak- tion des Systems – Unsicherheit bei den Benutzern erzeugen kann. Auch die Auflösung von Missverständnissen ist im Moment sub-optimal gelöst, da in jedem Fall entweder Zeitverlust auftritt oder mindestens zwei Interaktionsschritte zur Korrektur einer Fehl- interpretation notwendig sind. Hier ist unter Umständen die Einführung einer expliziten „Undo“-Funktionalität sinnvoll. 10.8. Einordnung in das Framework nach Koleva et al. Grundlage der Einordnung in diesem Abschnitt ist der Ansatz von Koleva et al. (2003), der in Abschnitt 6.4.8 beschrieben wurde. Abbildung Das Framework eignet sich zur Einordnung einzelner Aspekte eines Tangible User Inter- faces. Aufgrund seiner Ausrichtung auf die Brücke zwischen realer und digitaler Welt ist es insbesondere für die Betrachtung der eingesetzten Tokens und deren Verwendung zur Repräsentation und Manipulation des Systemzustandes geeignet. In Tabelle 10.1 wer- den die Tokens in die Kategorien entlang des Kohärenz-Kontinuums eingeordnet und hinsichtlich der Eigenschaften ihrer Brückenfunktion in die digitale Welt betrachtet. Die Kardinalität wurde hier nicht gesondert betrachtet, da diese im vorliegenden Sys- tem immer 1:1 ist, also eine eindeutige Zuordnung zwischen realem Objekt und digitaler Repräsentation gegeben ist. Im Übrigen verzichten auch Koleva et al. (2003) auf die Ein- ordnung in diese Kategorie, da sie generell nur geringe Unterscheidungskraft aufweist. Hinsichtlich der „Source of Link“, die in der Tabelle ebenfalls nicht angegeben ist (und von den Autoren ebenfalls nicht verwendet wird), ist anzumerken, dass das Werkzeug durchaus einen Aspekt aufweist, bei dem der „Source of Link“ die digitale Welt ist. Im Rahmen der Wiederherstellungsunterstützung gibt das System Anweisungen zur Mani- pulation der realen Welt, wodurch sich der Informationsfluss umkehrt. Da jedoch kein physisches Element direkt manipuliert wird, ist eine Einordnung in das oben angeführte Schema nicht möglich (der Link ist lediglich indirekt vorhanden). Bewertung Das von Koleva et al. (2003) vorgeschlagene Framework ermöglicht die Klassifikation ei- nes Tangible Interface durch die Beurteilung der Stärke der Bindung zwischen digitaler 314 10.8. Einordnung in das Framework nach Koleva et al. Tabelle 10.1.: Beurteilung des Werkzeugs hinsichtlich des Degree of Coherence Element Kategorie Trans- for- mation Sensing of Interaction Konfig- urierbar- keit Lebens- dauer Auto- nomie Modell- ierungs- token Proxy lit. X-Y-Position und Rotation, Öffnungssta- tus fixiert temp. abh. einbett- bares Token Identifier transf. Präsenz, Con- tainer fixiert temp. unabh. Mark- ierungs- token Specialized Tool transf. X-Y-Position fixiert temp. unabh. Löschtoken Projection transf. Präsenz fixiert perm. unabh. Snapshot- token Specialized Tool transf. Präsenz fixiert perm. unabh. Historien- navigations- token Specialized Tool transf. Rotation fixiert perm. unabh. Wieder- herstellungs- token Specialized Tool transf. Präsenz fixiert perm. unabh. lit. . . . literally, transf. . . . transformed, konfig. . . . konfigurierbar, temp. . . . temporär, perm. . . . permanent, abh. . . . abhängig, unabh. . . . unabhängig 315 10.9. Spezifikation des TAC-Schemas nach Shaer et al. und realer Welt. Die Autoren nehmen damit eine zum Zeitpunkt der Publikation neue Perspektive ein, der bis dato noch keine große Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Durch die Vernachlässigung der Interaktion am Tangible User Interface bildet eine Analyse unter Einsatz der im Framework vorgeschlagenen Kategorien nur einen Teilaspekt des Gesamtsystems ab. Trotz dieser Einschränkung bietet das Framework ob seiner detail- lierten Betrachtung der Eigenschaften der Verknüpfung von physischen Objekten mit digitaler Information potentiell einen Mehrwert dar beim Design oder der Analyse von TUIs. Insbesondere ermöglicht das Framework nicht ausgeschöpftes Kohärenz-Potential zu identifizieren. Im konkreten Fall des hier vorgestellten Werkzeugs lässt sich das am Bei- spiel des Löschtokens zeigen. Dieses physisch durch einen Radiergummi repräsentierte Token wird im Moment lediglich als Schalter verwendet. Das System wird in den Lösch- modus versetzt, sobald das Token auf der Oberfläche erkannt wird. Das Token ist als Projection einzuordnen, die das Token mit der Information des aktivierten oder deakti- vierten Löschmodus verbindet. Obwohl hoch kohärent, ist das Token trotzdem subopti- mal eingesetzt, da es in der Praxis als Werkzeug wahrgenommen wird, das zum Löschen einer spezifischen Verbindung verwendet werden kann (Specialized Tool). An diesem Beispiel lassen sich zwei Aspekte zeigen, die bei der Verwendung des Frameworks be- achtet werden müssen. Zum einen ist hohe Kohärenz nicht für jeden Anwendungsfall erstrebenswert, da bei Werkzeugen im Allgemeinen eine nicht permanente Bindung ver- wendet wird. Zum anderen zeigt sich die Unvollständigkeit der Analyse mittels dem Framework, da die Metaphorik des physischen Elements, also seine Bedeutung in der Interaktion, nicht berücksichtigt wird. Beide Aspekte – Kohärenz und Metaphorik – be- rücksichtigt erst Fishkin (2004) in der von ihm vorgeschlagenen Taxonomie (siehe dazu die Abschnitte 6.4.11 und 10.11). 10.9. Spezifikation des TAC-Schemas nach Shaer et al. Grundlage der Einordnung in diesem Abschnitt ist der Ansatz von Shaer et al. (2004), der in Abschnitt 6.4.9 beschrieben wurde. Abbildung Das „Token and Constraints“-Schema (TAC) erlaubt es, ein Tangible Interface sowohl hinsichtliche dessen Struktur als auch dessen Verwendung zu beschreiben. In den Tabel- len 10.2 und 10.3 wird das Schema auf das hier vorgestellte Werkzeug angewandt. Jene Interaktionsabläufe, bei denen das System die Aktionen der Benutzer anleitet (z.B. bei der Unterstützung der Wiederherstellung) können in diesem Schema nicht ab- 316 10.9. Spezifikation des TAC-Schemas nach Shaer et al. Tabelle 10.2.: Spezifikation des Werkzeug mittels TAC-Schema – Teil 1 TAC Struktur Verhalten Token Constraint Variable Aktion Feedback 1 Modell- ierungs- Oberfläche Modell- element Auflegen Modellelement anzeigen token Bewegen Modellelement bewegen Entfernen Modellelement entfernen 2 einbett- bares Token Modell- ierungs- Modell- element Hinein- legen Daten einbetten token Heraus- nehmen Container- Kopplung aufheben 3 einbett- bares Token Regist- rierungs- kamera einbett- bares Modell- element Vor die Kamera halten ungebunden: Datenbindung auslösen; gebun- den: Gebundene Daten anzeigen 4 Markierungs- token Modell- ierungs- token Modell- element Neben Modell- ierungs- token platzieren Markierung an- zeigen 5 Markierungs- token Modell- ierungs- token, markiertes Modell- ierungs- token Verbindung Neben unmar- kiertem Modell- ierungs- token platzieren Verbindung her- stellen und an- zeigen 6 Tastatur markiertes Modell- ierungs- token Modell- element Tastatur- eingabe Benennung des markierten Mo- dellelements 317 10.9. Spezifikation des TAC-Schemas nach Shaer et al. Tabelle 10.3.: Spezifikation des Werkzeug mittels TAC-Schema – Teil 2 TAC Struktur Verhalten Token Constraint Variable Aktion Feedback 7 Tastatur Verbind- ungen, kein mar- kiertes Modell- ierungs- token zuletzt herge- stellte Verbin- dung Tastatur- eingabe Benennung der zuletzt hergestellten Verbindung 8 Löschtoken Oberfläche Modell- element Auflegen Löschmodus ak- tivieren Entfernen Löschmodus de- aktivieren 9 Snapshot- token Oberfläche Modell- ierungs- historie Auflegen Aktuellen Mo- dellzustand sichern, Blitz anzeigen 10 Historien- kontroll- token Oberfläche Modell- ierungs- historie Auflegen Letzten ge- speicherten Snapshot anzei- gen Drehen Durch die ge- speicherten Snapshots navi- gieren Entfernen Aktuelles Modell anzeigen 11 Wieder- herstellungs- token Oberfläche, vorhan- denes Historien- kontroll- token Modell- zustand Auflegen Aktuell ange- zeigten Snap- shot wiederher- stellen 318 10.10. Einordnung in die Kategorien von TUI-Anwendungen gebildet werden, da die Constraints keine physischen Objekte sondern lediglich projizierte Information sind. Bewertung Das TAC-Schema eignet sich für eine umfassende Spezifikation der Struktur und des Verhaltens eines Tangible User Interfaces. Das vorgeschlagene Schema geht jedoch (wie die meisten anderen Ansätze auch) davon aus, dass das TUI vor allem zur Informati- onseingabe verwendet wird und dass sich der Systemzustand und dessen Manifestierung am Interface in Abhängigkeit dieser Eingaben ändern. Nicht abbildbar sind Interaktio- nen, die vom System ausgelöst bzw. kontrolliert werden, bei denen also die Variable das aktive und nicht das manipulierte Element ist (im Gegensatz zum zuvor vorgestellten Degree of Coherence-Ansatz der mit der Source of Link-Eigenschaft explizit auf diesen Aspekt eingeht – siehe Abschnitt 6.4.8). Mit Ausnahme dieser Einschränkung eignet sich das TAC-Schema weitgehend für die Spezifikation des hier vorgeschlagenen Werkzeuges. Lediglich die Wiederherstellungs- unterstützung kann nicht abgebildet werden, da sie vom System gesteuert wird. Beim Einsatz zur Spezifikation eines TUI oder bei der Untersuchung desselben hinsichtlich möglichem Verbesserungspotential ist vor allem auf die möglichen Constraints eines Tokens zu achten. Dabei ist es hilfreich, unterschiedliche Constraints bezüglich der von ihnen vorgegebenen oder durch sie ermöglichten Aktionen zu betrachten. Als Beispiel im konkreten System kann wiederum das Löschtoken verwendet werden. Dieses wird in der aktuellen Implementierung mit dem Constraint „Oberfläche“ verwendet, um den Lösch- modus zu aktivieren (wenn es aufgelegt wird) bzw. zu deaktivieren (wenn es entfernt wird). Setzt man das Löschtoken nun in ein TAC mit dem Constraint „Verbindung“, ergeben sich neue Möglichkeiten der Interaktion. Ein Aufsetzen des Löschtokens auf eine Verbindung könnte diese unmittelbar löschen und würde so den notwendigen Interakti- onsablauf vereinfachen. Das mit diesem Constraint auch die Metapher des verwendeten Radiergummis sinnbringend verwendet wird, ist ein Nebeneffekt, der jedoch im TAC- Schema nicht repräsentiert wird. Vielmehr ist die Metaphorik Ausgangspunkt für eine sinnvolle und verständliche Auswahl möglicher Constraints für ein Token. 10.10. Einordnung in die Kategorien von TUI-Anwendungen Grundlage der Einordnung in diesem Abschnitt ist der Ansatz von Klemmer et al. (2004), der in Abschnitt 6.4.10 beschrieben wurde. 319 10.11. Einordnung in die Taxonomie von Fishkin Abbildung Das Werkzeug weist Aspekte einer spatial application auf, da es die Platzierung von phy- sischen Elementen auf einer Oberfläche als Grundlage der Interaktion mit dem System heranzieht. Da aber die Beziehung zwischen den Elementen sowohl für die Informati- onsrepräsentation als auch für die Steuerung des Systems wesentlich ist, ist auch eine Einordnung in die Kategorie topological application möglich. Letzendlich referenzieren manche physische Elemente auch auf digitale Information, was das Kriterium für die Einordnung in die Kategorie associative application ist. Lediglich die Kategorie Forms trifft nicht auf das hier vorgestellte Werkzeug zu. Bewertung Das hier vorgestellte Werkzeug lässt sich nicht eindeutig einer der von Klemmer et al. (2004) identifizierten Applikations-Kategorien zuordnen. Die (von den Autoren als sol- che bezeichnete) „Taxonomie“ eignet sich demnach nicht, um komplexere Systeme zu klassifizieren, die sowohl Informationsrepräsentation als auch Systemsteuerung durch physische Elemente abwickeln. 10.11. Einordnung in die Taxonomie von Fishkin Grundlage der Einordnung in diesem Abschnitt ist der Ansatz von Fishkin (2004), der in Abschnitt 6.4.11 beschrieben wurde. Abbildung Das in dieser Arbeit entwickelte Werkzeug überspannt aufgrund seiner vielfältigen In- teraktionsmöglichkeiten mehrere Ausprägungen in beiden von Fishkin vorgeschlagenen Dimensionen zur Klassifikation von Tangible Interfaces. Um eine umfassende und ins Detail gehende Einordnung vornehmen zu können, werden deshalb an dieser Stelle die Einzelaspekte des Systems betrachtet und eingeordnet. Während die Dimension „Em- bodiment“ bereits in Kapitel 8 betrachtet wurde um eine strukturierte Zuordnung der Ausgabekanäle vornehmen zu können, werden hier die einzelnen Funktionalitäten des Systems (siehe Abschnitt 7.3) jeweils beiden Dimensionen zugeordnet (siehe Tabelle 10.4) Beim Platzieren und Benennen von Modellelementen ist die Benennung auf zwei Ar- ten möglich, die unterschiedlich in die Taxonomie einzuordnen sind. Bei Benennung mittels Auswahl und Tastatur ist durch die Projektion der Benennung die Embodiment- Ausprägung „nearby“ zu wählen. Der Vorgang der Auswahl und Benennung kann als 320 10.11. Einordnung in die Taxonomie von Fishkin Tabelle 10.4.: Einordnung des Systems in die Taxonomie nach Fishkin Embodiment Metaphor Platzieren und Benennen von Mo- dellelementen distant, nearby (Tastatur), full (Haftnotiz) verb (Tastatur), verb + noun (Haftnotiz) Erstellen von Verbindern nearby verb bis noun+verb (Werkzeug- tokens), verb (räumliche Nähe) Löschen von Verbindern environmental bis nearby noun Einbetten von Information full noun + verb Abrufen von Information distant verb Erstellen von Snapshots environmental bis nearby none Navigation in der Modell-Historie distant verb Wiederherstellen eines Modell- Zustandes nearby noun + verb 321 10.11. Einordnung in die Taxonomie von Fishkin analog zur realen Welt gesehen werden, die eingesetzten Werkzeuge sind aber generi- scher Natur – Metaphor ist also als „verb“ zu klassifizieren. Bei der Benennung mittels Haftnotiz ist durch die unmittelbar auf den Tokens angebrachten Benennungen Embo- diment „full“. Der Vorgang des Beschriftens wird analog zur realen Welt durchgeführt, auch die Informationsträger (Haftnotizen) entsprechen jenen der realen Welt, Metaphor ist also „verb + noun“, wobei der notwendige Vorgang der expliziten Erfassung einer Beschriftung durch das System eine Klassifikation „full“ verhindert und sogar die Ein- stufung „noun + verb“ etwas abschwächt (keine Analogie des Vorgangs zur realen Welt). Zur Herstellung von Verbindern existieren ebenfalls zwei Möglichkeiten. In beiden Fäl- len ist durch die Projektion der Verbindung die Ausprägung in Embodiment „nearby“, sie unterscheiden sich jedoch hinsichtlich „Metaphor“. Bei der Verwendung von Werk- zeugtokens ist der Vorgang der Auswahl der Endpunkte analog zur realen Welt zu sehen und somit als „verb“ einzustufen. Die Verwendung von spezifischen Werkzeugtokens zur Herstellung gerichteter Verbinder zeigt sogar Züge von „noun + verb“, da die durch das Token dargestellte Pfeilspitze eine Analogie zur realen Welt bildet. Das Löschen von Verbindern wird durch das Lösch-Token vorgenommen. Dieses ist durch einen Radiergummi symbolisiert, der jedoch nicht als solche eingesetzt wird, son- dern das System nur in einen Löschmodus versetzt. Die Klassifikation in Metaphor ist demnach „noun“. Die Visualisierung des Löschzustandes erfolgt unspezifisch durch die Umfärbung der gesamten Tischoberfläche, womit ein Embodiment von „nearby“ oder „environmental“ (aufgrund der Unspezifität) gerechtfertigt ist. Einbetten von Information erfolgt durch die Verwendung der Modellierungstokens als Container und Hineinlegen von kleineren Tokens. Embodiment ist in diesem Fall „full“, da die Einbettung physisch nachvollzogen wird. Metaphor ist durch die Analogie des „Hineinlegens“ von Information in „Container“ in die Ausprägung „noun + verb“ ein- zuordnen. Das Abrufen von Information wird über den sekundären Ausgabekanal abgewickelt und ist daher in Embodiment als „distant“ einzuordnen. Der Vorgang des Herausnehmens von Information aus einem Container existiert analog zur realen Welt, das bei diesem Vorgang im Zentrum stehende Objekt, das einbettbare Token, ist jedoch generisch und weist nicht auf die Art der eingebetteten Information hin. Die Interaktion ist daher als „verb“ in Metaphor einzuordnen. Beim Erstellen von Snapshots wird die gesamte Tischoberfläche als Feedbackkanal genutzt. Insofern ist Embodiment wie im Falle des Löschens von Verbindern im Bereich „environmental“ bis „nearby“ anzusiedeln. Das Snapshot-Token selbst ist ein generisches Objekt, das keine Analogie zur realen Welt aufweist. Metaphor ist daher „none“. Die Navigation in der Modell-Hierarchie erfolgt mit dem runden Navigations-Token. Zur Ausgabe der gespeicherten Modell-Zustände wird der sekundäre Ausgabekanal ver- wendet. Embodiment ist deshalb „distant“. Metaphor beschränkt sich auf „verb“, da der 322 10.11. Einordnung in die Taxonomie von Fishkin Drehvorgang zur Navigation analog zum Einstellen einer Uhr erfolgt, das Token selbst aber bis auf seine runde Form generisch ist. Das Wiederherstellen eines Modellzustandes erfolgt durch spezifische Anweisungen auf der Modellierungsoberfläche. Embodiment ist also als „nearby“ einzustufen. Der Vor- gang der Wiederherstellung erfolgt durch Verschieben der Modellierungstokens, was im Wesentlichen analog zur realen Welt abläuft. Da unmittelbar die Objekte manipuliert werden, kann Metaphor als „noun + verb“ eingestuft werden. Bewertung Die Taxonomie nach Fishkin ermöglicht eine strukturierte Erfassung einzelner Aspekte eines Tangible User Interfaces. Die aussagekräftige Einordnung eines Gesamtsystems ist nur bei einfachen TUIs möglich, komplexe, mit vielen Interaktionsmöglichkeiten ausge- stattete Systeme tendieren dazu, einen großen Bereich der Taxonomie abzudecken. Für die detaillierte Betrachtung eines komplexen Gesamtsystems ist die Taxonomie dennoch geeignet, da aus den einzelnen Teileinordnungen für den jeweiligen Anwendungsfall ggf. Verbesserungspotentiale abgeleitet werden können. Zudem zeigt die Betrachtung des hier entwickelten Systems, dass ein die Taxonomie breit abdeckendes Gesamtsystem potenti- ell Inkonsistenzen im Interaktionsdesign aufweist bzw. dass in derartigen Fällen mehrere unterschiedliche Interaktionsparadigmen vermischt wurden. Vor allem „Ausreißer“ aus einem vorwiegend einheitlichen Gesamtbild weisen auf die Notwendigkeit der Betrach- tung hinsichtlich eines möglichen Redesigns wert. Konkret können diese Vermutungen im vorliegenden System vor allem an der Kon- zeption des Lösch-Tokens und des Snapshot-Tokens festgemacht werden. Der Großteil der Interaktionen mit dem System beinhaltet in der Dimension Metaphor den „verb“- Aspekt (zu etwa gleichen Teilen ausschließlich und in der Kombination mit „noun“). Die Funktionalitäten, die die beiden erwähnten Tokens einbeziehen, laufen diesem Trend entgegen und zeigen in Metaphor die Ausprägung „noun“ bzw. „none“. Tatsächlich zeigt sich in der Praxis, dass die Anwendbarkeit dieser Tokens von Benutzern missverstan- den bzw. nicht verstanden wird. Ein Redesign dieser Tokens mit expliziterer bzw. eher aktivitätsorientierter Metaphor ist deshalb untersuchenswert. Zusammenfassend ist die Taxonomie vor allem im Zusammenhang mit der Sicherung von konsistenter Interaktion an der Benutzungsschnittstelle sinnvoll anwendbar. Der Mehrwert des Ansatzes zeigt sich hier nicht so sehr in den absoluten Ausprägungen auf den beiden Dimensionen, sondern vielmehr in den relativen Unterschieden, die zwischen den einzelnen Teilen des Tangible User Interfaces auftreten. 323 10.12. Betrachtung im Lichte der Retrospektive von Ishii 10.12. Betrachtung im Lichte der Retrospektive von Ishii Grundlage der Einordnung in diesem Abschnitt ist der Ansatz von Ishii (2008), der in Abschnitt 6.4.12 beschrieben wurde. Einordnung Ishii (2008) spricht in seiner umfassenden Darstellung der Entwicklung des Forschungsge- biets „Tangible User Interfaces“ eine Vielzahl von Aspekten an, die der Konzeptbildung im Gebiet dienlich sind. Er spart jedoch Ansätze aus, die analytisch oder von Seiten der Spezifikation an TUIs herangehen. Trotzdem ist eine Einordnung in die unterschiedlichen angesprochenen Aspekte zum Teil möglich. Ein Großteil der Ergebnisse wurden ob des zusammenfassenden Charakters des Artikels bereits in früheren Abschnitten bearbeitet und argumentiert. Diese werden hier nur noch zusammenfassen erwähnt. Für die Einordnung des Systems in das MCRit-Framework sei an dieser Stelle auf die bis auf die veränderte Nomenklatur identische Betrachtung des MCRpd-Frameworks in Abschnitt 10.6 verwiesen. Hinsichtlich der Kategorisierung von TUIs ist das System identisch zu den in Abschnitt 10.7 Kategorien einzuordnen. Die bei Ishii (2008) angegebenen Kategorien stellen ledig- lich eine Erweiterung (bzw. Verbreiterung des Betrachtungsbereichs) der von Ullmer et al. (2005) identifizierten Kategorien dar. Die zusätzlichen Kategorien haben jedoch für das hier vorgestellte Werkzeug keine Relevanz, so dass eine weiterführende Neube- wertung unterbleiben kann. Die von Ishii angeführten grundlegenden Eigenschaften und Merkmale eines TUI er- möglichen in Ermangelung der Angabe von konkreten Merkmalsausprägungen oder Be- urteilungskriterien keine Einordnung des Werkzeugs. Die angegebenen Aspekte über- schneiden sich jedoch stark mit den Eigenschaften und Merkmalen der in Abschnitt 10.1 und 10.2 betrachteten Ansätze von Fitzmaurice et al. (1995) und Fitzmaurice (1996). Bewertung Die umfassende Retrospektive der Entwicklung des Forschungsgebiets der „Tangible User Interfaces“, die von (Ishii, 2008) vorgenommen wird, ermöglicht einen breiten Blick auf das aktuelle Feld und identifiziert außerdem nach wie vor offene Forschungs-Punkte. Für die Beurteilung eines TUI ist die Arbeit so wie die Ansätze, auf denen sie aufbaut und die sie integriert, nur bedingt geeignet. Dies liegt in der abstrakt-konzeptuell bleibenden Beschreibung der einzelnen Aspekte begründet, die eine Einordnung nicht ermöglicht. Detailaspekte eines Systems bleiben unberücksichtigt, Ziel des Artikels ist es nicht, eine 324 10.13. Zusammenfassung Analyse- oder Spezifikationsframework einzuführen (tatsächlich wird dies als einer der offenen Forschungspunkte genannt). Für das Werkzeug können aus oben genannten Gründen aus der Betrachtung im Lichte dieses Ansatzes keinerlei Potentiale für Verbesserungen abgeleitet werden. Die mögliche globale Einordnung des Gesamtsystems wurde bereits in anderen Abschnitten auf Basis der diesem Ansatz zugrunde liegenden Arbeiten vorgenommen und bringt an dieser Stelle keine neuen Erkenntnisse. 10.13. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde das hier vorgestellte Werkzeug in die in Abschnitt 6.4 beschrie- benen Ansätze zur konzeptuellen Betrachtung eines Tangible User Interface eingeordnet. Damit wurden zwei Zielsetzungen verfolgt. Einerseits sollten die vorgestellten Ansätze hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Eignung zur und Ausdrucksstärke bei der Beschreibung eines Tangible User Interfaces überprüft werden. Andererseits sollte aus der strukturier- ten konzeptuellen Betrachtung des Werkzeugs mögliche Inkonsistenzen in Design und Implementierung identifiziert werden und ggf. daraus Maßnahmen zur Verbesserung des Werkzeugs abgeleitet werden. Diese beiden Aspekte werden in den folgenden beiden Abschnitten getrennt betrachtet. 10.13.1. Eignung der konzeptuellen Ansätze zur Beschreibung von TUIs Ergänzend zu den in Abschnitt 6.4.13 beschriebenen Ausdrucksstärke der vorgestellten konzeptuellen Ansätze wird an dieser Stelle auf deren Eignung zur Beschreibung bzw. Spezifikation von Tangible Interfaces im praktischen Einsatz eingegangen. Auf das Ein- satzgebiet des strukturieren Vergleichs von TUIs wird hier nicht eingegangen, da dieser hier mangels verfügbarer Alternativsysteme nicht durchgeführt wurde. Jene Arbeiten, die in Abschnitt 6.4.13 als „auf das Gesamtsystem fokussierend“ einge- ordnet wurden, sind für die Beschreibung bzw. Spezifikation von TUIs nur bedingt geeig- net. Sie sind im Allgemeinen nicht dazu geeignet, auf Spezifika des Systems einzugehen und bleiben damit zu abstrakt um konkrete Aussagen hinsichtlich der Implementierung abzuleiten bzw. Verbesserungspotential identifizieren zu können. Einige Arbeiten weisen darüber hinaus aufgrund ihres Alters eine eher eingeschränktes Verständnis von TUIs auf und sind deshalb zur Beschreibung von aktuellen Systemen nur mit Einschränkungen geeignet (z.B. (Fitzmaurice, 1996)). Manche Arbeiten legen sich hinsichtlich des Referenzrahmens nicht explizit fest, so dass sie sowohl zu Beschreibung eines Gesamtsystems als auch für die Beschreibung 325 10.13. Zusammenfassung von Teilaspekten komplexerer Systeme eingesetzt werden können. Zu diesen zählen etwa (Koleva et al., 2003) und Fishkin (2004). Die übrigen betrachteten Arbeiten wählen die einzelnen Elemente eines TUI als Be- zugspunkt und beschreiben das Gesamtsystem als Ensemble von Teilaspekten. Diese Sichtweise nehmen explizit lediglich (Ullmer et al., 2005) (Abschnitt 10.7) und (Shaer et al., 2004) (Abschnitt 10.9) ein. Dabei eignet sich der erstgenannte Ansatz nur bedingt zur detaillieren Beschreibung von TUIs, da die vorgeschlagenen Beschreibungsdimensio- nen zu abstrakt bzw. wenig detailliert ausfallen. Für die Spezifikation von TUIs ist retrospektiv der TAC-Ansatz von Shaer et al. (2004) am besten geeignet. Dieser vereint die Beschreibung von Struktur und Verhalten des Systems und erlaubt so eine umfassende Spezifikation in einem vorgegebenen Schema. Zur Beschreibung eines TUI auf Ebene des konzeptuellen Designs bietet sich die Ta- xonomie für Tangible Interfaces nach Fishkin (2004) an, da diese – basierend auf einem breiten Verständnis von TUIs – umfassend die grundlegend notwendigen Designent- scheidungen für TUIs („Embodiment“ und „Metaphor“) anspricht. Die Anwendung der Taxonomie kann so den Designprozess strukturieren und die Erkennung etwaige Inkon- sistenzen in der Konzeption bereits vor der Umsetzung ermöglichen (siehe dazu auch Abschnitt 8 bzw. (Oppl, 2009b)). 10.13.2. Verbesserungspotential für das Werkzeug Für das Werkzeug selbst konnten im Rahmen der konzeptuellen Einordnung mehrere Aspekte identifiziert werden, die einer Verbesserung bedürfen oder mögliche Erweite- rungspunkte aufzeigen. Die konzeptuell begründbaren Schwachpunkte sind: • die Diskrepanz zwischen durch das verwendete physische Objekt suggerierte Ver- wendung des Lösch-Tokens und seiner tatsächlichen Funktionalität (begründbar aus (Underkoffler und Ishii, 1999) – siehe Abschnitt 10.5 –, (Koleva et al., 2003) – siehe Abschnitt 10.8) –, (Shaer et al., 2004) – siehe Abschnitt 10.9) – und (Fishkin, 2004) – siehe Abschnitt 10.11) • die schwache Kopplung zwischen physischem Werkzeug und digitaler Repräsenta- tion bei der Navigation durch die Modellierungshistorie – auf der Oberfläche wird kein Feedback zur physisch durchgeführten Aktion dargestellt, lediglich der sekun- däre Ausgabekanal zeigt den Zustand an (aus (Ullmer und Ishii, 2000) – siehe Abschnitt 10.6) • das Auftreten von Verzögerungen zwischen physischer Aktion und digitalem Feed- back (aus (Bellotti et al., 2002) – siehe Abschnitt 10.7) • das Fehlen einer expliziten, funktional ungebundenen und mittels einer einfachen Interaktion auszulösenden Undo-Funktion (aus (Bellotti et al., 2002) – siehe Ab- schnitt 10.7) 326 10.13. Zusammenfassung • die fehlende Verständlichkeit des Snapshot-Tokens, dessen physische Form keinen Hinweis auf dessen Funktion liefert (aus (Fishkin, 2004) – siehe Abschnitt 10.11) Zusätzlich wurden folgende Erweiterungsmöglichkeiten wurden identifiziert: • eine Erweiterung um funktional explizit belegte physische Interaktionsbereiche am Werkzeug (trays) um etwa das Anbinden von Information komfortabler zu gestal- ten („trays“ im Sinne von (Ishii und Ullmer, 1997) – siehe Abschnitt 10.3) • die Verwendbarkeit frei wählbarer Tokens auch aus der Domäne der Benutzer zu- sätzlich zu den vorhandenen abstrakten Modellierungs-Tokens (aus (Holmquist et al., 1999) – siehe Abschnitt 10.4) Die identifizierten Schwachpunkte wurden auch im Rahmen der in den folgenden Ab- schnitten beschriebenen empirischen Evaluierung berücksichtigt und hinsichtlich ihres tatsächliches Auftretens überprüft. Tatsächlich auftretende Schwachstellen wurden zum Teil auch überarbeitet und einer erneuten Evaluierung unterzogen. Bei diesen Überar- beitungen wurden jeweils die aus den konzeptuellen Arbeiten ableitbaren Verbesserungs- maßnahmen als Grundlage herangezogen, so dass auch deren Eignung für die Spezifika- tion von TUIs einer Beurteilung unterzogen werden kann. 10.13.3. Beitrag zur globalen Zielsetzung Dieses Kapitel stellt den ersten Schritt zur Prüfung der Effektivität der Unterstützung von „Articulation Work“ dar und trägt somit zur Beantwortung der Fragestellung 6 („Er- möglicht das Instrument die effektive Durchführung von expliziter Articulation Work?“) bei, indem es die zu erwartende Verwendbarkeit des Werkzeugs zur Umsetzung der Me- thodik im Kontext von „Articulation Work“ auf Basis konzeptueller Überlegungen aus der Literatur prüft. Die konzeptuelle Basis wurde im Rahmen der Bearbeitung von Fra- gestellung 5 bereits in Kapitel 6 erfasst. 10.13.4. Weitere Verwendung der Ergebnisse Die identifizierten Schwachstellen wurden auch im Rahmen der in den folgenden Ab- schnitten beschriebenen empirischen Evaluierung berücksichtigt und hinsichtlich ihres tatsächliches Auftretens überprüft. Tatsächlich auftretende Schwachstellen wurden zum Teil auch überarbeitet und einer erneuten Evaluierung unterzogen. Bei diesen Über- arbeitungen wurden jeweils die aus den konzeptuellen Arbeiten ableitbaren Verbesse- rungsmaßnahmen als Grundlage herangezogen. Diese werden in Schlussbetrachtungen nochmals den empirisch identifizierten verbesserungswürdigen Aspekten des Werkzeugs gegenüber gestellt. Neben einem Beitrag zur Prüfung der Effizienz ermöglicht diese Ar- beit dadurch auch eine Einschätzung der Eignung der erfassten konzeptuellen Ansätze zur Spezifikation bzw. Prüfung von Tangible Interfaces. 327 11. Überblick über die empirische Untersuchung In diesem Kapitel wird ein Überblick über die in dieser Arbeit durchgeführte empirische Untersuchung gegeben. Dabei wird auf die einzelnen zu untersuchenden Aspekte, deren theoretische Grundlagen und die Durchführung der Untersuchung eingegangen. Abbil- dung 11.1 stellt dieses Kapitel und dessen Aufbau im Kontext der anderen inhaltlich vor- und nachgelagerten Kapitel dar. Abbildung 11.1.: Kapitel „Überblick über die empirische Untersuchung“ im Gesamtzu- sammenhang Die im Rahmen der empirischen Evaluierung zu untersuchenden Aspekte sind Gegen- stand des ersten Abschnitts. Neben einer wiederholenden grundlegenden Betrachtung werden hier die jeweiligen Untersuchungsfragen festgelegt. Eine nähere Betrachtung der einzelnen Aspekte, die Festlegung der Methodik und deren Operationalisierung im Rah- men des konkreten Untersuchungsdesigns erfolgt im Rahmen der übrigen Kapitel in diesem Teil der Arbeit. 328 11.1. Zu untersuchende Aspekte Im zweiten Abschnitt wird ein Überblick über das globale Untersuchungsdesign gege- ben. Auf Basis der zu evaluierenden Aspekte werden die konkret durchgeführten Teile der Evaluation (im Folgenden: „Evaluierungsblöcke“) beschrieben und den Aspekten zu- geordnet. Diese Evaluierungsblöcke werden überblicksweise hinsichtlich der intendierten Ziele, der Aufgabenstellung und der jeweiligen Anzahl der Teilnehmer beschrieben. Die Beschreibung bildet die Grundlage für die Beschreibung der Evaluierung der zu prüfen- den Aspekte in den folgenden Kapiteln. 11.1. Zu untersuchende Aspekte Die Untersuchung der effektiven Unterstützung von expliziter „Articulation Work“ be- dingt die Konkretisierung des Effektivitäts-Begriff. Grundsätzlich wird ArticulationWork immer im Zusammenhang mit einem konkreten Arbeitsprozess (der „Production Work“) bzw. mit einer in diesem aufgetretenen problematischen Situation durchgeführt. Die Wir- kung von „Articulation Work“ zeigt sich an damit unmittelbar an der „ProductionWork“ und an den in diesem beteiligten Individuen. „Articulation Work“ ist dann effektiv, wenn die beteiligten Personen die Situation nicht mehr als problematisch wahrnehmen und die „Production Work“ (wieder) ohne Hindernisse durchgeführt werden kann. Eine Voraus- setzung zur Durchführung effektiver expliziter „Articulation Work“ ist aus methodischer Sicht die Durchführung der kooperativen Modellbildung, die zur Abstimmung der indi- viduellen mentalen Modelle über die Production Work verwendet wird. Hinsichtlich der kooperativen Modellbildung ist als Voraussetzung der effektiven Unterstützung explizi- ter „Articulation Work“ die Fähigkeit des Instruments zu sehen, die zur Durchführung der Modellbildung notwendigen Schritte für die beteiligten Individuen verständlich und benutzbar zu unterstützen. An dieser Konkretisierung des Begriffs der Effektivität zeigt sich, dass zur Bestätigung der effektiven Wirkung des Instruments an mehreren Stellen erfolgen muss. Im Zuge der Evaluation der Ergebnisse dieser Arbeit müssen einerseits die Erfüllung der Vorausset- zungen zur effektiven Unterstützung expliziter „Articulation Work“ einzeln betrachtet werden; andererseits muss die Effektivität anhand der Wirkung der „Articulation Work“ selbst bestätigt werden. Die drei zu untersuchenden Aspekte werden durch folgende Un- tersuchungsfragen abgedeckt: • Sind das Werkzeug und dessen Komponenten verständlich und wie intendiert ein- setzbar? (Aspekt: Verwendbarkeit des Instruments) • Unterstützt das Instrument die kooperative Modellbildung? (Aspekt: Kooperative Modellbildung) • Unterstützt das Instrument Articulation Work? (Aspekt: Wirkung) 329 11.1. Zu untersuchende Aspekte Die Detaillierung der Fragestellungen ist in den folgenden Abschnitten beschrieben. Die Beschreibung der zu prüfenden Hypothesen sowie die Operationalisierung der Un- tersuchungsfragen erfolgt in den Kapitel 12 bis 14. 11.1.1. Evaluierung der Verwendbarkeit des Werkzeugs Die Evaluierung des Werkzeugs an sich beschäftigt sich mit der Beantwortung der ersten Untersuchungsfrage. Diese zielt auf die Verständlichkeit des Werkzeugs im weiteren Sinn ab. Unter „Verständlichkeit im weiteren Sinn“ ist hier zu verstehen, dass einerseits ge- prüft werden muss, ob die Bedeutung und grundlegende Verwendung der Komponenten des Werkzeugs von Benutzern erfasst und verstanden werden und ob andererseits die Interaktionsabläufe, die zur Auslösung bzw. Abwicklung einer Funktion des Werkzeugs führen, für Benutzer verständlich und nachvollziehbar sind. Neben der quantitativen Bewertung anhand dieser Metriken ist bei der Untersuchung dieses Aspektes vor allem auch das qualitative Feedback der Benutzer notwendig, um Ansatzpunkte zur Verbesserung der Verwendbarkeit des Werkzeugs zu erhalten. Die- se Anregungen können im Sinne eines iterativen Designprozesses umgesetzt und deren Auswirkungen erneut einer Evaluierung unterzogen werden. Neben der Erhebung dieser zusätzlich funktionalen Anforderungen für einen iterativen Designprozess sind in diesem Zusammenhang auch Hinweise hinsichtlich nicht-funktionaler Aspekte des Systems zu berücksichtigen, die der Verwendbarkeit negativ beeinflussen bzw. auch unkritisch sein können. Die Verwendbarkeit des Werkzeugs kann nicht entkoppelt von der Anwendungsdomäne betrachtet werden, muss also im Kontext der Aufgabe, für die es eingesetzt wird, gesehen werden. Das Werkzeug ist zwar grundsätzlich für die Repräsentation beliebiger diagram- matischer Modelle ausgelegt, eignet sich aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen jedoch nicht gleich gut für alle möglichen Anwendungsfälle (so sind z.B. ausschließlich Verbindungen mit zwei Endpunkten erstellbar, Verbindungen mit mehr Endpunkten werden nicht unterstützt). Die Prüfung der Verwendbarkeit des Werkzeugs kann hier fo- kussiert auf die in dieser Arbeit verfolgten Anwendungsfälle durchgeführt werden, die im Bereich der konzeptuellen Netze (im Wesentlichen Varianten von Concept Maps) und im Bereich der Abbildung von Arbeitsvorgängen (im Wesentlichen kausale Zusammenhänge mit Kontextinformation) zu finden sind. Die Unterstützung anderer Anwendungsfälle ist möglich und unter Umständen erstrebenswert, stellt jedoch kein Beurteilungskriterium dar. 11.1.2. Evaluierung der Modellbildung Der zweite zu evaluierende Aspekt sind die mit dem Werkzeug erstellten Modelle, die als Mittel zur Durchführung expliziter „Articulation Work“ dienen. Die Untersuchung 330 11.1. Zu untersuchende Aspekte dieser Frage trägt damit unmittelbar zur Klärung der in der Detaillierung der Zielsetzung (siehe Abschnitt 1.1) formulierten Frage „Welche Auswirkungen hat die Verwendung des Werkzeugs während der Durchführung der Articulation Work?“ bei. Eine wesentliche Eigenschaft, die Modelle als Mittel zur Durchführung expliziter „Ar- ticulation Work“ aufweisen müssen, ist die Adäquatheit der Modellierungssprache hin- sichtlich der durch die Benutzer zu repräsentierenden Information. Diese Eigenschaft wird in der vorliegenden Arbeit durch die in Kapitel 3 beschriebene Anforderung der semantischen Offenheit abgedeckt, der jedoch vor allem hinsichtlich der intersubjektiven Verständlichkeit der Modelle und deren Eindeutigkeit nicht nur Vorteile bringt. Grund- legend ist in dieser Phase zu evaluieren, ob die erstellten Modelle den im Rahmen des Einsatzes zur Unterstützung von „Articulation Work“ intendierten Zweck erfüllen. Dabei sind sowohl das Modell als auch das (hier von den Benutzern festgelegte) Metamodell zu betrachten. Anhaltspunkte zur Identifikation der zu evaluierenden Objekte sowie zum Vorgehen bieten hier der Ansatz der „Interactive Process Models“ (Jørgensen, 2004) und die „Grundsätze der ordnungsgemäßen Modellierung“ (Becker et al., 2000) sowie von diesen Arbeiten abgeleitete Ansätze. Die eben beschriebenen Ansatzpunkte erlauben eine Evaluierung der erstellten Model- le hinsichtlich der Abbildbarkeit der Kernaspekte von „Articulation Work“ im engeren Sinne (Strauss’ „salient dimensions“: „who, where, when, what and how“ (Fjuk et al., 1997)), decken also im Wesentlichen eine an organisationalen Abläufen orientierten Sicht auf Modelle ab. Im Sinne der Offenheit der Abbildung müssen aber auch Modelle berück- sichtigt werden, die nicht diese „salient dimensions“ zur Grundlage haben, also „Concept Maps“ (Novak und Cañas, 2006) im allgemeinen Sinn sind und damit die Abbildung mentaler Modelle nicht nur über unmittelbare Arbeitsaspekte sondern über beliebige Sachverhalte erlauben (Ifenthaler, 2006). Dabei sind Metriken notwendig, die die erstell- ten Modelle selbst betrachten und deren Eigenschaften und Verwendung beim Concept Mapping bzw. im Rahmen von Strukturlegetechniken berücksichtigen. Wie bereits im letzten Abschnitt angeführt, ist auch bei diesem Aspekt der Evaluierung der in dieser Arbeit verfolgte Anwendungszweck des Werkzeugs (bzw. hier: der Modelle) zu berücksichtigen. Dies ist insofern ein einschränkender Faktor, als dass hier Model- le lediglich im Kontext der Externalisierung mentaler Modelle und zur Unterstützung von „Articulation Work“ berücksichtigt werden. Das Werkzeug selbst erlaubt auch die Erstellung von Modellen zu anderen Anwendungszwecken, die jedoch hier nicht weiter berücksichtigt werden. 11.1.3. Evaluierung der Effekte der Articulation Work Letztendlich muss auch die durchgeführte „Articulation Work“ selbst beurteilt werden. Dabei wird entsprechend der in Abschnitt 1.1 formulierten Frage „Welche Auswirkun- gen hat die Verwendung des Werkzeugs auf die beteiligten Personen in der Production 331 11.2. Globales Untersuchungsdesign Work?“ die Wirkung der durchgeführten „Articulation Work“ auf die beteiligten Perso- nen im Kontext ihrer Arbeitstätigkeit untersucht. In der Literatur zum Thema „Articulation Work“ werden zumeist lediglich das Phäno- men „Articulation Work“ und dessen konkrete Ausprägungen beschrieben (siehe Kapitel 2), Ansätze zur Bewertung des Erfolgs von „Articulation Work“ sind jedoch selten zu finden. Aus der Verschränkung zwischen „Articulation Work“ und „Production Work“, also jenem Anteil der Arbeit, der unmittelbar der Zielerreichung dient, die von mehreren Autoren, unter anderem Fujimura (1987) und Strauss (1993), erwähnt wird, lassen sich jedoch Ansatzpunkte ableiten. „Articulation Work“ tritt immer dann auf, wenn eine Zielerreichung in der „Production Work“ aufgrund von Unklarheiten oder Problemen zwischen den beteiligen Individuen nicht möglich ist. Ein erfolgreicher Abschuss der „Production Work“ bei am Beginn oder während der Arbeit bestehenden Unklarheiten weist also auf erfolgreich durchgeführte „Articulation Work“ hin. „Articulation Work“ manifestiert sich im Arbeitsprozess auf unterschiedliche Arten, so dass bei der Evaluierung hinsichtlich der Auswirkungen des Werkzeugs diese von den übrigen Einflussfaktoren (also auf anderen Wegen durchge- führte „Articulation Work“) getrennt werden muss. Dazu ist eine Betrachtung des ge- samten Arbeitsablaufs unter Berücksichtigung von Production und „Articulation Work“ notwendig. Metriken, die bei der Bewertung des Erfolgs von „Articulation Work“ zu berücksichtigen sind, sind also einerseits im Ergebnis des Arbeitsprozesses, andererseits auch im Arbeitsprozess selbst zu finden. Ein zweiter Ansatzpunkt zur Bewertung des Erfolgs von „Articulation Work“ liegt in den Aussagen von Strauss (1993) hinsichtlich der wahrgenommenen ”Problematik” einer Arbeitssituation, die „Articulation Work“ notwendig macht. Diese Wahrnehmung ist in- dividueller Natur, d.h. „Articulation Work“ ist dann notwendig, wenn zumindest einer am Arbeitsablauf beteiligten Person Aspekte der Arbeit unklar sind oder als proble- matisch wahrgenommen werden. Im Gegenzug ist keine „Articulation Work“ notwendig bzw. diese abgeschlossen, wenn alle beteiligten Personen die Situation als unproblema- tisch empfinden bzw. mit den im Rahmen der (expliziten) „Articulation Work“ erzielten Ergebnissen zufrieden sind. Hier liegt der Ansatzpunkt für eine Evaluierung des Erfolgs der durchgeführten „Articulation Work“, der diese auf Basis der individuellen Wahrneh- mungen der beteiligten Personen beurteilt. 11.2. Globales Untersuchungsdesign Die oben beschriebenen Aspekte müssen nun im Rahmen einer empirischen Untersu- chung geprüft werden. Während das detaillierte Untersuchungsdesigns in den folgenden Kapiteln, die sich jeweils einem der drei zu evaluierenden Aspekte widmen, beschrieben 332 11.2. Globales Untersuchungsdesign wird, wird an dieser Stelle ein Überblick über das globale Untersuchungsdesign und die im Rahmen der Evaluierung durchgeführten Anwendungen des Werkzeugs gegeben. Im ursprünglichen globalen Untersuchungsdesign war vorgesehen, jedem der zu un- tersuchenden Aspekte einen Block an Anwendungen des Werkzeugs mit einer auf den jeweiligen Aspekt abgestimmten Aufgabenstellung zuzuordnen. Nach Durchführung der ersten beiden Blöcke wurde offensichtlich, dass sich aus der Anwendung des Werkzeugs heraus zusätzliche Hypothesen ableiten ließen, die – um sie in der Evaluierung berück- sichtigen zu können – in einem späteren Block geprüft werden mussten. Außerdem wurde offensichtlich, dass vor allem zur Evaluierung des Werkzeugs in allen Blöcken Verbesse- rungspotential identifiziert werden konnte bzw. Anregungen der Anwender rückgemeldet wurden, die zum Teil im Rahmen des iterativen Entwicklungsprozesses in das Werkzeug einflossen und deren Wirkung in einem späteren Block erneut geprüft werden musste. Letztendlich wurden die Blöcke für die Evaluierung mehrerer bzw. aller Aspekte her- angezogen, sofern die jeweilige Aufgabenstellung geeignet war. Bei der nun folgenden Beschreibung der Anwendungs-Blöcke wird deshalb jeweils angegeben und begründet, inwieweit diese in die Evaluierung welcher Aspekte einfließen. Ein Überblick über das globale Untersuchungsdesign mit einer überblicksweisen Zuordnung zwischen den zu evaluierenden Aspekten und den Anwendungsblöcken wird in Abschnitt 11.4 gegeben. 11.2.1. Block 1: Technische Evaluierung Die Intention von Block 1 war die grundlegende Verständlichkeit und Verwendbarkeit des Werkzeugs zu prüfen. Fokus dieses Blocks an Anwendungen des Werkzeugs war also die Untersuchung der Eigenschaften des Werkzeugs selbst. Zusätzlich wurde hier explorativ die Wirkung des Werkzeugs auf die Modellierungstätigkeit und Kooperation der Anwender untersucht. Kontext Die Untersuchung wurde im Rahmen einer Diplomarbeit durchgeführt (Bohninger (2010)), wobei die Untersuchungen in keinen einheitlichen realen Arbeitskontext eingebettet wa- ren. Allerdings war die Aufgabenstellung so formuliert, dass die erstellten Modelle aus den Arbeitskontexten der jeweiligen Teilnehmer stammten. Aufgabenstellung und Ablauf Den modellierenden Teilnehmern wurde mitgeteilt, dass sie einen Aspekt aus ihrem täglichen Arbeits- oder Privatleben abbilden sollten, der regelmäßig auftritt oder bereits mehrmals für Probleme sorgte. Die bewusste Offenheit der Aufgabenstellung sollte dabei bewirken, dass sich die Teilnehmer nicht zu sehr auf den abzubildenden Sachverhalt, 333 11.2. Globales Untersuchungsdesign sondern eher auf den Abbildungsprozess selbst fokussierten. Die Modellbildung erfolgte jeweils individuell. Nur die Hälfte der Teilnehmer erstellte tatsächlich Modelle. Die zweite Hälfte wurde zur Überprüfung der Verständlichkeit der Modelle sowie der Verwendbarkeit des Werk- zeugs zur kooperativen Modellierung herangezogen. Dazu wurde nach Abschluss einer Modellbildung jeweils ein nicht modellierender Teilnehmer an die Modellierungsober- fläche gebeten und aufgefordert, die Abbildung zu interpretieren. Die Beurteilung der Adäquatheit dieser Interpretation erfolgte durch den ursprünglich modellierenden Teil- nehmer. In einer dritten Phase wurden beide Teilnehmer aufgefordert, das Modell gemeinsam zu reflektieren und gegebenenfalls zu verändern, um es den Ergebnissen der Reflexion anzupassen. In dieser Phase war das vorrangige Ziel, die Verwendung des Werkzeugs bei der Veränderung von Modellen und dessen kollaborativer Anwendung zu testen. Entsprechend dieser Beschreibung ist die Phase 1 dieses Blocks dem Anwendungssze- nario „Verfeinerung mentaler Modelle“ (siehe Abschnitt 4.3.1) zuzuordnen. Die Phasen 2 und 3 sind dem Anwendungsszenario „Wissenstransfer“ (siehe Abschnitt 4.3.2) zuzu- ordnen. Anwendungen und Teilnehmer Insgesamt wurden neun Anwendungen des Werkzeugs wie oben beschrieben durchge- führt. Zusätzlich wurde das Untersuchungsdesign im Rahmen von drei Anwendungen getestet (Pretest), woraus hinsichtlich der technischen Eigenschaften des Werkzeugs ebenfalls bereits Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Insgesamt nahmen also 24 Personen an diesem Block von Anwendungen teil, 6 davon in der Pretest-Phase. Die Teilnehmer (exkl. Pretest) stammten aus unterschiedlichen beruflichen Hinter- gründen und unterschieden sich auch in der Art der höchsten abgeschlossenen Ausbil- dung (7 Universität/FH, 7 Matura, 4 Lehrabschluss). Die Altersspanne lag zwischen 19 und 43 Jahren, 13 Teilnehmer waren weiblich, 11 männlich. Die Modellierungsphasen (exkl. Pretest) dauerten im Schnitt 8 Minuten (SD = 2m13s), die kürzeste Modellbildung dauerte 5 Minuten, die längste 12 Minuten. Die Interpretations- und Reflexionsphasen (nicht separat aufschlüsselbar, da zum Großteil ineinander über- gehend) dauerten im Schnitt 5 Minuten (SD = 1m45s). Verwendung der Ergebnisse Die Ergebnisse dieses Blocks flossen in die Evaluierung des Werkzeugs und in die Hypo- thesenbildung hinsichtlich der erstellten Modelle ein. Für die Evaluierung der Modelle konnten erste Erkenntnisse hinsichtlich der Verständlichkeit der mit offener Semantik 334 11.2. Globales Untersuchungsdesign gewonnen werden. Keine Ergebnisse brachte dieser Block für die Evaluierung der durch- geführten „Articulation Work“. 11.2.2. Block 2: Aushandlung von Zusammenarbeit 1 In Block 2 lag der Fokus der Evaluation erstmals auf der Unterstützung von „Articu- lation Work“. In diesem Rahmen wurden auch die Verwendbarkeit des Werkzeugs im praktischen Anwendungskontext und die Eigenschaften der erstellten Modelle sowie de- ren Rolle im Prozess der expliziten „Articulation Work“ untersucht. Kontext Block 2 wurde im Rahmen eines Seminars aus Wirtschaftsinformatik mit Studierenden dieser Studienrichtung durchgeführt. Die im Seminar zu erstellenden wissenschaftlichen Arbeiten wurden von den Studierenden in Gruppen zu 2-3 Personen ausgearbeitet. Die Gruppen wurden so gebildet, dass sich die Teilnehmer nicht persönlich kannten oder zumindest nicht bereits in anderen Kontexten zusammengearbeitet hatten. Ziel dieser Maßnahme war die Vermeidung der Verfälschung der Untersuchungsergebnissse durch bereits eingespielte Gruppen (Erfahrungen in Seminaren der Vorjahre zeigen tendentiell schlechtere Ergebnisse bei der Zusammenarbeit von einander nicht persönlich bekannten bzw. nicht eingespielten Teilnehmern). Im Rahmen des Seminars wurden sechs Forschungsgebiete ausgewählt, die in Zusam- menhang mit der Erstellung und Verwendung sozio-technischer Systeme stehen (konkret: Organisationales Lernen, eLearning, CSCW, Mentale Modelle, „Articulation Work“ und semantische Contentanreicherung). Den Gruppen wurden jeweils zufällig zwei dieser Themen zugewiesen, die Aufgabe für die wissenschaftliche Arbeit war das Finden und Beschreiben einer möglichen Verknüpfung oder eines möglichen Zusammenhanges zwi- schen diesen Themen. Dieser Zusammenhang sollte im Zentrum der Seminararbeit stehen und aus beiden Grundlagen-Themen argumentiert sein. Ziel dieser Maßnahme war es, die Seminararbeit so offen wie möglich zu gestalten und einen Themenfindungs- bzw. Konkretisierungsprozess in den Ablauf zu integrieren. Außerdem wurde so ein Szenario geschaffen, in dem sich eine strikte Arbeitsteilung der Gruppenteilnehmer ohne weitere Zusammenarbeit während der Ausarbeitung der Inhalte („Production Work“) potentiell auf das Ergebnis auswirkt und sich konkret der fehlenden oder schwachen Verknüpfung der Grundlagen-Themen zeigt. Aufgabenstellung und Ablauf Das Werkzeug wurde im Rahmen des Seminars für jede Gruppe zweimal eingesetzt. Die erste Anwendung fand zu Beginn des Seminars nach der Themenzuteilung statt. Die Auf- 335 11.2. Globales Untersuchungsdesign gabe war die Aushandlung der Modalitäten der Zusammenarbeit mit der Zielsetzung, dass an der resultierenden wissenschaftlichen Arbeit die Ko-Autorenschaft nicht mehr zu erkennen sein sollte (etwa durch plötzlich wechselnde Schreibstile oder Brüche in der Argumentationskette). Den Teilnehmern wurde das Werkzeug und dessen Funktionen vorgestellt und ohne weitere Vorgaben zur Verfügung gestellt (insbesondere wurden we- der Vorgaben hinsichtlich der Topologie des zu erstellenden Modells oder der Bedeutung der Modellierungselemente gemacht). In der zweiten Anwendung wurde der Zusammenarbeitsprozess reflektiert und gege- benenfalls eine Adaption vereinbart. Die zweite Anwendung fand in der Mitte des Se- mesters nach Abschluss der Literaturrecherche und der Grobkonzeption, aber vor der Erstellung der eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit statt. Konkrete Zielsetzung für die Teilnehmer war hier, auf Basis der bisherigen Erfahrungen die weitere Zusammenarbeit zu vereinbaren. Das Werkzeug wurde ohne neuerliche Vorstellung und ohne Vorgaben hinsichtlich der Verwendung zur Verfügung gestellt. Entsprechend dieser Beschreibung ist die erste Anwendung des Werkzeugs in die- sem Block dem Anwendungsszenario „Aushandlung mentaler Modelle“ (siehe Abschnitt 4.3.4) zuzuordnen. Die zweite Anwendung ist in das Anwendungsszenario „Abstimmung mentaler Modelle“ (siehe Abschnitt 4.3.3) einzuordnen. Anwendungen und Teilnehmer Insgesamt nahmen an diesem Block 19 Personen in 9 Gruppen zu 2 bzw. einmalig 3 Personen teil. Jede der Gruppen setzte das Werkzeug zweimal ein, wodurch insgesamt 18 Anwendungen die Grundlage für die Auswertung der Ergebnisse bilden. Die Teilnehmer waren allesamt Studierende der Wirtschaftsinformatik im zweiten Stu- dienabschnitt. 18 Personen waren männlich, eine weiblich. Vier Personen hatten inso- fern Erfahrung mit wissenschaftlichen Arbeiten bzw. den konkreten Anforderungen in der betreffenden Lehrveranstaltungen, als dass sie bereits zuvor eine Lehrveranstaltung gleichen Typs besucht hatten. In der ersten Runde dauerten die Anwendungen durchschnittlich 20 Minuten 50 Sekun- den (SD = 4 : 18), in der zweiten Runde lediglich 9 Minuten 49 Sekunden (SD = 5 : 20). Verwendung der Ergebnisse Die in diesem Block erhobenen Daten fließen in die Auswertung aller drei zu evaluie- renden Aspekte ein. Zur Auswertung hinsichtlich des Erfolgs von „Articulation Work“ liegen neben den Aufnahmen der Modellierungsvorgänge und den erstellten Modellen selbst auch Prozessreflexionen der Teilnehmer über den Erstellungsprozess der Semi- nararbeiten sowie die Seminararbeit an sich vor. Die Auswirkungen von „Articulation Work“ können also am Ergebnis (im Vergleich zu Ergebnissen auf Lehrveranstaltungen 336 11.2. Globales Untersuchungsdesign mit identischem Konzept) und am subjektiv wahrgenommenen Verlauf des Erstellungs- prozesses der Arbeit bewertet werden. Hinsichtlich der Auswertung des Modell-Aspektes wird durch diesen Block die Betrach- tung von Modellen ermöglicht, die im Kontext der Arbeitsabstimmung erstellt wurden, also im Wesentlichen der Definition von Vorgehen und Schnittstellen dienen. Untersucht werden hier Aufbau und Inhalt der Modelle, wobei besonderes Augenmerk auf dem Pro- zess und Ergebnis der Bedeutungszuweisung zu den Modellelementen liegt. Im Rahmen der Werkzeug-Evaluation bringt dieser Block die ersten Hinweise auf die Anforderungen an das Werkzeug bei der Verwendung desselben im Rahmen einer realen Aufgabenstellung. Außerdem wurde in diesem Block erstmals ein durchgängig kollabo- ratives Szenario eingesetzt, bei dem immer mindestens zwei Personen gleichzeitig das Werkzeug verwenden. 11.2.3. Block 3: Concept Mapping 1 Der Fokus von Block 3 lag auf der Erstellung von semantisch vernetzten Strukturen im Allgemeinen, wobei das Konzept der Concept Maps als ein etabliertes Werkzeug zur Externalisierung mentaler Modelle eingesetzt wurde. Inhaltlich fokussierte dieser Block nicht auf die Unterstützung von „Articulation Work“ im engeren Sinne, wohl aber auf die Externalisierung und Abstimmung mentaler Modelle, was wie in Kapitel 3 beschrieben ein Mittel zur Unterstützung expliziter „Articulation Work“ ist. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht in diesem Block also die Evaluierung der erstellten Modelle und der Nutzen des Werkzeugs zur Aushandlung einer einheitlichen auf einen gegebenen Sachverhalt. Kontext Der dritte Block wurde im Rahmen einer Lehrveranstaltung zur Schulung von Methoden der Prozess- und Kommunikationsmodellierung durchgeführt. Diese Lehrveranstaltung ist Teil der im Curriculum definierten Basiskompetenz Wirtschaftsinformatik und wird von Studierenden im zweiten bis dritten Studiensemester besucht. Im Rahmen der Lehrveranstaltung wurden drei unterschiedliche Prozessmodellierungs- sprachen (SeeMe (Herrmann et al., 2004a), Subjekt-orientierte Modellierung mittels JPass (Fleischmann, 2007) und EPK1s aus dem ARIS-Konzept (Scheer und Nuettgens, 2000)) eingeführt und praktisch an einem durchgängigen Beispiel angewandt. Diese Spra- chen unterscheiden sich sowohl im Anwendungsgebiet, in den abgebildeten Aspekten des realen Prozesses sowie in der Darstellungsform des Modells. Ziel der letzten Teilaufgabe, die unter Einsatz des hier vorgestellten Werkzeugs durchgeführt wurde, war bei den Stu- 1Ereignisgesteuerte Prozesskette 337 11.2. Globales Untersuchungsdesign dierenden ein Verständnis für die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen diesen Sprachen zu erzeugen und sie in die Lage zu versetzen, für einen gegebenen Anwen- dungsfall eine adäquate Sprache auszuwählen. Aufgabenstellung und Ablauf Die Aufgabe zur Erstellung der Concept Map umfasste zwei Teile, wobei im zweiten Teil das Tabletop Interface eingesetzt wurde. Die Aufgabenstellung lautete in beiden Teilen, eine Concept Map zu erstellen, die die als wesentlich wahrgenommenen Eigenschaften der vorgestellten Sprachen sowie deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede darstellt. In der ersten Phase war diese Aufgabe von den Studierenden individuell zu lösen, wobei die Concept Map auf Papier oder mit Hilfe des Werkzeugs CMapTools2 (Cañas et al., 2004) am Rechner erstellt werden konnte. In der zweiten Phase wurden Gruppen zu je drei Teilnehmern gebildet, die nun ihre individuellen Sichten konsolidieren und jeweils eine gemeinsame Concept Map zur glei- chen Aufgabenstellung unter Einsatz des hier vorgestellten Werkzeugs erstellen sollten. Die Gruppen wurden zufällig zusammengesetzt, den Teilnehmern war während der indi- viduellen Phase die Zuteilung nicht bekannt, so dass eine Abstimmung vor Anwendung des Werkzeugs weitgehend ausgeschlossen werden kann. Der zweite Teil der Aufgabenstellung in diesem Block, in dem das Werkzeug zur An- wendung gebracht wurde, entspricht damit einer Ausprägung des Anwendungsszenarios „Abstimmung mentaler Modelle“ (siehe Abschnitt 4.3.3). Anwendungen und Teilnehmer An den Anwendungen, die in diesem Block durchgeführt wurden, nahmen insgesamt 54 Personen teil, die in 18 Gruppen einmalig mit demWerkzeug arbeiteten. Alle Teilnehmer waren Studierende der Wirtschaftsinformatik im ersten Studienabschnitt (1-4 Semester), 8 waren weiblich, 46 männlich. Keinem der Teilnehmer war der Ansatz des Concept Mapping vor Beginn der betreffenden Aufgabe bekannt, Erfahrungen mit Prozessmodel- lierungssprachen (also dem Gegenstand der Concept Map) sammelten alle Teilnehmer erstmals im Rahmen der Lehrveranstaltung, in der dieser Evaluierungs-Block durchge- führt wurde. Den Teilnehmern wurde das Werkzeug vor Beginn der Anwendung demonstriert und in sämtlichen Anwendungsaspekten erklärt. Die Anwendungen selbst dauerten durch- schnittlich 32 Minuten 32 Sekunden (SD = 10 : 07), wobei die kürzeste Anwendung 14 Minuten, die längste 45 Minuten dauerte. 2http://cmap.ihmc.us 338 11.2. Globales Untersuchungsdesign Verwendung der Ergebnisse Die Daten, die aus diesem Block gewonnen werden konnten, gehen in die Evaluierung des Modell-Aspekts ein. Hier können einerseits wiederum die erstellten Modelle hinsichtlich Struktur, Inhalt und semantischen Zuweisungen untersucht werden. Der Modellierungs- gegenstand ist in diesem Fall jedoch anders gelagert als im vorhergehenden Fall, anstelle eines Arbeitsabstimmung ist hier ein Vergleich von Konzepten durchzuführen. Anderer- seits können hier die Abstimmungsprozesse der individuellen mentalen Modelle insofern betrachtet werden, als dass für jede Gruppe neben dem kooperativ erstellten Ergebnis auch noch die individuellen Concept Maps vorliegen und ausgewertet werden können. Wie bereits in den zuvor beschriebenen Blöcken können auch hier wieder Erkenntnisse hinsichtlich der Verwendung des Werkzeugs gewonnen werden. Aufgrund der der Aufga- be innewohnenden Relevanz der Verbindungen zwischen Konzepten ist vor allem deren Verwendung bzw. der Vorgang deren Erstellung zu betrachten. Der Aspekt „Articulation Work“ bleibt in diesem Block insofern außen vor, als dass kein Arbeitskontext vorliegt, keine aufzulösende Problematik vorliegt und keine Zusam- menarbeit auszuhandeln ist. Insofern wird dieser Aspekt in diesem Block nicht explizit behandelt. Aufgrund der Durchführung sämtlicher Schritte, die zur Unterstützung ex- pliziter „Articulation Work“ notwendig sind (Externalisierung, Abstimmung) können aber die einzelnen Anwendungen zur Hypothesenbildung für den Evaluierungs-Aspekt „Articulation Work“ herangezogen werden. 11.2.4. Block 4: Aushandlung von Zusammenarbeit 2 Block 4 deckt die erste Anwendung des Werkzeugs im realen Unternehmenskontext ab. Im Rahmen einer Diplomarbeit (Wahlmüller, 2010) wurde das Werkzeug zur Offenlegung unmittelbar relevanter bzw. urgenter Fragestellungen eingesetzt, die im Rahmen eines Workshops zu den Abläufen in und zur Struktur der IT-Abteilung einer Unternehmens- gruppe aus dem Bildungsbereich auftraten. Fokus dieses Blocks war die Untersuchung der Einsetzbarkeit des Werkzeugs im praktischen Kontext und dessen tatsächlicher Un- terstützungsleistung für „Articulation Work“. Dazu wurde neben der Begleitung der eigentlichen Modellierungssession in zeitlichem Abstand auch eine Erhebung der wahr- genommenen Wirkungen auf die Arbeitspraxis durchgeführt. Kontext Das Werkzeug wird im Kontext einer österreichweit tätigen Unternehmensgruppe im Aus- und Weiterbildungsbereich eingesetzt. Konkret kam das Werkzeug bei einem Work- shop zum Einsatz, der von der Abteilung für technisches Produkt- und Service-Management in der konzernweiten IT-Abteilung abgehalten wurde. Die Abteilung hat rund 30 Mitar- 339 11.2. Globales Untersuchungsdesign beiter, die sich in insgesamt 5 Unterabteilungen gliedern. Zusätzlich ist ein Mitarbeiter abteilungsweit für die Qualitätssicherung der Arbeitsabläufe verantwortlich. Dieser leite- te die Workshops, bei denen das Werkzeug zum Einsatz kam und führte in Abstimmung mit den jeweils betroffenen Kollegen die Themenauswahl durch. Aufgabenstellung und Ablauf In unterschiedlichen Konstellationen mit Gruppengrößen von 2 bis 6 Personen wurden an zwei Workshop-Terminen Themen aus dem täglichen Arbeitskontext behandelt. Dabei wurden zum Einen Unterabteilungs-interne oder -übergreifende Arbeitsabläufe abgebil- det und ausgehandelt, die als potentiell problematisch oder neu einzurichten wahrgenom- men wurden. Zum Anderen wurde die wahrgenommene Struktur einer Unterabteilung selbst und deren Außenbeziehungen abgebildet, reflektiert und zwischen den Mitgliedern derselben abgestimmt. Bei Aufgaben der ersten Kategorie begann die Bearbeitung jeweils mit der kooperati- ven Repräsentation des Ist-Standes und damit einem Abgleich der individuellen Sichten auf den aktuellen Arbeitsablauf. In weiterer Folge wurde anhand des Modells mögliches Optimierungspotential diskutiert und das Modell ggf. dementsprechend adaptiert. Bei der Darstellung der Struktur einer Unterabteilung wurden im ersten Schritt die relevanten organisationalen Einheiten und Rollen gesammelt und auf der Oberfläche platziert. In weiterer Folge war die Aufgabe die Zusammenhänge innerhalb der Unterab- teilung und deren Beziehungen nach außen durch räumliche Anordnung der definierten Einheiten sowie deren Kommunikationskanäle explizit durch Assoziationen darzustel- len. Ziel war eine Repräsentation des Ist-Zustands der Abteilung, die soweit abgestimmt wurde, dass alle Teilnehmer ihre individuelle Sicht auf das Modell abbilden konnten. Die unterschiedlichen Anwendungen in diesem Block sind entsprechend der obigen Beschreibung als Ausprägungen des Anwendungsszenarios „Abstimmung mentaler Mo- delle“ (siehe Abschnitt 4.3.3) zu betrachten. Anwendungen und Teilnehmer Am ersten Workshop-Tag nahmen insgesamt 6 Teilnehmer an 5 Modellierungsdurchgän- gen in Gruppen von 2 bis 5 Personen teil. Beim zweiten Workshop nahmen insgesamt 8 Teilnehmer an ebenfalls 5 Modellierungsdurchgängen teil. Insgesamt beschäftigten sich 8 Aufgaben mit konkreten Arbeitsabläufen, 2 Aufgaben widmeten sich der Struktur von Unterabteilungen. Die Gruppengröße variierte zwischen 3 und 6 Personen. 10 Teilneh- mer nahmen an mehr als einem Modellierungsdurchgang teil, eine Person war an beiden Workshop-Tagen beteiligt. Durch die Einbindung aller Unterabteilungen kamen Teilnehmer mit unterschiedlichem fachlichen Hintergrund zu Einsatz. Etwa die Hälfte der Teilnehmer war der Gruppe 340 11.2. Globales Untersuchungsdesign der Techniker oder Softwareentwickler zuzuordnen. Die andere Hälfte setzte sich aus Mitarbeiter im Support, Verkauf, Einkauf sowie der internen Verrechnung zusammen. Eine Teilnehmerin war weiblich, alle anderen Teilnehmer waren männlich. Allen Teilnehmern wurde einmalig das Werkzeug und dessen Bedienung vorgestellt. Die Modellierungsdurchgänge dauerten zwischen 25 Minuten und etwa 1,5 Stunden. Sämtliche Teilnehmer wurden nach ihrer letzten Teilnahme an einem Durchgang mit- tels einem Fragebogen sowohl nach der Nützlichkeit des Werkzeugs, als auch nach dem wahrgenommenen Nutzen des inhaltlichen Ergebnisses befragt. Um die mittelfristigen Auswirkungen der durchgeführten Modellierungsdurchgänge beurteilen zu können, wur- de acht Wochen nach dem zweiten Workshop erneut eine Befragung durchgeführt, in der die wahrgenommene Auswirkungen thematisiert wurden. Verwendung der Ergebnisse Die Daten, die das Ergebnis dieses Blocks bilden, werden zur Evaluierung des Aspekts „Articulation Work“ eingesetzt. Betrachtet werden dabei die wahrgenommenen und be- obachtbaren Veränderungen am Arbeitsprozess, der unter Einsatz des Werkzeugs reflek- tiert wurde. Neben diesem Aspekt werden auch die erstellten Modelle, die in diesem Fall wieder aus der Domäne der Arbeitsabstimmung stammen, betrachtet und hinsichtlich ihrer Struktur und Semantik ausgewertet. Der Werkzeug-Aspekt wird in diesem Teil der Untersuchung nicht gesondert betrach- tet, Verbesserungs- und Erweiterungspotential wird nur bei Erwähnung oder offensicht- lichen Bedienungsfehlern bzw. Verständnisschwierigkeiten explizit identifiziert. 11.2.5. Block 5: Concept Mapping 2 In Block 5 wird im Wesentlichen der Evaluierungs-Blocks 3 (siehe Abschnitt 11.2.3) in- haltlich erneut durchgeführt (die Modellierungsaufgabe ist identisch). Im Gegensatz zu Block 3, wo die grundlegende Eignung des Werkzeugs zum Concept Mapping im Mittel- punkt stand, wird in Block 5 eine vergleichende Studie durchgeführt, die die Eignung des Tabletop Interfaces zum kollaborativen Concept Mapping mit jener der rechner-basierten CMapTools (Cañas et al., 2004) vergleicht. Kontext Die Anwendungssituation ist in diesem Block identisch mit dem in Abschnitt 11.2.3 be- schriebenen Kontext (Lehrveranstaltung im CurriculumWirtschaftsinformatik zur Schu- lung von Ansätzen in der Prozess- und Kommunikationsmodellierung). 341 11.2. Globales Untersuchungsdesign Der Ablauf der Lehrveranstaltung unterschied sich nur insofern von jenem in Block 3, als dass für jede Modellierungssprache separat eine Reflexion in Gruppen zu zwei Stu- dierenden durchgeführt wurde. In diesen Reflexionen wurden die eigenen Anwendungen der jeweiligen Sprache mit einer Musterlösung gegenübergestellt und hinsichtlich ihrer Korrektheit und dem Vorgehen bei der Modellierung betrachtet. Aufgabenstellung und Ablauf Die Aufgabenstellung ist identisch mit jener in Block 3. Ziel ist es, drei in der Lehrver- anstaltung vorgestellte Prozessmodellierungssprachen hinsichtlich ihrer als wesentlich empfundenen Eigenschaften und deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu betrach- ten und in einer Concept Map abzubilden. Das Vorgehen unterscheiden sich jedoch wegen der unterschiedlichen Zielsetzung der Untersuchung von jenem in Block 3. Nach Abschluss der letzten Reflexionsphase (also nach drei Modellierungsphasen und drei Reflexionsphasen) wurde eine Gruppeneinteilung für die kollaborative Erstellung der Concept Map vorgenommen. Die Gruppen wurden aus jeweils zwei zufällig ausge- wählten Studierenden gebildet. In der Untersuchung erhielt die Hälfte der Gruppen den Aufgabe, die Aufgabenstellung unter Verwendung des Tabletop Interfaces durchzufüh- ren, die andere Hälfte verwendete das rechner-basierte Werkzeug CMapTools (Cañas et al., 2004), um die Concept Map zu erstellen. Die Gruppen wurden zufällig einem Werkzeug zugeordnet und führten die Aufgabenstellung in beiden Fällen kollaborativ in einer kontrollierten Umgebung durch. Im Gegensatz zu Block 3 entfiel hier die explizit geforderte individuelle Vorbereitungsphase, um eine stärkere inhaltliche Auseinanderset- zung mit den Inhalten während der Modellierung zu fördern. Wie bereits in Block 3 ist diese Aufgabenstellung eine Ausprägung des Anwendungs- szenarios „Abstimmung mentaler Modelle“ (siehe Abschnitt 4.3.3). Anwendungen und Teilnehmer An der Untersuchung nahmen 49 Studierende in 23 Gruppen teil, wobei 11 Gruppen die Aufgabenstellung unter Verwendung des hier vorgestellen Werkzeugs und 12 Gruppen unter Verwendung der CMapTools durchführten. Die Teilnehmer waren allesamt Studie- rende der Wirtschaftsinformatik in der ersten Phase des Bakkelauratsstudiums (erstes bis drittes Semester), 40 Teilnehmer waren männlich, 9 weiblich. Keiner der Teilnehmer hatte Vorkenntnisse in der Prozessmodellierung oder im Concept Mapping. Den Teilnehmern wurde das Werkzeug vor Beginn der Anwendung demonstriert und in sämtlichen Anwendungsaspekten erklärt. Die Anwendungen selbst dauerten im Fall der Durchführung mittels CMapTools durchschnittlich 41 Minuten 10 Sekunden (SD = 8 : 34), wobei die kürzeste Anwendung 30 Minuten 16 Sekunden, die längste 54 Minuten dauerte. Im Fall der Durchführung am hier vorgestellten System betrug die Modellie- 342 11.3. Eingesetzte Werkzeuge und Verfahren rungsdauer im Schnitt 34 Minuten 18 Sekunden (SD = 9 : 11), wobei die kürzeste Anwendung 21 Minuten, die längster 54 Minuten dauerte. Verwendung der Ergebnisse Die in diesem Block erhobenen Daten fließen vorrangig in den Modell-Aspekt der Eva- luierung ein. Hier wird eine vergleichende Studie durchgeführt, die das Ziel hat, die Eignung der beiden verwendeten Ansätze für die Externalisierung von mentalen Model- len gegenüberzustellen. Grundlage dieser Beurteilung ist das erstellte Modell, außerdem wird der auch Modellierungsprozess in der Auswertung berücksichtigt. Hinsichtlich des Werkzeug-Aspekts wird in diesem Block neben der Identifikation von Verbesserungspotential und Verständnisschwierigkeiten auch die Zufriedenheit mit dem Werkzeug bzw. dessen Akzeptanz bei den Benutzern explizit erhoben. Der Aspekt „Articulation Work“ wird hier wie schon in Block 3 und aus den dort angeführten Gründen (siehe Abschnitt 11.2.3) nicht weiter berücksichtigt. 11.3. Eingesetzte Werkzeuge und Verfahren Für die Erfassung und Auswertung der erhobenen Daten kamen unterschiedliche Werk- zeuge zum Einsatz. Grundsätzlich wurden sämtliche Anwendungen des Tabletop Inter- face auf Video erfasst, um eine nachträgliche quantitative und qualitative Auswertung zu ermöglichen. In den Evaluierungsblöcken 1, 4 und 5 kamen aufgrund der Fragestel- lung außerdem Fragebögen zur Erhebung des Vorwissens bzw. der Erfahrungen bei der Benutzung des Werkzeugs zum Einsatz. Die Auswahl bzw. das Design dieser Fragebö- gen ist abhängig von den jeweils zu testenden Hypothesen und wird dementsprechend im Rahmen der Beschreibung des Untersuchungsdesigns in den folgenden Kapiteln be- schrieben. In allen Anwendungen wurden zudem die Modellierungsergebnisse graphisch festgehalten. Sämtliche erfassten Daten wurden vor der Auswertung digital aufbereitet. Videos wur- den als Mediendateien im MPEG4-Format abgelegt, Fragebögen wurden gescannt und im PDF-Format abgelegt, die graphischen Repräsentationen der Modellierungsergebnis- se liegen als Bilddateien im PNG- bzw. JPEG-Format vor. Die Rohdaten wurden einer quantitativen sowie qualitativen Auswertung unterzogen. Die dazu eingesetzten technischen Werkzeuge und methodischen Ansätze werden in den folgenden Abschnitten näher betrachtet. 343 11.3. Eingesetzte Werkzeuge und Verfahren 11.3.1. Werkzeuge Zur Erfassung der quantitativen Daten wurde Microsoft Excel 20073 verwendet. Die deskriptiven statistischen Parameter wurden ebenfalls mit Microsoft Excel sowie mit dem Statistik-Paket R4 in der Version 2.9.0 berechnet. Die Parameter der schließenden Statistik wurden ebenfalls mit R berechnet. Die im Bereich der schließenden Statistik eingesetzten Methoden sind Gegenstand der folgenden Abschnitte. Zur Visualisierung der deskriptiven Parameter wurde neben R auch die Software OmniGraphSketcher5 ein- gesetzt. Im Bereich der qualitativen Auswertung war vor allem die Benutzung des Tabletop Interface und die Interaktion der Modellierenden untereinander von Interesse. Zur Aus- wertung kam dabei einerseits offene Fragen in den eingesetzten Fragebögen und ande- rerseits die von Hornecker (2004) vorgeschlagene Variante der Interaktionsanalyse nach Jordan und Henderson (1995) zum Einsatz (siehe Abschnitt 11.3.5). Die im Zuge der Durchführung zu erstellenden Transkripte der Interkationsabläufe wurden ohne spezifi- sche Werkzeugunterstützung in einem Texteditor erstellt. 11.3.2. Signifikanztests Signifikanztests werden verwendet, um zu ermitteln, ob die Unterschiede zwischen zwei Stichproben tatsächlich signifikant sind, d.h. ob sich mit einer gegebenen Irrtumswahr- scheinlichkeit (etwa p < 0.05) auch die beiden den Stichproben zugrunde liegenden Grundgesamtheiten unterscheiden (Bortz und Döring, 2003, S. 496). Signifikanztests sind deshalb ein zentraler Bestandteil der quantitativen Hypothesenprüfung. Je nach Eigenschaften der zugrunde liegenden Grundgesamtheiten und Umfang der Stichprobe müssen unterschiedliche Verfahren zur Signifikanzprüfung eingesetzt werden. In den folgenden Unterabschnitten werden die hier verwendeten Tests kurz beschrieben und die Voraussetzungen für deren Einsatz angeführt. Als Grundlage für die Auswahl dienten in dieser Arbeit das einführende Werke von Bortz und Döring (2003) und Duller (2008) sowie die Website „Using R for statistical analyses“6. Für eine umfassendere Beschreibung der Methoden sei hier auf diese Quellen verwiesen. t-Test Der t-Test nach Student prüft in der Grundvariante anhand einer Stichprobe, ob der erwartete Mittelwert der entsprechenden Grundgesamtheit gleich, kleiner oder größer 3http://office.microsoft.com/excel 4http://www.r-project.org/ 5http://www.omnigroup.com/applications/omnigraphsketcher 6http://gardenersown.co.uk/Education/Lectures/R 344 11.3. Eingesetzte Werkzeuge und Verfahren einem gegebenen Wert ist. In der – hier eingesetzten – Variante für zwei Stichproben prüft der Test, ob der erwartete Mittelwert der der ersten Stichprobe zugrunde liegenden Grundgesamtheit gleich, kleiner oder größer ist als jener der Grundgesamtheit zur zwei- ten Stichprobe. Für mehr als zwei Stichproben kann der t-Test nicht eingesetzt werden, alternativ kann der Kruskal-Wallis-Test (siehe unten) zur Anwendung gebracht werden. Der t-Test geht von einer intervallskalierten, normalverteilten Grundgesamtheit aus. Bei Grundgesamtheiten, deren Verteilung unbekannt ist, kann bei ausreichender Stich- probengröße (häufig: n > 30) auf Grund des zentralen Grenzwertsatzes von einer Nor- malverteilung ausgegangen werden und der t-Test wiederum eingesetzt werden. Bei klei- neren Stichproben kann der t-Test nur dann verwendet werden, wenn eine Normalver- teilung der Grundgesamtheit zu erwarten ist. Dies kann auch für kleine Stichproben mit dem Sharpiro-Wilk-Test (siehe unten) überprüft werden. Eine weitere Bedingung für den Einsatz des t-Tests ist, dass die Varianz der Grundgesamtheiten der beiden Stichproben identisch ist. Dies kann mit dem F-Test (siehe unten) festgestellt werden. Bortz und Döring (2003) Wilcoxon-Test Der Wilcoxon-Rangsummentest (oder alternativ: Mann-Whitney-U-Test) ist ein Verfah- ren zur Überprüfung, ob zwei Verteilungen signifikant übereinstimmen. Die Verteilungen müssen im Gegensatz zum t-Test nicht normalverteilt sein, sollten aber eine ähnliche Form aufweisen. Der Wilcoxon-Test ist auch für kleine Stichproben geeignet. (Duller, 2008) Aufgrund der Stichprobengrößen in den vorliegenden Untersuchungen ist der Wilcoxon- Test dem t-Test hier im Allgemeinen vorzuziehen. Sharpiro-Wilk-Test Der Sharpiro-Wilk-Test (Shapiro und Wilk, 1965) testet eine Verteilung auf „Nicht- Normaliät“ (d.h. die Nullhypothese ist, dass die Verteilung nicht normalverteilt ist). Mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p < 0.05 kann daher bei Ablehnung der Nullhypo- these davon ausgegangen werden, dass die geprüfte Verteilung nicht normalverteilt ist. Dieser Test eignet sich auch für kleine Stichproben (ab n > 3). (Duller, 2008) Er wird hier eingesetzt, um zu prüfen, ob der t-Test eingesetzt werden kann oder nicht (da dieser eine Normalverteilung der Parameter voraussetzt). F-Test Der F-Test (oder: Varianzquotienten-Test) überprüft, ob die Varianzen zweier normal- verteilter Grundgesamtheiten signifikant übereinstimmen. Er wird hier eingesetzt, um 345 11.3. Eingesetzte Werkzeuge und Verfahren die entsprechende Voraussetzung für den Einsatz des t-Tests zu überprüfen. Muss die Nullhypothese verworfen werden, so muss anstelle des t-Tests der Welch-Test eingesetzt werden, auf den hier nicht näher eingegangen wird. (Duller, 2008) Kruskal-Wallis-Test Der Kruskal-Wallis-Test ist wie der Wilcoxon-Test ein Verfahren, mit dem die Überein- stimmung von Verteilungen auf Signifikanz überprüft werden kann. Wie dieser setzt er keine Normalverteilung voraus und eignet sich auch für kleine Stichproben. Der Kruskal-Wallis-Test kann jedoch Gegensatz zu den anderen Verfahren auch für die Überprüfung von mehr als zwei Verteilungen gleichzeitig eingesetzt werden. Die Null- hypothese ist, dass sich die Verteilungen nicht unterscheiden. Werden detailliertere Hy- pothesen benötigt, so muss eine paarweise Überprüfung der Verteilungen mit einem der oben beschriebenen Verfahren vorgenommen werden. (Duller, 2008) Der Kruskal-Wallis-Test kann ab drei Verteilungen mit einer Stichprobengröße von jeweils mindestens 6 sinnvoll eingesetzt werden. In dieser Arbeit kommt er nur selten zum Einsatz, da großteils lediglich die Signifikanz der Übereinstimmung zweier Verteilungen überprüft werden muss. 11.3.3. Korrelationstest Mit Korrelationstests wird geprüft, ob zwischen zwei Merkmalen ein Zusammenhang besteht oder nicht. Je höher der Betrag des positiven oder negativen Wert des be- rechneten Korrelationskoeffizienten ist, desto stärker ausgeprägt ist der positive bzw. negative Zusammenhang zwischen den geprüften Stichproben. Um auf eine Korrelation in der Grundgesamtheit schließen zu können, muss wiederum ein Signifikanztest (siehe Abschnitt 11.3.2) verwendet werden, um zu prüfen, ob der berechnete Korrelationskoef- fizient signifikant unterschiedlich von 0 ist. Pearson-Test Der Pearsonsche Korrelationskoeffizient kann verwendet werden, um den Zusammenhang zwischen zwei metrischen Merkmalen zu berechnen. Zur Berechnung wird die Kovarianz herangezogen, die als Maß für die Streuung der beiden Merkmale interpretiert werden kann. Ist die Kovarianz gleich 0, so besteht kein Zusammenhang zwischen den beiden Merkmalen. Das Vorzeichen der Kovarianz beschreibt, ob ein gleich- oder gegensinniger Zusammenhang vorliegt. Je näher der Betrag des Korrelationskoeffizienten (Kovarianz in Bezug zum Produkt der Standardabweichungen der Merkmale) bei 1 liegt, desto stärker ist der Zusammenhang der beiden Merkmale. Der Korrelationskoeffizient misst lediglich linear Zusammenhänge. Voraussetzung der Anwendung des Pearson-Tests ist 346 11.3. Eingesetzte Werkzeuge und Verfahren eine annähernde Normalverteilung der Merkmale. Ist diese nicht gegeben, muss auf die ordinalen Korrelationskoeffizienten nach Spearman oder Kendall zurückgegriffen werden, wobei letzterer hier nicht näher betrachtet wird. (Duller, 2008) Spearman-Test Der Spearmansche Rangkorrelationskoeffizient kann verwendet werden, um den Zusam- menhang zwischen zwei ordinalen Merkmalen zu berechnen. Wiederum zeigt das Vorzei- chen des Koeffizienten an, ob ein gleich- oder gegensinniger Zusammenhang gegeben ist, der betragsmäßige Wert des Koeffizienten gibt die Stärke der Korrelation an (wobei 0 keinen Zusammenhang anzeigt und gegen 1 gehende Werte einen starken Zusammengang indizieren). Für den Test nach Spearman gelten die Voraussetzungen des Pearson-Test nicht, insbesondere muss keine Normalverteilung der Merkmale vorliegen. 11.3.4. Fragebögen Die in dieser Arbeit verwendeten Fragebögen (siehe Anhang B.3) beninhalten immer geschlossenen und offenen Fragestellungen. Die geschlossenen Fragestellungen werden jeweils auf einer 7-teiligen Likert-Skala bewertet. Die offenen Fragestellungen werden zum Teil mit der Frage nach einer dichotomen Gesamt-Einschätzung gekoppelt (etwa ”zufrieden / nicht zufrieden”). Durch den Einsatz der Likert-Skala sind die geschlossenen Items grundsätzlich als or- dinale Merkmale zu sehen. Dies hat Auswirkungen auf die anwendbaren deskriptiven Parameter und schließenden Tests. So kann unter anderem kein Mittelwert berechnet werden, zur Hypothesen-Prüfung kann der t-Test nicht angewandt werden, da er metri- sche Merkmale voraussetzt. Ist die Skala allerdings ausreichend differenziert (mehr als fünf Ausprägungen) und sind die einzelnen Ausprägungen symmetrisch und äquidistant formuliert (z.B: „sehr positiv – positiv – eher positiv – neutral – eher negativ – negativ – sehr negativ“), so kann die Likert-Skala auch als (metrische) Intervallskala interpretiert werden (Bortz und Döring, 2003, S. 222f), was eine Berechnung der oben genannten Parameter und Tests ermöglicht. Diese Voraussetzungen sind in den verwendeten Frage- bögen erfüllt, weswegen Mittelwert und Standardabweichung auch zur Beschreibung der Fragebogenergebnisse verwendet werden. Bei Erfüllung der übrigen Anforderungen kann deshalb auch der t-Test zur Hypothesen-Prüfung eingesetzt werden. Der Wilcoxon-Test setzt ohnehin lediglich ordinal skalierte Merkmale voraus, so dass dieser ohne weitere Annahmen angewendet werden kann. 347 11.3. Eingesetzte Werkzeuge und Verfahren 11.3.5. Interaktionsanalyse Die Interaktionsanalyse nach Jordan und Henderson (1995) dient der qualitativen Aus- wertung von Interaktionsabläufen zwischen unterschiedlichen Individuen und den dazu eingesetzten Hilfsmitteln. Grundsätzlich wird die Interaktion aufgezeichnet und transkri- piert. Das Transkipt enthält dabei nicht nur die verbale Interaktion, sondern auch eine exakte Beschreibung der non-verbalen Aktivitäten der Beteiligten. Insbesondere wurde hier auf die Erfassung der Verwendung der verfügbaren Hilfsmittel geachtet. Die Inter- aktionsanalyse wurde von Hornecker (2004) zur Beschreibung der Wirkung von Tangible Interfaces auf Kooperation zwischen Individuen eingesetzt. Die in diesem Kontext vor- geschlagenen vereinfachte Variation der ursprünglichen Methode (v.a. der Verzicht auf interdisziplinär zusammengesetzte Analysegruppen) wurde in dieser Arbeit übernom- men. Der Fokus der Analyse lag auf der Nutzung und Wirkung des eingesetzten Werkzeugs, weshalb zur Transkription jene Szenen ausgewählt wurden, in denen diese sichtbar wird. Transkripiert wurde jene Szenen, aus denen im Sinne der festgelegten Auswertungsebe- nen Schlüsse auf die Verwendung des Werkzeugs, die Wirkung bei der Modellbildung oder den Einfluss auf die Interaktion zwischen den Beteiligten gezogen werden können. Dies umfasst Szenen, in denen • das Werkzeug nicht in der in der Beschreibung des Interaktionsdesigns (siehe Ab- schnitt 7.3) festgelegten Art verwendet wurde, • die Funktionalität oder Bedienung des Werkzeugs missverstanden wurde, • das Modell als Referenz verwendet wurde, um Sachverhalte individuell zu reflek- tieren, • das Modell von einem Teilnehmer als Referenz verwendet wurde, um anderen Teil- nehmern Sachverhalte zu erklären, • das Modell als Mittel zur Fokussierung der inhaltlichen Diskussion zwischen den Teilnehmern verwendet wurde. Bei der Transkription kam das von Hornecker (2004) vorgeschlagene Codierungssche- ma zum Einsatz, das im Folgenden wiedergegeben ist: „Zeilenweise Transkription nach einfachem, sequentiellem Schema. Zeitlicher Ablauf wird durch die Nummerierung vorne wiedergegeben. Fehlt eine Zeilennummer, so findet das Beschriebene mehr oder minder parallel mit dem Geschehen der darüberstehenden Zeile statt. Zusätzlich alle zehn Sekun- den Zeitstempel in eigener Zeile. Sprünge in Zeilennummern zeigen Auslassungen in der Transkription an. Nur angedeutet werden Betonung und Zeitverhalten des Sprechens. Die Zeitdauer von Gestik und manueller Handlung ergibt sich aus den Beschreibungen.“ In der Darstellung werden dieses Codierungsschema wiefolgt dargestellt (ebenfalls an- gelehnt an Hornecker (2004)): 348 11.4. Zusammenfassung Zusammenhang, Auslöser der Situation Teilnehmer: Aussage Teilnehmer: Aussage bzw. Handlung Teilnehmer: Aussage (gleichzeitig mit der Aussage ausgeführte Tätigkeit, eingefügt an jener Stelle, an der die Aktivität beginnt) Aussage (Fortsetzung) Interaktion zwischen Teilnehmern oder der Teilnehmer mit dem System Teilnehmer: Aussage Teil der Interaktion bzw. Aussage, der für die Prüfung der jeweiligen Hypothese relevant ist Aussage (Fortsetzung) Beispielhaft dargestellt kann ein Transkript wiefolgt aussehen: Teilnehmer versuchen mit dem Radiergummi und nur einem anderen Marker einen Verbinder zu entfernen. B: Können wir die nicht so auch einfach löschen? C: Ja, mit dem Radiergummi. B: Muss ich den jetzt zuerst so (Hält den Radiergummi zur Kamera) hinhalten? A: Nein, ich glaube, den musst du einfach da (zeigt auf den Verbinder) drauf legen. B legt den Radiergummi auf den vom System automatisch erstellten Verbinder. A: Und jetzt muss man (legt ein Markierungtoken auf den Verbinder) Nein. Der Verbinder lässt sich auf diese Art nicht löschen und die Teilnehmer entscheiden sich, den Fehler mittels der Wiederherstellungsfunktion zu beseitigen. 11.4. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde das globale Untersuchungsdesign zur Evaluierung der hier vor- gestellten Arbeit beschrieben. In den ersten Abschnitten wurden die zu evaluierenden Aspekte identifiziert und beschrieben. Im Rahmen dieser Beschreibungen wurden auch mögliche Ansatzpunkte für die konkrete Untersuchung angeführt, die die Basis für die detaillierte Konzeption der Evaluierung dieser Aspekte in den Kapiteln 12 bis 14 bildet. Im folgenden Abschnitt wurden die einzelnen im Rahmen der Evaluierung durchge- führten Untersuchungen angeführt. Diese Untersuchungen fokussieren jeweils auf einen der zu evaluierenden Aspekte. Ihnen liegt jeweils ein konkretes Szenario zugrunde, das in einer Reihe von Anwendungen des Werkzeugs durch verschiedene Benutzer in Modelle umgesetzt wird. Je nach Fokus der Untersuchung werden vor- und nachgelagerte bzw. parallel ablaufende Aktivitäten in die Untersuchung mit einbezogen. 349 11.4. Zusammenfassung Die ursprüngliche Zuordnung zwischen den zu evaluierenden Aspekten und den ein- zelnen Evaluierungs-Blöcken ist in Tabelle 11.1 nochmals überblicksweise angeführt. Die Zuordnung hatte jeweils Einfluss auf das Szenario, in dem das Werkzeug angewandt wurde sowie auf das Untersuchungsdesign. Tabelle 11.1.: Ursprüngliches globales Untersuchungsdesign Werkzeug Modell Articulation Work Block 1 x Block 2 x Block 3 x Block 4 x Block 5 x Im Zuge der Durchführung der Evaluierung erwies sich die strikte Zuordnung eines Blocks zu genau einem zu evaluierenden Aspekt als nicht durchführbar. Tatsächlich liefern Untersuchungen zu einem (im Sinne der Zielhierarchie) übergeordneten Aspekte (von „unten“ nach „oben“: Werkzeug – Modell – „Articulation Work“) immer auch Erkenntnisse zu den untergeordneten zu evaluierenden Aspekten. Die Zuordnung der Evaluierungs-Blöcke zu den Aspekten verändert sich also wie in Tabelle 11.2 angegeben. Diese Zuordnung liegt auch den oben angeführten Beschreibungen der Blöcke zugrunde, in denen jeweils die Beiträge eines Blocks zu den zu evaluierenden Aspekten angegeben wurden. Tabelle 11.2.: Einfluss der Untersuchungen auf die zu evaluierenden Aspekte Werkzeug Modell Articulation Work Block 1 x Block 2 x x x Block 3 x x Block 4 x x x Block 5 x x 11.4.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung Dieses Kapitel stellt die Konzeption der empirischen Untersuchung zur Prüfung der Effektivität der Unterstützung von „Articulation Work“ dar. Dazu werden die in den 350 11.4. Zusammenfassung Kapiteln 2, 3, 4 und 5 identifizierten Messkriterien zusammengefasst und hinsichtlich de- ren Beitrag zur Effektivitätsprüfung beschrieben. Dies und die Entwicklung des globalen Untersuchungsdesigns sowie die Beschreibung der notwendigen statistischen Methoden führen zur abschließenden Beantwortung der Fragestellung 5 („Wie kann die Effektivität der Unterstützung von expliziter Articulation Work beurteilt werden?“). 11.4.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse In den folgenden Kapiteln wird nun die Evaluierung der einzelnen Aspekte über die Evaluierungsblöcke hinweg im Detail beschrieben. Dabei werden die Hypothesenbildung bzw. die Entwicklung der Hypothesen über die Zeit, die möglichen Ansätze zur Evalu- ierung der jeweiligen Hypothesen sowie das Untersuchungsdesign, das die Prüfung der Hypothesen ermöglicht, beschrieben. Die Kapitel schließen jeweils mit einer Zusammen- fassung der Ergebnisse der Hypothesenprüfung und einer Bewertung dieser Ergebnisse im Kontext der globalen Zielsetzung, also der Unterstützung von expliziter „Articulation Work“. 351 12. Evaluierung der Verwendbarkeit des Werkzeugs Im ersten Teil der empirischen Untersuchung wird die grundlegende Verständlichkeit und Verwendbarkeit des Werkzeug geprüft. Ziel ist es hier, konzeptuelle und technische Eigenschaften bzw. Verhaltensweisen des Werkzeugs zu identifizieren, die den Modellie- rungsprozess behindern oder unterbrechen. Darunter fällt grundsätzlich jede Eigenschaft und jede Verhaltensweise, die die Benutzer zwingt, sich mit dem technischen System an sich zu beschäftigen und von der Erfüllung der eigentlichen Aufgabe ablenkt bzw. diese unterbricht. Abbildung 12.1 stellt dieses Kapitel und dessen Aufbau im Kontext der anderen inhaltlich vor- und nachgelagerten Kapitel dar. Abbildung 12.1.: Kapitel „Evaluierung der Verwendbarkeit des Werkzeugs“ im Gesamt- zusammenhang Die Untersuchung wird daneben auch genutzt, um explorativ die inhaltliche Verwen- dung des Systems zu untersuchen (d.h. wie es für seinen eigentlichen Verwendungszweck – die Modellierung – eingesetzt wurde) und aus diesen Beobachtungen Hypothesen ab- zuleiten, die in weiteren Schritten getestet werden. 352 12.1. Hypothesen 12.1. Hypothesen In diesem Abschnitt werden die Hypothesen angeführt und begründet, die in diesem Teil der empirischen Untersuchung geprüft werden. Die hier angegebenen Hypothesen gehen auf die Eigenschaften des Werkzeugs in der Verwendung durch die Benutzer ein. Bei der Hypothesenbildung wird auf den Verwendungszweck des Werkzeugs – die Unterstüt- zung der Bildung diagrammatischer Modelle – zwar Rücksicht genommen, die Modelle selbst sind jedoch nicht Gegenstand der Betrachtung und werden erst im nächsten Ka- pitel behandelt. Nicht berücksichtigt wird außerdem die Verwendung des Werkzeugs zur Unterstützung von „Articulation Work“ – diese ist Gegenstand von Kapitel 14. 12.1.1. Konzeptuell begründete Hypothesen Die folgenden Hypothesen wurden aus der Aufgabenstellung (siehe Kapitel 1) sowie den Anforderungen an das Werkzeug (siehe Kapitel 5) abgeleitet. Neben der Formulierung der Hypothese ist jeweils die Begründung aus der Konzeption des Werkzeugs angeführt. Der grundlegende Anspruch des Werkzeugs ist es, explizite „Articulation Work“ zu un- terstützen. Wie in Teil I dieser Arbeit beschrieben, wird dies durch die Externalisierung und Abstimmung von mentalen Modellen realisiert. Ein gängiges Mittel, um mentale Modelle zu repräsentieren, ist die Verwendung von diagrammatischen Modellen, wozu Methoden zur Externalisierung – wie Concept Mapping und Strukturlegetechniken – genutzt werden. Das Werkzeug muss also die Repräsentation diagrammatischer Modelle unterstützen. Die Prüfung der ersten Hypothese ermöglicht damit die Beurteilung der Erfüllung der Anforderung 1 (siehe Seite 116). Hypothese 1 Das Werkzeug ermöglicht die Repräsentation diagrammatische Modelle. „Articulation Work“ ist immer in einen kooperativen Arbeitszusammenhang einge- bettet. Die Kollaboration findet dabei nicht nur im produktiven Teil der Arbeit statt, sondern hat immer auch Auswirkungen auf die „Articulation Work“. Jede Unterstüt- zung von „Articulation Work“ muss damit auch in kooperativen Szenarien einsetzbar sein. Dies gilt auch für das hier vorgestellte Werkzeug, das die kooperative Bearbeitung einer Aufgaben (hier: der Externalisierung und Abstimmung mentaler Modelle) ermög- lichen muss. Die Hypothese ist deshalb aus Anforderung 7 (siehe Seite 117) abgeleitet und ermöglicht die Beurteilung deren Erfüllung. Hypothese 2 Das Werkzeug ermöglicht kooperatives Arbeiten an einer Aufgabe. Die Aspekte von Arbeit, die im Rahmen von „Articulation Work“ abzustimmen sind, sind unterschiedlicher Natur. Naheliegend ist eine Abstimmung der Abläufe und Schnitt- stellen zwischen Personen, aber auch nicht-prozedurale Information, wie das Verständnis 353 12.1. Hypothesen der Struktur und Elemente eines Arbeitszusammenhangs kann Gegenstand von „Arti- culation Work“ sein. Gleiches gilt für die im Rahmen der „Articulation Work“ abzustim- menden mentalen Modelle – diese bilden die Basis für Handlungsentscheidungen, um- fassen aber im Allgemeinen (in Abgrenzung zu Schemata) nicht nur handlungsleitende Information, sondern auch Kontextinformation, die die Bewertung der wahrgenomme- nen Situation ermöglicht. Dementsprechend muss ein Werkzeug zur Unterstützung von expliziter „Articulation Work“ und damit der Externalisierung von mentalen Modellen die Verwendung in unterschiedlichen Kontexten, d.h. für unterschiedliche zu externalisie- renden Informationsstrukturen, die in mentalen Modellen abgebildet sind, ermöglichen. Die Prüfung der unten formulierten Hypothese ermöglicht die Beurteilung der Erfüllung der Anforderung 4 (siehe Seite 116). Hypothese 3 Das Werkzeug ist gleichwertig für Modellierungsaufgaben in unterschied- lichen Kontexten einsetzbar. Die ersten drei hier formulierten Hypothesen sind unmittelbar aus der globalen Ziel- setzung abgeleitet und bilden die grundlegenden Anforderungen an das Werkzeug bei der Unterstützung von „Articulation Work“ ab. Die nun folgenden Hypothesen sind kon- zeptuell nicht mehr direkt auf die globale Zielsetzung ausgerichtet, sondern prüfen die Funktionalität des Werkzeugs, die den Modellbildungsprozess unterstützen soll. Auf Basis der Möglichkeit zur Navigation durch die Entstehungsgeschichte des Mo- dells besteht auch die Möglichkeit, vergangene Modellzustände wiederherzustellen. Das Werkzeug unterstützt dabei die Benutzer durch die Ausgabe von schrittweisen Anwei- sungen, die den aktuellen Modellzustand in den wiederherzustellenden Zustand überfüh- ren. Allgemein bietet diese Funktionalität die Möglichkeit, erkannte Fehler im Modell zu korrigieren, ohne dabei bereits repräsentierte Information zu verlieren. Im kollabora- tiven Einsatz ermöglicht diese Funktionalität, alternative, individuelle Sichten auf den abzustimmenden Sachverhalt zu repräsentieren und bietet dabei die Möglichkeit, einen für alle Beteiligten akzeptablen Ausgangspunkt wiederherzustellen. Dies sollte die Be- reitschaft zur experimentellen Veränderung von Modellen erhöhen. Die Prüfung dieser Hypothese ermöglicht in der Folge die Beurteilung der Erfüllung der Anforderung 3 (siehe Seite 116). Hypothese 4 Die Möglichkeit der Wiederherstellung vergangener Modellzustände för- dert die Bereitschaft alternative Repräsentationen auszuprobieren. Die letzten beiden Hypothesen dieses Abschnitts sind ausschließlich auf die Verwen- dung des Werkzeugs an sich ausgerichtet und stehen nicht im Kontext von „Articulation Work“ oder der Unterstützung der Externalisierung mentaler Modelle. Hypothese 5 steht für den in der Zielsetzung formulierten Anspruch, dass das Werkzeug in den Hintergrund treten muss und die Beschäftigung mit der eigentlichen Aufgabe nicht behindern darf. Dabei wird hier nicht auf den konkreten Anwendungsfall – die Erstellung von Modellen 354 12.1. Hypothesen – eingegangen, sondern lediglich die allgemeine Funktionsfähigkeit und Bedienbarkeit des Werkzeugs betrachtet. Ersteres ist Gegenstand der Evaluierung der erstellten Mo- delle, die in Kapitel 13 beschrieben werden. Die Prüfung dieser Hypothese ermöglicht die Beurteilung der Erfüllung der Anforderung 1 (siehe Seite 116). Hypothese 5 Das Werkzeug behindert die Modellbildung nicht. Hypothese 6 geht davon aus, dass bei wiederholter Verwendung des Werkzeugs Lern- und Gewöhnungseffekte auftreten, die die Verwendung erleichtern, beschleunigen und zu weniger Fehlbedienung führen. Dies ist ein Effekt, der bei jedem Werkzeug zu erwarten ist, dessen zugrunde liegenden Konzepte den Benutzern bewusst und verständlich sind. Von dieser Voraussetzung kann durch die inhaltliche Einführung der Benutzer in die das Werkzeug prägenden und motivierenden Ideen ausgegangen werden. Damit ist zu erwarten, dass das Werkzeug bei wiederholtem Einsatz in den späteren Anwendungen ef- fizienter (im Sinne von „schneller“ und „Fehlbedienungen vermeidend“) verwendet wird. Die Prüfung dieser Hypothese ermöglicht die Beurteilung der Erfüllung der Anforderung 1 (siehe Seite 116). Hypothese 6 Wiederholte Verwendung des Werkzeugs führt zu schnellerer Modellbil- dung und weniger Fehlbedienungen. Hinsichtlich der in Kapitel 5 formulierten Anforderungen können die hier formulierten Hypothesen zusammenfassend wie in Tabelle 12.1 dargestellt eingeordnet werden. Die Untersuchung der Hypothesen ist dabei der erste Schritt zur Prüfung der effektiven Unterstützung von „Articulation Work“, für die eine Verwendbarkeit des Werkzeugs für die Durchführung der vorgeschlagenen Methodik eine Voraussetzung ist. Tabelle 12.1.: Hypothesen zur Benutzbarkeit des Werkzeugs und deren Bezug zu den Anforderungen an das Werkzeug Hypothese Anforderung 1 1 2 7 3 4 4 3 5 1 6 1 12.1.2. Explorativ gebildete Hypothesen Neben den aus der Aufgabenstellung abgeleiteten Hypothesen wurden einige Hypothesen auch während der Durchführung der einzelnen Evaluierungs-Blöcke gebildet. Diese Hy- 355 12.1. Hypothesen pothesen sind spezifischer auf einzelne Aspekte des Werkzeugs ausgerichtet und decken beobachtete Auffälligkeiten und Missverständnisse in der Verwendung des Werkzeugs ab. Die erste in diesem Zusammenhang beobachtete Auffälligkeit betrifft die Herstellung von Verbindern zwischen einzelnen Modellelementen. Wie in Abschnitt 7.3.3 beschrieben, existieren zwei Möglichkeiten, diese Funktion auszuführen. Einerseits können die beiden Modellelemente, die verbunden werden sollen, mit Markierungs-Tokens ausgewählt wer- den, woraufhin eine Verbindung hergestellt wird. Andererseits können Verbinder auch durch das Zusammenführen der zu verbindenden Blöcke (bis sich deren Breitseiten be- rühren) hergestellt werden. In der ersten Implementierung des Werkzeugs, die im Evalu- ierungsblock 1 und im ersten Teil des zweiten Blocks verwendet wurde, war lediglich die erste Variante verfügbar. Die Möglichkeit zur Herstellung von Verbindern wurde in den in diesen Blöcken durchgeführten Anwendungen kaum eingesetzt. Dies führte einerseits zur Bildung der Hypothese 13 (siehe Abschnitt 13.1.2), andererseits wurde bei ersten Auswertungen der Beobachtungen der im Verhältnis zum übrigen Modellierungs-Prozess hohe Zeit-Aufwand bei der Herstellung von Verbindern offensichtlich. Dieser Aufwand ist den Maßnahmen zur Stabilisierung der Erkennungsleistung des Werkzeugs geschul- det und kann mit dem eingesetzten Interaktionsablauf nicht reduziert werden. Aufgrund einer Anregung eines Untersuchungsteilnehmers wurde deshalb die oben beschriebene zusätzliche Möglichkeit zur Herstellung von Verbindungen implementiert. Zu untersu- chen ist nun, ob diese Maßnahme die Nutzung von Verbindern bei der Modellbildung tatsächlich erhöht. Hypothese 7 Die Einführung der alternativen Möglichkeit zur Verbindungsherstellung erhöht die Nutzung von Verbindern bei der Modellerstellung. Die zweite hier aufgestellte Hypothese betrifft eine Auffälligkeit bei der Verwendung des Löschtokens. Das Löschtoken wird verwendet, um das Werkzeug in einen Modus zu versetzen, in dem Verbinder gelöscht werden können. Schon die konzeptuelle Einordnung des Werkzeugs in Kapitel 10 zeigte Potential für Missverständnisse in der Verwendung dieses Tokens (siehe z.B. die Abschnitte 10.9 und 10.11). Zusammengefasst liegt die aus der Theorie ableitbare Problematik darin, dass durch die äußere Form des Tokens – einem Radiergummi – eine Metapher für dessen Verwendung („ausradieren“ von Ele- menten) suggeriert wird, die in dieser Form im Werkzeug nicht umgesetzt ist, da das Token lediglich als Schalter fungiert. Erste Beobachtungen deuteten darauf hin, dass die Verwendung des Löschtokens in dessen erster Implementierung tatsächlich unverständ- lich oder missverständlich ist. Das Werkzeug wurde auf Basis dieser Beobachtungen reimplementiert. Die Hypothese ist deshalb für beide Varianten zu prüfen. Hypothese 8 Das Löschtoken ermöglicht intuitives Löschen von Modellelementen. 356 12.2. Untersuchungsdesign und Durchführung 12.2. Untersuchungsdesign und Durchführung In diesem Abschnitt wird auf Basis der oben formulierten Hypothesen das Untersu- chungsdesign abgeleitet und die Durchführung der Untersuchung beschrieben. Der erste Teil des Abschnitts beschreibt die Operationalisierung der Hypothesen und damit die Festlegung, wie diese konkret geprüft werden können. Im zweiten Teil des Abschnitts wird die Durchführung der Prüfung beschrieben. Hier erfolgt neben der Zuordnung der einzelnen Evaluierungsblöcke (siehe Abschnitt 11.2) auch die Darstellung rein beschrei- bender Parameter der Werkzeugverwendung, die nicht unmittelbar in die Prüfung der Hypothesen eingehen. 12.2.1. Operationalisierung In diesem Abschnitt wird für jede Hypothese identifiziert, in welcher Form sie geprüft werden kann. Dies umfasst die Festlegung der Messpunkte sowie der jeweiligen Mess- und Auswertungsmethode (letztere bezugnehmend auf den in Abschnitt 11.3 beschrie- benen Verfahren). Zudem werden jene Evaluationsblöcke festgelegt, die für die jeweilige Untersuchung herangezogen wurden. Für jede Hypothese wird also spezifiziert, anhand welcher Aspekte diese geprüft wer- den kann (= abhängige Variablen). Zudem wird festgelegt welche Ausgangssituation bei der Anwendung gewählt werden muss, um die Prüfung durchführen zu können (= unabhängige Variable) und welche Faktoren die Beurteilung ggf. ungewollt beeinflussen können (= Störvariablen). Repräsentation diagrammatischer Modelle Gegenstand dieses Abschnitts ist die Prüfung der Hypothese 1. Diese bezieht sich auf die Eignung des Werkzeugs für die Repräsentation diagrammatischer Modelle. Voraussetzung für die Prüfung der Hypothese ist der Einsatz von Modellierungsaufga- ben, die so formuliert sind, dass es grundsätzlich möglich ist, sie durch die Beschreibung in einem diagrammatischen Modell zu erfüllen. Keinen Einfluss auf die Untersuchung ha- ben die eingesetzte Methodik sowie eventuell vorhandene Modellierungsvorkenntnisse, da die grundsätzlich Möglichkeit der Erstellung diagrammatischer Modelle unabhängig von der Art der Verwendung und von der Kompetenz der Benutzer ist. Geprüft wird die Hypothese hier an der Repräsentation, die mit Hilfe des Werkzeugs er- stellt wurde. Ein diagrammatisches Modell zeichnet nach (Larkin und Simon, 1987) aus, dass in ihm Konzepte und deren Zusammenhänge visuell-graphisch dargestellt werden können (in Abgrenzung zu textuellen Beschreibungen). Zur Bewertung der Hypothese werden deshalb die erstellten Repräsentationen herangezogen und überprüft, ob sie den 357 12.2. Untersuchungsdesign und Durchführung Anforderungen an ein diagrammatisches Modell – das Vorhandensein von Konzepten und Beziehungen zwischen diesen – erfüllen. Kooperatives Arbeiten Gegenstand dieses Abschnitts ist die Prüfung der Hypothese 2. Dabei wird überprüft, ob das Werkzeug kooperatives Arbeiten an einer Modellierungsaufgabe erlaubt. Dazu muss eine Modellierungsaufgabe gewählt werden, in der die kooperatives Er- stellung des Modells vorgesehen ist. Etwaige Modellierungsvorkenntnisse haben keinen Einfluss auf die Beurteilung der hier betrachteten Hypothese. Zur Beurteilung eignen sich in diesem Fall die Zeitverteilung der Beteiligung der ein- zelnen Benutzer am Modellierungsvorgang, das Verhalten der Benutzer bei simultaner Manipulation eines Modells auf der Modellierungsoberfläche sowie der subjektive Ein- druck der Benutzer über deren Kooperation untereinander. Der erstgenannte Aspekt kann quantitativ gemessen werden, wobei eine tendenziell zeitlich gleichverteilte Ein- bindung der Beteiligten in die Modellbildung für die Annahme der Hypothese spricht. Zusätzlich kann mittels dem zweiten und dritten Aspekt qualitativ beurteilt werden, ob und wie eine kooperative Manipulation des Modells durch mehrere Benutzer gleichzeitig möglich ist. Einsetzbarkeit in unterschiedlichen Kontexten Gegenstand dieses Abschnitts ist die Operationalisierung der Hypothese 3. Diese Hypo- these zielt dabei auf die Eignung des Werkzeugs zur Modellbildung in unterschiedlichen Kontexten, d.h. für unterschiedliche Modellierungsaufgaben ab. Zur Beurteilung dieser Hypothese muss die Modellierungsaufgabe entsprechend den unterschiedlichen Einsatzkontexten variiert werden. Etwaige Modellierungsvorkenntnisse können die individuelle Beurteilung insofern beeinflussen, als dass Werkzeuge für eine bestimmte Aufgabe als besser oder schlechter geeignet wahrgenommen werden. Zur Prüfung der Hypothese bieten sich in diesem Fall die Wahrnehmung der Eig- nung durch die Benutzer, die qualitativ beurteilt wird und die Korrelation der Größe der erstellten Modelle mit der benötigten Modellierungsdauer an. Korrelliert die Modell- größe positiv mit der Modellierungsdauer, so ist der Zeitanteil, der zu Beschäftigung mit dem Werkzeug selbst (und nicht mit der Modellierungsaufgabe) tendenziell stabil. Dar- aus kann abgeleitet werden, dass das Werkzeug die verglichenen Modellierungsaufgaben gleich gut (oder schlecht) unterstützt. 358 12.2. Untersuchungsdesign und Durchführung Wiederherstellung vergangener Modellzustände Gegenstand dieses Abschnitts ist die Operationalisierung der Hypothese 4. Gegenstand der Überprüfung ist die Verwendung der Wiederherstellungsfunktionalität zum Zwecke der versuchsweisen Veränderung des Modells. Zur Prüfung dieser Hypothese muss die Modellierungsaufgabe so gestaltet sein, dass sinnvoll unterschiedliche Repräsentationen gebildet werden können. Modellierungsvor- kenntnisse haben keine Auswirkungen auf diese Untersuchung. Zur Beurteilung dieser Hypothese wird die Anzahl der Verwendungen der Wieder- herstellungsfunktionalität zur Korrektur inhaltlich verworfener Repräsentationen heran- gezogen. Höhere Werte deuten hier tendenziell auf eine Annahme der Hypothese hin. Zusätzlich können qualitative Aussagen zur Nutzung dieser Funktionalität und deren wahrgenommenen Nutzen zur Beurteilung verwendet werden. Nicht-Behinderung Gegenstand dieses Abschnitts ist die Operationalisierung der Hypothese 5. Dabei wird überprüft, ob bei der Verwendung des Werkzeugs dieses in den Aufmerksamkeitsfokus der Benutzer tritt oder sich diese auf die eigentliche Modellierungsaufgabe konzentrieren können. Die Modellierungsaufgabe hat keinen Einfluss auf die Überprüfung dieser Hypothese, lediglich etwaig vorhandene Modellierungsvorkenntnisse können die Beurteilung beein- trächtigen, da sie Einfluss auf die erwartete Funktionalität des Werkzeugs haben kann. Zur Beurteilung, ob bzw. inwieweit das Werkzeug die Modellbildung behindert, werden sowohl quantitativ als auch qualitativ beurteilbare Metriken herangezogen. Die Anzahl von Fehlfunktionen des Werkzeugs bzw. das Auftreten von Systemabstürzen kann als Indikator für eine behindernde Wirkung des Werkzeugs herangezogen werden. Das Auf- treten von Missverständnissen und daraus resultierende Fehlbedienungen können eben- falls eine Behinderung des Modellierungsvorgangs interpretiert werden. Zudem werden Aussagen der Benutzer hinsichtlich hinderlicher Faktoren bei der Werkzeugbenutzung als Maß für die wahrgenommene Behinderung durch das Werkzeug herangezogen. Gewöhnung an das Werkzeug Gegenstand dieses Abschnitts ist die Operationalisierung der Hypothese 6. Dabei wird überprüft, ob wiederholte Benutzung des Werkzeugs Auswirkung auf die Qualität der Interaktion hat. Eine Erhöhung der Qualität äußert sich in schnellerer Modellbildung und weniger Fehlbedienung. Bei der Prüfung der Hypothese muss eine etwaige veränderte Funktionalität des Werk- zeugs zwischen den verglichenen Evaluierungsblöcken berücksichtigt werden, die die In- 359 12.2. Untersuchungsdesign und Durchführung teraktion einerseits erleichtern kann, andererseits aber auch zu Fehlbedienung aufgrund von unbekannten Interaktionsmustern führen kann. Auch unterschiedliche Modellie- rungsaufgaben, die ein Individuum in den aufeinander folgenden Anwendungen bear- beitet, können die Beurteilung erschweren, weil potentiell andere (noch unbekannte) Funktionen des Werkzeugs zum Einsatz kommen können. Zur Beurteilung der Qualität der Interaktion sind einerseits die Anzahl der Fehlbe- dienungen des Werkzeugs pro Zeiteinheit und andererseits die Arbeitsdauer am Werk- zeug1 in Abhängigkeit der Modellgröße heranzuziehen. Die Normierung der Arbeitsdauer ist notwendig, um vergleichbare Werte für unterschiedliche Werkzeug-Anwendungen zu erhalten. Sinken beide Werte zwischen zwei Evaluierungsblöcken, die auf der gleichen Stichprobe aufbauen, signifikant, so kann die Hypothese bestätigt werden. Um eine Ver- gleichbarkeit zwischen den Anwendungen herzustellen, ist es sinnvoll, in beiden Blöcken eine identische Modellierungsaufgabe zu stellen und die Funktionalität des Werkzeugs nicht zu verändern. Identische Modellierungsaufgaben können durch die wiederholte in- haltliche Beschäftigung mit der Aufgabe zu schnellerer Arbeit bzw. zu kompakteren Modellen führen. Dies kann wiederum durch die Berücksichtigung der reinen Arbeits- zeit am Werkzeug sowie der Normierung derselben in Abhängigkeit der Modellgröße kompensiert werden. Herstellung von Verbindern Gegenstand dieses Abschnitts ist die Operationalisierung der Hypothese 7. Mit Hilfe dieser Hypothese soll überprüft werden, ob die Einführung der alternativen Möglichkeit zur Herstellung von Verbindern deren Verwendung signifikant gesteigert hat. Bei der Messung muss der Einfluss der Modellierungsaufgabe (da sie die Anzahl der benötigten Verbinder beeinflussen kann) und eventuell vorhandene Modellierungsvor- kenntnisse (da diese Einfluss auf die Struktur des Modells haben können) berücksich- tigt werden. Um den Einfluss dieser Aspekte zu reduzieren, wird die Beurteilung in zwei Evaluierungsblöcken vorgenommen, in denen die gleiche Stichprobe mit der glei- chen Aufgabenstellung das Werkzeug mit der gleichen Methodik verwendet. Lediglich die Funktionalität des Werkzeugs wurde zwischen den beiden Anwendungen um den alternativen Weg zur Herstellung von Verbindern erweitert. Zur Beurteilung des Ausmaßes der Verwendung von Verbindern kann die Connected- ness des Modells herangezogen werden. Die Connectedness ist das Verhältnis zwischen der Anzahl der im Modell verwendeten Verbinder und der Anzahl der verwendeten Knoten (Modellierungselemente). Hier ist zu prüfen, ob die Connectedness in jenem Evaluierungs-Block, in dem der alternative Weg zur Herstellung von Verbindungen ver- fügbar war, signifikant höher ist als in jenem Block, in dem sie nicht verfügbar war. 1Die Arbeitsdauer am Werkzeug ist im Gegensatz zur gesamten Modellierungsdauer um jenen Zeitan- teil reduziert, in dem die Teilnehmer interagieren, ohne am Werkzeug zu arbeiten. 360 12.2. Untersuchungsdesign und Durchführung Verwendung des Löschtokens Gegenstand dieses Abschnitts ist die Operationalisierung der Hypothese 8. Dabei wird überprüft, ob das Löschtoken intuitiv korrekt verwendet wird oder ob es zu Fehlinter- pretationen kommt. Die Verwendbarkeit des Löschtokens ist unabhängig von der Modellierungsaufgabe, der angewandten Methodik und auch von eventuell vorhandenen Modellierungsvorkenntnis- sen. Hinsichtlich des Anwendungskontextes des Werkzeugs sind also keine Voraussetzun- gen zu beachten. Zur Beurteilung der intuitiven Verwendbarkeit werden quantitative und qualitative Merkmale der Werkzeugverwendung herangezogen. Quantitativ beurteilbar ist der Anteil der Fehlbedienungen des Löschtokens in Bezug auf alle Anwendungen des Werkzeugs, in denen es grundsätzlich verwendet wurde. Qualitativ wird die Art des Missverständnisses, das zu den jeweiligen Fehlbedienungen führt, beurteilt. Zur Messung der quantitativen Variablen wird für jede Anwendung die Anzahl der Fehlbedienungen erhoben, die durch das Löschtoken verursacht wurden. Diese Anzahl wird ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Anwendungen des Löschtokens bzw. zur gesam- ten Anzahl der Löschvorgänge gesetzt. Zu letzterer zählen neben den Anwendungen des Löschtokens auch Fehlerkorrekturen durch Verwendung der Wiederherstellungsfunkion. Da die zweite Möglichkeit sowohl zeit- als auch ressourcenaufwändiger zu verwenden ist als der Einsatz der Löschtokens deutet ein hoher Anteil der Verwendung dieser Funkti- on auf funktionale Probleme oder Verständnisprobleme der eigentlichen Löschfunktion mittels dem Löschtoken hin. Qualitativ werden Modellierungssituationen betrachtet, in denen das Löschtoken zum Einsatz kommt. Auf Basis von Transkripten der Interaktion zwischen den Benutzern und dem Werkzeug, bei denen es zu Fehlbedierungen kam, werden die aufgetretenen Missverständnisse explizit identifziert. 12.2.2. Durchführung In diesem Abschnitt werden die für diesen Evaluierungs-Teil relevanten deskriptiven Pa- rameter der berücksichtigten Anwendungs-Blöcke angeführt. Als Grundlage der Über- prüfung der Hypothesen werden hier die Evaluierungsblöcke 1 bis 5 verwendet. Dabei wurden für die quantitativ zu prüfenden Variablen die Blöcke 2, 3 und 5 herangezogen, da in diesen die größten Stichproben zur Verfügung standen. In die qualitative Auswer- tung der Ergebnisse wurden hingegen alle Blöcke (1-5) mit einbezogen. 361 12.2. Untersuchungsdesign und Durchführung Stichprobe Für die Untersuchung der Hypothesen in diesem Kapitel wurden die Evaluierungsblöcke 1 bis 5 herangezogen. Die Stichprobe setzt sich wie in Tabelle 12.2 beschrieben zusam- men. Tabelle 12.2.: Stichproben der Evaluierung zur Werkzeugverwendung Evaluierungsblock nAnwendungen nTeilnehmende 1 technische Evaluierung 9 18 2a Aushandlung 1 (1. Durchgang) 9 19 2b Aushandlung 1 (2. Durchgang) 9 18 3 Concept Mapping 1 18 54 4 Aushandlung 2 10 13 5 Concept Mapping 2 (Tisch) 11 24 Gesamt 66 146 Dauer der Werkzeugverwendung Die Dauer der Werkzeug-Verwendung wurde in allen Evaluierungsblöcken erhoben. Die Bearbeitungszeit ist wie in Tabelle 12.3 dargestellt verteilt (siehe auch Abbildung 12.22): Die erhobene Dauer der Werkzeug-Verwendung teilt sich ein einen Anteil, an dem tat- sächlich mit dem Werkzeug interagiert wird und einen Anteil, der anderen Tätigkeiten (wie inhaltlicher Diskussion, Bedeutungsaushandlung, . . . ) gewidmet ist. Diese beiden Anteile sind in den Evaluierungsblöcken 2 und 3 wie in den Abbildungen 12.3 und 12.4 dargestellt verteilt. Diese beiden Evaluierungblöcke wurden prototypisch als Reprä- sentanten unterschiedlicher Aufgabentypen („ablauforientierte Strukturen“ in Evaluie- rungblock 2 und „konzeptuelle Strukturen“ in Evaluierungsblock 3) ausgewählt, die auch 2In allen Boxplots gilt folgende Notation: • dicke Linie bzw. Box: Bereich zwischen 25%- und 75%-Quantil • breite Linie quer zur Hauptachse: Median (in horizontalen Boxen) bzw. Mittelwert (in vertikalen Boxen) • linke bzw. untere schmale Linie: Bereich zwischen 2,5%- und 25%-Quantil • rechte bzw. obere schmale Linie: Bereich zwischen 75%- und 97,5%-Quantil • Kreuze bzw. Kreise: Ausreißer (außerhalb 2,5%- und 97,5%-Quantil) 362 12.2. Untersuchungsdesign und Durchführung Tabelle 12.3.: Dauer der Werkzeugverwendung Evaluierungsblock tmin t sd(t) tmax technische Evaluierung 5:00 07:49 2:13 12:00 Aushandlung 1 (1. Durchgang) 11:54 20:53 4:18 27:30 Aushandlung 1 (2. Durchgang) 2:05 9:49 5:20 19:29 Concept Mapping 1 14:01 32:32 10:07 45:00 Aushandlung 2 15:09 36:25 13:29 60:12 Concept Mapping 2 (Tisch) 21:08 34:18 9:11 54:00 Format der Zeitangaben: mm:ss Abbildung 12.2.: Dauer der Werkzeugverwendung – Überblick 363 12.3. Ergebnisse in den übrigen Evaluierungsblöcken zu identifizieren sind (in Evaluierungsblock 4 traten beide Typen auf, Evaluierungblock 5 erfordert die Abbildung konzeptueller Strukturen). Abbildung 12.3.: Dauer der Werkzeugverwendung – Evaluierungblock 3 12.3. Ergebnisse In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse der Untersuchung gegliedert nach den oben formulierten Hypothesen dargestellt. Zu jeder Hypothese wird die Auswertung der em- pirischen Daten dargestellt, die Bedeutung der empirischen Belege für die Prüfung der jeweiligen Hypothese diskutiert und letztendlich das Ergebnis zusammenfassend darge- stellt. 12.3.1. Repräsentation diagrammatischer Modelle Gegenstand der hier beschriebenen Untersuchung ist Hypothese 1 („Das Werkzeug er- möglicht die Repräsentation diagrammatischer Modelle.“). Als Grundlage dieser Unter- suchung dienen die Ergebnisse aller Evaluierungsblöcke, da die Aufgaben in allen Fällen auf die Erstellung einer Repräsentation in Form eines diagrammatischen Modells gefor- dert war. Ausgewertet wird hier, ob die Ergebnisse der Modellierung jeweils als diagramma- tisches Modell zu klassifizieren sind. Ein diagrammatisches Modell zeichnet sich nach (Larkin und Simon, 1987) dadurch aus, dass in ihm Konzepte und deren Zusammenhän- ge visuell-graphisch dargestellt werden. Eine Darstellung von Beziehungen kann durch 364 12.3. Ergebnisse Abbildung 12.4.: Dauer der Werkzeugverwendung – Evaluierungblock 2 die explizite Darstellung von Verbindungen zwischen Konzepten oder durch andere gra- phische Mittel wie Gruppierung von Konzepten in räumlicher Nähe erfolgen. Um eine eindeutige Auswertbarkeit gewährleisten zu können, wird hier auf die explizite Darstel- lung von Verbindungen eingeschränkt. Auswertung In allen vorliegenden Modellen wurden Konzepte als Grundelemente des diagrammati- schen Modells verwendet. Das Kriterium zur Klassifizierung als diagrammatisches Modell ist im Folgenden also das Vorhandensein von Verbindungen. Bei der Auswertung ergab sich die in Tabelle 12.4 dargestellte Verteilung. Tabelle 12.4.: Anzahl der Modelle mit Verbindern Block Modelle gesamt Modelle mit Verbindern 1 9 0 2 18 9 3 18 17 4 10 10 5 11 11 Gesamt 66 47 365 12.3. Ergebnisse Insgesamt sind in 66 Modellen, die als Ergebnis vorliegen, 47 Modelle zu identifizieren, in denen explizit Verbindungen zur Darstellung von Beziehungen zwischen Konzepten verwendet werden (71, 2%). Eine implizite Darstellung von Beziehungen ist jedoch in allen vorliegenden Modellen zu erkennen. Nicht explizit durch Verbindungen abgebildete Beziehungen werden in allen Fällen durch die räumliche Konfiguration der Konzepte zueinander dargestellt. Diskussion Legt man das Kriterium des Vorhandenseins von Verbindungen zwischen Konzepten an, so sind 71, 2% der betrachteten Modelle als diagrammatische Modelle zu klassifizie- ren. Dies ist vordergründig ein geringer Wert, die gegen die allgemeine Gültigkeit der Hypothese spricht. Allerdings sind in allen Modellen implizite Verbindungen zwischen Konzepten eindeutig zu identifizieren. Außerdem ist zu erkennen, dass der Anteil an dia- gramatischen Modellen über die Evaluierungsblöcke (und damit die Weiterentwicklung des Werkzeugs über die Zeit) hinweg stetig ansteigt, bis er in den letzten beiden Blöcken jeweils 100% erreicht. Dies ist durch technische Fehlfunktionen zu erklären, die es in ers- ten Evaluierungsblöcken schwer bzw. teilweise unmöglich machten, intentional explizite Verbindungen zu erstellen. Unter Anbetracht dieser Erkenntnisse ist die Annahme der Hypothese 1 gerechtfertigt. Die Abbildung von Verbindungen durch räumliche Konfiguration ist Gegenstand der Prüfung von Hypothese 13 in Kapitel 13 und wird dort einer näheren Betrachtung un- terzogen. Ergebnis Hypothese 1 kann auf Basis der Untersuchung bestätigt werden. Die Abbildung von Konzepten und Beziehungen zwischen diesen wurde in allen vorliegenden Modellen erfolgreich umgesetzt, wenngleich die Modellierung von expliziten Verbindungen in den ersten beiden Evaluierungsblöcken aufgrund von technischen Unzulänglichkeiten nicht durchgeführt wurde. 12.3.2. Kooperatives Arbeiten Gegenstand der hier beschriebenen Untersuchung ist Hypothese 2 („Das Werkzeug er- möglicht kooperatives Arbeiten an einer Aufgabe.“). Zur Untersuchung der quantitativ beurteilbaren Aspekte wurden die Werkzeuganwendungen aus den Evaluierungsblöcken 2 (n = 18), 3 (n = 18) und 5 (n = 11) herangezogen, wobei in Block 2 und 5 in Gruppen zu zwei Personen modelliert wurde (in insgesamt drei Fällen drei Personen), in Block 3 366 12.3. Ergebnisse in Gruppen zu drei Personen (in drei Fällen nur zwei Personen). Zusätzlich wurden zur qualitative Beurteilung Daten aus den Blöcken 4 und 5 verwendet. In den Evaluierungsblöcken 4 und 5 wurde hinsichtlich der subjektiven Wahrnehmung der Kooperation eine Befragung der Teilnehmer mittels eines Fragebogens durchgeführt (diese umfasste auch weitere Aspekte, die in späteren Abschnitten besprochen werden). Die Fragestellungen zur Kooperation wurde in geschlossenen Items codiert, die auf einer 7-teiligen Likert-Skala zu beantworten waren (zu den konkreten Fragebogen-Items siehe weiter unten sowie Anhang B). Zusätzlich wurden offene Fragen hinsichtlich der Nütz- lichkeit der Werkzeugs eingesetzt, die an dieser Stelle ebenfalls hinsichtlich Aussagen zur Kooperation zwischen den Teilnehmern ausgewertet werden. Zur Auswertung dieser Hypothese wurden außerdem die Interaktionsanalyse berück- sichtigt, die in den Evaluierungsblöcken 2 bis 5 durchgeführt wurden. Herangezogen wurden dabei jene Szenen, in denen die Kooperation zwischen den jeweiligen Teilneh- mern im Vordergrund stand. Auswertung Grundlage des ersten Teils der Auswertung ist die Verteilung der Modellierungsdauer zwischen den Teilnehmern. Um die unterschiedliche Gesamt-Modellierungsdauer in den einzelnen Anwendungen zu kompensieren, wurden die Berechnungen auf Basis der pro- zentuellen Zeitanteile der einzelnen Teilnehmer durchgeführt. Die einzelnen Datensätze wurden so sortiert, dass die anteilsmäßige Modellierungsdauer von Teilnehmer A bis Teilnehmer C (bzw. B) abnimmt. In den einzelnen Evaluierungsblöcken ergeben sich die in Abbildung 12.5 dargestellten Verteilungen. Abbildung 12.5.: Zeitverteilung zwischen den Teilnehmern (1 .. TN A, 2 .. TN B, 3 .. TN C) 367 12.3. Ergebnisse Zu prüfen ist hier, ob die Zeit-Anteile der einzelnen Teilnehmer signifikant unterschied- lich sind. Dazu wird für über die Evaluierungsblöcke hinweg die Signifikanz zwischen den Verteilungen der einzelnen Teilnehmerklassen berechnet (eine Teilnehmerklasse setzt sich aus all jenen Teilnehmern zusammen, die am längsten, am zweitlängsten bzw. am dritt- längsten aktiv waren). Für jene Anwendungen, an denen 2 Teilnehmer beteiligt waren (n = 28) lag der durch- schnittliche Zeitanteil an der Modellierung für Teilnehmer A bei 65.4% (SD = 12.2%), jener von Teilnehmer B lag bei 34.6% (SD = 12.2%). Die Zeitanteile unterscheiden sich damit signifikant voneinander, es ist keine Gleichverteilung der Modellierungszeiten gegeben (zweiseitiger Wilcoxon-Test für gepaarte Stichproben: V = 351, p < 0.0053). Für jene Anwendungen, an denen 3 Teilnehmer beteiligt waren (n = 19) lag der durch- schnittliche Zeitanteil an der Modellierung für Teilnehmer A bei 49.3% (SD = 7.2%), jener von Teilnehmer B lag bei 33.1% (SD = 5.9%) und jener von Teilnehmer C bei 17.6% (SD = 8.2%). Die Zeitanteile unterscheiden sich damit signifikant voneinander, es ist keine Gleichverteilung der Modellierungszeiten gegeben (Kruskal-Wallis-Test für mehr als zwei Stichproben: χ2 = 43.65, df = 2, p < 0.0054). In den Evaluierungsblöcken 4 und 5 wurden die Teilnehmer quantitativ und qualitativ nach dem Einfluss des Werkzeugs auf die Kooperation befragt. In der quantitativen Auswertung wurden 4 Items (Abschnitt „Kollaboration beim Modellieren“ in Block 4 – siehe Anhang B.3.2 – und Abschnitt „Kollaboratives Modellieren“ in Block 5 – siehe Anhang B.3.3) betrachtet. Die Items lauten im Einzelnen: 1. Die Zusammenarbeit als Team empfand ich als angenehm. 2. Die Zusammenarbeit als Team fand ich als nützlich. 3. Ich konnte meine persönliche Meinung und Ideen ausreichend einbringen. 4. Das Werkzeug hat die Zusammenarbeit als Team erleichtert. Insgesamt wurden n = 37 Teilnehmer befragt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 12.5 und Abbildung 12.6 zusammengefasst dargestellt. Neben dem Mittelwert und der Stan- dardabweichung wurde für jedes Item auch geprüft, ob die Einschätzung als signifikant positiv zu bezeichnen ist. Dazu wurde ein einseitiger Wilcoxon-Test für die Stichprobe gegenüber dem Skalenmittelwert 4 durchgeführt Der Wilcoxon-Test muss angewandt werden, da die Stichprobe in allen vier Fällen nicht normalverteilt ist (Shapiro-Wilk- 3Der t-Test kann nicht angewandt werden, da beide Stichproben nicht normalverteilt sind (Shaprio- Wilk-Test: WTNA = 0.826, pTNA < 0.005, WTNB = 0.820, pTNB < 0.005). 4Der t-Test könnte grundsätzlich für die paarweise Testung ebenfalls angewandt werden, da für alle drei Stichproben nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie nicht normalverteilt sind (Shaprio-Wilk- Test: WTNA = 0.9075, pTNA = 0.078, WTNB = 0.9523, pTNB = 0.463, WTNC = 0.9523, pTNC = 0.463) und auch der Test der Varianzen eine Gleichheit derselben vermuten lässt (paarweiser F-Test: FAB = 1.47, pAB = 0.434, FAC = 0.778, pAC = 0.610, FBC = 0.528, pBC = 0.199). Die errechneten paarweisen Werte für t weisen ebenfalls jeweils einen signifikanten Unterschied der Zeitanteile hin (tAB = 7.32, tAC = 12.30, tBC = 6.49, p jeweils < 0.005) 368 12.3. Ergebnisse Test: W1 = 0.723, p1 < 0.005, W2 = 0.494, p2 < 0.005, W3 = 0.751, p3 < 0.005, W4 = 0.853, p4 < 0.005)). Tabelle 12.5.: Befragung Kooperative Modellierung – Itemauswertung Item M SD VM<4 pM<4 1 1.51 0.61 0 <0.005 2 1.62 1.04 27.5 <0.005 3 1.62 0.79 0 <0.005 4 2.16 1.14 4 <0.005 Abbildung 12.6.: Verteilung der Benutzereinschätzungen zum kooperativen Modellieren In der qualitativen Befragung begründeten insgesamt 29 Teilnehmer ihren Eindruck (Fragestellung: „Sind Sie zufrieden mit ihrem Beitrag zum Modellierungsprozess? Geben Sie bitte auch eine kurze Begründung an.“). Die Ergebnisse sind im Folgenden inhaltlich gruppiert dargestellt: • pos: alle Teilnehmer haben Ideen eingebracht (6x) • pos: gute Teamarbeit (5x) • pos: konnte meine Ideen einbringen (5x) • pos: Konsens gefunden (4x) • pos: gute Kommunikation (3x) • pos: alle Teilnehmer gleichgestellt (2x) • neg: Werkzeug an Grenzen gestoßen (2x) 369 12.3. Ergebnisse • neg: hatte zuwenig Wissen (1x) • neg: Arbeit am Werkzeug war zu zeitaufwändig (1x) Zudem konnten in der Videoanalyse der Evaluierungsblöcke 2, 3, 4 und 5 vielfach Situationen identifiziert werden, in denen das Modell auf der Tischoberfläche von den Teilnehmern als Referenz für den Austausch über die abgebildeten Inhalte herangezogen wurden oder in denen mehrere Teilnehmer gleichzeitig das Modell manipulierten. In der Folge werden prototypisch einige Situationen dargestellt, die derartige Interaktionsab- läufe zeigen5: Beispiel für gleichzeitige Manipulation A: Sollen wir die beiden auch verbinden? C: Sicher. (greift zu rotem Block) A: OK. (greift zu blauem Block) A und C schieben die Blöcke zusammen und anschließend wieder in die ursprüngliche Position. Anschließend setzt B den nächsten blauen Block auf die Arbeitsfläche, und verbindet ihn mit dem roten Block. Beispiel für Referenzierung des Modells B: Die Übung (deutet auf roten Block) ist eigentlich nicht notwendig. A: Naja, es ist halt unter einem schönen Knoten. C: Nennen wir das (tippt auf roten Block) Ziele. A: Nein, wieso? Ich kann ja mehrere Bedeutungen für das (deutet auf roten Block) verwenden. Das ist doch egal. Das sagt ja nichts aus. C: Aber wir können das (deutet auf roten Block) weggeben und sagen, das sind die Ziele. Was ist das Ziel. A: Das können wir machen, oder wir legen einfach einen roten dazu (deutet an, wo der rote Block liegen würde) und schreiben es hin. A verschiebt den roten Block, um Platz für einen neuen Block zu schaffen. Beispiel für gleichzeitige Manipulation Die Teilnehmer haben zuvor alle Blöcke beschriftet und wollen sie nun verbinden bzw. in die richtige Position bringen. B: So und jetzt müssen wir eigentlich . . . (greift zum ersten Block und schiebt ihn zum Knotenpunkt, um ihn zu verbinden, danach bringt er den Block wieder in seine ursprüngliche Position) 5Die ausgewählten Transkripte stammen aus Evaluierungsblock 3. Sämtliche Transkripte sind unter den in Anhang B angeführten Quellen zu beziehen. 370 12.3. Ergebnisse C: Jawohl. Teilnehmer B wiederholt Vorgang mit dem zweiten Block. Teilnehmer C greift inzwischen zum dritten Block, um es B nachzumachen. B nimmt anschließend den nächsten Block und verbindet ihn. Den letzten Block verbindet wieder C. Beim Zurückschieben verschwindet die Verbindung von der Arbeitsfläche. A: Das erkennt er nicht. (schiebt den Block wieder ein Stück zurück) System zeigt Verbindung wieder an. C: Passt. Schiebt Block wieder zurück. A: So, und jetzt noch schön anordnen. A greift die unteren Blöcke und richtet sie in einer Linie aus, während C den ober Block zentriert. System reagiert etwas verzögert. B lacht. A: Ok. Passt. In der Folge beraten die Teilnehmer über die weitere Vorgangsweise. Beispiel für Referenzierung des Modells Teilnehmer diskutieren über die beiden Modellierungssprachen. A: In der Softwareentwicklung würde man das Analyse (deutet auf oberen Teil der Arbeitsfläche) und das Design (deutet auf unteren Teil der Arbeitsfläche) nennen. B: Genau. A: Und dann hinterlegst du es mit deinen mathematischen Modellen (deutet Modelle mit Handbewegung an) in der Implementierung und dann kann ich es ausführen. B: Ja. Alles ablauforientiert das Ganze. A: (deutet auf blauen Baustein) Genau, von der Sicht her. Die Sicht, die es einnimmt (deutet auf gelbe Blöcke) ist genau dieselbe, aber der Scope vom Zeitpunkt ist genau. B: unterschiedlich A: Genau, SeeMe, ARIS (deutet Modelle an) und dann Workflow Systeme im Wesentlichen. Diskussion In der Verteilung der Zeitanteile der Beteiligung an der Modellierung zeigt sich, dass der Anteil von Teilnehmer A (dem Teilnehmer mit dem jeweils höchsten Zeitanteil) signi- fikant höher ist als jener von Teilnehmer B. In jenen Fällen, in denen drei Teilnehmer beteiligt sind, ist der Zeitanteil des am kürzesten beteiligten Teilnehmers signifikant geringer als jener der anderen beiden. Dieses Ergebnis zeigt, dass für Anwendungssitua- tionen mit mehreren Teilnehmern eine Beteiligung im gleichen Ausmaß nicht erwartet 371 12.3. Ergebnisse werden kann. Insgesamt spricht dieses Ergebnis also gegen die Bestätigung der Hypo- these. Dies ist aber insofern zu relativieren, als dass eine statistisch signifikante Gleichver- teilung nicht erwartet werden kann. Betrachtet man die Mittelwerte der Zeitanteile der Teilnehmer, so zeigt sich, dass – zumindest für Anwendungen mit zwei Teilnehmern – eine Beteiligung jeweils durch alle Teilnehmer gegeben ist. Der höhere Zeitanteil von Teil- nehmer A ist unter Umständen auch auf den exklusiven Zugriff auf die zur Benennung von Modellierungsblöcken notwendige Tastatur zu erklären. Die Bedienung der Tastatur wurde nur in wenigen Fällen geteilt, so dass ein Teilnehmer durch die Durchführung der Benennungstätigkeit naturgemäß einen stärkeren Anteil an der Arbeitszeit in Anspruch nimmt. Bei drei Teilnehmern zeigt sich jedoch eine deutliche Abnahme des Zeitanteils für jenen Teilnehmer, der den geringsten Zeitanteil in Anspruch nahm. Dieser Effekt verstärkt sich – wie aus Beobachtungen der Anwendungen in Evaluierungsblock 4 zu erkennen (siehe (Wahlmüller, 2010)) – für Anwendungen mit mehr als drei Teilnehmern. Hier sind jeweils tendenziell zwei Beteiligte zu identifizieren, die zusammen mehr als zwei Drittel der Modellierungszeit für sich in Anspruch nehmen. In der Befragung der Benutzer hinsichtlich der wahrgenommenen Möglichkeit zur Ko- operation wird deutlich, dass diese durchwegs als hoch eingeschätzt wird (dies gilt sowohl für die Anwendungen mit zwei Teilnehmern in Block 5 als auch für die Anwendungen mit drei und mehr Teilnehmern in Block 4). Auch in den qualitativen Rückmeldungen zur Kooperation wird das Werkzeug hinsichtlich seiner Wirkung positiv beurteilt. Die Antworten auf die offenen Fragestellungen zeigen ebenfalls eine vorwiegend positive Ein- schätzung der Wirkung des Werkzeugs auf die Kooperation zwischen den Teilnehmern. Das Ergebnis der Befragung spricht also insgesamt für die Bestätigung der Hypothese. Auch die Ergebnisse der Videoanalyse deuten auf eine kooperationsunterstützende Wirkung des Werkzeugs hin. Zu nennen ist hierbei vor allem die vielfache Verwendung der Modellelemente als physischer Ankerpunkt, an dem Diskussionbeiträge durch Zeigen oder Deuten festgemacht werden und so den anderen Teilnehmern der Bezugsgegenstand verdeutlicht wird. Dieses Verhalten bei der Modellbildung war in der vergleichenden Anwendung der rein rechnerbasierten CMapTools in Evaluierungsblock 5 in weitaus ge- ringerem Ausmaß zu beobachten. Auch die simultane Manipulation am Modell durch mehrere Teilnehmer trat wiederholt auf. Dabei handelte es sich selten um vollstän- dig voneinander entkoppelte Aktivitäten, in den meisten Fällen wurde simultan jener Modellteil manipuliert, der aktuell Gegenstand der Diskussion war. Durch die bei rein rechner-gestützten Modellierungswerkzeugen exklusiven Interaktionsmöglichkeit durch die Maus ist dieses Verhalten dort nicht zu beobachten und deutet auf einen auf das Werkzeug zurückzuführenden Effekt hin. Insgesamt kann die hier untersuchte Hypothese auf Basis der durchgeführten Unter- suchungen deshalb bestätigt werden. 372 12.3. Ergebnisse Ergebnis Hypothese 2 kann auf Basis der Untersuchung bestätigt werden. Der Zeitanteil an der Modellbildung zeigt bei Anwendungen mit zwei Modellierenden eine wesentliche Beteiligung jeweils beider Teilnehmer. Bei mehr als zwei Anwendern ist die Beteili- gung aller Teilnehmer nicht mehr gegeben, die Teilnehmer haben dennoch durchwegs (unabhängig von der Anzahl der Teilnehmer bei einer Anwendung) den Eindruck, sich einbringen zu können und gut zusammenarbeiten zu können. 12.3.3. Einsetzbarkeit in unterschiedlichen Kontexten Gegenstand der hier beschriebenen Untersuchung ist Hypothese 3 („Das Werkzeug ist gleichwertig für Modellierungsaufgaben in unterschiedlichen Kontexten einsetzbar.“). Als Grundlage dieser Untersuchung dienen die Ergebnisse der Evaluierungsblöcke 2, 3, 4 und 5. Die Anwendungskontexte unterscheiden sich weitgehend zwischen den Blöcken. In Block 2 werden Ablaufplanungen im universitären Lern-Kontext behandelt, die Blöcke 3 und 5 bilden Aufgaben zur Reflexion von Lerninhalten ab. Block 4 zeigt den Einsatz des Werkzeugs im organisationalen Kontext, wobei hier sowohl die Aufbau- als auch die Ablauforganisation (zumeist nicht trennbar) behandelt wurden. Zur Auswertung werden also drei Kontexte (Block 2, Blöcke 3 und 5 sowie Block 4) betrachtet. In den Blöcken 4 und 5 wurden die Teilnehmer zusätzlich hinsichtlich der Zufriedenheit mit der Abbildung ihrer mentalen Modelle befragt. Auch diese Ergebnisse dienen der Prüfung dieser Hypothese. Auswertung Im quantitativen Teil der hier durchgeführten Auswertung wurde die Korrelation zwi- schen der Modellierungszeit und der Modellgröße in den unterschiedlichen Evaluierungs- blöcken berechnet. Abbildung 12.7 zeigt den Zusammenhang graphisch. Über alle Evaluierungsblöcke hinweg (n = 57) ergibt sich mit einem Korrelationsko- effizient nach Spearman6 von 0.60019 ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen den beiden Messgrößen (Test auf positive Korrelation: S = 11082.87, p < 0.005). Bei der Befragung der Benutzer in den Blöcken 4 (n = 13) und 5 (n = 24) wurde unter anderem deren Zufriedenheit mit dem Modellierungsergebnis sowie der Anwendung der Werkzeugs zur Lösung der Aufgabenstellung qualitativ erhoben. In Evaluierungsblock 4 gaben 11 Teilnehmer an, mit dem Modellierungsergebnis zufrieden gewesen zu sein. Ein Teilnehmer war unzufrieden, einer beantwortete die Frage nicht. Insgesamt wurden von 9 6Der Korrelationskoeffizient nach Pearson kann nicht angewandt werden, da beide Stichproben nicht normalverteilt sind (Shapiro-Wilk-Test: WZeit = 0.880, pZeit < 0.005, WGre = 0.829, pGre < 0.005) 373 12.3. Ergebnisse Abbildung 12.7.: Zusammenhang zwischen Modellgröße und Modellierungsdauer Teilnehmern Begründungen angegeben, die im Folgenden inhaltlich gruppiert dargestellt sind: • pos: kooperatives Arbeiten möglich (3x) • pos: neue Erkenntnisse gewonnen (2x) • pos: Ergebnis entspricht den Vorstellungen (2x) • neg: zu große Teile, zu kleine Oberfläche (2x) 11 Teilnehmer gaben an, mit dem Modellierungsverlauf zufrieden gewesen zu sein, ein Teilnehmer war nicht zufrieden, ein Teilnehmer beantwortete die Frage nicht. Insge- samt wurden von 8 Teilnehmern Begründungen angegeben, die im Folgenden inhaltlich gruppiert dargestellt sind: • pos: kooperatives Arbeiten möglich (3x) • pos: Kommunikation gefördert, gemeinsame Sichtweise entwickelt (2x) • pos: Experimentieren ist möglich (1x) • pos: spielerisches Modellieren möglich (1x) • neg: zu große Teile, zu kleine Oberfläche (1x) • neg: Werkzeug ist umständlich (1x) • neg: Werkzeug technisch instabil (1x) 374 12.3. Ergebnisse In Evaluierungsblock 5 gaben 18 Teilnehmer an, mit dem Modellierungsergebnis zu- frieden gewesen zu sein. 6 Teilnehmer waren unzufrieden. 23 Teilnehmer begründeten ihre Entscheidung. Die Begründungen sind im Folgenden inhaltlich gruppiert dargestellt: • pos: Modell war vollständig (5x) • pos: Aufgabe gut gelöst (5x) • pos: Modell war verständlich (2x) • pos: Ergebnis entspricht den Vorstellungen (2x) • pos: rasche Modellierung war möglich (1x) • neg: Werkzeug technisch instabil (4x) • neg: Modell war zu ungenau (3x) • neg: Modell war unübersichtlich (2x) 20 Teilnehmer gaben an, mit dem Modellierungsverlauf zufrieden gewesen zu sein, 4 Teilnehmer waren nicht zufrieden. Alle 24 Teilnehmer begründeten ihre Entscheidung. Die Begründungen sind im Folgenden inhaltlich gruppiert dargestellt: • pos: kooperatives Arbeiten möglich (11x) • pos: Kommunikation gefördert (7x) • pos: Werkzeug einfach zu bedienen (5x) • pos: Verwendung unterhaltsam (3x) • pos: zügiges Arbeiten möglich (3x) • pos: gute Aufgabenteilung (1x) • neg: Werkzeug technisch instabil (3x) • neg: Werkzeug ist umständlich (1x) • neg: unstrukturiertes Vorgehen (1x) Diskussion Der Korrelationskoeffizient zwischen Modellgröße und Modellierungsdauer deutet bei einer Berechnung über alle Evaluierungsblöcke hinweg mit einem Wert von 0.600 auf eine signifikant positive Korrelation zwischen diesen beiden Parametern hin. Da damit unabhängig von der Modellierungsaufgabe offensichtlich ein Zusammenhang zwischen den geprüften Parametern besteht, stützt dies die Hypothese, dass sich das Werkzeug für den Einsatz in unterschiedlichen Kontexten eignet. Auch die in Abschnitt 12.3.6 verwendeten „normierten“ Modellierungszeiten (Modellierungdauer im Verhältnis zur Modellgröße, also im Wesentlichen Zeitaufwand pro Block) zeigen für die dort gegen- übergestellten Blöcke 2 und 3 keinen signifikanten Unterschied im Aufwand bei der Modellierung, obwohl die Anwendungen aus unterschiedlichen Kontexten stammen. 375 12.3. Ergebnisse Bei der qualitativen Betrachtung der Rückmeldungen der Benutzer hinsichtlich der Zufriedenheit mit dem Modellierungsverlauf und Ergebnis zeigen sich unabhängig von jeweiligen Anwendungskontext überwiegend positiv zu wertende Rückmeldungen. Be- trachtet man die mehrfach genannten Begründungen der Einschätzungen, gleichen sich sowohl die positiven als auch die negativen Rückmeldungen in den beiden Anwendungs- kontexten. Dies spricht für die Bestätigung der untersuchten Hypothese. Zusammenfassend kann Hypothese 3 also auf Basis der Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen bestätigt werden. Ergebnis Hypothese 3 kann auf Basis der Untersuchung bestätigt werden. Die quantita- tive Untersuchung der Korrelation zwischen Modellgröße und Modellierungsdauer zeigt unabhängig vom Anwendungskontext eine signifikant positive, relativ stark ausgeprägte Korrelation, was darauf hinweist, dass der Aufwand zur Modellerstellung unabhängig von Aufgabenstellung und Anwendungskontext relativ stabil bleibt. Auch die qualitati- ven Rückmeldungen der Teilnehmer aus unterschiedlichen Anwendungskontexten glei- chen sich im Wesentlichen, so dass das Werkzeug unabhängig vom Anwendungskontext immer ähnliche positive bzw. negative Effekte hat. 12.3.4. Wiederherstellung vergangener Modellzustände Gegenstand der hier beschriebenen Untersuchung ist Hypothese 4 („Die Möglichkeit der Wiederherstellung vergangener Modellzustände fördert die Bereitschaft alternative Re- präsentationen auszuprobieren.“). Als Grundlage dieser Untersuchung dienen die Ergeb- nisse der Evaluierungsblöcke 2 bis 5, da die Funktion zur Wiederherstellung vergangener Modellzustände erst in diesen Blöcken funktionsfähig zur Verfügung stand. Auswertung Für alle Anwendungen des Werkzeugs in den Evaluierungsblöcken 2 bis 5 wurde hier un- tersucht, wie oft die Möglichkeit zur Wiederherstellung vergangener Modellzustände ein- gesetzt wurde, um alternative Modellierungswege auszuprobieren. Nicht berücksichtigt wurden Einsätze derselben Funktion, die zur Korrektur von Modellierungsfehlern durch Fehl-Erkennungen des Systems verwenden wurden (verstärkt in den Evaluierungsblö- cken 2 und 3 aufgetreten, in 4 und 5 durch Stabilisierung der Erkennungsleistung nicht mehr relevant – siehe Abschnitt 12.3.8). Die Verteilung des Einsatzes der Funkion ist in absoluten Zahlen in Tabelle 12.6 für jeden Evaluierungsblock angeführt 376 12.3. Ergebnisse Tabelle 12.6.: Anzahl des Einsatzes der Wiederherstellungsfunkion EB 0 E. 1 E. 2 E. 3+ E. 2 18 0 0 0 3 14 4 0 0 4 10 0 0 0 5 10 1 0 0 Ges. 52 5 0 0 EB . . . Evaluierungsblock, x E.. . . x Einsätze der Wiederherstellungsfunktion Die Wiederherstellungsfunktion wurde also insgesamt in 8.77% der Fälle (n = 57) ein- gesetzt und kam maximal einmal je Anwendung zum Einsatz. Aus den Videoanalysen ist außerdem erkennbar, dass die Wiederherstellungsfunktion – falls ihre Verwendung überhaupt in Betracht gezogen wird – in den meisten Fällen lediglich zur Fehlerkor- rektur eingesetzt wird (in 52 Anwendungen wurde die Wiederherstellungsfunkion in 37 Fällen – 71.2% – mindestens einmal zur Korrektur von Erkennungsfehlern und 5 mal zur Korrektur von inhaltlich verworfenen Modellierungswegen verwendet). Bei der in den Blöcken 1, 4 und 5 durchgeführten Befragung der Teilnehmer hinsichtlich der Erfahrungen mit dem Werkzeug wurde unter anderem nach als besonders nützlich empfundenen Funktionen bzw. Eigenschaften des Werkzeugs gefragt. Die Wiederher- stellungsfunktion wurde in diesem Zusammenhang von keinem Teilnehmer (n = 55) erwähnt. Diskussion Die Ergebnisse der Auswertung der Untersuchung zu dieser Hypothese zeigt ein gerin- ges Ausmaß der Verwendung der Wiederherstellungsfunktion zum Zwecke der Erstellung von Modellalternativen. Die Funktion an sich wurde in 71.2% der Anwendungen verwen- det, was für ein hohes Bewusstsein über deren Existenz spricht. Lediglich in 8.77% der Anwendungen wurde die Funktion zur Verfolgung alternativer Modellierungswege ein- gesetzt, in 61.5% der Anwendungen wurde sie lediglich zur Fehlerkorrektur verwendet. Auch in der qualitativen Erhebung der als nützlich wahrgenommenen Werkzeugfunktio- nalitäten wurde die Wiederherstellungsfunktion in keinem Fall genannt. Auf Basis dieser Ergebnisse kann die Hypothese nicht bestätigt werden. Ergebnis Hypothese 4 kann auf Basis der Untersuchung nicht bestätigt werden. Die Wiederherstellungsfunktion wird nur in unter 10% der untersuchten Anwendungen zur Verfolgung alternativer Modellierungswege genutzt. Die Funktion wird außerdem von 377 12.3. Ergebnisse den Anwendern bei der Frage nach den als nützlich wahrgenommene Funktionen nicht genannt. 12.3.5. Nicht-Behinderung Gegenstand der hier beschriebenen Untersuchung ist Hypothese 5 („Das Werkzeug be- hindert die Modellbildung nicht.“). Als Grundlage dieser Untersuchung dienen die Er- gebnisse der Evaluierungsblöcke 2 bis 5, da sich das Werkzeug erst in diesen Blöcken hin- sichtlich der Funktionalität in vollständigem Zustand befand. Zu berücksichtigen ist bei der Auswertung, dass im Laufe der Evaluierungsblöcken 4 und 5 eine Überarbeitung der Implementierung vorgenommen wurde, mittels der das Auftreten von Fehl-Erkennungen verringert werden konnte und deren Korrektur weniger aufwändig wurde. Befragungen der Modellierenden hinsichtlich einer etwaigen Behinderung durch das Werkzeug wurden in den Blöcken 1, 4 und 5 durchgeführt, wobei lediglich die Anmerkungen aus den letzen beiden Blöcken für den aktuellen Entwicklungsstand des Werkzeugs relevant sind. Auswertung In Tabelle 12.7 wird gegliedert nach Evaluierungsblöcken dargestellt, wie oft es in einer einzelnen Anwendung zu Fehlfunktionen in der Erkennung kam, die den Modellierungs- fluss unterbrachen. Als Fehl-Erkennungen wurde das Verschwinden von Blöcken oder Fehlzuordnungen von Benennungen sowie die unbeabsichtigte oder von System eigen- ständig vorgenommene Erstellung oder Entfernung von Verbindern bzw. Richtungspfei- len eingeordnet. Zusätzlich wurden Systemabstürze als massive Unterbrechung, die zum Gesamtverlust des bis zum Zeitpunkt des Absturzes erstellten Modells führten, separat ausgewertet. Tabelle 12.7.: Fehlfunktionen und Abstürze des Werkzeugs EB Anw. 0 Ff. 1-3 Ff. 4-6 Ff. 7+ Ff. Systemabstürze 2 18 0 8 5 5 4 3 18 1 10 4 3 5 4 10 0 2 2 5 1 5 11 0 3 3 4 5 Ges. 57 1 23 14 17 15 EB . . . Evaluierungsblock, Anw. . . . Anzahl der Anwendungen, x Ff.. . . x Fehlfunktionen In der Gesamtheit der betrachteten Anwendungen (n = 57) ergibt sich die in Tabelle 12.7 dargestellte Verteilung der Anzahl der Fehlerkennungen je Anwendung, die auch in Abbildung 12.8 graphisch abgebildet ist. In 1.75% der Fälle trat keine Fehlerkennung während der Anwendung auf (n0 = 1). In 40.35% der Fälle traten zwischen 1 und 3 378 12.3. Ergebnisse Fehlerkennungen auf (n1−3 = 23). 4-6 Fehlerkennungen konnten in 24.56% der Fälle festgestellt werden (n4−6 = 14). 7 oder mehr Fehlerkennungen traten in 29.82% der Fälle auf (n7+ = 17). In 26.32% der Fälle kam es zu Systemabstürzen (nAbsturz = 15), wobei diese in 10 Fällen nach Ende des eigentlichen Modellierungsvorgangs auftraten. Abbildung 12.8.: Verteilung der Anzahl der Fehlerkennungen je Anwendung – Übersicht In der Benutzerbefragung in den Evaluierungsblöcken 4 und 5 wurde in offenen und geschlossenen Fragen nach der Wirkung des Werkzeugs bei der Modellbildung befragt (Abschnitte „Nutzerfreundlichkeit“ und „Zufriedenheit des Modellierers“ in Block 4 – siehe Anhang B.3.2 – und Abschnitte „wahrgenommene Einfachheit der Benutzung des Werkzeugs“ und „Zufriedenheit des Modellierers“ in Block 5 – siehe Anhang B.3.3). Die für die Prüfung der hier betrachteten Hypothese sind folgende geschlossene Items relevant: 1. Die Anwendung des Werkzeugs ist frustrierend (Skala gedreht). 2. Die Anwendung des Werkzeugs fällt mir leicht. 3. Die Anwendung des Werkzeugs ist anstrengend (Skala gedreht). 4. Um mit dem Werkzeug gut zurecht zu kommen, hätte ich intensivere Vorbereitung benötigt (Skala gedreht). 5. Die Bedienung des Werkzeugs ist intuitiv. 6. Das Werkzeug ist einfach zu bedienen. 7. Die benötigte Zeit um das Modell zu erstellen empfand ich als angemessen. Insgesamt wurden n = 37 Teilnehmer befragt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 12.8 und Abbildung 12.9 zusammengefasst dargestellt. Neben dem Mittelwert und der Stan- dardabweichung wurde für jedes Item auch geprüft, ob die Einschätzung als signifikant 379 12.3. Ergebnisse positiv zu bezeichnen ist. Dazu wurde ein einseitiger Wilcoxon-Test für die Stichprobe gegenüber dem Skalenmittelwert 4 durchgeführt7. Tabelle 12.8.: Befragung über die Wirkung des Werkzeugs – Itemauswertung Item M SD VM<4 pM<4 1* 2.89 1.76 100 < 0.005 2 2.19 1.29 20 < 0.005 3* 2.65 1.49 49 < 0.005 4* 2.08 1.28 33.5 < 0.005 5 2.78 1.49 70.5 < 0.005 6 2.32 1.21 27 < 0.005 7 2.16 1.35 20.5 < 0.005 * . . . Item gedreht Abbildung 12.9.: Verteilung der Benutzereinschätzungen zur Wirkung des Werkzeugs In der qualitativen Befragung gaben insgesamt 34 Teilnehmer Rückmeldungen zur Bedienung des Werkzeugs ab (Fragestellung: „Wie zufrieden waren sie im Allgemeinen mit dem Werkzeug?“). Die Ergebnisse sind im Folgenden inhaltlich gruppiert dargestellt: 7Der Wilcoxon-Test muss angewandt werden, da die Stichprobe in allen sieben Fällen nicht nor- malverteilt ist (Shapiro-Wilk-Test: W1 = 0.877, p1 < 0.005, W2 = 0.798, p2 < 0.005, W3 = 0.871, p3 < 0.005, W4 = 0.764, p4 < 0.005, W5 = 0.862, p5 < 0.005, W6 = 0.833, p6 < 0.005, W7 = 0.844, p7 < 0.005) 380 12.3. Ergebnisse • pos: Prototypen-Probleme nicht überbewerten, trotzdem verwendbar (7x) • pos: intuitive Herstellung von Verbindern möglich (2x) • pos: Benutzung war spannend und nützlich (2x) • pos: Hinweise zum Wiederherstellen eines Zustandes (2x) • pos: ermöglicht das spielerische Nachdenken über Prozesse (1x) • pos: Interaktion mit dem Werkzeug einfach möglich (1x) • pos: Anfassbarkeit verstärkt die Beziehung zum Thema (1x) • neg: Objekte zu groß / Oberfläche zu klein (9x) • neg: System zu instabil (8x) • neg: System zieht tw. selbständig Verbindungen (4x) • neg: Erkennungsleistung in Teilbereichen mangelhaft (3x) • neg: zu wenig Verbinder-Varianten (3x) • neg: zu wenig Baustein-Varianten (2x) • neg: Beschriftung unterbricht den Modellierungsfluss (1x) • neg: Tisch zu hoch (1x) • neg: System umständlich zu bedienen (1x) • neg: zu träge Reaktion (1x) In der Videoanalyse der Evaluierungsblöcke 2, 3, 4 und 5 konnten Situationen iden- tifiziert werden, die die am häufigsten genannten negativen Wirkungen des Werkzeugs bestätigen. In der Folge werden prototypisch einige Situationen dargestellt, die derartige Interaktionsabläufe zeigen, in denen die Bedienung des Werkzeugs behindert wird8: Oberfläche zu klein Teilnehmer A will einen neuen Block hinzufügen, hat aber wenig Platz. A setzt gelben Block an den unteren Rand der Arbeitsfläche. B: Geben wir ihn hier rauf. (schiebt Blöcke zur Seite) Sonst können wir sie nicht verbinden. C: Stimmt. A setzt Block auf die freigelegte Fläche. B und C schieben inzwischen die anderen Blöcke auseinander, um noch mehr Platz zu schaffen. C setzt den Marker zum neuen Baustein. A beschriftet. C nimmt den Marker weg. Die Teilnehmer setzen mit dem verbinden der Blöcke ihre Arbeit fort. 8Die ausgewählten Transkripte stammen aus Evaluierungsblock 3. Sämtliche Transkripte sind unter den in Anhang B angeführten Quellen zu beziehen. 381 12.3. Ergebnisse System zu instabil - Fall 1 B stellt blauen Block auf die Arbeitsfläche und schiebt ihn zum roten Block. System erstellt jedoch keine Verbindung. A: Egal, dann fahren wir mit dem Roten weiter rauf. (Nimmt roten Block und schiebt ihn in Richtung blauen Block den TLN B auf der Arbeitsfläche bewegt) Jetzt erkennt er das auch nicht mehr (meint Verbindung, die kurz verschwindet). Die beiden schieben die Blöcke gleichzeitig wieder in Richtung der Ausgansposition. Verschwundene Verbindung wird wieder angezeigt. Neue Verbindung wird nicht erkannt. A: Egal. (schiebt roten Block nach links oben, während B den blauen Block nach rechts unten hebt) A: Versuchen wir es hier einmal. B schiebt den blauen Block nach links oben zum roten Block zurück. System erkennt die Verbindung. B schiebt den Block nach rechts unten zurück und A verschiebt den roten Block, weil die Verbindungen kurz verschwunden sind. Teilnehmer setzen mit der Modellierung fort. System zu instabil - Fall 2 Das System hat einen ungewollten Verbinder erstellt. B stellt das Glas auf die Oberfläche und dreht es A: jetzt ist es weg! B hebt das Glas von der Oberfläche, ohne das Wiederherstellungskärtchen zu verwenden Beide Teilnehmer verharren kurz ohne zu sprechen B: nein, he, hallo B setzt das Glas wieder auf die Oberfläche A murmelt unverständlich, das letzte Wort scheint „vielleicht“ zu sein B dreht das Glas, nimmt die Hand vom Glas und tippt kurz mit den Fingern auf die Oberfläche B: OK, und jetzt? A: Wenn du es weg tust, ist es wieder B greift zu einem Marker B: commiten! B setzt den Marker zweimal kurz auf die Tischoberfläche und nimmt ihn danach vom Tisch B: nein A murmelt unverständlich und zeigt auf den ungewollten Verbinder, der noch immer besteht B hebt das Glas kurz an und stellt es wieder auf die Oberfläche B: ah geh, ich frage ihn gleich 382 12.3. Ergebnisse B verlässt den den Raum und ruft den Seminarleiter herbei, um ihnen bei dem Problem behilflich zu sein System zu instabil - Fall 3 Das System hat einen ungewollten Verbinder erstellt. Die Teilnehmer wollen diesen mit dem Glas entfernen. B nimmt das Glas und das Kärtchen gleichzeitig vom Tisch B: geh nein, nicht das weg tun Das System hat einen blauen Block am linken unteren Ende der Oberfläche verloren B: wah (frustriert) B: gibt es ja nicht B nimmt den nicht mehr erkannten blauen Block von der Oberfläche B: OK, weg tun B: Was ist jetzt da verkehrt? B greift zu einem roten Block, das System zeigt mit einer grünen gefüllten Ellipse an, er solle den Block etwas verschieben, er berührt den Block leicht und verschiebt ihn minimal, das System erkennt dies und fordert die Teilnehmer auf, einen weiteren Block zu verschieben. Die Teilnehmer können dies nicht deuten. B nimmt den Block der verschoben werden sollte von der Oberfläche und stellt ihn wieder ab, allerdings neben der markierten Zielposition. B greift zu dem zuvor entfernten blauen Block und legt ihn wieder an seine ursprüngliche Position, das System reagiert nicht darauf. A: vielleicht einmal die A greift zu dem obersten roten Block und verschiebt diesen weiter nach oben, er verschiebt auch weitere rote Blöcke, einen dieser Blöcke verschiebt er auf die grün gefüllte Ellipse. Es handelt sich dabei jedoch um den falschen Block. Das System hat einen ungewollten Verbinder erstellt A: jetzt hat er da wieder eine Verbindung gemacht B: warte, drehen wir nochmal zurück B greift zu dem Glas (außerhalb des Bildbereichs) B: Da bist du mit den Nerven fertig, bevor du irgendetwas zusammengebracht hast, was passt Die Teilnehmer setzen die Modellierung fort, das System verlangt noch immer, dass die Teilnehmer einen roten Block an seinen richtigen Platz schieben und zeigt die von den Teilnehmern durchgeführten Änderung nicht an. System zieht selbständig Verbindungen 383 12.3. Ergebnisse Das System hat eine unerwünschte Verbindung erstellt. B schiebt die beiden Blöcke mit der ungewollten Verbindung aneinander B: OK, jetzt haben wir wirklich eine Verbindung, die müssen wir wieder löschen A: hm? B: oder? A: Was willst du denn löschen? B: ja die Verbindung A: wieso? B: zeigt auf die Verbindung – brauchen wir da eine? A: ja, wieso? Sicher B: (unverständlich) A: Jam wieso machst du es dann, wenn du sagst, dass du es wieder löschst? B: das hat er automatisch gemacht A: ja, du bist ja zusammengefahren, das ist B: ja, das vorher schon, ich habe mir gedacht, wenn man zusammenfährt, dann kann man es B nimmt das Glas B: Das ist der Weg? (teilweise unverständlich) B setzt das Glas auf die Oberfläche A: (unverständlich) B dreht das Glas B: passt! Diskussion Die Daten der quantitativen Auswertung der Modellierungsvorgänge zeigen, dass es in annähernd allen betrachteten Fällen zu zumindest einer Fehlerkennung kam. Es ist da- von auszugehen, dass jede Fehlerkennung den Modellierungsfluss unterbricht, da das dann inkorrekte Modelle korrigiert werden muss. Insofern ist von einer Behinderung des Modellierungsflusses durch die Verwendung des Werkzeugs auszugehen. Auch die qualtitativ erhobenen Daten weisen darauf hin, dass das Werkzeug zum Teil behindernd oder beschränkend bei der Durchführung der Modellierung wirkt. Vor allem die beschränkte Größe der Modellierungsoberfläche (siehe dazu auch die Unter- suchung der Hypothese 10 in Abschnitt 13.3.2) sowie die auftretenden Instabilitäten bei der Modellerkennung wurden als negativ für die Modellbildung wahrgenommen. In der quantitativen Beurteilung der Wirkung des Werkzeugs wird dieses jedoch vornehm- lich positiv eingeschätzt, so dass die tatsächliche Wahrnehmung des Werkzeugs besser (bzw. die wahrgenommene Behinderung insgesamt geringer) ist, als es die Daten der Vi- 384 12.3. Ergebnisse deoauswertung sowie die individuell genannten Probleme bei der Bedienung vermuten lassen. Der hohe Anteil von Systemabstürzen ist insofern zu relativieren, als dass diese in zwei Drittel der Fälle nach Abschluss der eigentlichen Modellierungstätigkeit auftraten und somit die Modellerstellung selbst nicht mehr unterbrachen. Abstürze traten durchgängig vor allem in langen Modellierungsdurchgängen etwa ab Minute 40 auf, da ab diesem Zeitpunkt der Speicherbedarf der Historie tendenziell an die Grenzen des verfügbaren Arbeitsspeichers stößt. Alternativ kam es an Tagen mit starker Modellierungstätigkeit ab etwa 5 Stunden durchgängiger Betriebsdauer zu Überhitzungen des Rechners, auf dem die Software ausgeführt wurde, was zum Gesamtabsturz des Betriebssystems führte. Le- diglich in 5 Fällen war der Absturz auf fehlerhaftes Programmverhalten (abgesehen von der Speicherproblematik) zurückzuführen. Diese Fälle traten in den Evaluierungsblöcken 2 und 3 auf. Trotzdem sind auch Systemabstürze in der Endphase der Anwendung nach der Modellierung durch den auftretenden Datenverlust nicht akzeptabel und sprechen somit gegen die Annahme der Hypothese. Insgesamt kann die hier geprüfte Hypothese aus den angeführten Gründen nicht be- stätigt werden. Trotz der weitgehend positiven Wahrnehmung des Werkzeugs durch die Benutzter zeigen sich doch Bedienungsprobleme in einem Umfang, bei dem von einer Behinderung des Modellierungsprozesses ausgegangen werden muss. Ergebnis Hypothese 5 kann auf Basis der Untersuchung nicht bestätigt werden. Bei der Benutzung des Werkzeugs traten vor allem in den ersten Evaluierungsblöcken Fehl- funktionen auf, die die Modellbildung massiv behinderten oder teilweise verhinderten. Durch Stabilisierung und Überarbeitung der technischen Plattform konnten diese Fehl- funktionen zwar minimiert werden, insgesamt können die Verbesserungen die gemesse- nen Werte nicht soweit verbessern, dass die Hypothese statistisch signifikant bestätigt werden könnte. Diese erhobenen Aspekte können auch durch die überwiegend positive Benutzereinschätzung des Werkzeuges nicht kompensiert werden. 12.3.6. Gewöhnung an das Werkzeug Gegenstand der hier beschriebenen Untersuchung ist Hypothese 6 („Wiederholte Ver- wendung des Werkzeugs führt zu schnellerer Modellbildung und weniger Fehlbedienun- gen.“). Als Grundlage dieser Untersuchung dienen die Ergebnisse des Evaluierungsblocks 2, da in diesem für jede Teilnehmerzusammenstellung jeweils zwei Anwendungen des Werkzeugs durchgeführt wurden. 385 12.3. Ergebnisse Auswertung Zur Auswertung der Modellierungsgeschwindigkeit (hinsichlich des Hypothesenteils „schnel- lere Modellbildung“) wurde die reine Modellierungszeit jeder Anwendung (ohne Diskus- sionszeit) mit der jeweiligen Modellgröße normiert. In Tabelle 12.9 sind die Anwen- dungszeiten und Modellgrößen sowie die daraus errechneten normierten Werte für beide Anwendungen der Gruppen in Evaluierungsblock 2 angegeben. Tabelle 12.9.: Modellierungszeiten in Abhängigkeit der Modellgröße in Evaluierungs- block 2 Gruppe t1 n1 t′1 t2 n2 t′2 1 620 20 31.0 300 6 50.0 2 450 13 34.6 420 7 60.0 3 240 12 20.0 285 6 47.5 4 215 10 21.5 420 13 32.3 5 577 12 48.1 270 7 38.6 6 339 10 33.9 330 8 41.3 7 348 8 43.5 110 5 22.0 8 855 16 53.4 510 12 42.5 9 735 8 91.9 195 12 16.3 tx . . .Modellierungsdauer in Sekunden, nx . . . Anzahl der Elemente, t′1 . . . normierte Modellierungdauer in Sekunden Zwischen der ersten Anwendung (normierte Modellierungsdauer: M = 42.0, SD = 21.8, n = 9) und der zweiten Anwendung (normierte Modellierungsdauer:M = 38.9, SD = 13.7, n = 9) ist keine signifikante Verringerung der normierten Modellierungsdauer zu erkennen (einseitiger Wilcoxon-Test für gepaarte Stichproben: V = 21, p = 0.5909). Die Anzahl der Fehlbedienungen ist die Anwendungen in beiden Modellierungsdurch- gängen in Evalierungsblock 2 in Tabelle 12.10 angegeben. Als Fehlbedienungen wurden all jene Interaktionen mit dem Werkzeug eingestuft, in denen die Bedienung nicht dem intendierten Interaktionsdesign folgte. Fehlfunktionen des Werkzeugs wurden nicht be- rücksichtigt. Zusammenfassend kann hier gezeigt werden, dass die Anzahl der Fehlbedienungen zwi- schen Anwendung 1 (M = 2.89, SD = 2.32, n = 9) und Anwendung 2 (M = 0.78, SD = 9Aufgrund nicht bestätigten Nicht-Normalverteilung der beiden Stichproben (Shapiro-Wilk-Test 1. Anwendungsdurchgang: W = 0.853, p = 0.081, 2. Anwendungsdurchgang: W = 0.972, p = 0.910) und dem nicht signifikanten Unterschied der Varianz der Stichproben (F-Test: F = 2.53, p = 0.211) könnte der t-Test (t = 0.286, df = 8, p = 0.391) ebenfalls angewandt werden und liefert das gleiche Ergebnis wie der aufgrund der geringen Stichprobengröße durchgeführte Wilcoxon-Test. 386 12.3. Ergebnisse Tabelle 12.10.: Anzahl der Fehlbedienungen in Evaluierungsblock 2 Gruppe FB1 FB2 1 1 0 2 4 1 3 2 1 4 0 0 5 0 0 6 6 1 7 3 1 8 6 1 9 4 2 FBx . . . Anzahl der Fehlbedienungen 0.67, n = 9) signifikant geringer geworden ist (einseitiger Wilcoxon-Test für gepaarte Stichproben: V = 28, p = 0.010910). Diskussion Eine signifikante Beschleunigung der Modellierungsgeschwindigkeit konnte in obiger Un- tersuchung nicht festgestellt werden. Die mit der Modellgröße normierte Modellierungs- zeit verringerte sich zwischen den beiden Anwendungen im Schnitt nur geringfügig. Die- ses Ergebnis kann somit nicht als Indikator für die Bestätigung der Hypothese gesehen werden. In den anderen Evaluierungsblöcken (3, 4 und 5) liegt die durchschnittliche nor- mierte Modellierungsdauer in ähnlichen Bereichen wie in den beiden Durchgängen von Evaluierungsblock 2. Bei Anwendung des Werkzeugs durch den Entwickler selbst ist die normierte Modellierungsdauer hingegen auf ungefähr den halben Wert reduziert. Benut- zer ohne tiefgehende und mehrfach wiederholte Anwendungserfahrungen zeigen jedoch keinen messbar signifikanten Beschleunigungseffekt bei der Bedienung des Werkzeugs. Hingegen ist die Anzahl der Fehlbedienungen in den jeweils zweiten Anwendungen des Werkzeugs im Vergleich zur jeweils ersten Anwendung signifikant gesunken. Dies spricht für die Bestätigung der hier geprüften Hypothese. Betrachtet man die Fehlbe- dienungen detaillierter, so ist ein Großteil der aufgetretenen Fälle sowohl in der ersten als auch in der zweiten Anwendung auf Verständnisschwierigkeiten bei der Bedienung des Löschtokens (zum Zeitpunkt der Evaluierung noch mit dem zustandsbehafteten In- teraktionsdesign implementiert, siehe Abschnitt 12.3.8) und der Verwendung der Wie- derherstellungsfunktion zurückzuführen. Das Interaktionsdesign beider Aspekte ist also 10Aufgrund der beiden kleinen Stichproben und der Nicht-Normalverteilung der zweiten Stichprobe (Shapiro-Wilk-Test 1. Anwendungsdurchgang: W = 0.9144, p = 0.348, 2. Anwendungsdurchgang: W = 0.813, p = 0.0284) sowie der unterschiedlichen Varianz der Stichproben (F-Test: F = 12.06, p = 0.00199) kann der t-Test nicht angewandt werden. 387 12.3. Ergebnisse zu hinterfragen (bzw. wurde im Falle des Löschtokens hinterfragt). Zwischen den bei- den Modellierungsdurchgängen kam es zu einer Überarbeitung der Funktionalität und der Interaktionsabläufe zur Herstellung von Verbinderns (siehe Abschnitt 12.3.7). Das Ausmaß der Fehlbedienungen, die auf diese Funktionalität zurückzuführen sind, blieb jedoch in beiden Abschnitten gleich niedrig (FBV erbinder = 2). Durch die Überarbeitung wurde lediglich das Ausmaß der Verwendung von Verbindern signifikant gesteigert (siehe Abschnitt 12.3.7). Insgesamt kann die hier untersuchte Hypothese nur zum Teil bestätigt werden, da der vermutete Beschleunigungseffekt nicht nachzuweisen war. Ergebnis Hypothese 6 kann auf Basis der vorliegenden Daten teilweise bestätigt wer- den. Während kein signifikanter Beschleunigungseffekt bei wiederholter Verwendung des Werkzeugs festgestellt werden konnte, war eine signifikante Verringerung der Anzahl der Fehlbedienungen des Werkzeugs bei wiederholtem Einsatz feststellbar. 12.3.7. Herstellung von Verbindern Gegenstand der hier beschriebenen Untersuchung ist Hypothese 7 („Die Einführung der alternativen Möglichkeit zur Verbindungsherstellung erhöht die Nutzung von Verbindern bei der Modellerstellung.“). Zur Untersuchung wurden die Werkzeuganwendungen aus Evaluierungsblock 2 (n = 18) herangezogen. Dieser Block wurde gewählt, da dort alle Teilnehmer das Werkzeug zweimal mit der gleichen Aufgabenstellung anwandten, wobei in der ersten Anwendungsrunde lediglich die ursprüngliche Funktionalität zur Herstel- lung von Verbindern verfügbar war, in der zweiten Runde aber bereits der alternati- ve Funktionalität implementiert war. Zur weiteren Überprüfung der Ergebnisse werden außerdem die Ergebnisse aus Block 3 (n = 18) herangezogen, bei dessen Durchführung ebenfalls bereits die alternative Funktionalität verfügbar war. Auswertung Grundlage der Auswertung ist das Modellmerkmal „Connectedness“, worunter hier das Verhältnis zwischen der Anzahl der in einem Modell verwendeten Verbindern und den verwendeten Modellelementen zu verstehen ist. In den einzelnen betrachteten Evaluie- rungsblöcken verteilt sich die Connectedness wie in den Abbildungen 12.10 dargestellt. Zu prüfen ist, ob die Connectedness in jenem Evaluierungs-Blöcken bzw. -Durchgängen, in denen die alternative Funktionalität zur Verbindungs-Herstellung verfügbar war, si- gnifikant höher ist, als in jenen, in denen dies nicht der Fall war. Berechnet wird die 388 12.3. Ergebnisse Abbildung 12.10.: Connectedness in den Evaluierungsblöcken 2 und 3 Signifikanz zwischen den Ergebnissen der beiden Durchgänge von Block 2 (conn2−1: M = 0.480, SD = 0.544 und conn2−2: M = 0.804, SD = 0.308) sowie zwischen den Ergebnissen des ersten Durchgangs von Block 2 und den Ergebnissen von Block 3 (conn3: M = 0.876, SD = 0.435). Im zweiten Fall ist zu beachten, dass die Aufga- benstellung nicht identisch war und diese Einfluss auf die Connectedness des Modells haben kann. Aufgrund der bestätigten Nicht-Normalverteilung der Stichprobe conn2−2 (Sharpiro-Wilk-Test: W2−1 = 0.854, p2−1 = 0.0823, W2−2 = 0.586, p2−2 < 0.005, W3 = 0.913, p3 = 0.114) kommt zur Prüfung der Signifikanz der t-Test nicht in Frage, es wird der Wilcoxon-Test herangezogen. Der einseitige Wilcoxon-Test für gepaarte Stichproben ergibt für conn2−1 und conn2−2 in der zweiten Stichprobe (jene mit Einsatz der alternativen Funktionalität der Verbin- dungsherstellung) eine signifikant höhere Connectedness (V = 5, p = 0.0400) als in der erste Stichprobe (ohne diese Funktionalität). Für conn2−1 und conn3 ergibt der einseitige Wilcoxon-Test für ungepaarte Stichproben ein ähnliches Ergebnis – auch hier ist im der zweiten Stichprobe bei Einsatz der alterna- tiven Funktionalität zur Verbiundungsherstellung eine signifikant höhere Connectedness festzustellen (W = 39, p = 0.0227). Für conn2−2 und conn3 zeigt der zweiseitige Wilcoxon-Test für ungepaarte Stichproben dahingegen keine signifikant unterschiedliche Connectedness (W = 64.5, p = 0.535) für den zweitgenannten Block – in diesem Fall kam in beiden Stichproben die alternative Möglichkeit zur Herstellung von Verbindungen zum Einsatz. 389 12.3. Ergebnisse Diskussion Aufgrund der Ergebnisse der berechneten Signifikanztests ist die Hypothese anzuneh- men. Mit der Einführung der alternativen Möglichkeit zur Herstellung von Verbindungen war in den einzelnen Anwendungen des Werkzeugs eine Zunahme der Verwendung von Verbindern zu beobachten. Während die Benutzer bei der ursprünglichen Funktion zur Herstellung von Verbindungen zum Großteil auf diese verzichteten (dieses Verhalten ist auch in Evaluierungsblock 1 zu beobachten), wurden Verbinder unabhängig von der Auf- gabenstellung mit der Einführung der alternativen Funktionalität verstärkt eingesetzt. Die Connectedness eignet sich als Parameter zur vergleichenden Beurteilung des Aus- maßes der Verwendung von Verbindern, da durch die Einbeziehung der Größe des Mo- dells (repräsentiert durch die Anzahl der verwendeten Modellelemente) in die Berech- nung den Wert für unterschiedliche Modelle vergleichbar gemacht wird. Einfluss auf die Höhe der Connectedness kann aber die Aufgabenstellung haben, die zur Bildung des Modells führt. Unterschiedliche Modellierungsaufgaben können zu un- terschiedlichen Modell-Topologien führen, die sich wiederum in der Anzahl der verwen- deten Verbinder auswirkt. Concept-Mapping-Aufgaben, die conn3 zugrunde liegen, füh- ren eher zu stärker verbundenen Modellen als Arbeitsabstimmungs-Aufgaben, auf denen conn2−2 basiert und die zu eher ablauforientierten Modellen führen. Während bei Con- cept Mapping beliebige Konzepte in Beziehung stehen können, stehen Elemente bei ablauf-orientierten Modellen vor allem mit ihren kausalen Vorgängern und Nachfolgern in Beziehung, was die Anzahl der Verbinder einschränkt. Dies ist am Ergebnis des Wilcoxon-Tests für conn2−2 und conn3 allerdings nicht zu erkennen – in beiden Fällen stand die alternative Möglichkeit zur Verbindungsherstellung zur Verfügung. conn3 unterscheidet sich nicht signifikant von conn2−2. Die überarbeitete Möglichkeit zur Herstellung von Verbindern übertrifft bzw. kompensiert die Auswirkung der unterschiedlichen Aufgabenstellung. Das Resultat der durgeführten Wilcoxon-Tests zwischen conn2−1 und conn2−2, conn2−1 und conn3 sowie conn2−2 und conn3 spricht für die Annahme der Hypothese 7. Zu berücksichtigen ist hier jedoch die geringe Stichprobengröße, die die Aussagekraft des Ergebnisses schmälert. Ergebnis Die Auswertung zeigt eine signifikant höhere Verwendung von Verbindern bei Verfüg- barkeit der alternativen Funktionalität zur Verbindungs-Herstellung unabhängig von der Aufgabenstellung (siehe dazu auch die Diskussion von Hypothese 13 in Abschnitt 13.3.5). Hypothese 7 kann auf Basis der vorliegenden Daten bestätigt werden. 390 12.3. Ergebnisse 12.3.8. Verwendung des Löschtokens In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse der Überprüfung der Hypothese 8 („Das Löschtoken ermöglicht intuitives Löschen von Modellelementen.“) vorgestellt. Die Aus- wertung basiert auf den Ergebnissen der Modellierungsblöcke 2, 3, 4 und 5, wobei zwi- schen Evaluierungsblöcken 3 und 4 die Funktionaliät und Verwendungsweise des Tokens überarbeitet wurde. Auswertung Zur Auswertung wurde erhoben, in welchem Ausmaß das Löschtoken zum Entfernen unerwünschter Verbinder im Gegensatz zur alternativen Möglichkeit – dem Einsatz der Wiederherstellungsfunktion – verwendet wurde. Zusätzlich wurde erhoben, in wie vielen Fällen die Verwendung des Löschtokens scheiterte, weil die Benutzer dessen Einsatzmög- lichkeit inkorrekt interpretierten. Tabelle 12.11 zeigt diese Daten für die Evaluierungs- blöcke 2 bis 5. Tabelle 12.11.: Verwendung des Löschtokens EB Anw. Lges LToken FIToken LWH 2 18 55 11 10 44 3 18 68 8 7 60 4 10 35 20 0 15 5 11 95 83 0 12 Ges. 57 253 122 17 131 EB . . . Evaluierungsblock, Lges . . . Gesamtanzahl der Löschvorgänge, LToken . . . Löschvorgänge mit Löschtoken, FIToken . . . Fehlinterpretationen bei der Verwendung des Löschtokens, LWH . . . Löschvorgänge mit Wiederherstellungsfunktion Die Art der Fehlinterpretationen der Verwendung des Löschtokens kann durch nähere Betrachtung mittels der durchgeführten Interaktionsanalyse exakter bestimmt werden. Ausgewählt wurden hier Beispiele aus den Modellierungsblöcken 2 und 3. Die gesammel- ten Transkripte sind in den in Anhang B genannten Quellen verfügbar. In der ersten hier angeführten Szene versuchen die Teilnehmer, die Beschriftung ei- nes Blocks mit dem Löschtoken auszuradieren. Dies scheitert, da das Löschtoken als Zustandsschalter fungiert und das eigentliche Löschen separat ausgelöst werden muss. Außerdem wirkt das Löschtoken nur auf Verbindungen. Die Teilnehmer möchten einen Block umbenennen. A: Wie haben wir jetzt gesagt (markiert den roten Baustein) keine Modellierungsvorgabe (gibt Bezeichnung ein) System übernimmt die neue Beschriftung für den Baustein nicht. 391 12.3. Ergebnisse A: Wo wurde das hingeschrieben? (Pause) Radiergummi? Glaubst du, kann man das wegradieren? B: Probiere es aus. A legt Radiergummi zum Block mit der Absicht die Beschriftung zu löschen B: Nein! Du löscht alles. Hör auf! A: Ok, wie war das zuerst? Lassen wir das mal weg. (legt Baustein zur Seite) A legt den Block zur Seite. Ein ähnliches Missverständnis zeigt sich auch in der im Folgenden angegebenen Situati- on. Hier sollte eine Verbindung gelöscht werden, das Löschtoken wurde jedoch wiederum nicht als Zustandsschalter, sondern für den Vorgang des Löschens selbst verwendet. TLN A und B stellen jeweils ihren Marker zu den Blöcken, die verbunden werden sollen. Dabei wird eine gerichtete Verbindung erstellt. C: Jetzt haben wir aber einen Pfeil gebastelt. B: Ja stimmt. Interessant. A: Wie war das mit dem Radiergummi? (nimmt Radiergummi und legt ihn auf die Verbindung) B: Nein C: Nein, mit dem Glas! Du löscht alles! A: Nein, nur die Verbindung. (Macht Radierbewegungen auf der Verbindung) C: Ich glaube, dass wir das Glas nehmen müssen. A schiebt die Blöcke, zwischen denen die Verbindung gelöscht werden soll, zusammen. A: Da es funktioniert. (schiebt die Blöcke weiter auseinander und bemerkt, dass die Verbindung nicht gelöscht wurde) Nein. B: Ich glaube, der Radiergummi vernichtet alles. A: Nein, der Radiergummi vernichtet nur Verbindungen. Nur welche? (schiebt beide Blöcke wieder zusammen – nimmt Radiergummi weg und schiebt Blöcke in die Ausgangsposition) In der folgenden Szene zeigen sich wiederum die Fehlinterpretationen der am Beginn angeführten Interaktion. Wieder wird das Token zum Radieren verwendet, Zielobjekt ist in diesem Fall die Beschriftung einer Verbindung. Es wird eine falsche Beschriftung eingefügt. Die Teilnehmer wollen diese löschen, verwenden den Radiergummi allerdings falsch. B: Aber irgendwie steht jetzt Ereignisse nicht bei dem Ding (zeigt auf gelben Block), sondern dort (zeigt auf beschriftete Verbindung). A verrückt den gelben Block ein wenig. B: Normal ist das nicht, oder? C: Nein. A nimmt den Radiergummi. A: Ich glaube das. (setzt den Radiergummi auf die Arbeitsfläche) 392 12.3. Ergebnisse C: Aber nicht alles! A nimmt Radiergummi wieder weg. System erstellt eine Verbindung zwischen zwei roten Blöcken. Teilnehmer lachen. A legt Radiergummi auf die erstellte Verbindung, und nimmt ihn wieder weg. A nimmt die beiden verbundenen Blöcke und verschiebt sie. A: Vielleicht so. (führt die Blöcke zusammen) In der folgenden Szene sind die Teilnehmer durch den Farbwechsel der Oberfläche beim Aufsetzen des Löschtokens (zur Indikation des Zustandswechsels) irritiert, da sie ebenfalls versuchen, das Token zum Radieren zu verwenden. In der Szene erstellt das System einen ungewollten Verbinder, die Teilnehmer versuchen auf verschiedene Arten den Verbinder zu löschen. B: Und wie kann ich die Verbindungen löschen? B: Warte einmal, da gibt es irgendwo das mit dem Radiergummi. A: murmelt zustimmend B nimmt den Radiergummi und platziert ihn direkt auf dem Verbinder Das System färbt den Tisch rot A: Nein, warte. Da löscht du alles! B verschiebt den Radiergummi auf dem Tisch, hebt ihn an und platziert ihn direkt auf einem Block. Sobald der Radiergummi von der Oberfläche auf den Block gelegt wurde, entfernt das System die rote Färbung. A: Ich glaube, da löscht du alles. B legt den Radiergummi an mehreren Stellen trotz der Warnung von TN A auf die Oberfläche B: Nein, es will eh nicht. Die nachstehende Interaktion zeigt wiederum die in den anderen Szenen bereits be- schriebene Fehlinterpretation in der Verwendung des Löschtokens. Zusätzlich verwirrt eine Fehlfunktion des Werkzeugs, das anstelle eines Löschvorgangs einen Verbinder hin- zufügt. C versucht die Benennung eines Verbinders mittels Radiergummi zu entfernen. B: Aber irgendwie steht jetzt Ereignisse nicht bei dem Ding (deutet auf einen Block), sondern dort (deutet auf einen Verbinder). Das wollen wir nicht oder? A: Nein. C: Ich glaube das. (nimmt den Radiergummi und legt ihn auf den Verbinder, den die Teilnehmer entfernen wollen.) A: Aber nicht alles. C entfernt den Radiergummi wieder von der Modellierungsoberfläche. In diesem Moment erstellt das System durch Fehlerkennungen automatisch einen neuen Verbinder. C versucht, den neuen Verbinder mittels Radiergummi 393 12.3. Ergebnisse zu entfernen. A: Oh Gott. C: Vielleicht so (schiebt die beiden betroffenen Blöcke zusammen), nein. B: Nein. A: Oh Gott, oh Gott, oh Gott. B: Gehen wir einen Prozessschritt zurück. C: Genau. In der letzten hier angeführten Szene interagieren die Teilnehmer beinahe wie im Interaktionsdesign ursprünglich intendiert mit dem System. Sie scheitern letztendlich trotzdem und greifen zu alternativen Möglichkeit der Fehlerkorrektur, der Wiederher- stellungsfunktion. Teilnehmer versuchen mit dem Radiergummi und nur einem anderen Marker einen Verbinder zu entfernen. B: Können wir die nicht so auch einfach löschen? C: Ja, mit dem Radiergummi. B: Muss ich den jetzt zuerst so (Hält den Radiergummi zur Kamera) hinhalten? A: Nein, ich glaube, den musst du einfach da (zeigt auf den Verbinder) drauf legen. B legt den Radiergummi auf den vom System automatisch erstellten Verbinder. A: Und jetzt muss man (legt ein Markierungtoken auf den Verbinder) Nein. Der Verbinder lässt sich auf diese Art nicht löschen und die Teilnehmer entscheiden sich, den Fehler mittels der Wiederherstellungsfunktion zu beseitigen. Diskussion In der quantitativen Auswertung ist klar zu erkennen, dass die ursprüngliche Imple- mentierung der Löschfunktion, in der das Löschtoken als Zustandsumschalter fungierte, von den Benutzern kaum verwendet wurde und in jenen Fällen, in denen es zum Ein- satz kam, falsch interpretiert wurde, was letztendlich zum Scheitern des Löschvorgangs führte. Beginnend mit Block 4 wurde die Löschfunktion in einer vollständig erneuerten Implementierung eingesetzt, in der das Löschtoken tatsächlich zum „Ausradieren“ einer Verbindung verwendet werden konnte. Damit wurde der vorherrschenden Interpretation der Funktionalität durch die Benutzer Rechnung getragen, was sich dadurch äußert, dass die Anzahl der Fehlinterpretationen auf 0 sank und das Löschtoken in weitaus höherem Ausmaß als die Wiederherstellungsfunktion zur Fehlerkorrektur verwendet wurde. 394 12.4. Zusammenfassung Bei der Betrachtung der Hypothese muss also zwischen der ursprünglichen Implemen- tierung und deren neuen Umsetzung unterschieden werden. Für die ursprüngliche Im- plementierung kann die Hypothese nicht bestätigt werden, das Werkzeug war in der vor- liegenden Form für die Benutzer nicht verständlich. In der Neuimplementierung wurden die ursprünglichen Fehlinterpretationen berücksichtigt und das Werkzeug so modifiziert, dass es entsprechend der beobachteten Benutzerinterpretation verwendet werden konnte. In dieser Variante sprechen die erhobenen Daten für eine Bestätigung der Hypothese. Ergebnis Hypothese 8 muss für die ursprüngliche Umsetzung der Löschfunktion abge- lehnt werden, kann aber für die neu konzipierte und implementierte Variante bestätigt werden. In der ursprünglichen Umsetzung war die Verwendung des Werk- zeugs für die Benutzer nicht verständlich, die eigentlich aufwändigere Alternativfunktion zur Fehlerkorrektur wurde außerdem weitaus häufiger verwendet. Nach der Neukonzep- tion kam es zu keinen Fehlinterpretationen mehr, das Löschtoken wurde außerdem in weitaus höherem Ausmaß verwendet. 12.4. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde die Evaluierung der Verwendbarkeit des Werkzeugs beschrieben. Die hier formulierten Hypothesen beschäftigen sich dementsprechend mit den grundle- genden Funktionen des Werkzeugs und den Interaktionsmöglichkeiten der Benutzer mit diesen. Nicht Gegenstand dieses Kapitels waren die im Kontext der Durchführung von „Articulation Work“ erstellten Modelle (siehe Kapitel 14) sowie die Auswirkungen der Durchführung in der „Production Work“ (siehe Kapitel 14). In diesem Kapitel wurden sechs Hypothesen zur Werkzeugbenutzung getestet, die un- mittelbar aus den Anforderungen an das Werkzeug (siehe 5) abgeleitet waren. Zwei weitere Hypothesen zur Werkzeugverwendung wurden im Verlauf der ersten Evaluie- rungsblöcke explorativ gebildet und in den späteren Evaluierungsblöcken getestet. Die sechs aus den Anforderungen abgeleiteten Hypothesen bilden im Wesentlichen die Kern- funktionen des bzw. Interaktionsmöglichkeiten mit demWerkzeug ab. Durch die Prüfung dieser Hypothesen wird so das gesamte Werkzeug einer Überprüfung hinsichtlich dessen praktischer Verwendbarkeit unterzogen. Hypothese 1 („Repräsentation diagrammatischer Modelle“) bildet den grundlegenden Anspruch des Werkzeugs ab, die Abbildung von diagrammatischen Modellen zu ermög- lichen. Diese werden als Repräsentation für externalisierte mentale Modelle verwendet und bilden so die Grundlage für die Durchführung von expliziter „Articulation Work“. Diese Hypothese konnte im Rahmen der Untersuchung bestätigt werden. Die Abbildung von Konzepten und Beziehungen zwischen diesen wurde in allen vorliegenden Modellen 395 12.4. Zusammenfassung erfolgreich umgesetzt, wenngleich die Modellierung von expliziten Verbindungen in den ersten beiden Evaluierungsblöcken aufgrund von technischen Unzulänglichkeiten nicht durchgeführt wurde. Hypothese 2 („Kooperatives Arbeiten“) prüft, ob die kooperative Verwendung des Werkzeugs möglich ist. Für die Durchführugn von „Articulation Work“ ist der kooperati- ve Einsatz notwendig, da nur so die dabei ablaufenden synchronen Abstimmungsprozesse ermöglicht bzw. unterstützt werden können. Die Hypothese konnte in der Untersuchung bestätigt werden. Der Zeitanteil an der Modellbildung ist für Anwendungen mit zwei Teilnehmern weitgehend gleichverteilt, beide Teilnehmer beteiligen sich also an der Mo- dellierung. Bei mehr als zwei Anwendern ist die Gleichverteilung nicht mehr gegeben, die Teilnehmer haben dennoch durchwegs (unabhängig von der Anzahl der Teilnehmer bei einer Anwendung) den Eindruck, sich einbringen zu können und gut zusammenarbeiten zu können. Hypothese 3 („Einsetzbarkeit in unterschiedlichen Kontexten“) legt den Anspruch an das Werkzeug fest, dass dessen Anwendung unabhängig von der konkreten Anwendungs- domäne möglich ist. Wesentlich ist hierbei, dass das Werkzeug von Teilnehmer mit unter- schiedlichen beruflichen bzw. Ausbildungs-Hintergründen gleich gut verwendet werden kann und dass die Modellbildung durch das Werkzeug nicht spezifisch für bestimmte Aufgabenstellungen erschwert wird. Die Hypothese konnte im Rahmen der Untersu- chung bestätigt werden. Die Untersuchung der Korrelation zwischen Modellgröße und Modellierungsdauer zeigt unabhängig vom Anwendungskontext eine positive Korrelati- on, was darauf hinweist, dass der Aufwand zur Modellerstellung unabhängig von Auf- gabenstellung und Anwendungskontext relativ stabil bleibt. Auch die Rückmeldungen der Teilnehmer mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen sind im Wesentlichen identisch, so dass das Werkzeug unabhängig vom Anwendungskontext immer ähnliche Wirkungen auf die Modellbildung hat. Hypothese 4 („Wiederherstellung vergangener Modellzustände“) prüft, ob die Bereit- schaft zur Erstellung unterschiedlicher Modellvarianten im Verlauf der Modellbildung durch die Möglichkeit zur Wiederherstellung vergangener Modellzustände gefördert wird. Diese Hypothese kann auf Basis der Untersuchung nicht bestätigt werden. Die Wieder- herstellungsfunktion wird nur in unter 10% der untersuchten Anwendungen zur Ver- folgung alternativer Modellierungswege genutzt. Die Funktion wird außerdem von den Anwendern bei der Frage nach den als nützlich wahrgenommene Funktionen in keinem der betrachten Fälle genannt, so dass davon ausgegangen werden muss, das sie nicht als relevant für die Durchführung der Modellbildung erachtet wird. Hypothese 5 („Nicht-Behinderung“) geht auf die Gesamtwirkung des Werkzeugs bei der Modellbildung ein und untersucht, ob diese durch das Werkzeug behindert wird. Im Wesentlichen sind Bedienungsprobleme und technische Fehlfunktionen des Werkzeugs zu betrachten, die einen negativen Effekt auf die Ausführung der eigentlichen Aufga- be haben können. Die Hypothese konnte im Rahmen der Untersuchung nicht bestätigt 396 12.4. Zusammenfassung werden. Bei der Benutzung des Werkzeugs traten vor allem in den ersten Evaluierungs- blöcken Fehlfunktionen auf, die die Modellbildung massiv behinderten oder teilweise verhinderten. Durch Stabilisierung und Überarbeitung der technischen Plattform konn- ten diese Fehlfunktionen zwar minimiert werden, insgesamt können die Verbesserungen die gemessenen Werte nicht soweit verbessern, dass die Hypothese statistisch signifikant bestätigt werden könnte. Diese erhobenen Aspekte sind auch durch die überwiegend positive Benutzereinschätzung des Werkzeuges nicht als kompensiert anzusehen. Hypothese 6 („Gewöhnung an das Werkzeug“) prüft, ob die wiederholte Verwendung des Werkzeugs dessen Bedienbarkeit durch die Benutzer verbessert. Betrachtet wurde hier einerseits die Modellierungsdauer im Verhältnis zur Modellgröße, was ein Maß für die Geschwindigkeit der Modellierung darstellt. Andererseits wurde die Anzahl der Fehl- bedienungen des Werkzeugs betrachtet, die bei besserer Bedienbarkeit in wiederholten Anwendungen geringer ausfallen sollte. Die Hypothese kann auf Basis der vorliegenden Daten nur teilweise bestätigt werden. Während kein signifikanter Beschleunigungseffekt bei wiederholter Verwendung des Werkzeugs festgestellt werden konnte, war eine signi- fikante Verringerung der Anzahl der Fehlbedienungen des Werkzeugs bei wiederholtem Einsatz feststellbar. Hypothese 13 („Herstellung von Verbindern“) wurde explorativ aus Beobachtungen in den Evaluierungsblöcken 2 und 3 abgeleitet. In diesen Blöcken stieg die Verwendung von Verbindern im Modell sprunghaft an. Geprüft wurde nun, ob dies – wie vermu- tet wurde – auf die überarbeiteten und erweiterten Möglichkeiten zur Herstellung von Verbindern im Modell zurückzuführen war. Die Hypothese konnte in der Untersuchung bestätigt werden. Die Auswertung zeigt eine signifikant höhere Verwendung von Verbin- dern bei Verfügbarkeit der überarbeiteten Funktionalität zur Verbindungs-Herstellung. Allerdings zeigt sich, dass auch die Natur der Aufgabenstellung hohen Einfluss auf die Verwendung von Verbindern. Diese Beobachtung wurde in Hypothese 13 nochmals auf- gegriffen und dort genauer untersucht (siehe dazu Abschnitt 13.3.5). Hypothese 8 („Verwendung des Löschtokens“) betrachtet ebenfalls eine Funktionalität des Werkzeugs, die auf Basis von Beobachtungen der Benutzerinteraktionen überarbei- tet wurde. Die Funktion zur Entfernung von Verbindern wurde in den ersten Evaluie- rungblöcken kaum verwendet und zeigte im Falle der Verwendung hohes Potential für Missverständnisse hinsichtlich der Art der Benutzung. Die zur Verwendung notwendigen Interaktionsabläufe wurden daraufhin an die offensichtlich vorherrschende Interpretation der Benutzter, wie das entsprechende Werkzeug zu verwenden ist, angepasst. Untersucht wurde nun, ob diese Anpassung die Entfernung von Elementen aus dem Modell erlei- cherte bzw. intuitiv gestaltete. Die Hypothese konnte für die überarbeitete Variante des Löschtokens bestätigt werden. In der ursprünglichen Umsetzung war die Verwendung des Werkzeugs für die Benutzer nicht verständlich, die eigentlich aufwändigere Alterna- tivfunktion zur Fehlerkorrektur mittels der Wiederherstellungsfunktion wurde außerdem weitaus häufiger verwendet. Nach der Neukonzeption kam es zu keinen Fehlinterpreta- tionen mehr, das Löschtoken wurde außerdem in weitaus höherem Ausmaß verwendet. 397 12.4. Zusammenfassung Insgesamt zeigt sich, dass das Werkzeug in der vorliegenden Form weitgehend verständ- lich ist und als nützlich sowie zum Teil benutzbar wahrgenommen wird. Das Werkzeug erfüllt die Grundanforderungen hinsichtlich der Abbildbarkeit diagrammatischer Modelle und der Ermöglichung kooperativen Arbeitens. Die Einsetzbarkeit in beliebigen Kontex- ten ist gegeben, wobei aufgrund von technischen Instabilitäten die Verwendbarkeit vor allem in den frühen Phasen der Evaluierung eingeschränkt war. Jene Hypothesen, die auf die Verwendung spezifischer Funktionalitäten eingehen, zeigen eine gute Verständ- lichkeit und hohes Ausmaß an Verwendung der Basisfunktionalitäten der Modellierung (etwa Platzierung und Benennung von Blöcken, Herstellung von Verbindern, Löschen von Verbindern), offenbaren aber Schwächen in der Verständlichkeit und Akzeptanz der komplexeren Funktionen, wie etwa der Wiederherstellungsunterstützung für gespeicherte Modellzustände. Zusammenfassend wird das Werkzeug den grundlegenden Anforderun- gen also gerecht, bietet aber Raum für Verbesserungen hinsichtlich der Verwendung der komplexeren Funktionen und der technischen Stabilität. Im folgenden Kapitel wird nun auf die Verwendung des Werkzeugs zur kooperativen Abbildung von Modellen eingegan- gen. 12.4.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung Dieses Kapitel stellt die Untersuchung der Verwendbarkeit des entwickelten Werkzeugs dar und trägt so hinsichtlich der in Kapitel 1 argumentieren und in Kapitel 5 näher ausgeführten zu untersuchenden Aspekte zur Beantwortung der Fragestellung 6 („Er- möglicht das Instrument die effektive Durchführung von expliziter Articulation Work?“) bei. Die Ergebnisse zeigen die erwartete Verwendbarkeit des Werkzeugs zur Unterstüt- zung der entwickelten Methodik und bestätigen so die grundlegende Voraussetzung für die effektive Unterstützung expliziter „Articulation Work“ durch das hier vorgestellte Instrument. 12.4.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse Die Ergebnisse dieses Kapitels werden in ihrer Gesamtheit erst in den Schlussbetrach- tungen (Kapitel 15) wieder aufgegriffen. Einzelne Hypothesen, vor allem jene, die sich mit der kooperativen Verwendbarkeit des Werkzeugs beschäftigen, werden aber bereits in den folgenden beiden Kapiteln wieder aufgegriffen und dienen dort als Grundlage der Evaluierung der Methodik bzw. der Wirkung der durchgeführten „Articulation Work“. 398 13. Evaluierung der Anwendung des Instruments Im zweiten Teil der Evaluierung wird nicht der Umgang mit dem Werkzeug betrachtet (siehe dazu Kapitel 12), sondern auf die Anwendung des Werkzeugs im Sinne der Me- thodik und auf deren unmittelbares Resultat, also auf das erstellte Modell, eingegangen. Ebenfalls nicht Gegenstand der Untersuchung ist in diesem Abschnitt die Wirkung der Modellbildung auf die operative Arbeit („Production Work“), die in Kapitel 14 betrach- tet wird. Abbildung 13.1 stellt dieses Kapitel und dessen Aufbau im Kontext der anderen inhaltlich vor- und nachgelagerten Kapitel dar. Abbildung 13.1.: Kapitel „Evaluierung der erstellten Modelle“ im Gesamtzusammen- hang Ausgehend von den erstellten Modellen und deren Entstehungsprozess wird in diesem Kapitel untersucht, wie das Werkzeug auf die in dieser Arbeit gewählte Form der Un- terstützung expliziter „Articulation Work“, nämliche der kooperativen Externalisierung und Abstimmung mentaler Modelle, wirkt. Dementsprechend sind die im folgenden Ab- 399 13.1. Hypothesen schnitt beschrieben Hypothesen aus den Ausführungen der Kapitel über mentale Modelle (Kapitel 3) und der Methodik zur Externalisierung derselben (Kapitel 4) abgeleitet. Zusätzlich wird eine explorativ gebildete Hypothese untersucht, die sich auf inhaltli- cher Ebene mit dem Phänomen der Abbildung von Zusammenhängen durch räumliche Konfiguration der Konzepte in einem Modell beschäftigt. Dieses Phänomen wurde in Kapitel 12 bereits aus Sicht der Werkzeugverwendung in Hypothese 7 beschrieben. 13.1. Hypothesen In diesem Abschnitt werden die Hypothesen abgeleitet, die in diesem Kapitel geprüft werden. Wie in Kapitel 12 ist zwischen Hypothesen zu unterscheiden, die konzeptuell aus der Aufgabenstellung bzw. der entwickelten Methodik abgeleitet wurden und solchen, die explorativ während der Evaluierung selbst gebildet wurden. 13.1.1. Konzeptuell begründete Hypothesen Die folgenden Hypothesen sind aus der Aufgabenstellung bzw. den Ausführungen zur Modellierungs-Methodik abgeleitet. Auf die entsprechenden Ausführungen in den Kapi- teln 3 bzw. 4 wird jeweils bei der Begründung der Hypothesen verwiesen. Ein wesentlicher Aspekt bei der Externalisierung mentaler Modelle ist die Offenheit der Repräsentationssprache. Diese ist aus den Ausführungen in Abschnitt 3.4.3 („Con- cept Mapping“) begründbar und in Anforderung 4 abgebildet. Unter „Offenheit“ ist in diesem Zusammenhang die Eigenschaft der Repräsentationssprache gemeint, keine vordefinierte Semantik der Modellelemente vorzugeben, sondern diese von den Model- lierenden festlegen zu lassen. Dies umfasst im vorliegenden Fall sowohl die Bedeutung der unterschiedlichen Konzepttypen als auch die Bedeutung der Verbindungen zwischen Konzepten. Das Werkzeug darf also in diesem Zusammenhang die Benutzer nicht bei der Wahl der Repräsentationskonzepte und damit bei der Externalisierung selbst ein- schränken. Die Prüfung dieser Hypothese ermöglicht die Beurteilung der Erfüllung der Anforderung 4 (siehe Seite 116). Hypothese 9 Das Werkzeug schränkt Benutzer semantisch nicht bei der Externalisie- rung ihrer mentalen Modelle ein. Das Argument der Nicht-Beschränkung der Benutzer bei der Externalisierung hat ne- ben der eben beschriebenen Sprach-Dimension auch eine konkrete Modell-Dimension. Während sich obige Hypothese auf semantische Einschränkungen der Externalisieungs- möglichkeiten bezieht, sind auch konkrete, strukturelle Einschränkungen bei der Ver- wendung des Werkzeugs zur Externalisierung eines bestimmten mentalen Modells zu 400 13.1. Hypothesen berücksichtigen. Die Externalisierung muss – um nicht beschränkend zu wirken – belie- big umfangreiche Modelle ermöglichen. „Umfangreich“ bedeutet hier, dass das Modell beliebig viele Elemente enthalten können muss und diese beliebig untereinander in Bezie- hung gesetzt werden können. Die Prüfung dieser Hypothese ermöglicht die Beurteilung der Erfüllung der Anforderung 6 (siehe Seite 117). Hypothese 10 Das Werkzeug ermöglicht die Repräsentation beliebig umfangreicher Modelle. Die Möglichkeit durch die Entstehungsgeschichte des erstellten Modells zu navigie- ren ist eine Funktion, die ebenfalls hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Externalisierung mentaler Modelle untersucht werden muss. In der dieser Funktionalität zugrunde lie- genden Literatur ((Shipman und Hsieh, 2000), (Klemmer et al., 2002)) wird diese als wesentlich bezeichnet, wenn Externalisierungsprozesse unterbrochen werden, kooperativ durchgeführt werden oder Dritten die Möglichkeit gegeben werden soll, die Entstehung des Modells nachzuvollziehen. Allen drei Aspekten liegt die Annahme zugrunde, dass in der Historie des Externalisierungsprozesses die dem Ergebnis zugrunde liegenden Ide- en und Annahmen zu erkennen sind. Im Kontext dieser Arbeit bedeutet dies, dass aus der Nachverfolgung der Historie des externalisierten Modells die diesem zugrunde lie- genden mentalen Modelle verständlich und nachvollziehbar werden. Die Prüfung dieser Hypothese ermöglicht die Beurteilung der Erfüllung der Anforderung 8 (siehe Seite 117). Hypothese 11 Die Reflexion des Modellierungsverlaufs ermöglicht das Verständnis der im dem Modell repräsentierten Inhalte. Die Externalisierung mentaler Modelle mit Hilfe von computer-gestützten Werkzeu- gen ist keine originäre Idee dieser Arbeit. Computerunterstützung existiert vor allem im Bereich des „Concept Mapping“ (siehe Abschnitt 3.4.3), das methodisch maßgeblich in das vorgeschlagene Vorgehen des hier vorgestellten Ansatzes einfließt (siehe Kapi- tel 4). In den existierenden Werkzeugen werden jedoch die kooperative Erstellung und kommunikative Validierung und Abstimmung der externalisierten Modelle nicht explizit berücksichtigt. Beide Aspekte sind jedoch – wie bei der Beschreibung der Strukturle- getechniken 3.4.2 ausgeführt – wichtig für den Abgleich mentaler Modelle und damit für die erfolgreiche Durchführung von „Articulation Work“. Die Ermöglichung und Stär- kung der Kooperation der Beteiligten untereinander ist also ein wesentlicher Teilaspekt der Anforderung 7 an das Werkzeug („Kooperative und unmittelbare Manipulierbarkeit des Modells“). Die Prüfung der folgenden Hypothese ermöglicht so die Beurteilung der Erfüllung der Anforderung 7 (siehe Seite 117). Hypothese 12 Die Verwendung des Werkzeugs führt zu stärkerer Kooperation bei der Modellerstellung als die Verwendung von bildschirm-basierten Werkzeugen. Hinsichtlich der in Kapitel 5 formulierten Anforderungen können die hier formulierten Hypothesen zusammenfassend wie in Tabelle 13.1 dargestellt eingeordnet werden. Die 401 13.2. Untersuchungsdesign und Durchführung Untersuchung der Hypothesen stellt dabei den zweiten Schritt zur Prüfung der effektiven Unterstützung von „Articulation Work“ dar. Neben dem Werkzeug selbst wird nun auch die Methodik in die Untersuchung mit einbezogen und so die Anwendung des gesamten Instruments im Kontext der Durchführung von „Articulation Work“ untersucht. Tabelle 13.1.: Hypothesen zur Anwendung des Instruments und deren Bezug zu den Anforderungen an das Werkzeug Hypothese Anforderung 9 4 10 6 11 8 12 7 13.1.2. Explorativ gebildete Hypothesen Im Verlauf der Durchführung der Anwendungen in den Evaluierungsblöcken 1 und 2 war die Herstellung von Verbindungen zwischen Modellelementen aus technischen Gründen schwierig zu benutzen und sehr anfällig für Fehlfunktionen. Dies führte dazu, dass Ver- binder nahezu nicht verwendet wurden (siehe dazu die Auswertungen zu Hypothese 1 in Abschnitt 12.3.1 sowie die Auswertungen zu Hypothese 7 in Abschnitt 12.3.7). In dieser Situation wurden Beziehungen zwischen Modellelementen von den Benutzern durch die räumliche Anordnung der Elemente ausgedrückt. Diese implizite Darstellung von relatio- naler Information erfolgte in allen Fällen spontan und ohne Anleitung oder Instruktion. Dies führte zu der Vermutung, dass die Verwendung von Verbindern zur Abbildung von Beziehungen bzw. Zusammenhängen zwischen Elementen nicht notwendig ist. Um diese Vermutung zu prüfen, wurde sie formal als Hypothese 13 in die Untersuchung aufge- nommen. Hypothese 13 Zur Abbildung von Zusammenhängen ist die Verwendung von Verbin- dern nicht notwendig. 13.2. Untersuchungsdesign und Durchführung In diesem Abschnitt wird auf Basis der oben formulierten Hypothesen das Untersu- chungsdesign abgeleitet und die Durchführung der Untersuchung beschrieben. Der erste Teil des Abschnitts beschreibt die Operationalisierung der Hypothesen und damit die Festlegung wie diese konkret geprüft werden können. Im zweiten Teil des Abschnitts wird 402 13.2. Untersuchungsdesign und Durchführung die Durchführung der Prüfung beschrieben. Hier erfolgt neben der Zuordnung der einzel- nen Evaluierungsblöcke (siehe Abschnitt 11.2) auch die Darstellung rein beschreibender Modell-Parameter, die nicht unmittelbar in die Prüfung der Hypothesen eingehen. 13.2.1. Operationalisierung In diesem Abschnitt wird für jede Hypothese identifiziert, in welcher Form sie geprüft werden kann. Dies umfasst die Festlegung der Messpunkte sowie der jeweiligen Mess- und Auswertungsmethode (letzte bezugnehmend auf den in Abschnitt 11.3 beschriebe- nen Verfahren). Zudem werden jene Evaluationsblöcke festgelegt, die für die jeweilige Untersuchung herangezogen wurden. Für jede Hypothese wird also spezifiziert, anhand welcher Aspekte diese geprüft wer- den kann (= abhängige Variablen). Zudem wird festgelegt, welche Ausgangssituation bei der Anwendung gewählt werden muss, um die Prüfung durchführen zu können (= unabhängige Variable) und welche Faktoren die Beurteilung ggf. ungewollt beeinflussen können (= Störvariablen). Keine semantische Einschränkung der Externalisierung Gegenstand dieses Abschnitts ist die Prüfung der Hypothese 9. Diese bezieht sich auf die geforderte Eigenschaft des Werkzeugs, die Benutzer bei der Modellierung semantisch nicht einzuschränken. Voraussetzung für die Prüfung dieser Hypothese ist die Verwendung des Werkzeugs zur Modellbildung bei einer Aufgabe, die die semantischen Kategorien der Strukturierung nicht vorgibt. In der eingesetzten Methodik wird die Festlegung von Elementtypen expli- zit gefordert (Vorgehen und Zeitpunkt dafür werden jedoch nicht vorgegeben). Etwaige Modellierungsvorkenntnisse können diese Festlegung insofern beeinflussen, als dass die Konzepte bekannter Sprachen bevorzugt eingesetzt werden könnten. Im Sinne der Hy- pothese ist dies jedoch keine Störvariable, da die Forderung nach nicht einschränkender Struktur auch die Verwendung existierender Modellierungssprachen umfassen muss. Die nicht einschränkende Wirkung kann qualitativ anhand von Benutzeraussagen und dem Prozess und Ergebnis der Modellentstehung beurteilt werden. Im ersten Fall bie- ten sich neben der direkten Frage nach der Abbildbarkeit der gewünschten Information auch Teilaspekte des PMS1-Framework (Sedera et al., 2002) an, das unter anderem die subjektiv wahrgenommene Qualität des Modellierungsergebnisses und die Abbildbarkeit der subjektiv wichtigen Information im Modell abbildet (siehe (Wahlmüller, 2010) zur Eignung des PMS-Frameworks im Kontext dieser Arbeit). Am Prozess und Ergebnis der Modellentstehung selbst kann beurteilt werden, ob und inwieweit die zur Verfügung 1Process Modelling Success 403 13.2. Untersuchungsdesign und Durchführung gestellten semantisch nicht vorbelegten Modellierungselemente für die Abbildung der ge- wünschten Information ausreichend bzw. geeignet waren. Dazu kann betrachtet werden, ob die beschränkte Anzahl von Elementen im Verlauf der Modellierung zu verändertem Vorgehen in der Abbildung oder zur Nichtabbildung bestimmter Modellaspekte führte und ob durch semantische Mehrfachbelegung bzw. die Einführung von nicht als Mo- dellierungselement vorgesehenen Bausteinen der Sprachumfang über das ursprünglich intendierte Maß hinaus erweitert wurde. Vergleichend können zusätzlich Modelle herangezogen werden, die aus identischen Fra- gestellungen wie jene mit dem Werkzeug erstellten resultieren, bei denen jedoch ein in der Anzahl und Semantik der Modellierungselemente frei erweiterbares Werkzeug zum Einsatz kommt. Hier ist von Interesse, ob die erstellten Modelle semantisch vielfältiger sind als jene, die mit dem hier vorgestellten Werkzeug erstellt wurden. Repräsentation beliebig umfangreicher Modelle Gegenstand dieses Abschnitts ist die Operationalisierung der Hypothese 10. Dabei wird überprüft, ob das Werkzeug die Abbildung beliebig umfangreicher Modellierungsaufga- ben ermöglicht. Voraussetzung zur Prüfung dieser Hypothese ist die Verwendung von Modellierungs- aufgaben, die zu umfangreichen Modellen führen. Umfangreiche Modellierungsaufgaben sind Aufgaben, die bei detaillierter Modellierung >15 Modellelemente benötigen2. Dies ist deshalb notwendig, weil der wesentliche beschränkende Faktor des Umfangs eines Modells am hier vorgestellten Werkzeug die physisch eingeschränkte Größe der Model- lierungsoberfläche ist. Etwaige Modellierungsvorkenntnisse der Benutzer sind bei der Prüfung dieser Hypothese nicht von Relevanz. Um Schlussfolgerungen auf eine etwaig einschränkende Wirkung des Werkzeugs auf den Umfang der Modelle treffen zu können, muss eine entsprechende Aufgabenstellung einerseits mittels des hier vorgestellten Werkzeugs („Experimentalgruppe“) und anderer- seits mit einem Werkzeug, das den Umfang der Modellierungsoberfläche nicht begrenzt („Kontrollgruppe“), abgebildet werden. Die Ergebnisse der beiden Gruppen werden in der Folge gegenübergestellt. Falls bei identischer Fragestellung der Umfang der Modelle in der Kontrollgruppe signifikant höher ist als jener der Experimentalgruppe, kann von einer einschränkenden Wirkung ausgegangen werden und die Hypothese müsste abge- lehnt werden. Daneben sind wiederum Aussagen der Benutzer über die Abbildbarkeit umfangreicher Modelle zur Prüfung der Hypothese heranzuziehen. Entsprechende Fragen wurden in den Evaluierungsblöcken 2, 3, 4 und 5 gestellt, wobei die Fragestellungen in den Blöcken 2 und teilweise 4 eher nicht zu umfangreichen Modellen führten. Diese fanden außer 215 wurde als Grenze gewählt, weil diese Anzahl die Obergrenze an gleichzeitig am Werkzeug ver- wendbaren Elementen darstellt. 404 13.2. Untersuchungsdesign und Durchführung in Ausnahmefällen auf der Oberfläche ausreichend Platz und werden deshalb hier nicht berücksichtigt. Reflexion des Modellierungsverlaufs Gegenstand dieses Abschnitts ist die Operationalisierung der Hypothese 11. Dabei wird überprüft, ob die Möglichkeit zur Reflexion des Modellierungsverlaufs das Verständnis der zugrundeliegenen mentalen Modelle ermöglicht bzw. verbessert. Zur Prüfung dieser Hypothese müssen Modellierungsaufgaben durchgeführt werden, in deren Rahmen die Interpretation eines Modells durch an der Modellbildung nicht beteiligte Personen durchgeführt werden. Wenn diese Interpretation den ursprünglich vom Modellierer repräsentierten Inhalten entspricht, ist die Interpretation als erfolg- reich zu bezeichnen. Zu beurteilen ist nun, inwieweit die Möglichkeit zur Wiedergabe des Modellierungsverlaufs bei der Interpretation genutzt wurde und ob diese Nutzung Auswirkungen auf die Interpretation hatte. Zur Beurteilung wird eine Modellierungssituation geschaffen, in der das Werkzeug zur Externalisierung eines mentalen Modells benutzt wird. In einem zweiten Schritt wird eine weitere, zuvor nicht beteiligte Person aufgefordert, den Inhalt der auf der Modellie- rungsoberfläche vorhandenen Repräsentation zu interpretieren, wobei der Modellierungs- verlauf herangezogen werden darf, eine Interaktion mit dem ursprünglichen Modellierer jedoch nicht gestattet ist. Im dritten Schritt beurteilt der ursprüngliche Modellierer die Adäquatheit der Interpretation und trifft so eine Aussage über den Erfolg des Trans- fers des mentalen Modells. In Kombination lässt sich eine qualitative Aussage über die Effekte der Historienfunktion treffen. Wirkung auf die Kooperation bei der Modellerstellung Gegenstand dieses Abschnitts ist die Operationalisierung der Hypothese 12. Gegenstand der Untersuchung ist hier, ob die Verwendung des Werkzeugs bei der Modellbildung zu stärkerer Kooperation zwischen den Beteiligten führt als der Einsatz von bildschirmba- sierten Werkzeugen. Die Prüfung der Wirkung des Werkzeugs auf die kooperative Abbildung von Modellen bedingt Fragestellungen, die Kooperation explizit einfordern. Etwaige Modellierungsvor- kenntnisse beeinflussen die Prüfung der Hypothese nicht. Bei der Beurteilung zu berück- sichtigen sind aber bestehende persönliche Bekanntschaften oder etablierte Gruppen, die bereits gefestigte Formen der Zusammenarbeit entwickelt haben. Um den Einfluss der- artiger Faktoren möglichst auszuschließen, müssen die Gruppen bei der Modellbildung zufällig gebildet werden und etwaige Bekanntschaften innerhalb der gebildeten Gruppen explizit im Vorfeld der Untersuchung erhoben werden. 405 13.2. Untersuchungsdesign und Durchführung Die hier zu prüfende Hypothese baut auf Hypothese 2 auf. Dort war zu prüfen, ob das Werkzeug kooperatives Arbeiten grundsätzlich ermöglicht. In diesem Abschnitt wird geprüft, ob der Einsatz des Werkzeugs hinsichtlich der Kooperation der Beteiligten tat- sächlich einen messbaren Vorteil gegenüber einem traditionellen, bildschirmbasierten Werkzeug hat. Dazu ist es notwendig, eine vergleichende Untersuchung durchzuführen. Evaluierungsblock 5 wurde dementspechend geplant und umfasste die kooperative Abbil- dung eines Modells sowohl am Modellierungstisch als auch mittels des bildschirmbasier- ten Werkzeugs „CMapTools“. Die Aufgabenstellung wurde so gewählt, dass das resultie- rende Modell grundsätzlich in beiden Werkzeugen abgebildet werden konnte. Untersucht wurde, in welchem Ausmaß Kooperation zwischen den beteiligten Personen auftrat. Als Metriken dienen dabei die Zeitverteilung der Beteiligung am Modellierungsvorgang, der Zeitanteil an Diskussion während der Modellbildung sowie die Anzahl der Initiativwech- sel („Turn-Taking“) während eines Durchgangs. Zusätzlich werden die Benutzer hinsicht- lich des subjektiv empfundenen Ausmaßes der Kooperation sowie der Zufriedenheit mit den im Modell sichtbaren von ihnen selbst eingebrachten Inhalten befragt werden. Zur Berechnung der Zeitverteilung wird nicht der Zeitanteil der physischen, sondern jener der inhaltlichen Initiative herangezogen. Wo kein die Initiative führender Teilneh- mer identifizierbar ist, wird der betreffende Zeitabschnitt zu gleichen Teilen zwischen den Teilnehmern aufgeteilt. Die Zeitverteilung zwischen den Teilnehmern kann dann insofern in die Prüfung einfließen, als dass sehr niedrige oder sehr hohe Zeit-Anteile ein- zelner Teilnehmer auf eine unausgewogene Modellierungsbeteiligung hinweisen. Dieses Indiz muss jedoch durch Benutzeraussagen verifiziert werden, da geringe Beteiligung an der Modellierung nicht notwendigerweise auf eine als mangelhaft empfundene Koopera- tion hinweist. Der Zeitanteil an Diskussion während des Modellierungsvorgangs betrifft nur jenen Anteil an der Modellierungsdauer, in dem ein inhaltlicher Austausch zwischen den Teil- nehmern im Sinne der Aufgabenstellung stattfindet. Nicht berücksichtigt werden jene Zeiten, in denen das Modell erstellt wird oder in denen nicht im Sinne der Aufgaben- stellung gearbeitet wird (etwa bei Fehlfunktionen). Der Wechsel der Initiative („Turn-Taking“ (Sacks et al., 1974)) bei der Modellierung bezieht sich im Gegensatz zu der Berechnung der Zeitverteilung zwischen den Teilneh- mern auf die physische Initiative bei der Erstellung des Modells. Während in der von Sacks et al. (1974) vorgeschlagenen Methodik zur Identifikation von Initiativwechsel auf Konversationen eingegangen wird und damit auf Sprecherwechsel Bezug genommen wird, wird in diesem Fall die Übernahme der physischen Initiative als „Turn“ bezeich- net. Dies ist insofern eine für die Untersuchung der Modellierung sinnvolle Festlegung, als dass jener Teilnehmer, der die physische Kontrolle über die Eingabemedien besitzt auch exklusiven Zugriff auf die Interaktionsmöglichkeiten mit dem System besitzt und damit potentiell als „Filter“ zwischen den Eingaben der anderen Teilnehmer und der im System repräsentierten Information wirkt. 406 13.2. Untersuchungsdesign und Durchführung Abbildung von Zusammenhängen ohne Verbinder Gegenstand dieses Abschnitts ist die Operationalisierung der Hypothese 13. Gegenstand der Untersuchung ist die Beobachtung, dass zur Abbildung von Zusammenhängen die Verwendung von explizit dargestellten Verbindern nicht notwendig ist. Die Prüfung dieser Hypothese stellt keine Vorbedingungen an die Modellierungsauf- gabe oder die Modellierungsvorkenntnisse der Benutzer. Auch können individuelle An- wendungen der Werkzeugs (d.h. nicht nur in kooperativen Szenarien) zur Untersuchung verwendet werden. Bei der Prüfung der Hypothese ist die Notwendigkeit von explizit dargestellten Verbin- dern in zwei Fälle zu unterscheiden. Zum einen ist die Notwendigkeit bei der kooperativen Erstellung eines Modells zu prüfen, bei der sämtliche Beteiligte zu einer einheitlichen In- terpretation des dargestellten Modells kommen sollen. Zum anderen muss auch der Fall einer zeitlich nachgelagerten Interpretation durch Dritte untersucht werden. Hier ist zu erheben, ob die Interpretation des Modellinhalts dem ursprünglichen Verständnis des bzw. der Modellierenden entspricht. Zur Untersuchung muss dem ursprünglichen Modellierer jeweils eine inhaltliche Inter- pretation des Modellierungsergebnisses rückgespiegelt werden. Diese Form der kommu- nikativen Validierung kommt methodisch im Rahmen der Anwendung von Strukturlege- techniken (siehe Abschnitt 3.4.2) zum Einsatz und ist deshalb ohnehin Teil der in dieser Arbeit vorgeschlagenen Methodik bei der kooperativen Anwendung des Werkzeugs. Zur zeitlich nachgelagerten Interpretation bedarf es einem separaten Schritt, in dem das Modellierungsergebnis von einer dritten, an der Modellierung nicht beteiligten Person interpretiert und rückgespiegelt wird. 13.2.2. Durchführung In diesem Abschnitt werden die für diesen Evaluierungs-Teil relevanten deskriptiven Pa- rameter der berücksichtigten Anwendungs-Blöcke angeführt. Als Grundlage der Über- prüfung der Hypothesen werden hier die Evaluierungs-Blöcke 1 bis 5 verwendet. Dabei wurden für die quantitativ zu prüfenden Variablen die Blöcke 2, 3 und 5 herangezogen, da in diesen die größten Stichproben zur Verfügung standen. In die qualitative Auswer- tung der Ergebnisse wurden hingegen alle Blöcke (1-5) mit einbezogen. Stichprobe Für die Untersuchung der Hypothesen in diesem Kapitel wurden die Evaluierungsblöcke 1 bis 5 herangezogen. Die Stichprobe setzt sich wie in Tabelle 13.2 beschrieben zusam- men. 407 13.2. Untersuchungsdesign und Durchführung Tabelle 13.2.: Stichproben der Evaluierung zur Modellbildung Evaluierungsblock nAnwendungen nTeilnehmende 1 technische Evaluierung 9 18 2a Aushandlung 1 (1. Durchgang) 9 19 2b Aushandlung 1 (2. Durchgang) 9 18 3 Concept Mapping 1 18 54 4 Aushandlung 2 10 13 5a Concept Mapping 2 (Tisch) 11 24 5b Concept Mapping 2 (CMapTools) 12 25 Gesamt 78 171 Modellgröße Die Verteilung der Modellgröße wurde hier anhand der Anzahl der verwendeten Elemente (siehe Abbildung 13.2) und der Anzahl der verwendeten Verbindungen (siehe Abbildung 13.3) dargestellt. Berücksichtigt wurden dabei die Ergebnisse der Evaluierungsblöcke 2 („Aushandlung“) und 3 („Concept Mapping“). Die Modelle der Evaluierungsblöcke 1 und 4 sind aufgrund der uneinheitlichen Aufgabenstellungen nicht aussagekräftig zusammen- fassbar, jener Teil des Evaluierungsblocks 5, der mit dem hier vorgestellten Werkzeug durchgeführt wurden, weist ob der identischen Aufgabenstellung hohe Ähnlichkeit mit den Ergebnissen von Block 3 auf. Abbildung 13.2.: Anzahl der verwendeten Elemente – Übersicht 408 13.2. Untersuchungsdesign und Durchführung In Abbildung 13.2 ist zu erkennen, dass der Median der Anzahl der verwendeten Ele- mente zwischen 7 und 12 liegt, wobei die Concept Mapping Aufgabe wegen des nicht explizit vorgegebenen Detaillierungsgrades der Modellierung eine höhere Schwankungs- breite (mit starker Tendenz zu größeren Modellen) aufweist. Zwar war der Detaillie- rungsgrad der Aushandlungsaufgaben ebenfalls nicht explizit vorgegeben, hier ist jedoch eine höhere Überstimmung hinsichtlich des angemessenen Detaillierungsgrades gegeben. Auffällig ist außerdem, dass zwischen den beiden Durchgängen des Evaluierungsblocks- blocks ein (statistisch allerdings wegen der geringen Stichprobengröße nicht signifikanter) Unterschied in der Größe der Modelle (gemessen an der Anzahl der Elemente) gegeben ist (zweiseitiger t-Test für gepaarte Stichproben: t = 1.548, p = 0.1603)). Dies ist nach Betrachtung der qualitativ erhobenen Daten aus den entsprechenden Videoaufzeichnun- gen einerseits darauf zurückzuführen, dass der zweite Durchgang in einer späteren Phase des produktiven Arbeitsprozesses durchgeführt wurde, in dem weniger offene Schritte zu behandeln waren, andererseits war durch die bereits etablierte Zusammenarbeitsprozes- se generell weniger Abstimmungsbedarf gegeben. Dieser Eindruck wird auch durch die generell geringere Modellierungdauer in Durchgang 2 (siehe Abbildung 12.4) bestärkt. Abbildung 13.3.: Anzahl der verwendeten Verbindungen – Übersicht Eine ähnliche Verteilung wie im Falle der Elemente ergibt sich bei Betrachtung der Anzahl der Verbindungen (siehe Abbildung 13.3). Auffällig ist jedoch die gegenüber Durchgang 2 des Evaluierungsblocks geringere Anzahl von Verbindungen in Durchgang 1 während sich die Anzahl der Blöcke zwischen den beiden Modellierungsdurchgängen umgekehrt verhält. Wie in der Überprüfung der Hypothese 7 in Abschnitt 12.3.7 be- stätigt, ist dieses Phänomen auf die Fehlfunktionen und Instabilität der ursprünglichen 3Des t-Test kann angewandt werden, da für beide Stichproben die Nicht-Normalverteilung nicht bestä- tigt werden kann (Shapiro-Wilk-Test: WDG1 = 0.949, pDG1 = 0.675, WDG2 = 58.5, pDG2 = 0.120) und sich auch die Varianzen nicht signifikant unterscheiden (F-Test: F = 2.051, p = 0.330). 409 13.2. Untersuchungsdesign und Durchführung Funktion zur Herstellung von Verbindungen zurückzuführen, die in Durchgang 1 aus- schließlich zur Verfügung stand, während in Durchgang 2 (und auch im Block „Concept Mapping“) bereits die zusätzliche Funktion zur Verbindungsherstellung verfügbar war. Vernetzungsgrad Der Vernetzungsgrad der Modelle („Connectedness“) wurde bereits zur Überprüfung der Hypothese 7 in Abschnitt 12.3.7 betrachtet, ist jedoch eine Eigenschaft der erstellten Modelle an sich und wird hier deshalb nochmals als deskriptiver Parameter beschrieben. Abbildung 13.4.: Vernetzungsgrad (Verbindungen / Blöcke) – Übersicht Abbildung 13.4 zeigt die Verteilung des Verhältnisses der Anzahl von Verbindun- gen und Blöcken in den Evaluierungsblöcken 2 bis 5. Zu erkennen ist der oben und in Abschnitt 12.3.7 bereits beschriebene geringere Vernetzungsgrad im ersten Durch- gang von Evaluierungsblock 2, der auf die Instabilität und schwierige Verwendbarkeit der ursprünglichen Funktion zur Herstellung von Verbindungen zurückzuführen ist. Seit der Verfügbarkeit der neuen Funktion zur Herstellung von Verbindungen (also im zweiten Teil von Block 2 sowie in den Blöcken 3, 4 und 5) liegt der Vernetzungsgrad im Mittel immer um oder höher 1, wobei in den letzten Blöcken (4 und 5) tendenziell noch 410 13.3. Ergebnisse höhere Vernetzungsgrade auftreten (Bock 4 im Mittel 1.384 - SD = 0.617, Block 5 im Mittel 1.101 - SD = 0.337). Im Falle von Block 4 kann dies teilweise auf die Aufgaben- stellungen zurückgeführt werden, die zum Teil starken Fokus auf die Repräsentation von Beziehungen legte (maximaler Vernetzungsgrad: 24/8 = 3). Bei beiden Blöcken wurden außerdem weitere Stabilisierungsmaßnahmen in der Interaktions-Erkennungsleistung des Systems vorgenommen, weshalb der gestiegene Vernetzungsgrad zum Teil auch auf die einfachere Herstellbarkeit von Verbindungen zurückgeführt werden kann (siehe wieder- um 12.3.7). 13.3. Ergebnisse In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse der Untersuchung gegliedert nach den oben formulierten Hypothesen dargestellt. Zu jeder Hypothese wird die Auswertung der em- pirischen Daten dargestellt, die Bedeutung der empirischen Belege für die Prüfung der jeweiligen Hypothese diskutiert und letztendlich das Ergebnis zusammenfassend darge- stellt. 13.3.1. Keine semantische Einschränkung der Externalisierung Gegenstand der hier beschriebenen Untersuchung Hypothese 9 („Das Werkzeug schränkt Benutzer semantisch nicht bei der Externalisierung ihrer mentalen Modelle ein.“). Als Grundlage dieser Untersuchung dienen die Ergebnisse der Evaluierungsblöcke 2 bis 5, da in diesen die den einzelnen Modellelementen zugewiesene Semantik explizit untersucht wurde. Die Daten hinsichtlich der empfundenen Einschränkung bei der Modellbildung stammen aus der Befragung, die im Rahmen des Evaluierungsblocks 4 durchgeführt wur- de. Zusätzlich wurde das Videomaterial aller fünf Evaluierungsblöcke zur Auswertung herangezogen. Auswertung Die „Nicht-Einschränkung“ der Benutzer bei der Externalisierung kann, wie in Abschnitt 13.2.1 beschrieben, anhand des Modellierungsverhaltens der Benutzer beurteilt werden. Von Interesse ist hier die Zuweisung von Bedeutung (also semantischer Information) zu den (semantisch nicht vorbelegten) Modellierungselementen. Davon stehen grundsätzlich drei Arten von Blöcken („rot“, „gelb“, „blau“) sowie drei Arten von Verbindern („unge- richtet“, „gerichtet“, „bidirektional“). Erhoben wurde, wie viele Elemente im Verlauf der Modellierung mit Bedeutung belegt wurden, ob die Teilnehmenden mehr als die zur Ver- fügung stehenden Elemente benötigt hätten und ob ein Element im Modellierungsverlauf mit mehr als einer Bedeutung belegt wurde. 411 13.3. Ergebnisse Zu beachten ist hier, dass die Bedeutungsbelegung immer Ergebnis eines Aushand- lungsprozesses zwischen mindestens zwei Beteiligten ist. Aus dieser Teiluntersuchung kann also kein Rückschluss auf die individuell empfundene Einschränkung der Exter- nalisierung getroffen werden. Nachdem der Prozess der Bedeutungsfestlegung aber in- härenter Bestandteil der kooperativen Modellbildung ist und die Zielsetzung derselben die Herstellung eines gemeinsamen Verständnisses ist, ist dies im Falle einer tatsächlich kooperativ vorgenommenen Festlegung der Bedeutung nicht als Einschränkung zu se- hen. Eine individuell als einschränkend wahrgenommene Situation kann vielmehr dann auftreten, wenn die Bedeutungsfestlegung nicht kooperativ durchgeführt wurde, sondern die Bedeutungen von einem Teilnehmenden vorgegeben wurde. Die individuell empfun- dene Einschränkung wurde im zweiten Teil der hier beschriebenen Untersuchung mittels einem auf dem PMS basierenden Fragebogen sowie einer Auswertung der offenen Fragen zur Eignung des Werkzeugs zur Modellbildung erhoben. In Tabelle 13.3 ist für jeden Evaluierungsblock ausgeführt, in wie vielen Fällen eine bestimmte Anzahl von Blöcken mit Bedeutung belegt wurde und wie viele Arten von Verbindern benutzt wurden. Unterschiedliche Bedeutungen auf unterschiedlichen Mo- dellebenen (also in eingebetteten Teilmodellen) wurden ohne separate Unterscheidung mitgezählt. Tabelle 13.3.: Anzahl der bedeutungstragenden Elemente je Modell EB 1 E. 2 E. 3 E. 4+ E. 1 V. 2 V. 3 V. 4+ V. 2 - 1 0 2 9 0 4 1 0 0 2 - 2 1 0 8 0 6 1 0 1 3 0 3 14 0 6 4 0 6 4 0 2 7 2 3 4 2 1 5 0 1 7 3 11 0 0 0 Ges. 1 8 45 5 30 10 2 8 EB . . . Evaluierungsblock, x E.. . . x Elemente mit Bedeutung belegt, x V. . . . x Arten von Verbindungen verwendet In jenen beiden Fällen in Evaluierungsblock 4 und den drei Fällen in Evaluierungs- block 5, in denen 4 oder mehr bedeutungstragende Elemente verwendet wurden, wurden zweimal 4, und je einmal 6, 7 und 9 Elementtypen festgelegt. Beide Modelle enthiel- ten jedoch ineinander verschachtelte Teilmodelle, von denen keines mehr als drei Typen beinhaltete. Jene Fälle, in denen 4 oder mehr verschiedene Arten von Verbindern ver- wendet wurden, kamen durch den Einsatz benannter Verbinder zustande, mittels derer die Bedeutung der Verbindungen beliebig differenziert werden kann. Im zweiten Teil der Untersuchung zu dieser Hypothese wurden qualitativ einerseits die expliziten Aussagen der Teilnehmenden (nges = 139) hinsichtlich einer eventuellen einschränkenden Wirkung des Werkzeugs gesammelt, andererseits wurden die Video- 412 13.3. Ergebnisse aufnahmen der Werkzeuganwendungen diesbezüglich ausgewertet. Folgende Punkte mit einschränkender Wirkung konnten hier identifiziert werden (in Klammern jeweils die Quellen sowie die Anzahl des Auftretens der jeweiligen Aussage, sortiert nach der Häu- figkeit der Nennung): • Drei unterschiedliche Elementtypen sind zu wenig (verbales Feedback von Per- sonen mit praktischen Prozessmodellierungskenntnissen4 in den Blöcken 2 und 4 sowie in nicht formal dokumentieren Modellierungssitzungen mit Prozessmodellie- rungsexperten5 im Rahmen von Demonstrationen auf mehreren Konferenzen, 7x genannt) • Dezidierte Elemente zur Modellierung von Verzweigungen und Parallelisierungen im Kontrollfluss wären wünschenswert (verbales Feedback von Personen mit Pro- zessmodellierungskenntnissen in den Blöcken 2 und 4 sowie in nicht formal doku- mentieren Modellierungssitzungen mit Prozessmodellierungsexperten im Rahmen von Demonstrationen auf mehreren Konferenzen, 5x genannt) • Selbst festlegbare Formen, Farben und/oder Größen von Modellelementen wären wünschenswert (verbales Feedback von Personen in Block 4 sowie in nicht for- mal dokumentieren Modellierungssitzungen mit Strukturaufstellungsexperten6 im Rahmen von Demonstrationen auf mehreren Konferenzen, 3x genannt) • Unterschiedliche Farben von Verbindern wären wünschenswert (Befragung in Block 4, 2x genannt) Explizite Aussagen zu einer dezidiert „nicht-einschränkenden“ Wirkung bzw. der se- mantischen Offenheit des Werkzeugs konnten nur in Fällen identifiziert werden, in denen explizit nach diesem Aspekt gefragt wurde. In diesen Fällen wurde der Umfang der Aus- drucksmöglichkeiten durchwegs als ausreichend erachtet. Personen ohne Vorkenntnisse in der Prozessmodellierung empfanden die Anzahl der zur Verfügung stehenden Elemen- te im Allgemeinen als ausreichend, jene Fälle in denen dies nicht der Fall war, sind oben dokumentiert. Lediglich in einem der dokumentierten Fälle7 (n = 66) waren die Teilnehmenden mit der eigenständigen Wahl der Bedeutung der Elementtypen überfordert und begannen nicht eigenständig zu modellieren. Erst nach einer teilweisen bzw. beispielhaften Vorga- be von 2 Elementtypen durch den Untersuchungsleiter konnten die Teilnehmenden die Modellierung selbständig fortführen. Vergleichend ist festzustellen, dass beim Einsatz der Werkzeugs „CMapTools“, das die Anzahl der Elementtypen nicht einschränkt, in Evaluierungsblock 5 (n = 12) zwi- 4Nach diesen Kenntnissen wurde im Rahmen einer Selbsteinschätzung explizit gefragt 5jeweils nach Eigendeklaration bzw. aus dem professionellen Umfeld der Personen geschlossen 6das Werkzeug scheint sich zur Unterstützung von Strukturaufstellungen (Sparrer, 2002) zu eignen (siehe Abschnitt 15.5.3), dies wurde jedoch im Rahmen dieser Arbeit weder als Anwendungsfall vorgesehen, noch formal getestet 7in Evaluierungsblock 3 413 13.3. Ergebnisse schen 1 und 8 Elementtypen verwendet wurden, wobei der Median bei 3 liegt (M = 3.5, SD = 2.11). In je einem Fall wurden 1, 7 und 8 Elementtypen verwendet, in zwei Fällen wurden 3 Elementtypen eingesetzt, in drei Fällen kamen 4 Typen und in vier Fällen 2 Elementtypen zum Einsatz. Diskussion Betrachtet man die Ergebnisse der quantitativen Auswertung der Einsätze des Werk- zeugs in den Evaluierungsblöcken 2 bis 5, so ist die gegebene Ausdrucksstärke für die Modellierung weitgehend ausreichend. Dieser Eindruck relativiert sich bei einer ver- gleichenden Betrachtung mit einem computerbasierten, semantisch vollständig offenen Werkzeug sowie bei Betrachtung der qualitativen Auswertung der Benutzeraussagen so- wie der Videoaufnahmen. In der vergleichend durchgeführten Studie in Evaluierungsblock 5 zeigt sich, dass bei keiner Einschränkung der Anzahl der Modellelementtypen in mehr als der Hälfte der Fälle mehr als die im hier betrachteten Werkzeug zur Verfügung stehenden drei Ele- menttypen verwendet werden. Dies deutet darauf hin, dass sich die Teilnehmenden an der beschränkten Anzahl der zur Verfügung stehenden Elemente orientieren, auch wenn dies – wie aus den Aussagen der Teilnehmenden bei der ex-post-Befragung ersichtlich – bis auf einige Ausnahmen nicht als Einschränkung wahrgenommen wird. Aus den qualitativen Rückmeldungen zur Modellierung zeigt sich außerdem, dass Per- sonen, die in ihrer täglichen Arbeit aktiv mit Prozessmodellierung beschäftigt sind, bei Aufgabenstellungen, die aufgrund ihrer Fragestellung zu Ablaufbeschreibungen führen, eher die Verwendung von mehr als drei Elementtypen bevorzugen. Personen, denen Pro- zessmodellierung fremd ist oder deren Erfahrung damit sich auf eine einmalige, län- ger zurückliegende Ausbildung beschränkt, konnten ihre Modelle zu ablauforientierten Fragestellungen ohne Ausnahme mit maximal drei Elementtypen abbilden. Bei nicht ablauforientierten Fragestellungen ist dieser Unterschied nicht zu beobachten. In Einzelfällen wurden außerdem weitere Wünsche zur Steigerung der Ausdrucksmög- lichkeiten im Modell geäußert. Neben dem Wunsch nach unterschiedlich einfärbbaren Verbindungen zwischen Elementen wurde vor allem der Wunsch nach der Verwendung beliebiger Gegenstände als Modellelemente mehrfach geäußert, was das Einbringen von Repräsentation aus der alltäglichen Arbeitspraxis anstelle der abstrakten Modellelemen- te erlaubt. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen kann die hier betrachtete Hypothe- se mit Vorbehalten bestätigt werden. Tatsächlich wird das Werkzeug bis auf wenige Ausnahmen nicht als semantisch einschränkend wahrgenommen, die Ergebnisse der ver- gleichenden Studie zeigen aber auf eine einschränkende Wirkung durch die auf drei beschränkte Anzahl von Elementtypen. 414 13.3. Ergebnisse Ergebnis Die Hypothese 9 kann in der Untersuchung mit Vorbehalten angenommen werden. Die Verwendung des Werkzeugs zur Modellierung wird (bis auf wenige Aus- nahmen) nicht als semantisch einschränkend wahrgenommen. Die vergleichende Studie aus Evaluierungsblock 5 deutet allerdings auf eine einschränkende Wirkung durch die auf drei beschränkte Anzahl von Elementtypen hin. 13.3.2. Repräsentation beliebig umfangreicher Modelle Gegenstand der hier beschriebenen Untersuchung Hypothese 10 („Das Werkzeug er- möglicht die Repräsentation beliebig umfangreicher Modelle.“). Als Grundlage dieser Untersuchung dienen die Ergebnisse der Modellbildung in Evaluierungsblock 3 und 5 sowie die Befragungen in den Evaluierungsblöcken 1 bis 5. Auswertung Von Interesse ist bei der Prüfung dieser Hypothese der Vergleich des Umfangs von Mo- dellen, die mit dem hier vorgestellten Werkzeug erstellt wurden, mit Modellen, die mit ei- nem bezogen auf die Größe der Arbeitsfläche unbeschränkten Werkzeug erstellt wurden. Diese vergleichende Studie wurde im Rahmen der Untersuchungen in Block 5 durchge- führt. Als Metrik zum Vergleich der Modellgrößen wurde die Anzahl der Modellelemente verwendet. Abbildung 13.5 zeigt eine Gegenüberstellung der Modellgrößen bei Verwen- dung der „CMapTools“ als die Größe nicht beschränkendes Werkzeug und dem hier vorgestellten System8. Die Betrachtung der Ergebnisse zeigt, dass die Modelle, die mittels der „CMapTools“ erstellt wurden (M = 25.92, SD = 7.04, n = 12), signifikant umfangreicher waren (ein- seitiger Wilcoxon-Test für ungepaarte Stichproben:W = 8, p < 0.0019), als jene Modelle, 8In allen Boxplots gilt folgende Notation: • dicke Linie bzw. Box: Bereich zwischen 25%- und 75%-Quantil • breite Linie quer zur Hauptachse: Median (in horizontalen Boxen) bzw. Mittelwert (in vertikalen Boxen) • linke bzw. untere schmale Linie: Bereich zwischen 2,5%- und 25%-Quantil • rechte bzw. obere schmale Linie: Bereich zwischen 75%- und 97,5%-Quantil • Kreuze bzw. Kreise: Ausreißer (außerhalb 2,5%- und 97,5%-Quantil) 9Der Wilcoxon-Test muss angewandt werden, da die zweite Stichprobe nicht normalverteilt ist (Shaprio-Wilk-Test: WCMap = 0.9136, pCMap = 0.2372, WTisch = 0.5786, pTisch < 0.005) 415 13.3. Ergebnisse Abbildung 13.5.: Gegenüberstellung der Modellgrößen in Evaluierungsblock 5 die mittels dem hier vorgestellten System erstellt wurden (M = 12.18, SD = 6.84, n = 11). In den Evaluierungsblöcken 3 und 5 wurden insgesamt 30 Modellierungsdurchgänge durchgeführt, deren Ergebnis aufgrund der Aufgabenstellung bei detaillierte Modellie- rung mehr als 15 Modellierungselement enthalten müsste (siehe vergleichende Ergeb- nisse aus Block 5). In insgesamt 7 Fällen wurden mehr als 15 Elemente verwendet (15 < x <= 20 : 1; 20 < x <= 25 : 2; 25 < x <= 30 : 2; x > 30 : 2), der Me- dian der Anzahl der Elemente liegt bei Berücksichtigung aller Anwendungen bei 11 (M = 14.68, SD = 7.90, n = 30). Die Möglichkeit der Einbettung von Teilmodellen wurde insgesamt in 8 Modellierungsdurchgängen genutzt, davon war in drei Fällen die Gesamtanzahl der Elemente geringer als 15 (womit eine rein semantische Strukturierung vorliegt und keine Steigerung der Modellumfangs vorgenommen wurde). Neben der vergleichenden Studie wurde in allen Evaluierungsblöcken nach Abschluss der Modellbildung nach dem subjektive Eindruck der Teilnehmenden einer etwaig ein- schränkenden Wirkung hinsichtlich des Umfangs der Modelle gefragt (nges = 139). Ins- gesamt 43 Teilnehmende empfanden die Modellierungsoberfläche als zu klein um die gewünschten Sachverhalte abzubilden. Von insgesamt 9 Teilnehmenden wurde explizit der Wunsch nach kleineren Elementen geäußert, um umfangreichere Modelle abbilden zu können. Von 23 Teilnehmenden wurde die Visualisierung der Verbindungen kritisiert („unübersichtlich“, „nur eine Verbindung zwischen zwei Blöcken möglich“), was dazu geführt hätte, dass die Modelle nicht wie ursprünglich intendiert aussähen. Diskussion Sowohl die quantitativen Ergebnisse auf Evaluierungsblock 5 als auch die qualitativen Ergebnisse weisen darauf hin, dass die physische Realisierung der Modells, die mit eine Beschränkung der Modellierungsoberfläche einher geht, die Abbildung beliebig umfang- reicher Modelle nicht erlaubt. 416 13.3. Ergebnisse Bei der Gegenüberstellung des quantitativen Teils der Studie mit den qualitativen Aussagen der Teilnehmenden fällt auf, dass – wie bereits bei der Diskussion der Hypo- these 9 in Abschnitt 13.3.1 – die subjektive Wahrnehmung der Einschränkung weniger stark ausgeprägt ist als die vermutete tatsächliche Einschränkung, auf die aufgrund der quantitativen Daten geschlossen werden kann. Tatsächlich ist jedoch der Anteil der Teil- nehmer, die das Modell nicht so umfangreich wie intendiert abbilden konnten, höher als jener, die sich in der semantischen Ausdrucksstärke eingeschränkt fühlten. Aus den qualitativen Aussagen ist zu erkennen, dass der vorrangige Grund der Be- schränkung des Modellumfangs die eingeschränkte Größe der Modellierungsoberfläche ist. Die Möglichkeit zur Einbettung von Teilmodellen zur Steigerung des Umfangs wur- de nur in einem Sechstel der Fälle verwendet, was darauf hindeutet, dass diese Funktion keinen Ersatz für eine unbeschränkt große Modellierungsoberfläche (auf einer Abstrak- tionsebene) darstellt. Insgesamt kann aufgrund der Ergebnisse der Untersuchung die Hypothese 10 nicht bestätigt werden. Ergebnis Die Hypothese 10 kann in der Untersuchung nicht bestätigt werden. Modelle, die mit dem hier vorgestellten Werkzeug erstellt wurden, weisen bei identischer Aufga- benstellung einen signifikant geringeren Umfang auf als Modelle, die mit einemWerkzeug mit nicht beschränkter Arbeitsfläche erstellt wurden. Auch das qualitative Feedback der Benutzer deutet darauf hin, dass eine vollständige Abbildung eines Modells (und damit die Erstellung eines Modells mit größerem Umfang) nicht bzw. nur umständlich möglich ist. 13.3.3. Reflexion des Modellierungsverlaufs Gegenstand der hier beschriebenen Untersuchung ist Hypothese 11 („Die Reflexion des Modellierungsverlaufs ermöglicht das Verständnis der dem Modell abgebildeten Inhal- te.“). Als Grundlage dieser Untersuchung dienen die Ergebnisse der Evaluierungsblöcke 4 und 5, da die Erfassung und Persistierung der gesamten Modellierungshistorie erst in diesen Blöcken zuverlässig arbeitete. Auswertung Zur Prüfung dieser Hypothese wurden die Modelle aus den Evaluierungsblöcken 4 (Ein- satz im Unternehmenskontext) und 5 (Concept Mapping 2 – lediglich jene Anwendungen, die mit dem Modellierungstisch durchgeführt wurden) herangezogen. Die Interpretation der erstellten Modelle wurde jeweils von einer Person vorgenommen, die an der eigentli- 417 13.3. Ergebnisse chen Modellierung nicht beteiligt war. Die Beurteilung der Korrektheit und Vollständig- keit der Interpretation hinsichtlich der von den Modellierungsteilnehmern ausgedrückten Inhalte erfolgte durch den jeweiligen Untersuchungsleiter, da die Modellierer selbst nicht mehr zur Verfügung standen. Interpretiert wurde jeweils einerseits das eigentliche Endergebnis und andererseits das Endergebnis inklusive aller erfassten Zwischenzustände des Modells während der Mo- dellentstehung. Beide Interpretationen wurden gegenübergestellt und hinsichtlich ihrer Korrektheit und Vollständigkeit auf einer vierteiligen Likert-Skala beurteilt („korrekt“ – „eher korrekt“ – „eher nicht korrekt“ – „nicht korrekt“). Zusätzlich wurden qualitativ etwaige Auffälligkeiten bei abweichenden Interpretationen erhoben. Im Falle des Evaluierungsblocks 4 wurden 10 Modelle interpretiert. Bei der Interpre- tation ergab sich die in Tabelle 13.4 dargestellte Verteilung. Tabelle 13.4.: Korrektheit der Modellinterpretation in Evaluierungsblock 4 korrekt eher korrekt eher nicht korrekt nicht korrekt nur Ergebnis 0 3 5 2 inkl. Historie 0 8 2 0 Im Falle des Evaluierungsblocks 5 wurden 11 Modelle interpretiert. Bei der Interpre- tation ergab sich die in Tabelle 13.5 dargestellte Verteilung. Tabelle 13.5.: Korrektheit der Modellinterpretation in Evaluierungsblock 5 korrekt eher korrekt eher nicht korrekt nicht korrekt nur Ergebnis 6 4 1 0 inkl. Historie 6 4 1 0 Für die Untersuchung des Unterschiedes zwischen den beiden Interpretationsarten wurde der Wilcoxon-Test herangezogen. Dies war notwendig, da der Shapiro-Wilk-Test zeigte, dass beide Stichproben bei Berücksichtigung der beiden Evaluierungsblöcke 4 und 5 nicht normalverteilt waren (WErgebnis = 0.874, pErgebnis = 0.012,WHistorie = 0.792, pHistorie < 0.005). Entsprechend dieser Testergebnisse wurde ein einseitiger Wilcoxon-Test für gepaarte Stichproben durchgeführt. Dieser ergab für die Interpretationen unter Einbeziehung der Historie (n = 21,M = 1.86, SD = 0.655) eine signifikant „korrektere“ Bewertung (V = 28, p = 0.00537) als für die Interpretationen auf Basis des Modellierungsergebnisses (n = 21,M = 2.19, SD = 0.981). Trennt man beide Untersuchungen auf, so ergibt sich unter Einsatz der gleichen Test- Verfahren für die Untersuchung in Evaluierungsblock 4 ein signifikant „korrekteres“ Er- 418 13.3. Ergebnisse gebnis (V = 28, p = 0.00537) für die Interpretation unter Einbeziehung der Historie (n = 10,M = 2.2, SD = 0.422) gegenüber der Interpretation auf Basis des Model- lierungsergebnisses (n = 10,M = 2.90, SD = 0.738). In Evaluierungsblock sind die Verteilungen der Korrektheitsbeurteilung in beiden Interpretationsvarianten identisch (n = 11,M = 1.55, SD = 0.688), so dass sich kein signifikanter Unterschied ergeben kann. Diskussion Aus den Untersuchungsergebnissen ist zu erkennen, dass die Interpretation auf Basis der Modellierungshistorien signifikant besser (d.h. vollständiger und korrekter) ist als die Interpretation ausschließlich auf Basis des Modellierungsergebnisses. Vor allem ablauf- orientierte Modelle (wie in Block 4 vorherrschend) sind auf Basis der Modellierungs- historie besser zu interpretieren (wenn auch auf generell eher niedrigem Niveau – siehe oben). Im Falle von Modellen, in denen eher konzeptuelle Strukturen abgebildet wurden (wie die Modelle in Block 5) ist eine Interpretation generell einfacher möglich – hier zeigt sich allerdings kein Mehrwert bei der Interpretation der Modellierungshistorie. Die hier geprüfte Hypothese kann auf Basis der beschriebenen Untersuchung bestätigt werden. Generell ist die eher niedrige Einschätzung von Korrektheit und Vollständigkeit bei Interpretation der Ergebnisse rein auf Basis von dokumentierten Modellen (sei es das Endergebnis oder die Historie). Diese fällt weitaus geringer aus als eine Interpretation auf Basis der ebenfalls vorliegenden Videoaufnahmen der Modellierungen (diese wurde jedoch nicht formal evaluiert und deshalb nicht in die obige Gegenüberstellung aufge- nommen). Fraglich bleibt an dieser Stelle, ob die Nachvollziehbarkeit der mit dem hier vorgestellten System abgebildeten Inhalte ausschließlich auf Basis der gelegten Struk- turen gegeben ist. Die kompaktere Modelldarstellung (gegenüber bildschirmbasierten Werkzeugen, siehe Abschnitt 13.3.2) und der eher auf Diskussion denn auf Abbildung fokussierte Modellierungprozess (siehe Abschnitt 13.3.4) entfalten hier eine einschrän- kende Wirkung. Ergebnis Die Hypothese 11 kann auf Basis der Untersuchung bestätigt werden. Die Korrektheit und Vollständigkeit der Interpretation von Modellen kann durch die Einbe- ziehung der Modellierungshistorie signifikant gesteigert werden, ist aber vor allem bei Modellen, die aus ablauforientierten Fragestellungen entstanden sind, als eher gering einzuschätzen. 419 13.3. Ergebnisse 13.3.4. Wirkung auf die Kooperation bei der Modellerstellung Gegenstand der hier beschriebenen Untersuchung Hypothese 12 („Die Verwendung des Werkzeugs führt zu stärkerer Kooperation bei der Modellerstellung als die Verwendung von bildschirm-basierten Werkzeugen.“). Als Grundlage dieser Untersuchung dienen die Videoaufnahmen sowie die Ergebnisse der Teilnehmerbefragung des Evaluierungsblocks 5. Auswertung Das Ausmaß der Kooperation lässt sich aus dem Prozess der Modellbildung heraus an der Verteilung der Modellierungszeit zwischen den Teilnehmern, den Anzahl der In- itiativwechsel sowie dem Anteil von Diskussionszeit an der Gesamtmodellierungsdauer messen. Die Zeitverteilung zwischen den Teilnehmern betrug bei der Durchführung mittels CMapTools bei einer Gruppengröße von 2 Personen für Teilnehmer A im Schnitt 19 Mi- nuten 21 Sekunden (SD = 8m11s, n = 11) und für Teilnehmer B im Schnitt 14 Minuten 44 Sekunden (SD = 5m54s, n = 11). Setzt man diese Werte zueinander ins Verhältnis, ergibt sich ein Anteil von 56.88% für Teilnehmer A und 43.12% für Teilnehmer B. Bei jener Anwendung, die von drei Personen durchgeführt wurde ergab sich die Verteilung 20 min - 12 min - 8 min (50% - 30% - 20%). Bei der Durchführung am Modellierungstisch ergab sich bei einer Gruppengröße von 2 Personen für Teilnehmer A im Schnitt 17 Minuten und 18 Sekunden (SD = 6m59s, n = 9) und für Teilnehmer B im Schnitt 13 Minuten 12 Sekunden (SD = 6m01s, n = 9). Setzt man diese Werte zueinander ins Verhältnis ergibt sich ein Anteil von 57.52% für Teilnehmer A und 42.48% für Teilnehmer B. Bei den beiden Anwendungen, an denen drei Personen beteiligt waren, ergab sich eine Verteilung von 5 min - 2.5 min - 2.5 min (50% - 25% - 25%) bzw. 20 min - 10 min - 3 min (61% - 30% - 9%). Der Unterschied zwischen den Anteilen im Verhältnis zur gesamten Modellierungsdau- er (tTNA − tTNB/tges 10, lediglich Anwendungen mit 2 Beteiligten wurden berücksichtigt) beträgt bei der Anwendung der CMapTools im Schnitt 0.138 (SD = 0.086, n = 11) und am Modellierungstisch im Schnitt 0.151 (SD = 0.087, n = 9). Zwischen diesen beiden Werten kann kein signifikanter Unterschied festgestellt werden (zweiseitiger Wilcoxon- Test11: W = 51, p = 0.8588, n = 20). Hinsichtlich der Wechsel der Initiative waren bei der Durchführung der Modellierung mittels CMapTools (n = 12) 8 Fälle zu beobachten, in denen ein Teilnehmer exklusiven 10Als Teilnehmer A wird immer jener Teilnehmer bezeichnet, der den höheren Zeitanteil in der Model- lierung in Anspruch nahm. 11Die Durchführung des Wilcoxon-Test ist aufgrund der Nicht-Normalverteilung beider Stichproben notwendig (Shapiro-Wilk-Test: WCMap = 0.9083, pCMap = 0.2032, WTisch = 0.9642, pTisch = 0.8408) 420 13.3. Ergebnisse Zugriff auf die Eingabemedien über den gesamten Verlauf der Modellierung hatte. In 2 Fällen fanden zwei Initiativ-Wechsel statt, in jeweils 1 einem Fall fanden 4 bzw. 8 Initiativ-Wechsel statt. Bei der Durchführung der Modellierung in dem hier vorgestellten System (n = 11) wurde in 7 Fällen simultan an der Benutzungsschnittstelle gearbeitet, es konnten keine Initiativ-Wechsel im Sinne obiger Definition festgestellt werden. In 2 Fällen wurden je 2 Wechsel der Initiative festgestellt, in zwei Fällen kam es zu keinem Initiativ-Wechsel. Der Anteil von Diskussionszeit an der Gesamtmodellierungsdauer betrug bei der Durch- führung mittels CMapTools im Schnitt 57.15% (SD = 7.49%, n = 12) und war da- mit signifikant niedriger (einseitiger Wilcoxon-Test: W = 120, p < 0.001, n = 23) als der Diskussionsanteil bei der Arbeit am Modellierungstisch mit im Schnitt 76.08% (SD = 8.84%, n = 11). In Evaluierungsblock 5 wurden die Teilnehmer außerdem quantitativ und qualitativ nach dem Einfluss des Werkzeugs auf die Kooperation befragt. In der quantitativen Aus- wertung wurden 2 Items (Abschnitt „Kollaboratives Modellieren“ in Block 5 – siehe An- hang B.3.3) betrachtet, deren Gegenüberstellung einen Vergleich der wahrgenommenen Wirkung der beiden eingesetzten Werkzeuge ermöglicht. Die Items lauten im Einzelnen: 1. Ich konnte meine persönliche Meinung und Ideen ausreichend einbringen. 2. Das Werkzeug hat die Zusammenarbeit als Team erleichtert. Insgesamt wurden nCMap = 25 Teilnehmer befragt, die an der Modellierung mit den CMapTools beteiligt waren. nTisch = 24 Teilnehmer waren an der Modellierung am hier vorgestellten System beteiligt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 13.6 und Abbildung 13.6 zusammengefasst dargestellt. Neben dem Mittelwert und der Standardabweichung wur- de für jedes Item auch geprüft, ob die Einschätzung als signifikant positiv zu bezeichnen ist. Dazu wurde ein einseitiger Wilcoxon-Test für die Stichprobe gegenüber dem Skalen- mittelwert 4 durchgeführt 12. Tabelle 13.6.: Befragung Kooperative Modellierung im Werkzeugvergleich – Itemauswer- tung Item M SD VM<4 pM<4 1CMap 1.52 0.823 0 <0.005 1T isch 1.50 0.659 0 <0.005 2CMap 2.72 1.49 12 <0.005 2T isch 2.33 1.31 3 <0.005 12Der Wilcoxon-Test muss angewandt werden, da die Stichprobe in allen vier Fällen nicht normalverteilt ist (Shapiro-Wilk-Test: W1C = 0.680, p1C < 0.005, W1T = 0.716, p1T < 0.005, W2C = 0.882, p2C = 0.00742, W2T = 0.852, p2T < 0.005) 421 13.3. Ergebnisse Abbildung 13.6.: Verteilung der Benutzereinschätzungen zum kooperativen Modellieren In der Gegenüberstellung der Ergebnisse aus den beiden Teilstichproben für jedes Item zeigt sich in keinem der Fälle ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den beiden Stichproben (zweiseitiger Wilcoxon-Test für ungepaarte Stichproben: WI1 = 310, pI1 = 0.826, WI2 = 258.5, pI2 = 0.396). In der qualitativen Befragung begründeten insgesamt 48 Teilnehmer (25 an den CMap- Tools, 23 am Modellierungstisch) ihren Eindruck (Fragestellung: „Wie würden Sie Ih- re Beziehung im Team beschreiben? (Gesprächsablauf, Meinungsverschiedenheiten, ge- meinsames Arbeiten mit dem Werkzeug)“). Die Ergebnisse sind im Folgenden für jeder Teilnehmergruppe inhaltlich gruppiert dargestellt. Die Teilnehmer, die mit den CMapTools gearbeitet hatten, gaben folgende Antworten: • pos: konstruktive Arbeitsbeziehung (10x) • pos: Konsens war leicht herzustellen (6x) • pos: Kooperation war möglich (2x) • pos: für alle zufriedenstellendes Ergebnis erreicht (2x) • pos: Werkzeug ermöglicht Übersicht (1x) • neutral: zu kurze Zusammenarbeit (2x) • neg: ein Teilnehmer hat dominiert (2x) Am Modellierungstisch wurden folgende Antworten gegeben: • pos: konstruktive Arbeitsbeziehung (14x) • pos: Konsens war leicht herzustellen (2x) • pos: jeder konnte sich einbringen (2x) • pos: Team war okay (1x) 422 13.3. Ergebnisse • pos: schnelle Einigung (1x) • pos: Kooperation war möglich (1x) • neg: etwas planlos (2x) Diskussion Die Verteilung der Modellierungsdauer zwischen den Teilnehmern als erstgenannter Indi- kator für funktionierende Kooperation zwischen den Teilnehmern zeigt keine signifikan- ten Unterschiede zwischen den beiden eingesetzten Werkzeugen. In beiden Fällen zeigt sich eine im Schnitt annähernde Gleichverteilung der Modellierungsdauer zwischen den Teilnehmern, was darauf hinweist, dass eine kooperative Modellierung sowohl mit dem Werkzeug CMapTools als auch mit dem hier vorgestellten Modellierungstisch möglich ist. Betrachtet man jedoch die Anzahl der physischen Initiativwechsel, zeigt sich, dass die Möglichkeit des nicht-exklusiven Zugriffs auf die Benutzungsoberfläche des Modellie- rungtisches von den Teilnehmern genutzt wird und dazu führt, dass das die Manipulation des externalisierten Modells unmittelbar von mehr als einem Teilnehmer durchgeführt wird. Im Falle der mit der Maus und Tastatur bedienten CMapTools führt in den meis- ten Anwendungen ein Teilnehmer exklusiv die Manipulation des Modells durch. Durch den Wegfall des inhaltlichen „Filters“, den der manipulierende Teilnehmer bewusst oder unbewusst potentiell einführen kann, ist am Modellierungstisch eine unmittelbarere Ko- operation bei der Modellerstellung möglich. Auch die Verteilung zwischen der zur eigentlichen Modellerstellung benötigten Zeit und jener Zeit, die zum inhaltlichen Austausch über den Modellierungsgegenstand auf- gewendet wird, weist darauf hin, dass die Kooperation durch den Einsatz des Modellie- rungstisches im Vergleich zu den bildschirmbasierten CMapTools gestärkt wird. Die Befragung der Benutzer zeigt jedoch keine signifikant bessere Wahrnehmung des hier vorgestellten Werkzeugs gegenüber den im Vergleich eingesetzten CMapTools. Wäh- rend die Möglichkeit zur Einbringung der eigenen Sichtweise quasi identisch positiv ge- sehen wurde, zeigt die Einschätzung der Wirkung des Werkzeugs auf die Kooperation eine tendenziell positivere Ausprägung bei den am Modellierungstisch arbeitenden Teil- nehmern. Diese Verbesserung ist jedoch nicht statistisch signifikant. Auch die qualita- tive Betrachtung der Benutzerantworten in den offenen Items ergibt keine wesentlichen Unterschiede in der Wahrnehmung des Werkzeugs. Lediglich hinsichtlich der negativen Auffälligkeiten wurde im Falle der CMapTools die exklusive Modellbildung durch einen Teilnehmer zweimal genannt, wohingegen die kooperative Modellbildung am Modellie- rungtisch von zwei Teilnehmern (die zusammengearbeitet hatten) als „etwa planlos“ be- zeichnet wurde. Die Ergebnisse der Benutzerbefragung stärken die Hypothese also nicht, widersprechen ihr aber auch nicht. Insgesamt kann so die Hypothese als bestätigt ange- sehen werden. Zur Bestätigung aus Benutzersicht ist eine weitere vergleichende Studie 423 13.3. Ergebnisse anzudenken, in der die gleichen Teilnehmer anhand verschiedener Aufgaben die Wir- kung der unterschiedlichen Werkzeuge auf die Kooperation beurteilen. Die Reihenfolge der Werkzeuganwendung müsste dazu variiert werden, um Lern- bzw. Gewöhnungsef- fekte kompensieren zu können. Ergebnis Die Hypothese 12 kann auf Basis der Untersuchung bestätigt werden. Wäh- rend die Verteilung des Zeitanteils zwischen den Modellierungsteilnehmern keinen signi- fikanten Unterschied zwischen den beiden verglichenen Systemen aufweist, zeigt sowohl der Vergleich der Initiativ-Wechsel als auch der Anteil an zum inhaltlichen Austausch aufgewandter Zeit einen signifikanten Vorteil hinsichtlich der Kooperationsförderung für den Modellierungstisch. Die Daten aus der Befragung der Teilnehmer stärken die Hypo- these zwar nicht signifikant, zeigen aber eine leichte Tendenz zu deren Bestätigung. 13.3.5. Abbildung von Zusammenhängen ohne Verbinder Gegenstand der hier beschriebenen Untersuchung Hypothese 13 („Zur Abbildung von Zusammenhängen ist die Verwendung von Verbindern nicht notwendig.“). Als Grundla- ge dieser Untersuchung dienen die Befragungen sowie die Videoaufnahmen der Evaluie- rungsblöcke 1 bis 5. Auswertung In insgesamt 18 von den in allen 5 Evaluierungsblöcken 66 erstellten Modellen (für eine detaillierte Aufstellung siehe Abschnitt 12.3.1) wurden keine Verbinder zur Darstellung von Zusammenhängen zwischen Elementen verwendet. Von diesen 18 Modellen wurden 9 Modelle (in den Evaluierungsblöcken 2 und 3) während der Modellierung von allen Beteiligten kommunikativ interpretiert. Die Teilnehmenden wurden unmittelbar nach Abschluss der Modellbildung über ihre subjektive Wahrnehmung der Übereinstimmung des Verständnisses über den abgebildeten Sachverhalt befragt. Alle Teilnehmer (nges = 21) gaben an, subjektiv ein gemeinsames Verständnis erreicht zu haben. Diese Angaben decken sich mit den Auswertungen der Modellierungsverläufe in diesen Durchgängen, in denen in 3 von 9 Fällen während der Modellierung der Eindruck entstand, dass Teile der Modelle unterschiedlich interpretiert wurden. Diese unterschiedlichen Interpretationen wurden jedoch in allen Fällen im weiteren Verlauf der Modellierung erkannt und so abgestimmt, dass ein übereinstimmendes Verständnis hergestellt werden konnte. Jene 9 Modelle, die in Evaluierungsblock 1 erstellt wurden, wurden von Dritten in- terpretiert. Die Interpretation wurde dabei den ursprünglichen Modellerstellern rück- gespiegelt, die wiederum zu beurteilen hatten, ob die Interpretation den ursprünglich 424 13.3. Ergebnisse repräsentierten Sachverhalt korrekt wiedergibt. Dies war in allen 9 Modellierungsdurch- gängen der Fall (Befragung mittels einer 4-teiligen Likertskala, 6 mal „gut verstanden“, 3 mal „eher verstanden“, kein „eher nicht verstanden“ oder „nicht verstanden“). Die Abbildungen 13.7 und 13.8 zeigen Beispiele für Modelle, in denen die korrekte Interpre- tation auch ohne die Darstellung von Verbindern möglich war. Abbildung 13.7.: Korrekt intepretierbares Modell ohne Verbinder (hierarchisch) Die übrigen 46 Modelle, in denen Verbinder verwendet wurden, wurden einer nachge- lagerten Interpretation durch den Leiter der Studiendurchführung13 unterzogen, der an der Durchführung von 17 Modellierungsdurchgängen als Untersuchungsleiter beteiligt war (die übrigen 29 Modellierungsdurchgänge wurden im Rahmen von Diplomarbeiten erfasst, wobei die jeweiligen Diplomanden als Untersuchungsleiter auftraten). Bei dieser Interpretation wurden im ersten Schritt für jedes Modell die verwendeten Verbinder ent- fernt und versucht, den Modellinhalt zu interpretieren. In einem zweiten Schritt wurden die Verbinder wieder eingeblendet und die Interpretation mit dem nun vollständigen Modell verglichen. Dabei ergaben sich in 15 Fällen Unterschiede in der Interpretation, die ausschließlich auf die Verwendung von Verbindern zurückzuführen war. In den üb- rigen 36 Fällen explizierten bzw. bestätigten die erstellten Verbindungen die durch die räumliche Anordnung der Modellierungselemente implizit ausgedrückten Zusammenhän- ge. Dabei ist zu anzuführen, dass in 13 der insgesamt 46 Modelle benannte Verbinder verwendet wurden (die übrigen 33 Modelle enthielten lediglich unbenannte Verbinder). Von diesen 13 Modellen konnten 4 auch ohne die Darstellung der Verbinder korrekt (im 13dem Verfasser dieser Arbeit 425 13.3. Ergebnisse Abbildung 13.8.: Korrekt intepretierbares Modell ohne Verbinder (ablauforientiert) Sinne der obigen Ausführungen) interpretiert werden. Demnach führte die Entfernung der Verbinder in 6 der 33 Modelle mit unbenannten Verbindern zu unvollständigen bzw. fehlerhaften Interpretationen. Abbildung 13.9 zeigt ein Beispiel für ein Modell, in dem die Entfernung der Verbinder zu einer unvollständigen Interpretation des abgebildeten Inhalts führte. Im konkreten Fall repräsentieren die Verbinder Kommunikationsflüsse zwischen Personen. Diese Information geht bei ausschließlicher Darstellung der Model- lierungselemente verloren. Diskussion Das weitgehende Fehlen von Verbindern ist in den ersten beiden Evaluierungsblöcken sowie Teilen des Evaluierungsblocks 3 auf die mangelhafte Funktion der Verbindungs- herstellung durch Benutzer zurückzuführen (siehe Prüfung der Hypothese 1 in Abschnitt 12.3.1). Trotzdem war es den Teilnehmenden möglich, ein gemeinsames Verständnis über die abgebildeten Zusammenhänge zu entwickeln. Auch bei der Interpretation durch Drit- te, die am Entstehungsprozess des Modells nicht beteiligt waren, traten keine Missver- ständnisse auf. Dies gilt sowohl für ablauf-orientierte Modelle (in Evaluierungsblock 1 und 2) als auch für Concept-Map-artige Modelle (in Evaluierungsblock 3). Auf Basis dieser Ergebnisse kann die Hypothese bestätigt werden. Die Bestätigung ist insofern zu relativieren, als dass den Evaluierungsblöcken 3, 4 und 5 insgesamt 15 Modellierungsdurchgänge identifiziert werden konnten, in denen die Verwendung von Verbindungen den Modellen Bedeutung hinzufügt, die ohne diese auch implizit nicht 426 13.3. Ergebnisse Abbildung 13.9.: Bei Vernachlässigung der Verbinder nur unvollständig interpretierbares Modell vorhanden war. Eine vorbehaltslose Annahme der Hypothese ist deshalb nicht rechtfer- tigbar. Hypothese 13 kann unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen damit nicht be- stätigt werden. Während in vielen Fällen die ausschließliche räumliche Anordnung von Modellierungselementen ausreichend ist, um die beabsichtigte Bedeutung zu kommuni- zieren, konnten Fälle identifiziert werden, in denen dies nicht möglich war. Ergebnis Die Hypothese 13 kann auf Basis der Untersuchung nicht bestätigt werden. Während zu Bildung eines einheitlichen Verständnisses in vielen Fällen die implizite Abbildung von Zusammenhängen durch räumliche Konfiguration der Modellierungsele- mente ausreichend ist, konnten Fälle identifiziert werden, in denen die explizite Re- präsentation von Verbindern dem Modell Bedeutung hinzufügte, die ohne Darstellung derselben nicht kommunizierbar war. 427 13.4. Zusammenfassung 13.4. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde die Evaluierung des Aspektes der Modellierung mit dem hier vorgestellten Werkzeug beschrieben. Die hier betrachteten Hypothesen beschäftigen sich mit dem Modellierungsergebnis an sich sowie dem Prozess der Modellerstellung. In Ab- grenzung dazu wurde in Kapitel 12 die Verwendung des Werkzeugs im Allgemeinen sowie dessen Verständlichkeit geprüft. Kapitel 14 beschäftigt sich hingegen mit der Rückwir- kung der Modellierung bzw. der Modelle auf die eigentlichen Betrachtungsgegenstände (also etwa operative Arbeitsabläufe). Im Rahmen dieses Kapitels wurden vier aus der Aufgabenstellung begründbare Hypo- thesen und eine explorativ während der Evaluierung gebildete Hypothese getestet. Die ersten beiden Hypothesen beschäftigen sich mit einer eventuell einschränkendenWirkung des Werkzeugs auf die Modellbildung. Wie in den Anforderungen 4 und 6 formuliert, muss das Werkzeug zur Unterstützung von „Articulation Work“ einerseits semantische Offenheit bei der Modellierung bieten (d.h. die Modellierenden nicht bei der Abbildung der eigenen Konzeptualisierung des abzubildenden Sachverhaltes einschränken) und an- dererseits die Abbildung beliebig umfangreicher Modelle erlauben. Hypothese 9 („Semantische Offenheit“) konnte dabei insofern bestätigt werden, als dass die Teilnehmenden das Werkzeug nur in Einzelfällen als semantisch einschränkend empfanden. Der Vergleich mit einem semantisch vollständig offenen Werkzeug, dass die Anzahl der Elementtypen im Gegensatz zum vorliegenden Werkzeug nicht beschränkt, deutet jedoch darauf hin, dass in manchen Anwendungsfällen tatsächlich mehr als die drei im Werkzeug semantisch belegbaren Elementtypen zum Einsatz kommen sollten. Hypothese 10 („Beliebiger Modellumfang“) konnte im Rahmen der Untersuchung nicht bestätigt werden. Die beschränkte Größe der Modellierungsoberfläche wird einschrän- kend auf den Modellumfang, die Möglichkeit der Einbettung von Teilmodellen stellt dabei keinen adäquaten Ersatz dar. In einer vergleichenden Studie mit einem die Ar- beitsfläche nicht beschränkenden Werkzeug wurden bei identischer Aufgabenstellung im Durchschnitt Modelle mit doppelten Umfang als mit dem hier vorgestellten Werk- zeug erstellt. Auch die Rückmeldungen der Teilnehmenden deuten darauf hin, dass die Beschränkung der Modellierungsoberfläche in vielen Fällen als einschränkender Faktor wahrgenommen wird. Hypothese 11 („Reflexion des Modellierungsverlaufs“) untersucht, ob die Verfügbar- keit der Modellierungshistorie einen positiven Einfluss auf die Nachvollziehbarkeit des Modellinhaltes hat. Diese Hypothese konnte im Rahmen der Untersuchung bestätigt werden. Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass die Korrektheit der Interpretation vor allem in Fragestellungen, die zu ablauforientierten Modellen führen, in vielen Fällen eher gering ist. Es ist daher fraglich, ob eine Interpretation ausschließlich auf Basis der gespeicherten Repräsentationen des Modells ausreichend ist bzw. zu qualitativ zufrieden stellenden Ergebnissen führt. 428 13.4. Zusammenfassung Hypothese 12 („Stärkere Kooperation“) untersucht, ob die Verwendung des Werkzeugs zu stärkerer Kooperation führt als die Verwendung eines bildschirmbasierten Werkzeugs. Diese Hypothese konnte im Rahmen der Untersuchung bestätigt werden. Die Verwen- dung des Werkzeugs führt im Vergleich zur Anwendung eines bildschirm-basierten Werk- zeugs zu einem signifikant höheren Anteil an Diskussion während der Modellbildung und zu ausgeglichenerer physischer Beteiligung am Modellierungsvorgang zwischen den Teil- nehmern. Die Daten aus der Befragung der Teilnehmer stärken die Hypothese zwar nicht signifikant, zeigen aber eine leichte Tendenz zu deren Bestätigung. Die letzte in diesem Kapitel untersuchte Hypothese (Hypothese 13, „Verbinder nicht notwendig“) betraf die explorativ gebildete Vermutung, dass zur Repräsentation von Zusammenhängen in Modellen die explizite Darstellung von Verbindern nicht notwendig sind sondern die ausschließliche räumliche Konfiguration der Modellierungselemente zu- einander ausreicht, um die Zusammenhänge erfassbar zu machen. Während dies im über- wiegenden Teil der Anwendungsfälle möglich war, konnten Modelle identifiziert werden, in denen die Verbinder Information codierten, die rein durch die räumliche Anordnung der Modellelemente nicht ableitbar gewesen waren (in etwa 25% der Fälle). Hypothese 13 konnte im Rahmen der Untersuchung damit nicht bestätigt werden. Insgesamt zeigt sich damit, dass das Werkzeug nur eingeschränkt zur Abbildung dia- grammatische Modelle geeignet ist. Im Sinne der Zielsetzung dieser Arbeit – der Unter- stützung von „Articulation Work“ – ist dies jedoch nur von eingeschränkter Wichtigkeit. Vielmehr steht die Unterstützung der Kommunikation zwischen den beteiligten Indivi- duen und der Abgleich derer mentaler Modelle im Vordergrund. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Werkzeug diesen Ansprüchen gerecht wird. Im nächsten Kapitel wird nun untersucht, inwieweit der Abgleich tatsächlich stattfindet (also „Articulation Work“ erfolgreich durchgeführt werden konnte) und welche Auswirkungen dies auf die Arbeitsrealität hat. 13.4.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung Dieses Kapitel stellt die Untersuchung der Eignung des vorgeschlagenen Instruments zur Unterstützung von „Articulation Work“ dar und trägt so hinsichtlich der in Kapitel 1 argumentieren und in Kapitel 4 näher ausgeführten zu untersuchenden Aspekte zur Be- antwortung der Fragestellung 6 („Ermöglicht das Instrument die effektive Durchführung von expliziter Articulation Work?“) bei. Die Ergebnisse zeigen die erwartete Wirkung des Instruments auf die Kooperation zwischen den beteiligten Individuen und bestäti- gen so eine weitere Voraussetzung für die effektive Unterstützung expliziter „Articulation Work“ durch das hier vorgestellte Instrument. 429 13.4. Zusammenfassung 13.4.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse Die Ergebnisse dieses Kapitels werden in ihrer Gesamtheit erst in den Schlussbetrach- tungen (Kapitel 15) wieder aufgegriffen. Einzelne Hypothesen, vor allem jene, die sich mit der kooperativen Verwendbarkeit des Werkzeugs beschäftigen, werden aber im fol- genden Kapitel nochmals aufgegriffen und dienen dort als Grundlage der Evaluierung der Wirkung der durchgeführten „Articulation Work“. 430 14. Evaluierung der durchgeführten Articulation Work Die Evaluierung der durchgeführten „Articulation Work“ bildet den letzten Teil der empirischen Untersuchung und prüft letztendlich die Eignung des Werkzeugs für den intendierten Verwendungszweck im Sinne der Zielsetzung. Abbildung 14.1 stellt dieses Kapitel und dessen Aufbau im Kontext der anderen inhaltlich vor- und nachgelagerten Kapitel dar. Abbildung 14.1.: Kapitel „Evaluierung der durchgeführten Articulation Work“ im Ge- samtzusammenhang Die in diesem Kapitel formulierten Hypothese basieren unmittelbar auf der Zielsetzung dieser Arbeit und den in Kapitel 2 identifizierten Merkmalen erfolgreich durchgeführter „Articulation Work“. Es wird nicht mehr auf die Verwendung der Werkzeugs selbst (siehe Kapitel 12) und nicht mehr auf die Rolle von externalisierten Modellen im Kontext dieser Arbeit (siehe Kapitel 13) eingegangen. 431 14.1. Hypothesen 14.1. Hypothesen In diesem Abschnitt werden die Hypothesen angeführt und begründet, die in diesem Teil der empirischen Untersuchung geprüft werden. Die im Folgenden beschriebenen Hypothesen gehen aber auf die Wirkung von „Articulation Work“ auf die reale Welt ein. Nicht Gegenstand der Untersuchung ist die Verwendung diagrammatischer Modelle zum Zwecke der Durchführung von „Articulation Work“ (siehe Kapitel 13) und die Wirkung des Werkzeugs bei der Durchführung (siehe Kapitel 12). 14.1.1. Konzeptuell begründete Hypothesen Die folgenden Hypothesen sind unmittelbar aus der globalen Zielsetzung dieser Arbeit abgeleitet. Die Wirkung von „Articulation Work“ zeigt sich in der organisationalen Rea- lität an der Durchführung der „Production Work“ Fujimura (1987). Um die Wirkung der mit dem Werkzeug durchgeführten „Articulation Work“ zeigen zu können, muss deshalb neben dieser auch die „Production Work“ betrachtet werden. Die Überprüfung erfolgt dabei in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird die Durchführung der „Articulation Work“ selbst betrachtet. Im Rahmen der Verwendung der Externalisierung von mentalen Modellen zum Zwecke der Durchführung von „Articulation Work“ ist es – wie in Kapitel 4 ausgeführt und in Anforderung 7 abgebildet – notwendig, eine kooperative Nutzung des unterstützen- den Werkzeugs zu ermöglichen. Ein wesentlicher Schritt zur erfolgreichen Durchführung von „Articulation Work“ ist neben der eigentlichen Externalisierung (die in den ersten beiden Hypothesen des vorhergehenden Kapitels 13 abgebildet wurde) die Abstimmung der indviduellen mentalen Modelle der Beteiligten. „Abstimmung“ bedeutet hier einen Abgleich der indviduellen Verständnisse jener Arbeitsaspekte, die im Sinne von Kapitel 2 „problematisch“ sind bzw. enge Kooperation der Beteiligten in der „Production Work“ bedingen. Die Prüfung dieser Hypothese ermöglicht die Beurteilung der Erfüllung der Anforderung 2 (siehe Seite 116). Hypothese 14 Das Werkzeug unterstützt den Prozess der Abstimmung der individuel- len Modelle zwischen Personen. Der zweite Schritt der Untersuchung in diesem Teil der Evaluierung betrachtet letzt- endlich die durchgeführte Arbeit selbst. Das globale Ziel des hier vorgestellten Ansatzes ist die Unterstützung von „Articulation Work“. Ob diese tatsächlich erfolgreich durch- geführt wurde, zeigt sich an der Wirkung auf die zugehörige kooperativer Arbeit (die „Production Work“). Es ist also zu beurteilen, ob die Anwendung des Werkzeuges tat- sächlich auf die jeweils betrachteten Arbeitsabläufe wirkt und welcher Natur diese Aus- wirkungen sind. Die Prüfung dieser Hypothese trägt zur Beurteilung der Erfüllung der globalen Zielsetzung (siehe Seite 5) bei. 432 14.2. Untersuchungsdesign und Durchführung Hypothese 15 Die Anwendung des Werkzeugs hat Auswirkungen auf die Ergebnisse kooperativer Arbeit. Hinsichtlich der in Kapitel 5 formulierten Anforderungen können die hier formulierten Hypothesen zusammenfassend wie in Tabelle 14.1 dargestellt eingeordnet werden. Die Untersuchung dieser Hypothesen stellt den finalen Schritt in der Prüfung der effektiven Unterstützung der Durchführung von „Articulation Work“ dar. Hier wird die Wirkung der Anwendung des Instruments sowohl auf die beteiligten Individuen als auch auf die betroffenen Arbeitsabläufe untersucht und so die Effektivität der Unterstützung an sich anhand ihrer Wirkung geprüft. Tabelle 14.1.: Hypothesen zur Wirkung des Instruments auf die Articulation Work und deren Bezug zu den Anforderungen an das Werkzeug Hypothese Anforderung 14 2 15 globale Zielsetzung 14.2. Untersuchungsdesign und Durchführung In diesem Abschnitt wird auf Basis der oben formulierten Hypothesen das Untersu- chungsdesign abgeleitet und die Durchführung der Untersuchung beschrieben. Der erste Teil des Abschnitts beschreibt die Operationalisierung der Hypothesen und damit die Festlegung, wie diese konkret geprüft werden können. Im zweiten Teil des Abschnitts wird die Durchführung der Prüfung beschrieben. Hier erfolgt neben der Zuordnung der einzelnen Evaluierungsblöcke (siehe Abschnitt 11.2) auch die Darstellung rein beschrei- bender Modell-Parameter, die nicht unmittelbar in die Prüfung der Hypothesen einge- hen. 14.2.1. Operationalisierung In diesem Abschnitt wird für jede Hypothese identifiziert, in welcher Form sie geprüft werden kann. Dies umfasst die Festlegung der Messpunkte sowie der jeweiligen Mess- und Auswertungsmethode (letztere bezugnehmend auf den in Abschnitt 11.3 beschrie- benen Verfahren). Zudem werden jene Evaluierungsblöcke festgelegt, die für die jeweilige Untersuchung herangezogen wurden. Für jede Hypothese wird also spezifiziert, anhand welcher Aspekte diese geprüft wer- den kann (= abhängige Variablen). Zudem wird festgelegt, welche Ausgangssituation 433 14.2. Untersuchungsdesign und Durchführung bei der Anwendung gewählt werden muss, um die Prüfung durchführen zu können (= unabhängige Variable) und welche Faktoren die Beurteilung ggf. ungewollt beeinflussen können (= Störvariablen). Abstimmung individueller Modelle Gegenstand dieses Abschnitts ist die Prüfung der Hypothese 14. Diese bezieht sich auf die geforderte Eigenschaft des Werkzeugs, den Prozess der Abstimmung der individuellen Modelle zwischen den beteiligten Personen zu unterstützen. Voraussetzung zur Prüfung dieser Hypothese ist, dass die Aufgabenstellung einem der beiden kooperativen Anwendungsszenarien zuzuordnen ist (siehe Abschnitt 4.3.3 bzw. 4.3.4), in denen alle Teilnehmenden ihre individuellen mentalen Modelle einbringen. Die Zielsetzung muss so formuliert sein, dass eine gemeinsame Sicht auf den behandelten Sachverhalt angestrebt wird. Weitere Voraussetzungen etwa hinsichtlich der Auswahl der beteiligten Individuen bestehen nicht. Zur Prüfung, ob eine Abstimmung der individuellen Modelle der beteiligten Perso- nen erreicht wurde, kann auf qualitative Beurteilung durch die Teilnehmenden zurück- gegriffen werden. Zur Beurteilung bieten sich hier neben der direkten Frage nach der subjektiv wahrgenommene Abstimmung des Verständnisses auch Teilaspekte des PMS- Frameworks (Sedera et al., 2002) an, das unter anderem die Wirkung der Modellbildung auf die beteiligten Personen und die Arbeitsrealität abbildet (siehe (Wahlmüller, 2010) zur Eignung des PMS-Frameworks im Kontext dieser Arbeit). Zusätzlich könnte zur Prüfung der Hypothese eine Diagnose der mentalen Modelle der Beteiligten etwa im Sinne von (Ifenthaler, 2006) durchgeführt werden. Hier müssten dann jeweils die externalisierten mentalen Modelle aller Beteiligten jeweils vor und nach dem Abstimmungsprozess gegenübergestellt werden. Die Anwendung dieses Vorgehens übersteigt jedoch den methodischen Fokus dieser Arbeit und wurde in der vorliegenden Untersuchung aus Ressourcengründen nicht durchgeführt. Auswirkungen auf die Ergebnisse kooperativer Arbeit Gegenstand dieses Abschnitts ist die Prüfung der Hypothese 15. Diese bezieht sich letzt- endlich auf die Rückwirkung der mit Hilfe des Werkzeugs durchgeführten Aktivitäten auf die Realität. Voraussetzung zur Prüfung dieser Hypothese ist, dass die Aufgabenstellung einen Sach- verhalt zum Gegenstand hat, der eine unmittelbare Entsprechung in der realen (Arbeits- )Welt der Teilnehmenden hat. Weitere Voraussetzungen etwa hinsichtlich der Auswahl der beteiligten Individuen bestehen nicht. Zur Prüfung dieser Hypothese kann wiederum auf eine qualitative Beurteilung der ein- getretenen Veränderungen durch die beteiligten Personen zurückgegriffen werden. Auch 434 14.2. Untersuchungsdesign und Durchführung hier liefert das PMS-Framework (Sedera et al., 2002) wieder Ansatzpunkte zur Erhebung. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Einhaltung eines angemessenen zeitlichen Ab- standes zwischen Modellbildung und Befragung, so dass etwaige Veränderungen in Kraft gesetzt bzw. beobachtet werden können. Neben der Befragung der teilnehmenden Individuen können auch die Arbeitsabläu- fe, die Gegenstand der „Articulation Work“ waren, selbst beobachtet werden. Bei be- reits etablierten Arbeitsabläufen bietet sich eine Gegenüberstellung der Durchführung der Arbeit vor und nach der Modellbildung an. Bei neu einzurichtenden Arbeitsabläu- fen steht die Möglichkeit der Gegenüberstellung nicht zur Verfügung. Dementsprechend kann lediglich beurteilt werden, ob die Aushandlung eines gemeinsamen Arbeitsablaufs möglich war. Vergleichend können im zweiten Fall dazu identische Arbeitsabläufe ohne dezidierten Abstimmungsschritt herangezogen werden, wobei als Maß für die Güte der Abstimmung die Anzahl der aufgetretenen Probleme in der Zusammenarbeit während der Durchführung der „Articulation Work“ herangezogen werden kann. 14.2.2. Durchführung Die Durchführung der Untersuchungen zu diesem Teil der Evaluierung wurde in den Evaluierungsblöcken 2 und 4 durchgeführt. In Block 2 waren die Teilnehmenden auf- gefordert, ein gemeinsames Vorgehen zur Erstellung einer Seminararbeit auszuhandeln und in einem zweiten, während der laufenden Zusammenarbeit durchgeführten Schritt zu reflektieren und ggf. anzupassen. Diese Schritte waren in den Verlauf der Erstel- lung der Seminararbeit eingebettet, begleiteten also die „Production Work“, an der der Erfolg der „Articulation Work“ zu messen war. Zur Beurteilung des Erfolgs wurden die Teilnehmenden aufgefordert, den Verlauf der Erstellung der Seminararbeit in einem Prozess-Tagebuch zu dokumentieren und dabei besonders auf die Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Partner einzugehen. Die Ergebnisse flossen in die Prüfung der Hypothese 15 ein. In Block 4 wurden die Teilnehmer unmittelbar nach der Modellbildung und in ei- nem Abstand von 8 Wochen zu den erwarteten bzw. tatsächlich eingetretenen Ände- rungen der Arbeitspraxis befragt. Die Befragung wurde mittels einem auf Basis des PMS-Frameworks erstellten Fragebogen (siehe Anhang B) durchgeführt. Die Ergebnisse flossen in die Prüfung der Hypothesen 14 und 15 ein. In diesem Teil der Evaluierung wurden keine deskriptiven Parameter erhoben, weshalb die in den Kapiteln 12 und 13 an dieser Stelle vorgenommene Beschreibung derselben hier entfällt. 435 14.3. Ergebnisse Stichprobe Für die Untersuchung der Hypothesen in diesem Kapitel wurden die Evaluierungsblöcke 2 und 4 herangezogen. In diesen war die Aufgabenstellung im Gegensatz zu den übri- gen Evaluierungsblöcken stärker auf eine unmittelbare Abbildung konkreten Abläufen in der „Production Work“ ausgerichtet, was eine Prüfung der Hypothesen erleichterte. Für die Prüfung der Hypothese 14 wären grundsätzlich auch die Evaluierungsblöcke 3 und 5 geeignet gewesen, die entsprechenden Untersuchungen konnten jedoch aus Res- sourcengründen nicht durchgeführt werden. Die Stichprobe setzt sich wie in Tabelle 14.2 beschrieben zusammen. Tabelle 14.2.: Stichproben der Evaluierung zur Articulation Work Evaluierungsblock nAnwendungen nTeilnehmende 2a Aushandlung 1 (1. Durchgang) 9 19 2b Aushandlung 1 (2. Durchgang) 9 18 4 Aushandlung 2 10 13 Gesamt 28 50 14.3. Ergebnisse In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse der Untersuchung gegliedert nach den oben formulierten Hypothesen dargestellt. Zu jeder Hypothese wird die Auswertung der em- pirischen Daten dargestellt, die Bedeutung der empirischen Belege für die Prüfung der jeweiligen Hypothese diskutiert und letztendlich das Ergebnis zusammenfassend darge- stellt. 14.3.1. Abstimmung individueller Modelle Gegenstand der hier beschriebenen Untersuchung ist Hypothese 14 („Das Werkzeug unterstützt den Prozess der Abstimmung der individuellen Modelle zwischen Personen.“). Als Grundlage dieser Untersuchung dienen die Ergebnisse der Evaluierungsblöcke 2 und 4. Auswertung In Evaluierungsblock 4 wurden die Teilnehmer hinsichtlich der eigenen Einschätzung eines individuellen Erkenntnisgewinns bzw. der Entwicklung eines gemeinsamen Ver- ständnisses befragt (Abschnitt „Auswirkungen der Modellierung“ im ersten und zweiten 436 14.3. Ergebnisse Fragebogen von Block 4 – siehe Anhang B.3.2). Die für die Prüfung der hier betrachteten Hypothese sind folgende geschlossene Items relevant: 1. Die Modellierungstätigkeit hat mein Verständnis des Modellierungsinhalts erhöht. 2. Die Modellierung hat Verbesserungen für bisherige Tätigkeiten aufgezeigt. 3. Die Modellierung hat einen Beitrag zur Zielerreichung geleistet. Alle Fragen wurden sowohl in der unmittelbar nach der Modellbildung durchgeführten Befragung als auch in der in einem Abstand von 3 Monaten durchgeführten Befragung gestellt. Insgesamt wurden in der unmittelbar nach der Modellbildung durchgeführten Be- fragung n = 14 Teilnehmer befragt (1 Teilnehmer beantwortete die Fragestellungen nicht). Die Ergebnisse sind in Tabelle 14.3 und Abbildung 14.2 zusammengefasst dar- gestellt. Neben dem Mittelwert und der Standardabweichung wurde für jedes Item auch geprüft, ob die Einschätzung als signifikant positiv zu bezeichnen ist. Dazu wur- de ein einseitiger Signifikanz-Test für die Stichprobe gegenüber dem Skalenmittelwert 4 durchgeführt. Für die Items 1 und 2 konnte der t-Test angewandt werden, da die Stichprobe nicht signifikant von einer Normalverteilung abweicht (Shapiro-Wilk-Test: W1 = 0.894, p1 = 0.1103, W2 = 0.8884, p2 = 0.0927). Für Item 3 muss der Wilcoxon-Test angewandt werden, da die Stichprobe hier nicht normalverteilt ist (Shapiro-Wilk-Test: W3 = 0.6743, p3 < 0.005). Tabelle 14.3.: Befragung über die Verständnisbildung bei der Modellierung – Itemaus- wertung Teil 1 Item M SD tM<4 VM<4 pM<4 1 2.615 1.446 −3.45 – < 0.005 2 2.308 1.032 −5.92 – < 0.005 3 2.417 0.669 – 0 < 0.005 Bei der drei Monate nach der Modellbildung durchgeführten Befragung beantworteten n = 11 Teilnehmer die Fragestellungen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 14.4 und Ab- bildung 14.3 zusammengefasst dargestellt. Für die Signifikanzprüfung der Items konnte der t-Test angewandt werden, da die Stichprobe in allen drei Fällen nicht signifikant von einer Normalverteilung abweicht (Shapiro-Wilk-Test: W1 = 0.854, p1 = 0.0486, W2 = 0.924, p2 = 0.353, W3 = 0.893, p3 = 0.150). Vergleicht man die Antworten in den beiden Fragebögen, so ergibt sich für keines der Items ein signifikanter Unterschied in der Bewertung (zweiseitiger Signifikanztest 437 14.3. Ergebnisse Abbildung 14.2.: Verteilung der Benutzereinschätzungen zur Verständnisbildung durch das Werkzeug – Teil 1 Tabelle 14.4.: Befragung über die Verständnisbildung bei der Modellierung – Itemaus- wertung Teil 2 Item M SD tM<4 pM<4 1 2.818 1.168 −3.36 < 0.005 2 2.909 1.221 −2.96 < 0.005 3 2.455 0.820 −6.25 < 0.005 Abbildung 14.3.: Verteilung der Benutzereinschätzungen zur Verständnisbildung durch das Werkzeug – Teil 2 438 14.3. Ergebnisse für ungepaarte Stichproben: t1 = −0.380, p1 = 0.708, t2 = −1.29, p2 = 0.212, W3 = 62.5, p3 = 0.8361). In den Evaluierungsblöcken 4 und 5 wurden die Teilnehmer (n = 37) außerdem in offenen Fragen nach der Zusammenarbeit im Team befragt (Fragestellung: „Wie würden Sie Ihre Beziehung im Team beschreiben?“ sowie „Sind Sie zufrieden mit ihrem Beitrag zum Modellierungsprozess? Geben Sie bitte auch eine kurze Begründung an!“) – siehe dazu auch die Auswertungen in Abschnitt 13.3.4). Während diese nicht unmittelbar auf die hier betrachtete Hypothese eingehen, gaben doch 12 Teilnehmer explizit an, dass ein Konsens über die abzubildenden Inhalte gefunden werden konnte. 7 dieser 12 Teilneh- mer führten außerdem an, dass während der Modellierung Meinungsverschiedenheiten geherrscht hätten, die aufgelöst werden konnten. In der Auswertung der Videoaufnahmen der Evaluierungsblöcke 2 bis 5 (in denen kooperative Modellbildungen durchgeführt wurden, n = 69) waren insgesamt 53 Situa- tionen zu identifizieren, in denen die Teilnehmer bei der Abbildung eines Sachverhaltes offensichtlich unterschiedlicher Meinung waren. Vier unterschiedliche Reaktionen waren als Konsequenz zu beobachten: 1. Eine unterschiedliche Meinung wurde übergangen, lediglich die andere Meinung fand sich im Modell wieder. (10x) 2. Die unterschiedlichen Meinungen wurden nicht explizit aufgelöst, fanden sich je- doch beide im Modell wieder. (5x) 3. Der Sachverhalt, in dem unterschiedliche Meinungen herrschten, wurde im Modell nicht abgebildet. (17x) 4. Die Teilnehmer fanden zu einer gemeinsamen Sichtweise und bildeten diese im Modell ab. (21x) Diskussion In den dezidierten Fragestellungen etwaigen Auswirkungen der Werkzeugverwendung auf das Verständnis der Teilnehmer in Evaluierungsblock 4 zeigte sich durchgängig ei- ne signifikant positive Einschätzung der Veränderungen. Die Frage nach der „Erhöhung des indiviuduellen Verständnisses des modellierten Sachverhalts“ ist dabei bei der Beur- teilung der hier betrachteten Hypothese als am relevantesten einzuschätzen. Auch das „Aufzeigen von Verbesserungspotential in der Modellierung“ impliziert die Zusammen- führung der individuell wahrgenommenen Aspekte des modellierten Sachverhalts, eine positive Einschätzung dieser Fragestellung stützt also ebenfalls die Hypothese. Auch die Frage, ob die Modellbildung einen „Beitrag zur Zielerreichung“ geleistet hätte, ist 1Bei Item 3 musste aufgrund der Nicht-Normalverteilung der Stichprobe aus dem ersten Fragebogen der Wilcoxon-Test angewandt werden, für die anderen beiden Items konnte ein t-Test durchgeführt werden 439 14.3. Ergebnisse unter der Annahme relevant, dass die Zielsetzung explizit die Forderung nach dem Sicht- barmachen der eignen Sichtweise sowie der Entwicklung einer gemeinsamen Sichtweise enthielt (wie in Block 4 gegeben). In der mittelfristigen Betrachtung drei Monate nach der Modellbildung zeigt sich keine signifikante Änderung der Einschätzung und bleibt für alle drei Fragen signifikant positiv. Die Ergebnisse der betrachteten geschlossenen Fragen stützen also die oben formulierte Hypothese. In den relevanten offenen Fragen wurde von den Teilnehmern der Evaluierungsblö- cke 4 und 5 in etwa einem Drittel der Antworten auf die Konsensbildung als einen wichtigen Aspekt der Werkzeugverwendung verwiesen. Dies ist relevant für die Unter- stützung der hier formulierten Hypothese, da die Fragen vollständig offen formuliert waren und keine andere Wirkung des Werkzeugs in diesem Ausmaß erwähnt wurde. Einschränkend ist zu bemerken, dass bei den Werkzeuganwendungen durchgängig nicht hoch kontroversielle Themen behandelt wurden. Etwa ein Fünftel aller Teilnehmer (bzw. die Hälfte der Teilnehmer, die konsensbildende Wirkung genannt hatten) führte an, dass Meinungsverschiedenheiten in unterschiedlichem Ausmaß bestanden hätten, die ausge- räumt werden konnten. Im Falle der Modellbildung mit dem Werkzeug CMapTools in Evaluierungsblock 5 wurde bei insgesamt 24 befragten Teilnehmern hingegen zweimal explizit angeführt, dass ein Teilnehmer inhaltlich dominiert hätte und der andere sich nicht einbringen konnte (siehe Abschnitt 13.3.4), dessen Sichtweise also auch nicht in eine gemeinsame Sichtweise hätte einfließen können. In den Auswertungen der Videoaufnahmen konnten ebenfalls Situationen identifiziert werden, in denen offenbar Meinungsverschiedenheiten in unterschiedlichem Ausmaß hin- sichtlich der Abbildung herrschten. In etwa 40% der identifizierten Fälle fanden die Teilnehmer zu einer gemeinsamen Sichtweise, die im Modell abgebildet wurde (Fall 4). In etwa einem Drittel der Fälle wurde die Meinungsverschiedenheit ignoriert und im Modell nicht abgebildet (Fall 3). In einem Fünftel der Fälle wurden konfliktionierende Sichtweisen übergangen und nur eine Variante fand ohne weitere Diskussion den Weg in das Modell (Fall 1). Ein weiteres Zehntel der Meinungsverschiedenheiten wurde eben- falls nicht explizit angesprochen, die Sichtweisen wurden jedoch gleichberechtigt in das Modell aufgenommen (Fall 2). Fall 4 und Fall 2 stützen die Hypothese, während Fall 3 und Fall 1 eher für deren Ablehnung sprechen. Insgesamt zeigen also etwa 50% der Fälle Ausprägungen, die die Hypothese unterstützen. Insgesamt überwiegen also jene Untersuchungsergebnisse, die die Annahme der Hypo- these unterstützen. Sie kann also auf Basis der durchgeführten Untersuchung bestätigt werden, bedarf aber weiterführender Untersuchungen hinsichtlich des auffällig häufig auftretenden Benutzerverhaltens des Aussparens unterschiedlicher Sichtweisen in der Diskussion. 440 14.3. Ergebnisse Ergebnis Die Hypothese 14 kann auf Basis der Untersuchung bestätigt werden. So- wohl die quantitativen als auch die qualitativen Daten der Benutzerbefragung stützen die Hypothese und sprechen für deren Annahme. In der Auswertung der durchgeführten Modellbildungen zeigte sich keine signifikante Häufung von die Hypothese stützendem Umgang mit unterschiedlichen Sichtweisen. Auffällig häufig wurden die Aspekte, in de- nen unterschiedliche Sichtweisen herrschten, nicht weiter angesprochen und im Modell ausgespart. Dieses Verhalten bedarf weiterführenden Untersuchungen bzw. der Entwick- lung von methodischen Ansätzen, die die Auflösung von derartigen Situationen erleich- tern bzw. bestärken. 14.3.2. Auswirkungen auf die Ergebnisse kooperativer Arbeit Gegenstand der hier beschriebenen Untersuchung ist Hypothese 15 („Die Anwendung des Werkzeugs hat Auswirkungen auf die Ergebnisse kooperativer Arbeit.“). Als Grundlage dieser Untersuchung dienen die Ergebnisse der Evaluierungsblöcke 2 und 4. Auswertung In Evaluierungsblock 4 wurden die Teilnehmer hinsichtlich der eigenen Einschätzung der Auswirkungen der Modellbildung auf die reale Arbeitswelt („Production Work“) drei Monate nach der Durchführung der Modellbildung befragt (Abschnitt „Auswirkungen auf die Prozesse“ im zweiten Fragebogen von Block 4 sowie Abschnitt – siehe Anhang B.3.2). Die für die Prüfung der hier betrachteten Hypothese sind folgende geschlossene Items relevant: 1. Umsetzung a) Das Modellierungsergebnis oder Teile davon wurden bereits umgesetzt. b) Das Modellierungsergebnis oder Teile davon werden in Kürze umgesetzt. c) Es ist geplant, die Modellierungsergebnisse oder Teile davon umzusetzen. 2. Der Alltag hat sich im Umfeld des modellierten Themas geändert. 3. Unmittelbar nach der Modellierung war klar, dass die Ergebnisse umgesetzt wer- den. Insgesamt wurden in der drei Monate nach der Modellbildung durchgeführten Befra- gung 11 Teilnehmer befragt (5 Teilnehmer beantworteten alle Fragestellungen nicht, 5 Teilnehmer beantworteten alle Fragestellungen, 1 Teilnehmer beantwortete nur die drei Items der Fragestellung 1). Die Ergebnisse sind in Tabelle 14.5 und Abbildung 14.4 zu- sammengefasst dargestellt. Für die drei unter Punkte 1 gruppierten Items wird einerseits eine Einzelauswertung vorgenommen, andererseits werden diese Items so gruppiert, dass 441 14.3. Ergebnisse jeweils der geringste Wert (also die „beste“ Einschätzung) verwendet wird. So ist es möglich, ein Maß für die generelle Wahrnehmung der Umsetzung des Modellierungser- gebnisses zu bestimmen. Neben dem Mittelwert und der Standardabweichung wurde für jedes Item auch ge- prüft, ob die Einschätzung als signifikant unterschiedlich von Skalenmittelwert 4 zu be- zeichnen ist. Dazu wurde ein zweiseitiger Signifikanz-Test für die Stichprobe gegenüber dem Skalenmittelwert 4 durchgeführt. Aufgrund der geringen Stichprobengröße wurde der Wilcoxon-Test zur Signifkanzprüfung verwendet. Tabelle 14.5.: Befragung über die Wirkung der Modellbildung auf die Arbeitsprozesse – Itemauswertung Item n M SD VM=4 pM=4 1a 6 3.83 1.941 2.5 1 1b 6 3.33 2.066 4.5 0.496 1c 6 3.50 2.074 3.5 0.713 1ges 6 3.33 2.066 4.5 0.496 2 5 4.40 1.673 4 0.773 3 5 3.40 0.548 0 0.149 Abbildung 14.4.: Verteilung der Benutzereinschätzungen zur Wirkung der Modellbil- dung auf die Arbeitsprozesse In keinem der Items konnte eine signifikante Abweichung vom Skalenmittelwert 4 ge- messen werden, was einer neutralen Antwort entspricht (Skala: 1 . . . „stimme zu“, 7 . . . „stimme nicht zu“). 5 bzw. 6 Teilnehmer gaben explizit keine Antwort (Antwortmög- lichkeit „keine Antwort“). 442 14.3. Ergebnisse In den offenen Fragen des Fragebogenteils nutzten 4 Teilnehmer die Gelegenheit zu weiteren Kommentaren. Aufgrund des geringen Rücklaufs wird auf eine Codierung der Antworten verzichtet, es werden für jede offene Frage die Antworten im Volltext ange- führt, um eine Zuordnung von Mehrfachantworten zu ermöglichen (in Klammern sind die Quellfragebögen der Antworten angeführt): • „Welche Ergebnisse hatte die Modellierung?“ 1. Erarbeitung / Verbesserung von Prozessen & Dokumentationen (FB2) 2. klare Definition des systemischen Soll‐Zustandes (FB2) 3. generell mehr Klarheit bei den Beteiligten zum Thema (FB2) 4. Darstellung der kritischen Punkte im Prozess (FB4) 5. wir kamen leider nicht so weit, ein Ergebnis festzuhalten bzw. ein Ziel zu formulieren (FB5) 6. Erhöhtes Verständnis der hohen Komplexität des Systems. (FB11) • „Welche Auswirkungen konnten Sie persönlich feststellen?“ 1. Diskussion / Neue Wege (FB4) 2. Es war nett, ein solches Tool kennen zu lernen, es hatte aber keine Auswir- kungen für mich persönlich (FB5) 3. Mehr Verständnis bei Umsetzungen, die Komplexität wurde durch das Tool transparenter (FB11) • „Welche Auswirkungen erwarten Sie?“ 1. zu den bisherigen Umsetzungsmaßnahmen die weitere operative Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse (FB2) 2. Verbesserung im Prozess: kürzere Wege, Nachvollziehbarkeit (FB4) In Evaluierungsblock 2 wurde versucht, die Wirkung des Werkzeugs unmittelbar an der „Production Work“ zu messen. Dazu wurde zum Ersten der Ablauf der „Produc- tion Work“ von den Teilnehmern dokumentiert. Zum Zweiten wurden die Ergebnisse der „Production Work“, im Fall dieses Evaluierungsblocks, also die erstellten Seminararbei- ten, ausgewertet. Dabei wurde neben der inhaltlichen Beurteilung vor allem auch auf die Konsistenz der erstellten Arbeit geachtet. Ist diese auch bei der Beteiligung meh- rerer Autoren gegeben, so ist dies ein Indikator für die erfolgreiche Durchführung von „Articulation Work“. Die Arbeiten, die im Rahmen des Evaluierungsblocks 2 erstellt wurden, wurden zudem den Arbeiten eines Seminars gegenüber gestellt, in dem eine identische Aufgaben- und Themenstellung ohne Einsatz einer expliziten Unterstützung von „Articulation Work“ bearbeitet wurde. Insgesamt wurden in Evaluierungsblock 2 10 Arbeiten erstellt, an denen 20 Teilnehmer beteiligt waren. In 8 Fällen arbeiteten jeweils 2 Teilnehmer zusammen, in je einem Fall arbeiteten 3 Personen bzw. 1 Person an der Arbeit. 443 14.3. Ergebnisse Zur Auswertung der Ergebnisse der „Production Work“ wird einerseits die Gesamtbe- urteilung der Arbeit auf einer Notenskala von 1 („sehr gut“) bis 5 („nicht genügend“) angegeben2. Andererseits wird explizit eine Einschätzung der Qualität der Konsistenz ebenfalls auf einer Skala von 1 bis 5 angeführt. Beide Werte wurden durch den Lehrver- anstaltungsleiter festgelegt, der gleichzeitig auch der Autor dieser Arbeit ist. In Tabelle 14.6 ist das Ergebnis der Beurteilung für die Durchführung in Evaluierungblock 2 (unter Einsatz des hier vorgestellten Werkzeugs) dargestellt. In Tabelle 14.7 ist das Ergeb- nis eines inhaltlich identischen Seminars dargestellt, in dem der Ablauf nur durch den fehlenden Einsatz des Werkzeugs von dem in der ersten Tabelle dargestellten Seminar abwich. Tabelle 14.6.: Ergebnis der „Production Work“ in Evaluierungsblock 2 Arbeit Teilnehmer Noteges NoteKonsistenz 1 2 2 2 2 2 3 4 3 2 1 1 4 1 2 1 5 2 2 2 6 2 2 3 7 2 1 1 8 3 1 1 9 2 2 3 10 2 2 2 Insgesamt konnte hinsichtlich der Konsistenz der Arbeiten bei der Durchführung des Seminars mit Unterstützung der durchgeführten „Articulation Work“ (M = 2.0, SD = 1.05) gegenüber jener ohne Unterstützung (M = 2.6, SD = 1.43) keine statistisch si- gnifikante Verbesserung des Ergebnisses festgestellt werden (einseitiger Wilcoxon-Test für ungepaarte Stichproben: W = 38, p = 0.1813). Auch das Gesamtergebnis ist bei Unterstützung der „Articulation Work“ (M = 1.8, SD = 0.63) nicht signifikant besser (einseitiger Wilcoxon-Test für ungepaarte Stichproben: W = 47.5, p = 0.435) als jenes ohne Unterstützung (M = 1.9, SD = 0.87). In dem Seminar, das ohne Unterstützung des Werkzeugs durchführt wurde, zerbrach eine Gruppe aufgrund von unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten. Dies war durchgängig auch in insgesamt 6 in vorhergehen- den Semestern bzw. parallel durchgeführten Seminaren in jeweils 1 bis 2 von 10 bis 12 2In die Gesamtbeurteilung fließen die inhaltliche Qualität der Arbeit, deren Konsistenz („roter Fa- den“) sowie die Aufbereitung der Inhalte (inkl. Formulierungen und Korrektheit der Quellen- Referenzierung) ein. 3Der Wilcoxon-Test musste angewandt werden, da die Stichprobe der Durchführung ohne Werkzeug- unterstützung nicht normalverteilt ist (Shaprio-Wilk-Test: W = 0.752, p < 0.005) 444 14.3. Ergebnisse Tabelle 14.7.: Ergebnis der „Production Work“ ohne Unterstützung der „Articulation Work“ Arbeit Teilnehmer Noteges NoteKonsistenz 1 2 1 1 2 2 2 3 3 2 2 3 4 2 1 1 5 2 2 4 6 2 3 4 7 1 1 1 8 1 3 4 9 2 3 4 10 2 1 1 Gruppen der Fall. In dem mit Unterstützung des hier vorgestellten Werkzeugs durchge- führten Seminar wurde keine Gruppe aufgelöst, alle Gruppen bestanden bis zum Ende des Seminars. In den 6 Seminaren ohne Werkzeugunterstützung hatten die Teilnehmer Wahlfreiheit bei der Gruppenbildung und konnten in etablierten Gruppen zusammen- arbeiten. In dem Seminar mit Werkzeugunterstützung wurden die Gruppen gelost. In der Dokumention der „Production Work“ durch die Teilnehmer des Evaluierungs- blocks 2 wird untersucht, welche Vorgehensweise bei der Zusammenarbeit bei der Erstel- lung der Seminararbeit gewählt wurde. Diese wird den erstellten Modellen gegenüber- gestellt. Dabei wird untersucht ob die tatsächliche Vorgehensweise dem bei der Durch- führung der „Articulation Work“ vereinbarten Prozedere entspricht. Zusätzlich werden etwaige Anmerkungen hinsichlich problematischer Kooperation und Referenzen auf die Auswirkungen der „Articulation Work“ angeführt. Arbeit 1 (Beurteilung der Konsistenz: 2) Die Teilnehmer teilten die inhaltliche Arbeit unter sich auf und arbeiten die einzelnen Blöcke eigenständig aus. Die einzelnen Tei- le wurden zu zwei Zeitpunkten (nach der Literaturrechereche und nach der Erstellung der Draft Version) gemeinsam konsolidiert. An die Draft-Version schloss sich eine ko- operative Bearbeitung des Gesamtdokuments an, in der die Gesamtdurchgängigkeit der Arbeit sichergestellt wurde. Dieses Vorgehen stimmt mit dem in der Modellbildung ver- einbarten Vorgehen überein. Hinsichtlich der Durchführung wurden keine Probleme oder Auffälligkeiten angeführt. Resümierend merken beide Teilnehmer an, dass der Großteil der inhaltlichen Arbeit individuell erfolgte und die Druchgängigkeit der Inhalte darunter litt. 445 14.3. Ergebnisse Arbeit 2 (Beurteilung der Konsistenz: 4) Die Teilnehmer treffen in der Dokumentation keine explizite Aussage zur Arbeitsteilung, aus der Dokumentation des Arbeitsverlaufs geht jedoch hervor, dass das Thema inhaltlich aufgeteilt und jeweils separat bearbeitet wurde. Aus den erstellen Modellen ist grundsätzlich ein Vorgehen zu erkennen, das indi- viduelle Teilarbeiten mit regelmäßigen Abgleichsaktivitäten spezifiziert. Eine Umsetzung dieses Vorgehensmodells konnte in der Verlaufdokumentation jedoch nicht identifiziert werden. Ein Teilnehmer beschreibt Uneinigkeiten in der Ablaufplanung, die noch aufge- löst werden müssten. Der andere Teilnehmer führt retrospektiv an, dass die Arbeit von zu hoher Arbeitslast in anderen Fächern des Studiums negativ beeinflusst war. Arbeit 3 (Beurteilung der Konsistenz: 1) Die Teilnehmer dokumentieren ein ab dem Beginn des Schreibprozessen eher separiertes Vorgehen bei der Erstellung der Seminar- arbeit. Die Literaturrecherche wurde inhaltlich noch nicht abgrenzt, wurde aber von beiden Teilnehmern individuell durchgeführt. In der Modellierung wurde die Aushand- lung eines konkreten Vorgehens ausgespart, vielmehr berichtete ein Teilnehmer über das Vorgehen bei einem ähnlichen Seminar im Vorjahr. Dieses Modell schien jedoch bei der konkreten Durchführung nicht mehr berücksichtigt zu werden. Bei der Erstellung über- nahm ein Teilnehmer die Führung in der Zusammenstellung der einzelnen Teile. Dieser Teilnehmer dokumentiert auch eine positive Wahrnehmung der Zusammenarbeit, wäh- rend der andere Teilnehmer von Kommunikationsproblemen und als ungerechtfertigt wahrgenommenen Kürzungen seiner Beiträge in der Gesamtarbeit berichtet. Arbeit 4 (Beurteilung der Konsistenz: 1) Diese Arbeit wurde individuell von nur ei- nem Teilnehmer erstellt. In der Dokumentation nimmt der Ersteller keinen Bezug auf das erstellte Modell, das dokumentierte Vorgehen ist jedoch kohärent mit dem bei der Modellerstellung geplanten Vorgehen. Arbeit 5 (Beurteilung der Konsistenz: 2) Die Teilnehmer kennen einander von früheren Projekten und haben bereits zusammengearbeitet. Die Kooperation wird als problemlos bezeichnet, den inhaltlich aufgeteilten eigenständigen Arbeitsphasen folgen regelmäßig gemeinsame Konsolidierungsschritte, die Teilnehmer halten sich gegenseitig über den aktuellen Stand der Arbeit am Laufenden. Die dokumentierte Zusammenarbeit lässt auf eine stärkere Interaktion als ursprünglich in der Modellierung geplant schließen. Arbeit 6 (Beurteilung der Konsistenz: 3) Die Teilnehmer teilten die Arbeit inhaltlich in zwei Teile und bearbeiteten diese individuell. Die Integration wurde zweimal durch- geführt (Draft Version, Finale Version), dies wurde jeweils abwechselnd von einem der Teilnehmer durchgeführt. Vor der Abgabe wurde eine gemeinsame Konsolidierung mit web-basierten Werkzeugen synchron durchgeführt. Das erstellte Modell zeigt keinen Ab- laufplan, sondern gibt die inhaltliche Aufteilung der Arbeit wieder. Diese entspricht der 446 14.3. Ergebnisse in der Realität vorgenommenen Aufteilung. Die Teilnehmer führen keine Auffälligkeiten in der Kooperation oder Schwierigkeiten in der Abstimmung an. Arbeit 7 (Beurteilung der Konsistenz: 1) Die Teilnehmer teilten die Arbeit inhaltlich in zwei Teile und kommunizierten zwischen den Abstimmungsterminen ausschließlich via eMail. Dies wurde von beiden Teilnehmern als sehr produktiv wahrgenommen. Durch den häufigen Austausch war der jeweilige Status des anderen immer transparent, so dass die eigene Arbeit angepasst werden konnte und Redundanzen vermieden wurden. Bei der Modellbildung wurden die einzelnen Arbeitsschritte und eine hohe Anzahl von Meilensteinen festgelegt, die Arbeitsaufteilung wurde angesprochen, aber nicht explizit abgebildet. Interessant ist, dass die Teilnehmer die hohe Zufriedenheit mit der Zusam- menarbeit und auch die hohe Qualität der Arbeit durch die seltenen Präsenztreffen und die ausführliche Kommunikation via eMail begründen. Arbeit 8 (Beurteilung der Konsistenz: 1) Diese Gruppe bestand aus drei Teilnehmern, die zuvor noch nicht zusammengearbeitet hatten, allerdings eine parallele, wöchentli- che Lehrveranstaltung gemeinsam besuchten. Aus der Dokumentation geht hervor, dass diese zu wöchentlichen Kurztreffen genutzt wurden, die der Abstimmung des Arbeits- fortschritts und der nächsten Schritte diente. Die Arbeit wurde inhaltlich aufgeteilt und weitgehend individuell ausgearbeitet. Das Modell enthielt einen Ablaufplan ohne dezi- dierte Zuteilung der Zuständigkeiten, die Umsetzung des Ablaufplans konnte aus der Verlaufsdokumentation jedoch nicht bestätigt werden. Zum inhaltlichen Austausch wur- de eMail in hoher Frequenz verwendet. Die finale Konsolidierung erfolgte sequentiell durch die einzelnen Teilnehmer. Die Zusammenarbeit wurde als äußerst professionell und produktiv empfunden. Auftretenden Unklarheiten wurden unmittelbar und rasch aufgelöst, es wurden keine Meinungsverschiedenheiten dokumentiert. Arbeit 9 (Beurteilung der Konsistenz: 3) Die Arbeit wurde von den beiden Teilneh- mern wiederum inhaltlich in zwei Teile geteilt, die getrennt voneinander individuell be- arbeitet wurden. Die Teilnehmer dokumentierten intensiven Mailkontakt während der Phase der Draft-Erstellung, in dem das weitere Vorgehen abgestimmt wurde. Die Zu- sammenführung der Inhalte wurde von jeweils einem der Teilnehmer durchgeführt. Das während der Aushandlung erstellte Prozessmodell dokumentierte ein Vorgehensmodell, in dem parallele individuelle Arbeitsphasen durch kooperative Abstimmungsschritte er- gänzt wurden. Dieses Vorgehen kann im dokumentierten Arbeitsprozess nicht identifi- ziert werden, vielmehr wurde ad-hoc via eMail abgestimmt, die expliziten gemeinsamen Konsolidierungsphasen entfielen. Insgesamt wurde die Zusammenarbeit von beiden Teil- nehmern als angenehm bezeichnet, wenngleich das Endergebnis als nicht vollkommen zufriedenstellend empfunden wurde. 447 14.3. Ergebnisse Arbeit 10 (Beurteilung der Konsistenz: 2) Die Teilnehmer versuchten, die Arbeit wäh- rend der Literaturrecherche inhaltlich getrennt zu bearbeiten. Sie erkannten, dass dies aufgrund der starken gegenseitigen Abhänigkeiten in ihrer Themenstellung nicht mög- lich war und erstellten die folgenden Inhalte weitgehend kooperativ. Die einzelnen Teile wurden zwar individuell erstellt, jedoch erfolgte eine eher feingranulare Aufteilung und ein kontinuierliches gegenseitiges Korrigieren der Beiträge des jeweils anderen Teilneh- mers. Das Modell enthielt in der ersten Phase eine strikte Aufteilung nach inhaltlichen Kriterien mit Konsolidierungsphasen vor den Meilensteinen (Draft Version und Finale Version). In der zweiten Anwendung des Werkzeugs wurde das Vorgehen von den Teil- nehmer modifiziert und an eine vorwiegend kooperative Vorgehensweise angepasst. Die Zusammenarbeit wurde von beiden Teilnehmern als angenehm und produktiv wahrge- nommen, wobei ein Teilnehmer dies explizt als „möglicherweise auf die Anwendung des Werkzeugs zurückzuführen“ bezeichnete. Diskussion Die Ergebnisse der Benutzerbefragung in Evaluierungsblock 4 zeigen keinen signifikanten Hinweis auf eine positive oder negative Wirkung des Werkzeugs auf die jeweils behandel- ten Arbeitsprozesse. Durch den fehlenden Vergleich mit Abstimmungsprozessen, die ohne Einsatz des Werkzeugs durchgeführt wurden, kann nicht entschieden werden, ob dies an den behandelten Problemstellungen bzw. Arbeitsumfeld oder am Werkzeug liegt. Eine vergleichende Studie konnte aufgrund der geringen Anzahl an zur Verfügung stehenden Teilnehmern nicht durchgeführt werden. In der Auswertung der offenen Fragen zeigt sich, dass Wirkungen des Werkzeugs eher auf die individuelle Verständnisbildung wahrgenommen wurden (siehe auch Abschnitt 14.3.2), Veränderung in den Arbeitsprozessen selbst aber nicht als Konsequenz der Werk- zeuganwendung festgestellt wurden. Beide Untersuchungsteile aus Evaluierungsblock 4 stützen damit die Hypothese nicht. Auch die in Evaluierungsblock 2 durchgeführte Auswertungen der „Production Work“ und deren Ergebnisse konnte keine signifikante Verbesserung durch den Einsatz des Werkzeugs identifizieren. Zwar konnte ein tendenziel besseres Ergebnis bei der Konsis- tenz der untersuchten Arbeiten gegenüber einer Kontrollgruppe ohne Einsatz des Werk- zeugs festgestellt werden, aufgrund der geringen Stichprobe ist der Unterschied jedoch nicht statistisch signifikant. Auch die höhere Stabilität der Gruppen bei Einsatz des Werkzeugs gegenüber Kontrollgruppen ohne Einsatz des Werkzeugs kann zwar qualita- tiv festgestellt werden, ist jedoch wiederum nicht statistisch signifikant. In der Auswertung der dokumentierten Arbeitsprozesse ist zu erkennen, dass ein gutes Ergebnis der Zusammenarbeit hauptsächlich auf starke Interaktion während der Ausar- beitung zurückzuführen ist, die Anwendung des Werkzeugs jedoch keine nennenswerten Auswirkung hatte. Lediglich ein Teilnehmer führte die erfolgreiche Zusammenarbeit auf 448 14.4. Zusammenfassung die Anwendung des Werkzeugs zurück. Auch dieser Untersuchungsteil stützt die Hypo- these nicht, wenngleich auch hier wieder Indikationen für eine Wirkung des Werkzeugs in Einzelfällen zu identifizieren sind. Insgesamt kann die Hypothese auf Basis der durchgeführten Untersuchungen nicht bestätigt werden. Einige Indikatoren in den durchgeführten Untersuchungen deuten auf eine positive Wirkung des Werkzeugs hin, diese sind jedoch nicht statistisch signifikant oder in einem Ausmaß aufgetreten, in dem von einem systematisch erkennbaren Nut- zen gesprochen werden kann. Es sind jedoch in keinem Fall negative Auswirkungen des Einsatzes des Werkzeugs zu identifizieren. Zu hinterfragen ist, ob die eingesetzten Unter- suchungsansätze in der durchgeführten Form geeignet sind, die Hypothese zu prüfen. Die gewählten konkreten Anwendungsszenarien hatten zwar jeweils Relevanz im konkreten Arbeitsumfeld, in keinem Fall war aber eine als urgent wahrgenommene problematische Situation der Auslöser der Situation. Vielmehr wurden latent problematische Situatio- nen behandelt, deren Auflösung durch die Durchführung expliziter „Articulation Work“ bei erfolgreicher Durchführung nur beschränkte Auswirkungen auf das konkrete Arbeits- umfeld hätte haben können. Es wird in weiteren, langfristigeren Studien mit größeren Stichproben zu untersuchen sein, in wie weit das Werkzeug bei der Auflösung konkreter, als urgent wahrgenommenen Situationen zum Einsatz gebracht werden kann und ob in diesen eine Wirkung festgestellt werden kann. Ergebnis Die Hypothese 15 kann auf Basis der durchgeführten Untersuchung nicht bestätigt werden. Sowohl die Ergebnisse der Benutzerbefragung in Evaluierungsblock 4 als auch die Auswertung der durchgeführten „Articulation Work“ in Evaluierungsblock 2 zeigen keine signifikanten (positiven oder negativen) Auswirkungen auf die Arbeits- prozesse, die Gegenstand der „Articulation Work“ waren. Zwar sind einige Kommentare zu identifizieren, die auf eine unterstützende Wirkung hinweisen, für eine endgültige Aussage ist aber eine weiterführende Untersuchung mit größeren Stichproben und um- fangreicherer Dokumentation des Durchführungskontext notwendig. 14.4. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde die Evaluierung der „Articulation Work“, die durch das Werk- zeug unterstützt wurde, beschrieben. Dazu wurden zwei Hypothesen aus der globalen Zielsetzung abgeleitet, die die unmittelbare Wirkung von „Articulation Work“ auf die beteiligten Individuen sowie die „Production Work“, die jeweils Gegenstand der „Articu- lation Work“ war, beschreiben. Das Werkzeug selbst sowie die am Werkzeug eingesetzte Methodik wurden in den voran gegangenen Kapiteln 12 und 13 beschrieben. 449 14.4. Zusammenfassung Die erste in diesem Kapitel betrachtete Hypothese (Hypothese 14) bildet die grundle- gendeWirkung der Durchführung von „ArticulationWork“ auf die beteiligten Individuen ab. Zu erwarten ist eine Abstimmung der individuellen Sichtweisen auf die „Production Work“ und die Bildung eines gemeinsamen Verständnisses, das die Kooperation im Ar- beitsprozess ermöglicht bzw. erleichtert. Die Wirkung des Werkzeugs auf eben diese Arbeitsprozesse ist Gegenstand der zweiten betrachteten Hypothese (Hypothese 15). Zu erwarten ist, dass die Durchführung von expliziter „Articulation Work“ wahrnehmbare Auswirkungen auf die Durchführung der „Production Work“, also den Arbeitsablauf hat. Zur Untersuchung wurden lediglich die Evaluierungsblöcke 2 und 4 herangezogen. In diesen war die Aufgabenstellung im Gegensatz zu den übrigen Evaluierungsblöcken stär- ker auf eine unmittelbare Abbildung konkreten Abläufen in der „Production Work“ aus- gerichtet, was eine Prüfung der Hypothesen erleichterte. Für die Prüfung der Hypothese 14 wären grundsätzlich auch die Evaluierungsblöcke 3 und 5 geeignet gewesen, die ent- sprechenden Untersuchungen konnten jedoch aus Ressourcengründen nicht durchgeführt werden. Hypothese 14 kann auf Basis der Untersuchung bestätigt werden. Sowohl die quantita- tiven als auch die qualitativen Daten der Benutzerbefragung stützen die Hypothese und sprechen für deren Annahme. In der Auswertung der durchgeführten Modellbildungen zeigte sich keine signifikante Häufung von die Hypothese stützendem Umgang mit unter- schiedlichen Sichtweisen. Auffällig häufig wurden die Aspekte, in denen unterschiedliche Sichtweisen herrschten, nicht weiter angesprochen und im Modell ausgespart. Dieses Ver- halten bedarf weiterführenden Untersuchungen bzw. der Entwicklung von methodischen Ansätzen, die die Auflösung von derartigen Situationen erleichtern bzw. bestärken. Die Hypothese 15 kann auf Basis der durchgeführten Untersuchung hingegen nicht bestätigt werden. Sowohl die Ergebnisse der Benutzerbefragung in Evaluierungsblock 4 als auch die Auswertung der durchgeführten „Articulation Work“ in Evaluierungsblock 2 zeigen keine signifikanten (positiven oder negativen) Auswirkungen auf die Arbeits- prozesse, die Gegenstand der „Articulation Work“ waren. Zwar sind einige Kommentare zu identifzieren, die auf eine unterstützende Wirkung hinweisen, für eine endgültige Aussage ist aber eine weiterführende Untersuchung mit größeren Stichproben und um- fangreicherer Dokumentation des Durchführungskontext notwendig. Insgesamt konnte damit in diesem Kapitel gezeigt werden, dass das Werkzeug sei- ne Zielsetzung im Sinne der Durchführung von „Articulation Work“, nämlich die Ab- stimmung der individuellen Sichtweisen auf einen Arbeitsablauf erreichen konnte. Dass trotzdem keine messbare Wirkung auf die eigentliche „Production Work“ zu identifizie- ren war, schränkt die positive Beurteilung der Wirksamkeit des Werkzeugs teilweise ein. Die Gründe dafür können einerseits in der in dieser Arbeit vorgeschlagenen Methodik und dem zugehörigen Werkzeug zu finden sein, andererseits kann auch die Durchführung der empirischen Untersuchung selbst – und dabei vor allem die Wahl der Anwendungs- fälle – die Messbarkeit der Wirkung wie oben beschrieben negativ beeinflusst haben. In 450 14.4. Zusammenfassung weiteren Untersuchungen wird diese Vermutung zu klären und die tatsächliche Wirkung des Werkzeugs auf die betrachteten Arbeitsabläufe zu zeigen sein. 14.4.1. Beitrag zur globalen Zielsetzung Dieses Kapitel stellt die Untersuchung der Wirkung der unter Einsatz des Instruments durchgeführten „Articulation Work“ dar und trägt so hinsichtlich der in Kapitel 1 argu- mentieren und in den Kapiteln 2 und 3 näher ausgeführten zu untersuchenden Aspekte zur Beantwortung der Fragestellung 6 („Ermöglicht das Instrument die effektive Durch- führung von expliziter Articulation Work?“) bei. Die Ergebnisse zeigen eine Wirkung des Instruments auf die Abstimmung der mentalen Modelle zwischen den beteiligten In- dividuen, konnten aber keine signifikante Wirkung auf die behandelten Arbeitsabläufe nachweisen. Die Ergebnisse bestätigen so teilweise die effektive Unterstützung expliziter „Articulation Work“ durch das hier vorgestellte Instrument. 14.4.2. Weitere Verwendung der Ergebnisse Die Ergebnisse dieses Kapitels werden in ihrer Gesamtheit erst in den Schlussbetrach- tungen (Kapitel 15) wieder aufgegriffen und dienen dort der abschließenden Beurteilung der Erreichung der globalen Zielsetzung. 451 15. Schlussbetrachtungen In diesem Kapitel werden die Inhalte der gesamten Arbeit zusammengefasst, die Er- gebnisse zusammengeführt und einander gegenübergestellt. Ziel dieses Kapitels ist es, letztendlich zu einer Beurteilung der Arbeit hinsichtlich Erfüllung der globalen Zielset- zung zu gelangen. Die Darstellung von weiterem Entwicklungspotential des Werkzeugs schließt die Arbeit ab. Abbildung 15.1.: Kapitel „Schussbetrachtungen“ im Gesamtzusammenhang Abbildung 15.1 zeigt die Kapitel, deren Ergebnisse in dieses Kapitel einfließen. Die einzelnen Inhalte werden schrittweise einander strukturiert gegenüber gestellt, was eine Beurteilung der Zielerreichung auf jeder Betrachtungsebene der Arbeit (Fragestellun- gen der empirischen Untersuchung, Anforderungen an das Werkzeug, Globale Zielset- zung) ermöglicht. Nach einer Darstellung der gesamten dieser Arbeit zugrundeliegen- den Konzepte und deren Zusammenhang in der Arbeit in Abschnitt 15.1 werden die einzelnen oben genannten Betrachtungsebenen in umgekehrter Reihenfolge als in der 452 15.1. Zusammenfassung der Argumentation Arbeit dargestellt (also vom Konkreten zum Allgemeinen) einzeln beschrieben. Nach ei- ner Zusammenfassung der Evaluierungsergebnisse und einer Gegenüberstellung mit den Ergebnissen der konzeptuellen Einordnung in Abschnitt 15.2 werden diese in Abschnitt 15.3 den in Kapitel 5 angeführten Anforderungen an das Werkzeug gegenübergestellt. Im letzten Schritt werden die erreichten Ergebnisse hinsichtlich der globalen Zielsetzung bewertet (siehe Abschnitt 15.4). Auf Basis dieser Ausführungen ist es in Abschnitt 15.5 möglich, die noch offenen Aspekte dieser Arbeit und weiteres Entwicklungspotential zu identifizieren. 15.1. Zusammenfassung der Argumentation In Kapitel 1 wurde in Abbildung 2.2 die dieser Arbeit zugrunde liegende Konzeptualisie- rung von Arbeit in „Production Work“ und „Articulation Work“ dargestellt. Auf Basis der Ausführungen in den dazwischen liegenden Kapiteln kann diese Abbildung wie in Abbildung 15.2 dargestellt erweitert werden und stellt so die gesamten konzeptuellen Grundbegriffe im Zusammenhang dieser Arbeit dar. Eine detailliertere Betrachtung der Ergebnisse unter Einbeziehung der tatsächlich umgesetzten technischen Unterstützung und den Ergebnissen der empirischen Evaluierung wird in Abschnitt 15.4 durchgeführt. Abbildung 15.2.: Gesamtzusammenhang der verwendeten Konzepte 453 15.1. Zusammenfassung der Argumentation Das Ziel dieser Arbeit ist die Unterstützung der Auflösung von Situationen, in denen produktive Arbeit nicht (mehr) möglich ist. Dies ist dann der Fall, wenn den beteiligten Individuen unklar ist, wie die Zielerreichung gewährleistet werden kann. Diese Arbeit basiert auf der Annahme, dass Interaktion zwischen Individuen immer ein wesentlicher Aspekt bei der Durchführung von Arbeit ist. Arbeit enthält deshalb auch immer Akti- vitäten, die mit der Herstellung und Aufrechterhaltung der Interaktion der beteiligten bzw. betroffenen Individuen beschäftigt sind. Dieser Arbeitsanteil wird als „Articulation Work“ bezeichnet. Jedes beteiligte Individuum entwickelt auf Basis früherer Erfahrungen oder Lernpro- zessen Erklärungsmodelle (oder „Mentale Modelle“) für adäquate Aktivitäten bzw. Re- aktionen im betreffenden Arbeitsablauf. Wesentlich für die erfolgreiche Interaktion meh- rerer Individuen in einem Arbeitsablauf ist die Abstimmung dieser Erklärungsmodelle und die Entwicklung einer gemeinsamen Sichtweise auf jenen Teil des Arbeitsablaufs, in dem zusammengearbeitet werden muss. Diese Abstimmungsprozesse laufen unbewusst immer ab, wenn Individuen interagieren. In bestimmten, als komplex oder problematisch wahrgenommenen Arbeitssituationen reicht die implizite Abstimmung nicht mehr aus – es ist notwendig, „Articulation Work“ explizit anzustoßen und den Abstimmungsvorgang bewusst zu unterstützen. Ein wesentlicher Schritt zur Abstimmung mentaler Modelle ist deren Externalisierung, also deren Abbildung in einer kommunizierbaren Form. Dazu werden unterschiedliche Methoden vorgeschlagen, denen gemein ist, dass die Abbildung in Form diagrammati- scher Modelle erfolgt. In der konkreten Umsetzung unterscheiden sich die beiden hier be- trachteten Methoden „Strukturlegetechnik“ und „Concept Mapping“ voneinander, bie- ten aber beide Vorteile bei der Unterstützung der für „Articulation Work“ wichtigen Kommunizierbarkeit mentaler Modelle. In dieser Arbeit werden deshalb diese beiden Ansätze in einer Methodik zusammengeführt, die an die im Rahmen von Strukturle- getechniken vorgeschlagene „Dialog-Konsens-Methodik“ angelehnt ist, in der konkreten Ausführung aber eher der in Concept Mapping vorgeschlagenen Offenheit sowohl des Inhalts als auch der Ausgestaltung des Vorgehens folgt. Generell hat bei der Konzeption der Werkzeugunterstützung der bei Strukturlegetech- niken vorgeschlagene Ansatz das Primat, weil in ihm die kooperative Durchführung der Modellbildung explizit vorgesehen ist, was der Abstimmung mentaler Modelle eher ent- gegenkommt, als der grundsätzlich eher individuell orientierte Concept-Mapping-Ansatz. Letztendlich wird also in dieser Arbeit der durch Strukturlegetechniken vorgeschlagene Ansatz der physischen, kooperativen Abbildung von Modellen verfolgt, weshalb die Ab- bildung der Modelle im physischen Raum, konkret auf eine kooperativ zugreifbare Tisch- oberfläche, erfolgt. Die Berücksichtigung der Anforderungen des Concept Mapping be- gründet letztendlich die Notwendigkeit der Hinterlegung der physischen Modellierungs- möglichkeit mit computergestützten Werkzeugen. Um den Anspruch der physischen, kooperativen Modellbildung mit den computergestützten Unterstützungswerkzeugen zu 454 15.2. Zusammenfassung der Evaluierung vereinen, wird zur technologischen Umsetzung des Werkzeugs ein „Tabletop Interface“ verwendet, in dem beide Aspekte berücksichtigt und verknüpft werden können. 15.2. Zusammenfassung der Evaluierung In diesem Abschnitt wird die in den Kapiteln 11, 12, 13 und 14 beschriebene empirische Untersuchung zusammengefasst und den Ergebnissen der konzeptuellen Einordnung in Kapitel 10 gegenübergestellt. 15.2.1. Empirische Untersuchung In der empirischen Untersuchung waren folgende in Kapitel 11 formulierte Untersu- chungsfragen zu beantworten: • Sind das Werkzeug und dessen Komponenten verständlich und wie intendiert ein- setzbar? (Untersuchungsgegenstand: Verwendbarkeit des Instruments) • Unterstützt das Instrument die kooperative Modellbildung? (Untersuchungsgegen- stand: Kooperative Modellbildung) • Unterstützt das Instrument „ArticulationWork“? (Untersuchungsgegenstand: Wir- kung der „Articulation Work“) Jede dieser Fragen wurde in einem separaten Kapitel bearbeitet. Die Untersuchungs- fragen wurden in Hypothesen konkretisiert, die den jeweiligen Untersuchungsgegenstand in Bezug zu den aus den konzeptuellen Grundlagen abgeleiteten Anforderungen an die Unterstützung von „Articulation Work“ stellen. Verwendbarkeit des Instruments Bei der Betrachtung der ersten Untersuchungsfrage wurden 8 Hypothesen geprüft, die die grundlegenden Anforderungen an das Werkzeug abdecken bzw. die Verständlichkeit und Verwendbarkeit der implementierten Funktio- nen testen. Insgesamt ist das Werkzeug für den intendierten Verwendungszweck – der kooperativen Erstellung von diagrammatischen Modellen – in unterschiedlichen Anwen- dungsgebieten einsetzbar. Stabilitätsprobleme in der technischen Umsetzung führten in den ersten Phasen der Evaluierung zu Behinderungen bei der Modellbildung, was je- doch durch nachträglich durchgeführte Verbesserungen weitgehend kompensiert werden konnte. Herausforderungen zeigten sich im Interaktionsdesign der über die Kernfunk- tionalität hinausgehenden Funktionen zur Unterstützung des Modellbildungsprozesses. Die aus der Literatur begründbare Funktion zur Verfolgung der Modellierungshistorie und der Wiederherstellung vergangener Modellzustände wurde kaum genutzt. Auch die Verwendung der Funktion zur Entfernung von unerwünschten Verbindern im Modell war den Benutzern in der ersten Version unverständlich. Dieses Problem konnte durch 455 15.2. Zusammenfassung der Evaluierung ein Redesign des entsprechenden Teilwerkzeugs und dessen Bedienung beseitigt werden. Generell ist das Werkzeug schnell erlernbar, so dass die Anzahl der Fehlbedienungen durch Missverständnisse bereits bei der zweiten Anwendung des Werkzeugs durch die Benutzer massiv reduziert bzw. nicht mehr vorhanden war. Die oben formulierte Frage kann also mit Vorbehalten positiv beantwortet werden. Generell ist das Werkzeug wie intendiert einsetzbar und zum Großteil verständlich, einige Komponenten weisen jedoch Defizite in der Verständlichkeit auf. Kooperative Modellbildung Für die zweite Untersuchungsfrage wurden 5 Hypothesen geprüft, die sich auf die Verwendung der Werkzeugs zur Modellbildung im Sinne der vor- geschlagenen Methodik zur Unterstützung von „Articulation Work“ beziehen. Insgesamt ist das Werkzeug zwar nur eingeschränkt für die allgemeine Abbildung von Modellen be- liebigen Inhalts und beliebiger Semantik geeignet. Seinem Verwendungszweck für die auf Modellen basierende Kommunikation und Abstimmung von individuellen Sichtweise genügt das Werkzeug jedoch. Die eingeschränkte Eignung für die Abbildung beliebiger Modelle liegt vor allem in der beschränkten Größe der Modellierungsoberfläche begrün- det, für die die Möglichkeit zur Einbettung von Teilmodellen keinen adäquaten Ersatz darstellt. Zudem wurde in Einzelfällen die in der aktuellen Hardware-Implementierung vorhandene Beschränkung auf drei semantisch unterschiedliche Modellelementtypen ein- schränkend wahrgenommen, was ebenfalls dem Anspruch eines semantisch vollständig offen Modellierungswerkzeugs widerspricht. Dies ist insofern zu relativieren, als dass die Anzahl der Elementtypen in den meisten Fällen zur Kommunikation der individuellen Sichtweisen ausreichend war und lediglich in Fällen zu gering wahrgenommen wird, wo eine „vollständige“ Abbildung eines Sachverhaltes angestrebt wurde. Generell ist das Werkzeug deshalb bei der Modellierung für den intendierten Verwendungszweck in ei- nem Großteil der Anwendungsfälle geeignet. Wirkung der Articulation Work In der dritten Untersuchungsfrage wurde letztend- lich geprüft, ob das Werkzeug im Sinne der globalen Zielsetzung tatsächlich „Articula- tion Work“ unterstützt. Dazu wurden 2 Hypothesen gebildet, die die zu erwartenden Wirkungen erfolgreicher „Articulation Work“ abdecken. Die unmittelbare Wirkung der Durchführung von „Articulation Work“ ist die Bildung eines gemeinsamen Verständnis- ses über den betrachteten Arbeitsgegenstand. Diese Wirkung konnte in der Untersu- chung nachgewiesen werden, das Werkzeug erfüllt also diesen Teil der Anforderungen. Mittelbar sollte die Durchführung von „Articulation Work“ auch Auswirkungen auf die betrachteten Arbeitsabläufe selbst haben und die Interaktion im Idealfall verbessern. Derartige Wirkungen konnten jedoch in der Untersuchung nicht nachgewiesen werden. Einige Beobachtungen in Einzelfällen weisen auf eine entsprechende Wirkung hin, insge- samt können diese aber nicht generalisiert werden. Ob die nicht nachweisbare Wirkung am Werkzeug selbst festzumachen ist oder die in der Untersuchung betrachteten Ar- 456 15.2. Zusammenfassung der Evaluierung beitsabläufe nicht optimal gewählt wurden, wird in weiteren Untersuchung zu prüfen sein. 15.2.2. Gegenüberstellung der empirischen und konzeptuellen Untersuchung In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung den in in Abschnitt 10.13.2 angeführten Konsequenzen für die Werkzeuggestaltung aus dessen konzeptueller Untersuchung gegenübergestellt. In Kapitel 10 wurde das Werkzeug im Vorfeld der praktischen Untersuchung in die in Abschnitt 6.4 beschriebenen Frameworks zur Beschreibung von Tangible Interfaces eingeordnet. Daraus konnte in jenen Fällen Verbesserungpotential für das Werkzeug ab- geleitet werden, in denen die tatsächliche Umsetzung einer Funktionalität des Werkzeugs nicht mit den konzeptuell begründbaren Designentscheidung übereinstimmte. In diesem Abschnitt wird nun angeführt, in welchen Fällen das Verbesserungpotential, d.h. im Umkehrschluss eine Schwäche der aktuellen Implementierung, in der empirischen Unter- suchung bestätigt werden konnte. Die Ergebnisse erlauben eine qualitative Aussage über die Eignung der betrachteten Frameworks für die Konzeption von Tangible Interfaces. Missverständlichkeit des Löschtokens Die ursprüngliche Konzeption des Löschtokens zeigte eine Diskrepanz zwischen dessen wahrgenommener Verwendung und dem tatsächlichen Vorgehen bei dessen Einsatz. Die- se Schwäche konnte aus mehreren Frameworks abgeleitet werden, da bei konsistenter Anwendung derselben das Interaktionsdesign anders als tatsächlich umgesetzt hätte aus- fallen müssen. Tatsächlich konnte die Mißverständlichkeit der Löschtokens in der empirischen Unter- suchung bestätigt werden (siehe Abschnitt 12.3.8). Nach einem Redesign der Verwen- dung des Löschtokens unter Berücksichtigung der konzeptuell indizierten Gestaltungs- Kriterien traten keine Missverständnisse mehr auf, das Ausmaß des Einsatzes stieg si- gnifikant an. Schwache Ein-Ausgabe-Kopplung bei der Modellierungshistorie Nach der Aktivierung der Modellierungshistorie wird diese ausschließlich durch ein Werk- zeug auf der Modellierungsoberfläche kontrolliert. Die Ausgabe erfolgt jedoch ausschließ- lich auf dem sekundären Ausgabekanal, auf der Tischoberfläche erfolgt kein visuelles Feedback, weder über die Aktivierung des Historienmodus noch über deren aktuellen Zustand (konkret die aktuelle Position in der Zeitlinie). Nach Ullmer und Ishii (2000) ist diese schwache Kopplung zu hinterfragen. 457 15.2. Zusammenfassung der Evaluierung In der empirischen Untersuchung konnte dieser Aspekt nicht als Schwachstelle bestä- tigt werden. Die Entkopplung von Kontrolle und Ausgabe in diesem Anwendungsfall wurde von keinem Teilnehmer als missverständlich wahrgenommen und führte auch nie zu Fehlbedienungen. Dies mag daran liegen, dass der sekundäre Ausgabekanal räum- lich nahe an der Tischoberfläche angeordnet war und von vielen Teilnehmern bei der Modellerstellung ohnehin als primäre Informationsquelle – noch vor der Tischoberfläche selbst – genutzt wurde. Erst bei der Diskussion verlagerte sich der Fokus der Aufmerk- samkeit hin zu dem auf der Tischoberfläche gelegten Modell. Die von der herkömlichen Interaktionsform mit Maus und Tastatur vertraute entkoppelte Ein- und Ausgabe hat in diesem Fall Bedienungsprobleme vermieden. Dass keine Desorientierung der Benutzer beimWechsel in den Historienmodus auftrat, ist damit zu begründen, dass der sekundäre Ausgabekanal permanent aktiv war, den Modellzustand immer synchron darstellte und deshalb, wie oben erwähnt, oft ohnehin als primärer Informationskanal genutzt wurde. Lange Antwortzeiten auf Interaktionen In der ersten Implementierung des Systems kam es vor allem bei der Interaktion zur Herstellung von Verbindern zu Verzögerungen in der Reaktion des Systems. Diese Ver- zögerungen sollten nach Bellotti et al. (2002) vermieden werden, um den Benutzern adäquat Rückmeldung über deren Interaktionswunsch geben zu können. In der empirischen Untersuchung konnte diese Schwachstelle bestätigt werden. Die Möglichkeit zur Herstellung von Verbindern wurde in der ursprünglichen Implementie- rung kaum genutzt. Erst als eine weitere Möglichkeit zur Herstellung von Verbindern implementiert wurde, deren wahrgenommener Reaktionszeit geringer war, wurde diese Möglichkeit in signifikant höherem Ausmaß genutzt (siehe Abschnitt 12.3.7). Fehlende einfache Undo-Funktion Die Möglichkeit zur Wiederherstellung von vergangenen Modellzuständen (”Undo”) ist in der aktuellen Implementierung zwar gegeben, bedingt aber eine zeitaufwändige und in mehreren Schritten durchzuführende Interaktion mit dem System. Dies sollte nach Bellotti et al. (2002) vermieden werden, auch das Schema von Shaer et al. (2004) lässt hier Inkonsistenzen mit den den ansonsten ausschließlich in einem Bedienungsschritt ausführbaren Interaktionen mit dem Werkzeug erkennen. In der empirischen Untersuchung wurde die Möglichkeit zur Wiederherstellung zwar verwendet, das Ausmaß des Einsatzes sank aber signifikant, als das Löschtoken neu gestaltet wurde und so eine einschrittige Interaktion zur Korrektur von fehlerhaften Verbindungen (dem häufigsten Grund des Einsatz der Undo-Funktion) geschaffen wurde. Die Gestaltung der Wiederherstellungsfunktion kann damit als Schwachstelle bestätigt werden. 458 15.2. Zusammenfassung der Evaluierung Mangelnde Verständlichkeit des Snapshot-Tokens Das Design des Snapshot-Tokens weist in der derzeitigen Umsetzung nicht auf dessen Funktion hin, was bei einer Einordnung in die Taxonomie nach Fishkin (2004) gegen- über den anderen Werkzeugen inkonsistent ist. Das Token suggeriert zwar nicht wie im Fall des Löschtoken eine andere Funktionalität, gibt aber den Benutzern durch sein Er- scheinungsbild keinen Hinweis auf die Verwendung (mangelhafte Affordances (Norman, 1990)). Tatsächlich zeigt sich in der empirischen Untersuchung, dass die Funktion zur explizi- ten Erfassung von Snapshots kaum bzw. in den meisten Anwendungen nicht verwendet wird. Trotz einer erklärenden Einführung in das Werkzeug vor der Modellbildung be- stehen häufig Unklarheiten zur Verwendung des Tokens, sobald Benutzer während der Anwendung damit konfrontiert werden. Auch diese Designentscheidung ist damit als Schwachstelle zu bestätigen. Funktional belegte Bereich der Modellierungsoberfläche Der hier beschriebene Aspekt ist keine Schwachstelle des Werkzeugs sondern eine Erwei- terungsmöglichkeit, die auf Basis der Ausführungen von Ishii und Ullmer (1997) identi- fiziert wurde. Die Autoren schlagen vor, Teile der Interaktionsoberfläche („Trays“) mit Funktionen zu belegen, die eine bestimmte Operation auf einem auf ihm platzierten Token ausführen (etwa: „Details anzeigen“). Bei der Umsetzung des Werkzeugs wurde diese Möglichkeit nicht berücksichtigt, es sind jedoch sinnvolle Anwendungsmöglichkei- ten denkbar. In der empirischen Untersuchung wurden derartige Funktionen von keinen Benutzern erwartet oder gefordert. Da diese Form der Interaktion aber nicht der gängigen Desktop- Metapher entspricht, ist dies auch nur eingeschränkt zu erwarten. Es kann damit auf Basis der Untersuchung keine Aussage über die Notwendigkeit oder Sinnhaftigkeit einer derartigen Erweiterung getroffen werden. Verwendbarkeit frei wählbarer Tokens Zur Anpassung des Modellierungswerkzeugs an die jeweilige Anwendungsdomäne führt Holmquist et al. (1999) als Möglichkeit die Verwendung von domänenspezifischen Token an. Diese Forderung ist grundsätzlich mit den Ansprüchen der semantischen Offenheit des Werkzeugs und der domänenübergreifenden Anwendbarkeit des Ansatzes vereinbar und stützt diese. In der derzeitigen Implementierung ist die Zahl der unterschiedlichen Modellelementtypen auf drei begrenzt. Diese Elementtypen sind in generischen Formen ausgeführt und per se nicht intuitiv domänenspezifisch interpretierbar. 459 15.3. Erfüllung der Anforderungen an das Werkzeug In der empirischen Untersuchung wurde mehrfach die Forderung nach einer höheren Anzahl von unterschiedlichen Elementtypen geäußert, was aber die hier betrachtete Er- weiterungsmöglichkeit nur am Rande betrifft (die Verwendung beliebiger Elementtypen erhöht zwar deren Anzahl, umgekehrt impliziert die Forderung nach mehr Element- typen nicht jene nach beliebigen Ausprägungen derselben). Tatsächlich wurde aber in einigen Anwendungen explizit der Wunsch geäußert, Objekt aus dem spezifischen An- wendungsfall (etwa Dokumente oder Werkzeuge) als Tokens verwenden zu können. Dies entspricht im Wesentlichen der oben beschriebenen Erweiterungsmöglichkeit, weshalb diese als sinnvoll erachtet werden kann. Zusammenfassung Die in der konzeptuellen Einordnung des Werkzeugs identifizierten Inkonsistenzen im Design und Verbesserungspotentiale konnten in der empirischen Untersuchung großteils bestätigt werden. In jenen Fällen, in denen die konzeptuell identifizierten Lösungsmög- lichkeiten in der Praxis umgesetzt wurden, zeigte sich auch jeweils eine Verbesserung der Verständlichkeit bzw. der Bedienbarkeit des Werkzeugs. Insgesamt erschienen die Ansätze von Bellotti et al. (2002), Shaer et al. (2004) und Fishkin (2004) als geeignet für den Einsatz im Design von begreifbaren Benutzungs- schnittstellen. Während Bellotti et al. (2002) allgemeine Richtlinie für die Gestaltung von Benutzungsschnittstellen vorschlägt, ohne konkret auf Tangible Interfaces einzu- gehen, fokussieren Shaer et al. (2004) und Fishkin (2004) explizit auf dieses Gebiet. Dabei eignet sich die Arbeit von Shaer et al. (2004) insbesondere für die Gestaltung der Interaktionsabläufe an der Benutzungsschnittstelle und deren konkrete Werkzeugunter- stützung zu eignen. Die Arbeit von Fishkin (2004) erlaubt hingegegen die Beurteilung der Konsistenz der Bedienkonzepte und ermöglicht so die Identifikation von möglicher- weise missverständlichen Aspekten bei der Bedienung der Schnittstelle (siehe dazu auch (Oppl, 2009b)). 15.3. Erfüllung der Anforderungen an das Werkzeug In diesem Abschnitt werden die in Kapitel 5 formulierten Anforderungen an das Werk- zeug hinsichtlich ihrer Erfüllung betrachtet. Die Beurteilung der Erfüllung erfolgt anhand der empirischen Ergebnisse, die in den Kapiteln 12, 13 und 14 beschrieben wurden. Anforderung 1 Anforderung 1 („Physische Abbildung beliebiger diagrammatischer Modelle“) wurde in den Hypothesen 1, 5 und 6 untersucht. Die grundlegende Abbildung diagrammatischer Modelle mit dem Werkzeug ist ohne Einschränkung der Anwendungsdomäne möglich. 460 15.3. Erfüllung der Anforderungen an das Werkzeug Bei der Untersuchung des Prozesses der physischen Abbildung der Modelle konnten in den ersten durchgeführten Evaluierungsblöcken behindernde Aspekte identifiziert wer- den. Diese hatten Einfluss auf die Abbildung der Modelle, insbesondere die Möglichkeit des Einsatzes von Verbindern im Modell wurde nur eingeschränkt wahrgenommen. Nach Überarbeitungen des Interaktionsdesigns und der Implementierung mehrerer Maßnahmen zur Steigerung der Robustheit gegenüber Fehlerkennungen von Benutzer- eingaben konnten die als behindernd wahrgenommenen Faktoren reduziert werden. Bei mehrmaliger Verwendung des Werkzeugs zeigt sich eine Verbesserung des Umgangs mit den zur Verfügung gestellten Ausdrucksmöglichkeiten und eine stärke Fokussierung auf den zu repräsentierenden Sachverhalt. Insgesamt kann diese Anforderung als erfüllt an- gesehen werden. Anforderung 2 Anforderung 2 („Unterstützung der iterativen Aushandlung des Modells“) wurde in Hy- pothese 14 untersucht. Ziel der Unterstützung von Aushandlungsprozessen ist die Bil- dung einer gemeinsamen Sichtweise auf das betrachtete Problem. Die kooperative Mo- dellierung ist durch das Design von Hard- und Software grundsätzlich möglich, durch die Verwendung eines Tabletop Interface wird die kooperative Modellbildung und der Austausch über den Modellierungsgegenstand (also das betrachtete Problem) ermög- licht. Die beabsichtigte Wirkung der Abstimmung der individuellen Sichtweisen konnte in der empirischen Untersuchung bestätigt werden. Insgesamt kann diese Anforderung also bestätigt werden. Anforderung 3 Anforderung 3 („Ermöglichung experimenteller Veränderungen am Modell“) wurde in Hypothese 4 untersucht. Experimentelle Veränderungen am Modell werden durch die Unterstützung der Wiederherstellung von vergangenen Modellzuständen realisiert. Die- se Funktion wurde technisch implementiert und hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit getestet. Diese ist vollständig gegeben. In der empirischen Untersuchung wurde die Funktionalität von den Teilnehmern jedoch nicht genutzt, so dass die Erfüllung der Anforderung empirisch nicht bestätigt werden kann. Aus den Ergebnissen der Untersuchung ist vielmehr zu hinterfragen, ob diese aus der Theorie der Externalisierung mentaler Modelle abgeleitete Anforderung in der Praxis tatsächlich relevant ist. 461 15.3. Erfüllung der Anforderungen an das Werkzeug Anforderung 4 Anforderung 4 („Nicht vorgegebene Semantik der Modellierungselemente“) wurde in den Hypothesen 3 und 9 untersucht. Durch die nicht vorgegebene Semantik der Modellie- rungselemente wird einerseits der Einsatz des Werkzeugs in unterschiedlichen Anwen- dungskontexten ermöglicht, andererseits werden Benutzer nicht gezwungen, ein vorge- gebenes Abbildungsschema für die von ihnen auzudrückende Information zu verwenden. Dies ermöglicht ein Fokussierung auf die Modellierungsinhalte und die Kommunikation derselben und vermeidet einen zusätzlichen – potentiell kognitiv belastenden – Über- setzungsschritt. Die Wahl der Bedeutung der Modellierungselemente ergibt sich aus der ohnehin ablaufenden Interaktion verursacht und keine Probleme. Technisch wurde diese Anforderung durch die Verwendung generischer (also semantisch nicht vorbelegter) Modellierungsbausteine in Kombination mit dem Einsatz von Topic Maps zur Repräsentation der Modelle umgesetzt. Das Werkzeug erlaubt grundsätzlich die Verwendung von beliebigen und beliebig vielen unterschiedlichen Modellierungsbau- steinen, diese Möglichkeit wurde jedoch im vorliegenden Prototypen nicht eingesetzt. Die empirische Untersuchung konnte die Einsetzbarkeit in unterschiedlichen Anwen- dungskontexten ohne Einschränkung bestätigen. Die Modellierung selbst wurde jedoch durch die im Prototypen auf drei unterschiedliche Modellierungselemente eingeschränkte Ausdrucksstärke des Werkzeugs teilweise als einschränkend empfunden. Da dies jedoch keine konzeptuelle Einschränkung ist, sondern ausschließlich dem aktuellen Entwick- lungsstand der Werkzeug-Hardware geschuldet ist, kann diese Anforderung insgesamt als erfüllt angesehen werden. Anforderung 5 Die Erfüllung von Anforderung 5 („Verknüpfung mit digitalen Ressourcen“) wurde im Rahmen der durchgeführten Studien nicht untersucht. Die Verknüpfung mit digitalen Ressourcen wurde analog zur Funktion zur Einbettung von Teilmodellen implementiert. Digitale Dokumente können an einbettbare Tokens gebunden werden und in einem Con- tainer durch Hineinlegen zugewiesen werden. Diese Funktionalität wurde technisch im- plementiert und hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit getestet. Im Rahmen der Evaluierung wurde das Werkzeug ausschließlich mit einem Rechner betrieben, auf dem keine fallspezifischen bzw. anwendungsrelevanten digitalen Doku- mente vorhanden waren. Die Einbindung von Dokumenten in Modelle konnte deswegen nicht vorgenommen werden. Die Anforderung ist also technisch erfüllt, konnte jedoch empirisch nicht überprüft werden. 462 15.3. Erfüllung der Anforderungen an das Werkzeug Anforderung 6 Anforderung 6 („Bearbeitung von beliebig umfangreicher Modellen“) wurde in Hypothe- se 10 untersucht. Durch die physisch beschränkte Größe der Modellierungsfläche kann die Erweiterung der Modellgröße lediglich durch die Erstellung von Teilmodellen er- reicht werden, wobei deren Zusammenhang durch die Einbettung der Teilmodelle in Überblicksmodelle ausgedrückt wird. Die Einbettung von Teilmodellen wird mittels der Verwendung von Modellierungsblöcken als Container realisiert, in die Tokens als Re- präsentaten der Teilmodelle gelegt werden können. Die dazu notwendigen Funktionen wurden technisch implementiert und hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit erfolgreich ge- testet. Auch in der empirischen Untersuchen wurde die Erweiterung der Modellgröße durch Einbettung von Teilmodellen erfolgreich eingesetzt. Im Vergleich der erstellten Model- le mit Modellen, die mit einem Werkzeug mit nicht beschränkter Modellierungsfläche erstellt wurden, zeigte sich jedoch eine signifikant geringere Modellgröße bei der Erstel- lung mit dem hier vorgestellten System. Die Erstellung beliebig großer Modelle ist somit technisch grundsätzlich möglich und auch verwendbar, empirisch konnte die Erfüllung der Anforderung dennoch nicht nachgewiesen werden. Anforderung 7 Anforderung 7 („Kooperative und unmittelbare Manipulierbarkeit des Modells“) wurde in den Hypothesen 2 und 12 untersucht. Die Möglichkeit, Modelle kooperativ zu erstellen und zu manipulieren, ist grundsätzlich gegeben, die Möglichkeit der Durchführung eines kooperativen Modellierungsprozesses konnte empirisch belegt werden. Im Vergleich zu einem bildschirmbasierten System zeigt sich außerdem ein signifikant höherer Anteil an Interaktion zwischen den Teilnehmern bei der Durchführung der Modellierung mit dem hier vorgestellten System. Die Anforderung kann somit als erfüllt angesehen werden. Anforderung 8 Anforderung 8 („Persistente Ablage des Modells und Möglichkeit zur Rekonstruktion“) wurde in Hypothese 11 untersucht. Die Persistente Ablage der erstellten Modelle wur- de mittels XML-Topic Maps realisiert. Die Funktionsfähigkeit der Persistierung wurde insofern technisch nachgewiesen, als dass die exportierten Modellrepräsentationen va- lide XTM-Dateien waren und sämtliche auf der Modellierungsoberfläche repräsentierte Information in der Datei abgebildet war. Hinsichtlich der Ermöglichung der Rekonstruktion und der Nachvollziehbarkeit des Modellierungsprozesses konnte gezeigt werden, dass die bei der Persistierung inkludierte Entstehungshistorie des Modells die Nachvollziehbarkeit der im Modell repräsentierten Information zwar tendenziell erleichterte, aber nicht in allen Fällen ermöglichte. Die An- 463 15.3. Erfüllung der Anforderungen an das Werkzeug forderung kann damit technisch als erfüllt angesehen werden, die positive Wirkung der eingebetteten Entstehungshistorie des Modells konnte ebenfalls bestätigt werden. Insge- samt ist die Nachvollziehbarkeit der Modelle ausschließlich auf Basis der gespeicherten Repräsentationen aber in Frage zu stellen. Zusammenfassung Zusammenfassend ergibt sich hinsichtlich der Erfüllung der Anforderungen die in Tabelle 15.1 dargestellte Übersicht. In ihr sind die Anforderungen jenen Kapiteln und Abschnit- ten des Implementierungsteils (Impl.) zugewiesen, in denen ihre technische Umsetzung beschrieben wird, sowie den Hypothesen (Hyp.) zugeordnet, in denen die tatsächliche Überprüfung der Erfüllung durchgeführt wird. 464 15.4. Bewertung hinsichtlich der globalen Zielsetzung Tabelle 15.1.: Erfüllung der Anforderungen Anforderung Impl. Hyp. Beurteilung 1 Physische Abbildung be- liebiger diagrammatischer Modelle 7.4.3, 7.4.5, 8.3.3 1, 5, 6 technisch möglich, empirisch teilweise bestätigt 2 Unterstützung der iterati- ven Aushandlung des Mo- dells 8.3.4 14 technisch möglich, empirisch bestätigt 3 Ermöglichung experimen- teller Veränderungen am Modell 7.4.7, 8.3.4 4 technisch möglich, empirisch nicht bestä- tigt 4 Nicht vorgegebene Seman- tik der Modellierungsele- mente 7.4.6, 9.2.2 3, 9 technisch möglich, empirisch teilweise bestätigt 5 Verknüpfung mit digitalen Ressourcen 7.4.4, 8.3.3 — technisch möglich, empirisch nicht ge- prüft 6 Bearbeitung von beliebig umfangreicher Modellen 7.4.4 10 technisch möglich, empirisch nicht bestä- tigt 7 Kooperative und unmittel- bare Manipulierbarkeit des Modells 7.4.8, 8.4.1 2, 12 technisch möglich, empirisch bestätigt 8 Persistente Ablage des Mo- dells und Möglichkeit zur Rekonstruktion 7.4.7, 8.3.4, 9.2.1 11 technisch möglich, empirisch bestätigt 15.4. Bewertung hinsichtlich der globalen Zielsetzung In diesem Abschnitt wird die Arbeit hinsichtlich der globalen Zielsetzung zusammen- gefasst, reflektiert und beurteilt. In Kapitel 1 wurde die globale Zielsetzung wie folgt formuliert: 465 15.4. Bewertung hinsichtlich der globalen Zielsetzung In der vorliegenden Arbeit sind die Möglichkeiten zur methodischen Unter- stützung von expliziter Articulation Work unter Berücksichtigung relevanter Theoriebildungen zur Rolle der beteiligten Individuen zu erfassen, auf Ba- sis dieser Erkenntnisse geeignete Methoden auszuwählen, diese in einem Instrument umzusetzen und dessen Effektivität im Kontext der Production Work zu prüfen. Zur Detaillierung dieser Zielsetzung wurden zwei Forschungsfragen formuliert, die im Folgenden in die Betrachtung einfließen: 1. Wie kann die Durchführung und Wirkung von „Articulation Work“ charakterisiert werden? 2. Wie kann explizite „Articulation Work“ effektiv unterstützt werden? Bei der Reflexion der Ergebnisse dieser Arbeit hinsichtlich der Forschungsfragen wird jeweils auch auf den Kontext der Arbeit, aus dem die Ableitung der Zielsetzung heraus durchgeführt wurde, Bezug genommen. 15.4.1. Wie kann die Durchführung und Wirkung von „Articulation Work“ charakterisiert werden? Die globale Zielsetzung stellt den Anspruch, die methodischen Möglichkeiten der Un- terstützung expliziter „Articulation Work“ zu untersuchen. Die Festlegung bzw. Ein- schränkung auf explizite „Articulation Work“ dient der Abgrenzung der Arbeit zu exis- tierenden Ansätzen, die sozial und/oder technologisch in Arbeitsabläufe intervenieren und dem Auftreten von Unklarheiten vorbeugen bzw. diese durch unmittelbare Unter- stützungmaßnahmen auflösen. All diese Ansätze sind in den Bereich der Unterstützung impliziter „Articulation Work“ einzuordnen, die Durchführung derselben ist den han- delnden Personen also nicht unbedingt bewusst. Treten Situationen auf, die von den Beteiligten als so problematisch wahrgenommen werden, dass eine Aufrechterhaltung des Arbeitsablaufs nicht mehr gewährleistet ist, muss die Handlungsfähigkeit durch explizite Beschäftigung mit der problematischen Si- tuation (wieder) hergestellt werden. Dieser Fall wird als explizite „Articulation Work“ bezeichnet. Das Erfolgskriterium für explizite „Articulation Work“ ist das Erreichen ei- nes Zustandes, in dem gegenseitiges Verständnis soweit (wieder-)hergestellt ist, dass die produktiven Arbeitsabläufe durch implizite „Articulation Work“ aufrecht erhalten wer- den können. Es müssen somit die methodischen und technischen Voraussetzungen zur 466 15.4. Bewertung hinsichtlich der globalen Zielsetzung erfolgreichen (Wieder-)Erlangung einer gemeinsamen Sichtweise aller Beteiligten auf den als problematisch wahrgenommenen Betrachtungsgegenstand geschaffen werden. Ein Erklärungsansatz, mit dem das Phänomen von unterschiedlichen Sichtweisen auf den gleichen realen Arbeitsablauf oder -gegenstand erklärt werden kann, sind mentale Modelle. Mentale Modelle beschreiben, wie Individuen aus wahrgenommenen Situatio- nen Handlungsalternativen ableiten und sich letztendlich für die Durchführung bestimm- ter Aktivitäten entscheiden. Bei kooperativen Arbeitsprozessen ist es notwendig, dass von den Individuen zumindest eine gemeinsame Sichtweise auf die Schnittstellen, an denen diese kooperieren, erreicht wird – die individuellen mentalen Modelle über diese Schnittstellen müssen also abgestimmt werden. Diese Abstimmung ist eine Ausprägung der Durchführung expliziter „Articulation Work“ – auch hier gilt, dass nicht sämtliche mentale Modelle, die den jeweiligen Arbeitsablauf betreffen, abgestimmt werden müssen. Es ist vielmehr ausreichend, lediglich jene Aspekte abzustimmen, die für die Kooperation untereinander relevant sind. Zur Abstimmung mentaler Modelle ist deren Kommunizierbarkeit eine notwendige Vorbedingung. Diese Kommunizierbarkeit wird durch Externalisierung der mentalen Mo- delle ermöglicht. Als vorteilhaft für die Kommunikation komplexer Sachverhalte wird in der Literatur die Repräsentation derselben in der Form von diagrammatischen Modellen bezeichnet. Während zur Repräsentation diagrammatischer Modelle grundsätzlich unter- schiedliche Möglichkeiten bestehen, werden Strukturlegetechniken und Concept Mapping im Bereich der Externalisierung mentaler Modelle grundsätzlich als geeignet bezeichnet. 15.4.2. Wie kann explizite „Articulation Work“ effektiv unterstützt werden? Im Kontext des Einsatzes zur Abstimmung mentaler Modelle sind besonders Struk- turlegetechniken als relevant zu betrachten. Deren methodische Hinterlegung durch die Dialog-Konsens-Methodik zielt explizit auf die Bildung eines gemeinsamen Verständ- nisses ab und eignet sich deshalb für die Unterstützung expliziter „Articulation Work“. In Einzelaspekten, etwa der semantischen Offenheit der Modellierungselemente, bringt aber auch der Ansatz der Concept Maps Konzepte ein, die im Kontext der Durchfüh- rung expliziter „Articulation Work“ relevant sind (Jørgensen, 2004). In dieser Arbeit wird deshalb versucht, eine Variante von Strukturlegetechniken zu entwickeln, die die für „Articulation Work“ relevanten Aspekte von Concept Mapping berücksichtigt und so die Abstimmung mentaler Modelle aus beliebigen Arbeitskontexten ermöglicht. Die in dieser Arbeit vorgeschlagene Methodik, die auf den Ansätzen von Strukturle- getechniken und Concept Mapping basiert, bedingt eine Unterstützung durch ein Werk- zeug, das die Abbildung der dazu notwendigen diagrammatischen Modelle unterstützt. Die aus der Methodik abgeleiteten Anforderungen implizieren, dass die Modellierung selbst im physischen Raum durchgeführt wird, diese aber dennoch durch rechnerbasier- 467 15.4. Bewertung hinsichtlich der globalen Zielsetzung te Funktionen unterstützt und ergänzt wird. Die Zusammenführung der physischen und digitalen Repräsentation und Interaktonsmechanismen wird durch ein Tangible Tabletop Interface realisiert. Dieses Werkzeug ermöglicht es, auf einer Tischoberfläche mit physischen Elementen (Bausteinen) diagrammatische Modelle zu erstellen. Die Bausteine werden dazu auf der Tischoberfläche platziert und mittels unterschiedlicher Interaktionen mit dem System untereinander in Beziehung gesetzt. Die Darstellung der Beziehungen erfolgt dabei durch Projektion auf die Tischoberfläche, um eine einfache Manipulierbarkeit des Modells ge- währleisten zu können. Um dem Anspruch der semantischen Offenheit des Modells und damit der Anpassbarkeit der Modelle an die individuellen Sichtweisen der Teilnehmer ge- währleisten zu können, werden die Modellelemente semantisch nicht vorbelegt, sondern während der Modellbildung durch die Teilnehmer spezifiziert. Die Gesamtheit der abgebildeten Modelle inklusive der Festlegung der Bedeutung der Modellelemente wird als semantisches Netzwerk in Form einer Topic Map digital reprä- sentiert. Dies gewährleistet die Nachvollziehbarkeit und Weiterverwendbarkeit der Mo- delle auch über einzelne Anwendungen des Werkzeugs hinweg. Zur Unterstützung des Modellierungs- und Abstimmungsprozesses wurden Funktionen entwickelt, die vor allem die einfache und konsequenzlose Veränderbarkeit des Modells gewährleisten sollen. Dazu zählen unter anderem die Verfolgung des Modellierungsprozesses durch das System, die Erfassung stabiler Modellzustände und die Möglichkeit, durch die Entstehungshistorie des Modells zu navigieren und vergangene Modellzustände wieder herzustellen. Konkret wurde das Werkzeug hardwareseitig als Tisch mit transparenter Oberfläche ausgeführt. Die Modellierungsoberfläche ist 80 x 100 cm groß und erlaubt die gleichzei- tige Verwendung von etwa 15 Modellierungselementen. Die Modellierungselemente sind in drei unterschiedlichen Formen und Farben in Acrylglas ausgeführt und können ge- öffnet werden. Diese Funktion als Container ermöglicht die Einbettung von zusätzlicher Information in das Modell durch Hineinlegen kleiner informationstragender Elemente. Auch die Einbettung von Teilmodellen und damit einhergehend die Erweiterung der Modellgröße ist möglich. Unter der Tischoberfläche ist ein Videoprojektor angebracht, die die Verbindungen im Modell, die Benennung der Modellelemente sowie zusätzliche Information zur Mo- dellierungsunterstützung auf die Oberfläche projiziert. Zusätzlich ist eine zweite Ausga- beoberfläche in Form eines Bildschirms (oder alternativ einer Leinwand mit Projektor) vorhanden, auf der der aktuelle Modellzustand synchron mitgeführt wird und auf dem nicht kohärent auf der Tischoberfläche darstellbare Information, wie etwa die Model- lierungshistorie, dargestellt wird. Sämtliche Interaktion mit dem System wird über die Tischoberfläche durchgeführt, lediglich die Benennung der Modellelemente erfolgt alter- nativ mittels Tastatur, da der auf Bilderkennung basierende primäre Benennungsmecha- nismus nicht ausreichend stabil für eine komfortable Bedienung arbeitete. 468 15.4. Bewertung hinsichtlich der globalen Zielsetzung Das Werkzeug kann von mehreren Personen simultan bedient werden und erfasst den Modellierungsverlauf selbstständig im Hintergrund. Dies wird einerseits genutzt wer- den, um Modellvarianten zu erproben und einfach zu einem stabilen, akzeptierten Zu- stand zurückzukehren und bietet andererseits die Möglichkeit, die gesamte Historie der Modellentstehung persistent abzulegen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder abzu- rufen. In beiden Fällen bietet das Werkzeug Unterstützung bei der Wiederherstellung eines gespeicherten Modellzustandes, indem schrittweise Anweisungen zur Platzierung der entsprechenden Modellelemente auf die Tischoberfläche projiziert werden. Das Werkzeug wurde in mehreren Revisionen technisch stabilisiert und ermöglicht in seinem derzeitigen Zustand die Durchführung beliebig umfangreicher Modellbildungen mit beliebiger zeitlicher Ausdehnung. Die Softwarekomponenten sind außerdem für eine etwaige Kopplung mehrerer physischer oder digitaler Modellbildungs-Werkzeugs (etwa weiterer Modellierungtische) vorbereitet, um auch räumlich entfernte Kooperation zu ermöglichen. Die Untersuchung der effektiven Unterstützung von expliziter „Articulation Work“ bedingt die Konkretisierung des Effektivitäts-Begriff. Grundsätzlich wird „Articulation Work“ immer im Zusammenhang mit einem konkreten Arbeitsprozess (der „Production Work“) bzw. mit einer in diesem aufgetretenen problematischen Situation durchgeführt. Die Wirkung von „Articulation Work“ zeigt sich an damit unmittelbar an der „Produc- tion Work“ und an den in diesem beteiligten Individuen. „Articulation Work“ ist dann effektiv, wenn die beteiligten Personen die Situation nicht mehr als problematisch wahr- nehmen und die „Production Work“ (wieder) ohne Hindernisse durchgeführt werden kann. Eine Voraussetzung zur Durchführung effektiver expliziter „Articulation Work“ ist aus methodischer Sicht die Durchführung der kooperativen Modellbildung, die zur Abstimmung der individuellen mentalen Modelle über die „Production Work“ verwendet wird. Hinsichtlich der kooperativen Modellbildung ist als Voraussetzung der effektiven Unterstützung expliziter „Articulation Work“ die Fähigkeit des Instruments zu sehen, die zur Durchführung der Modellbildung notwendigen Schritte für die beteiligten Indi- viduen verständlich und benutzbar zu unterstützen. Hinsichtlich des letztgenannten Aspektes wurden bereits während der Implementie- rung des Werkzeugs begleitend Benutzertests durchgeführt, um dessen Benutzbarkeit zu überprüfen. Die Ergebnisse dieser Tests flossen in die Überarbeitung des Werkzeugs und dessen unterstützte Interaktionsabläufe ein. Nach Abschluss der Implementierung der grundlegenden Funktionalität wurde mit der Prüfung der Wirkung des Werkzeugs im Sinne der Aufgabenstellung begonnen. Diese wurde wie oben beschrieben einerseits auf Ebene der „Articulation Work“ selbst durchgeführt, andererseits wurde auch die Voraussetzung dafür, also die Unterstützung der Repräsentation und Kommunikation mentaler Modelle, geprüft. Hinsichtlich der Repräsentation und Kommunikation mentaler Modelle wurde geprüft, ob beliebiger Modelle abgebildet werden können und ob diese Abbildung ohne wahrge- 469 15.4. Bewertung hinsichtlich der globalen Zielsetzung nommene Einschränkungen der Benutzer möglich ist. Als zweiter Aspekt wurde über- prüft, ob die Modelle bzw. Modellbildung der Kommunikation und Interaktion zwischen den Benutzern zuträglich sind, ob also jene Aktivitäten, die im Rahmen von „Articula- tion Work“ durchgeführt werden müssen, ermöglicht und unterstützt werden. Während die Abbildbarkeit beliebiger Modelle vor allem durch die beschränkte Größe der Model- lierungsfläche und die Einschränkung auf drei unterschiedliche Modellierungselement- typen in der derzeitigen Implementierung nicht gegeben ist, werden Kommunikation und Interaktion am Werkzeug bei der Modellbildung unterstützt. Die Interaktion bei kooperativer Modellbildung ist bei der Durchführung am Modellierungstisch signifikant höher als bei der Verwendung herkömmlicher bildschirmbasierter Werkzeuge gleicher oder höherer Flexibilität. Bei der Überprüfung der Wirkung des Werkzeugs auf die durchgeführte „Articula- tion Work“ wurde wie oben beschrieben auf zwei Aspekte eingegangen, an denen die Effektivität der Durchführung zu erkennen ist. Zum einen wurden die unmittelbaren Auswirkungen, d.h. die Bildung eines gemeinsamen Verständnisses, und zum anderen die Auswirkungen auf den behandelten Arbeitsablauf, also die „Production Work“, un- tersucht. Die unmittelbare Wirkung des Werkzeugs auf die Bildung eines gemeinsamen Verständnisses über den betrachteten Arbeitsaspekt konnte in der Untersuchung be- stätigt werden. Zur Generalisierbarkeit der Bestätigung sind aber aufgrund der kleinen Stichprobe in lediglich einem Anwendungsfall weitere Untersuchungen notwendig (siehe Abschnitt 15.5.2). Eine Wirkung der anhand des Werkzeugs durchgeführten „Articula- tion Work“ auf die eigentlichen Arbeitsprozesse konnte hingegen in der Untersuchung nur in Einzelfällen beobachtet werden und kann nicht im Allgemeinen bestätigt wer- den. Auch hier gilt, dass weitere Untersuchungen zur Verbreiterung der Datengrundlage notwendig sein werden. 15.4.3. Globale Zielsetzung Insgesamt konnte die globale Zielsetzung in dieser Arbeit erreicht werden. In Teil I wurde der erste in der Zielsetzung angesprochene Forschungsgegenstand („In der vorliegenden Arbeit sind die Möglichkeiten zur methodischen Unterstützung von ex- pliziter Articulation Work unter Berücksichtigung relevanter Theoriebildungen zur Rolle der beteiligten Individuen zu erfassen, . . . “) behandelt. Als Lücke in der Unterstützung von „Articulation Work“, wie sie sich vor der Durchführung dieser Arbeit darstellte, konnte die mangelnde Beachtung der Aktivitäten und Bedürfnisse der beteiligten Indi- viduen identifiziert werden. Diesem Mangel wurde konzeptuell mit der Einbindung des Ansatzes der „mentalen Modelle“ und deren Veränderung begegnet, der eine Möglichkeit zur Erklärung eben dieser individuellen Aktivitäten darstellt. Der zweite in der Zielsetzung angeführte Forschungsgegenstand („. . . auf Basis dieser Erkenntnisse geeignete Methoden auszuwählen, diese in einem Instrument umzusetzen 470 15.5. Offene Aspekte und Entwicklungspotential . . . “) wurde am Ende von Teil I und vor allem in Teil II betrachtet. Auf Basis der Theo- rie der mentalen Modelle wurden methodische Möglichkeiten zur Abstimmung derselben betrachtet, was letztendlich zur Identifikation von Anforderungen an eine mögliche tech- nische Unterstützung führte. Auf Basis dieser Anforderungen wurde die Verwendung von „Tabletop Interfaces“ als geeignetes Mittel zur Unterstützung der Abstimmung mentaler Modelle gewählt. Die Zusammenführung der in diesem Forschungsgebiet vorhandenen Ansätze und theoretischen Arbeiten mit den Anforderungen zur Unterstützung von „Ar- ticulation Work“ ermöglichte die Konzeption eines interaktiven Systems, dessen Eigen- schaften auf die Anwendung der entwickelten Methodik abgestimmt waren. Die konkre- ten zur Umsetzung notwendigen Designentscheidungen wurden auf Basis des aktuellen Stands der Technik getroffen, während der Umsetzung wurden begleitende Benutzer- tests durchgeführt, um die Verwendbarkeit der intendierten Werkzeuge sicherzustellen. Das Werkzeug konnte sowohl hardwareseitig als auch softwareseitig bis zu einem Zu- stand entwickelt werden, der einen praktischen, produktiven Einsatz in kontrollierten Umgebungen möglich macht. Die Behandlung des letzten in der Zielsetzung genannten Forschungsgegenstandes („. . . und dessen Effektivität im Kontext der Production Work zu prüfen.“) wurde in Teil III beschrieben. Die positive Wirkung auf die Interaktion zwischen den Teilneh- mern bei Einsatz des Werkzeugs zur Durchführung von „Articulation Work“ konnte in der Untersuchung empirisch bestätigt werden. Die auf Basis dieser Ergebnisse erwarteten Verbesserungen in der „Production Work“ konnten jedoch nicht nachgewiesen werden. Ob dies in der Konzeption des Werkzeugs begründet liegt oder die Studie selbst nicht ideal auf die Prüfung dieses Aspektes abgestimmt war, bleibt an dieser Stelle Gegenstand zukünftiger Untersuchungen. 15.5. Offene Aspekte und Entwicklungspotential Das entwickelte Instrument, also die Methodik sowie das Werkzeug, hat in der vorliegen- den Umsetzung einen Reifegrad erreicht, das es für den prototypischen Einsatz im rea- len Arbeitskontext qualifiziert. Trotzdem konnten im Rahmen der Durchführung dieser Arbeit in mehreren Fällen Potentiale und Schwächen identifiziert werden, die im Rah- men der Arbeit selbst nicht mehr gehoben bzw. kompensiert werden konnten und einer Umsetzung im Rahmen weiterer Forschungsaktivitäten bedürfen. In diesem Abschnitt werden diese offene Aspekte und Entwicklungspotentiale auf drei Ebenen beschrieben: • Das Werkzeug zeigt in der vorliegenden Form wie oben bereits beschrieben Poten- tial Verbesserungen seiner Anwendbarkeit im Sinne der Unterstützung von Arti- culation Work. Diese Potentiale werden in Abschnitt 15.5.1 beschrieben. • Die Prüfung des Werkzeugs ließ für manche Teilaspekte keine endgültige Entschei- dung hinsichtlich deren Wirksamkeit zu. Dies ist einerseits auf die Natur der zur 471 15.5. Offene Aspekte und Entwicklungspotential Prüfung herangezogenen Anwendungen des Werkzeugs, andererseits aber auch auf methodische Schwachstellen zurückzuführen. Beide Faktoren werden in Abschnitt 15.5.2 behandelt. • Letztendlich konnten im Rahmen der Entwicklung und Evaluierung des Werkzeugs Anwendungsgebiete identifiziert werden, die in dieser Form in der vorliegenden Arbeit nicht explizit berücksichtigt wurden. Diese Anwendungsgebiete zeigen Ent- wicklungspotential für das Werkzeug auf und werden deshalb in Abschnitt 15.5.3 umrissen. 15.5.1. Entwicklungspotential des Werkzeugs Wie bereits in Abschnitt 15.2.2 beschrieben, konnten sowohl in der empirischen Unter- suchung als auch bei der konzeptuellen Einordnung des Werkzeugs mehrere Funktionen identifiziert werden, in denen Verbesserungen bzw. Erweiterungen vorgenommen werden können. Vorrangig zu betrachten ist die Erweiterung und Flexibilisierung der Modellelement- typen. Die Anzahl der Elementtypen ist in der derzeitigen Implementierung auf drei be- schränkt, was in einigen Fällen einschränkend auf die Modellbildung wirkt. Softwareseitig ist das Werkzeug bereits für eine Erweiterung vorbereitet, es sind jedoch Interaktions- mechanismen zur Registrierung und Bedeutungsspezifikation neuer, unter Umständen physisch beliebig ausgeprägter Elementtypen zu entwickeln. Eine ähnliche, in der praktischen Anwendung mehrmals geforderte Funktion ist die Möglichkeit zur Verwendung unterschiedlicher Arten von Verbindern. Aktuell können Verbinder ungerichtet sein oder mit Pfeilspitzen versehen werden. Gefordert wurde et- wa die Möglichkeit zum Einsatz unterschiedlich gefärbter Verbindungen. Wiederum ist die Umsetzung dieser Funktion software-seitig ohne hohen Aufwand zu realisieren, wie zuvor muss jedoch ein Interaktionsmechanismus entwickelt werden, um die Arten der verwendeten Verbinder zu konfigurieren und mit Bedeutung zu belegen. Die mangelnde Möglichkeit, Änderungen am Modell einfach und in einem Interaktions- schritt rückgängig zu machen, hemmt die Bereitschaft zur Erstellung von hypothetischen Modellvarianten. Die Implementierung einer einschrittigen Undo-Funktion könnte hier zu Verbesserungen führen und die Interaktion mit dem Werkzeug vereinfachen. Technologisch einschränkend wirkt nach wie vor der zu den Rändern hin das Bild stark verzerrende Erfassungsbereich der verwendeten Kamera, der die Modellierungsoberfläche in den Randbereichen unverwendbar macht, da Modellelemente dort nicht identifiziert werden können. Die weitere Stabilisierung der Erkennungsleistung kann diesen Mangel zum Teil kompensieren, letztendlich wird nur eine Neukonzeption und Reimplementie- rung der Hardwarekomponenten zu einer endgültigen Lösung des Problems führen. 472 15.5. Offene Aspekte und Entwicklungspotential Weiteres Verbesserungspotential konnte in Detailbereichen einzelner verwendeter Werk- zeuge identifiziert werden (siehe Abschnitt 15.2.2). Diese werden an dieser Stelle nicht mehr im Einzelnen aufgeführt, zumal deren Umsetzung großteils ohne hohen Aufwand durchgeführt werden kann. 15.5.2. Prüfung der effektiven Unterstützung Bei der Durchführung der empirischen Untersuchung konnten Schwächen im Untersu- chungsdesign festgestellt werden, die aufgrund mangelnder Möglichkeiten zur erneuten Prüfung nicht kompensiert werden konnten. Diese Schwächen betrafen generell (a) das geringe Ausmaß der Durchführung vergleichender Studien, (b) die nur in Einzelfällen ausführlich durchgeführte inhaltliche Reflexion durch die Untersuchungteilnehmer sowie (c) die teilweise suboptimale Auswahl der abzustimmenden Arbeitsaspekte, die Gegen- stand der „Articulation Work“ waren. Alle drei Punkte sind in erster Linie auf die nicht frei wählbare zur Verfügung stehende Stichprobe an Teilnehmern, deren beschränkte Anzahl sowie die zeitlich beschränkte Möglichkeit deren Inanspruchnahme zurückzufüh- ren. Würden diese einschränkenden Faktoren nicht bestehen, könnten die im Folgenden beschriebenen Untersuchungen die Wirksamkeit des Werkzeugs umfangreicher und zu- verlässiger prüfen, als dies in der vorliegenden Arbeit der Fall war. Bei der Prüfung der Bildung eines gemeinsamen Verständnisses wurde in dieser Ar- beit auf die subjektive Einschätzung der Untersuchungsteilnehmer zurückgegriffen. Die- ses Vorgehen kann durch Untersuchungsmethoden ergänzt werden, die das Verständnis explizit messen. Zur Untersuchung der Veränderung der individuellen mentalen Modelle und deren mögliche Übereinstimmung hinsichtlich des Untersuchungsaspektes bietet sich die von (Ifenthaler, 2006) vorgeschlagenen Untersuchungsmethode an. Auch der Einsatz der etablierten Varianten von Strukturlegetechniken und der Dialog-Konsens-Methodik ist hier eine Möglichkeit, die potentiellen Veränderungen zu externalisieren und damit gegenüberstellen zu können. Bei der Prüfung der effektiven Unterstützung der „Articulation Work“ durch das ent- wickelte Instrument war in der vorliegenden Arbeit die Stichprobe sowohl hinsichtlich ihres Umfangs als auch hinsichtlich der behandelten Thematiken retrospektiv betrach- tet suboptimal gewählt. Auch die vorrangige Bezugnahme auf die Einschätzungen der Teilnehmer zur Diagnose etwaiger Veränderungen bzw. positiver Auswirkungen im Ar- beitsprozess ist zu hinterfragen. Bei weiterführenden Studien ist darauf zu achten, dass Arbeitsabläufe als Gegenstände der „Articulation Work“ gewählt werden, in denen die Durchführung von expliziter „Articulation Work“ tatsächlich unmittelbar angezeigt ist. Dies war in den hier durchgeführten Untersuchungen nur teilweise der Fall, weshalb unmittelbare Auswirkungen auf den Arbeitsablauf mangels der Notwendigkeit von Ver- änderungen nur in Einzelfällen erwartete werden konnten. Weiters ist zur Fundierung einer generalisierbaren Aussage über die Wirkung des Werkzeugs der Prüfung eine brei- 473 15.5. Offene Aspekte und Entwicklungspotential tere Datenbasis zugrunde zu legen. Im vorliegenden Fall wurden etwa 20 Anwendungen aus 2 unterschiedlichen Anwendungskontexten untersucht – vor allem die Anzahl der Anwendungskontexte muss bei einer weiteren Untersuchung gesteigert werden, um die Wirkung des Werkzeugs über spezifische Situationen hinweg beurteilen zu können. 15.5.3. Alternative Anwendungsfelder Im Zuge der Durchführung dieser Arbeit wurde das entwickelte Werkzeug auch mehrfach experimentell in anderen als dem ursprünglich intendierten Kontext eingesetzt oder bei Gelegenheiten vorgestellt, bei denen mit der Durchführung von „Articulation Work“ nicht befasste Personen das Werkzeug im Sinne ihrer Fachexpertise interpretierten und unterschiedliche Einsatzszenarien aufzeigten. Die beiden am häufigsten genannten und in der Praxis bereits erfolgreich durchgeführten Anwendungsfelder werden im Folgenden beschrieben. Der Einsatz des Werkzeugs zur Unterstützung von individuellen und vor allem ko- operativen Lernprozessen ist auf Grund der methodischen Grundlage aus der Theorie der Veränderung mentaler Modelle (Seel, 2003a) naheliegend. Der zur Motivation dieser Arbeit verwendete Ansatz der mentalen Modelle wird auch zur Erklärung und zur Kon- zeption von Lernprozessen verwendet (Seel, 2003b), Methoden wie Concept Mapping wurden dezidiert für den Lehr- und Lernkontext entwickelt (Novak und Cañas, 2006). Das Werkzeug hat das Potential, die Anwendung meta-kognitive Kompetenzen wie Re- flexion von Lerninhalten oder Planung von Lernschritten zu unterstützen (siehe dazu auch (Oppl et al., 2010) für Erörterungen auf konzeptueller Ebene sowie die Ergebnis- se der Evaluierungsblöcke 3 und 5 auf praktischer Ebene). Vor allem die Verknüpfung des Werkzeugs mit technologisch unterstützten Lernplattformen auf Basis der digitalen Repräsentation in Form der als Topic Maps abgelegten Modelle kann Lernprozesse auf individuelle und kooperativer Ebene unterstützen. Erste Ideen dazu wurden in (Oppl und Stary, 2009), (Oppl, 2009a), (Oppl, 2009b) und (Neubauer et al., 2009) publiziert. Im Rahmen der Durchführung von Vorstellungen des Werkzeugs im Umfeld von Kon- ferenzen im Wissensmanagement und (Fort-)Bildungsbereich wurde dieses mehrfach von Personen, die „Aufstellungsarbeit“ (Sparrer, 2002) praktizieren, als geeignetes Werkzeug zur Unterstützung der dort ablaufenden Prozesse identifiziert. Tatsächlich wurde in Eva- luierungsblock 4 in einem Fall eine durch einen fachkundigen Teilnehmer moderierter an Aufstellungsarbeit angelehnte Modellbildung durchgeführt und von allen Teilnehmern als fruchtbar empfunden. Das Werkzeug diente dabei als Mediator der einzelnen Sicht- weisen, auf dem die Modellierungsblöcke so lange neu positioniert und rotiert wurden, bis alle Teilnehmer mit der dargestellten „Aufstellung“ der betrachteten Organisations- einheit zufrieden waren. Das Ergebnis dieser Anwendung wurde generell als neue, bislang nicht explizit gemachte Aspekte der Zusammenarbeit innerhalb der Organisation und deren Schnittstellen nach außen wahrgenommen. Das Werkzeug hat also Potential, im 474 15.6. Schluss Kontext von „Aufstellungsarbeit“ sinnvoll zum Einsatz gebracht zu werden. Für einen et- waigen Produktiv-Einsatz ist nach Rückmeldung mehrere Fachexperten jedoch die oben angeführte Erweiterung und Flexibilisierung der Anzahl und Art der Modellelementty- pen zwingend notwendig. 15.6. Schluss In dieser Arbeit wurde ein Instrument zur Unterstützung expliziter „Articulation Work“ vorgestellt. Sowohl Methode als auch Werkzeug wurde im Rahmen der Arbeit konzipiert, umgesetzt und erfolgreich zur Anwendung gebracht. Eine Arbeit wie diese ist nie abge- schlossen – jeder erreichte Meilenstein eröffnet eine Vielzahl von möglichen Alternativen zur Weiterentwicklung. Die vorliegenden Ergebnisse repräsentieren in diesem Sinne lediglich einen möglichen Weg durch das weite Feld an Möglichkeiten zur Unterstützung von „Articulation Work“. Gleichzeitig bilden sie einen Startpunkt für weitere Forschung, deren Ergebnis und deren Verlauf nicht abgeschätzt werden kann. Wenn nur eine Meta-Erkenntnis aus dieser Arbeit zurückbleibt, so ist es die, dass es genau diese Unsicherheit und das vergebliche Streben, sie durch Wissenschaft unter Kontrolle zu bringen, ist, die das Betreiben von Forschung zu einem lohnenden und erfüllenden Lebensinhalt machen. Ich hoffe, mit dieser Arbeit ein Stück weit dazu beigetragen zu haben, die Vorausset- zungen zu schaffen, dass Menschen einfacher, effizienter, effektiver und vor allem für sie zufriedenstellender zusammenarbeiten und die gesteckten Ziele erreichen können. Steyr, am 28. Juni 2010 475 Anhang 476 A. Literatur zum Themengebiet Articulation Work Dieser Anhang stellt die Literatur zu „Articulation Work“ umfassend dar. Er dient als Ergänzung zu den in Kapitel 2 eingeführten Konzepten und Inhalten. Insbesondere wurden die hier beschriebenen Arbeiten hinsichtlich ihrer Relevanz für die Begriffsbe- stimmung zu „Articulation Work“ und deren Unterstützung beurteilt. Die als relevant identifizierten Arbeiten wurden in den Abschnitten 2.1, 2.2 und 2.4 umfassender darge- stellt. A.1. Literaturquellen In der Literatursuche wurden Datenbanken aus den Bereichen Informatik, Psycholo- gie, Soziologie, den Wirtschaftswissenschaften sowie der Organisationslehre durchsucht. Nach der initialen Suche wurde jeweils auch die in den gefundenen Arbeiten referenzierte Sekundärliteratur aufgearbeitet. Des weiteren wurden mit Hilfe von rückwärts verlinken- den Datenbanken (wo vorhanden) Publikationen erfasst, die auf die bislang gefundenen Arbeiten referenzieren. Die so identifizierten Publikationen wurden ebenfalls hinsichtlich ihrer Relevanz überprüft. Die in der Suche berücksichtigten Datenbanken bzw. Meta-Suchmaschinen sind: Domänenspezifische Datenbanken • INSPEC1 (Naturwissenschaften) • Business Source Premier2 (Wirtschaftswissenschaften) • PsycINFO3 (Psychologie) • PSYNDEXplus4 (Psychologie) • SocINDEX5 (Soziologie) 1via http://ovidsp.ovid.com 2via http://search.ebscohost.com/ 3via http://ovidsp.ovid.com 4via http://ovidsp.ovid.com 5via http://search.ebscohost.com/ 477 A.2. Relevante Literatur • ERIC6 (Pädagogik) • ACM Guide7 (Informatik) Verlags-Datenbanken • ACM Digital Library8 (Informatik) • IEEE XPlore9 (Informatik) • SpringerLink10 (fächerübergreifend) • ScienceDirect11 (fächerübergreifend) • Emerald12 (Wirtschaftswissenschaften) • Wiley Interscience13 (fächerübergreifend) Meta-Suchmaschinen • Google Scholar14 (fächerübergreifend) • CiteSeerX15 (Naturwissenschaften und Informatik) A.2. Relevante Literatur Die im Folgenden genannten Arbeiten beziehen sich in unterschiedlicher Weise auf das Themengebiet „Articulation Work“. Es konnten vier Kategorien von Arbeiten identifi- ziert werden, die sich hinsichtlich ihres inhaltlichen Fokus unterscheiden: (I) Arbeiten, die sich mit der grundlegenden Konzeption von „Articulation Work“ beschäftigen und keine Aussage zu deren Unterstützung machen. (II) Arbeiten, in denen „Articulation Work“ als erklärendes Rahmenwerk für beob- achtete Phänomene verwendet wird, und in der Folge das Hauptaugenmerk auf diese Phänomene gelegt wird, ohne nochmals näher auf „Articulation Work“ ein- zugehen. (III) Arbeiten, die auf die Unterstützung von „Articulation Work“ eingehen. (IV) Arbeiten, in denen „Articulation Work“ lediglich erwähnt wird, allerdings nicht näher darauf Bezug genommen wird. 6http://www.eric.ed.gov/ 7http://portal.acm.org/guide.cfm 8http://portal.acm.org/dl.cfm 9http://ieeexplore.ieee.org 10http://www.springerlink.de 11http://www.sciencedirect.com 12http://www.emeraldinsight.com 13http://www3.interscience.wiley.com 14http://scholar.google.com/ 15http://citeseerx.ist.psu.edu/ 478 A.2. Relevante Literatur In chronologischer Reihenfolge des Erscheinens sind die folgenden Arbeiten einer oder mehreren der genannten Kategorien zuzuordnen (Kategorie jeweils in Klammer ange- führt): Strauss (1985) (I) prägt in dieser Arbeit den Begriff „Articulation Work“ und be- schreibt dieses auf konzeptueller Ebene ohne eine unmittelbaren Praxis- bzw. Um- setzungsbezug herzustellen. Gasser (1986) (I) beschreibt die Integration von Computerunterstützung in alltägliche Arbeitsabläufe und die Anpassungsleistung der arbeitenden Individuen, wenn die aktuelle Arbeitssituation nicht mehr mit dem der Computerunterstützung zugrun- de liegenden Modell übereinstimmt. Er identifiziert dabei spezifische Aktivitäten, die im Rahmen der ablaufenden „Articulation Work“ auftreten können. Gerson und Star (1986) (I, II) zeigen die konkrete Manifestation von „Articulation Work“ in einer Fallstudie aus einem Versicherungskonzern und identifizieren dar- aus die organisationalen Rahmenbedingungen, die zu jenen Problemen führen, die „Articulation Work“ notwendig machen. Bendifallah und Scacchi (1987) (II) untersuchen bezugnehmend auf Gasser (1986) „Articulation Work“ im Kontext von IT-Support-Arbeit in Unternehmen anhand von zwei Fallstudien und identifizieren dabei zwei unterschiedliche Strategien bei der Durchführung derselben. Im Detail gehen sie jedoch nicht auf die konkret zu setzenden Maßnahmen ein. Fujimura (1987) (I) leitet die grundlegende Unterscheidung zwischen „ProductionWork“ und „ArticulationWork“ anhand einer Fallstudie aus dem wissenschaftlich-medizinischen Forschungsbetrieb ab. Sie bleibt dabei auf konzeptueller Ebene und beschreibt die auftretenden Phänomene, geht jedoch nicht auf unterstützende Maßnahmen ein. Strauss (1988) (I) detailliert und erweitert seine Konzepte und setzt diese in den Kon- text organisationaler Projektarbeit (im dort beschrieben Verständnis im Wesentli- chen identisch mit „non-routine collective activity“). Anhand einer Fallstudie aus dem Krankenhaus-Organisations-Bereich zeigt er das Auftreten von „Articulation Work“ in der Praxis, beschäftigt sich jedoch nicht mit möglicherweise unterstüt- zenden Interventionen. Schmidt (1990) (I) beschreibt ein Framework für die Analyse kooperativer Arbeit und erwähnt dabei „Articulation Work“ als ein zu berücksichtigendes Konzept. Diese Arbeit bildet die Grundlage für die im Hinblick auf die Unterstützung von „Arti- culation Work“ relevantere Arbeit von Schmidt und Bannon (1992). Mi und Scacchi (1991) (III) betrachten „Articulation Work“ im Kontext der Software- entwicklung und argumentieren für deren explizite Berücksichtigung in Software Engineering Prozessen. Sie schlagen einen formalisierten Prozess zur Durchführung von „Articulation Work“ vor und führen einen Satz von regelbasierten Heuristiken 479 A.2. Relevante Literatur zur konkreten Durchführung ein. Sie sind damit die ersten, die sich explizit mit der Unterstützung von „Articulation Work“ beschäftigen. Schmidt und Bannon (1992) (I, III) begründen mit dieser Arbeit eine Entwicklungs- richtung der CSCW, die neben der Unterstützung der eigentlichen produktiven Arbeit auch auf die Unterstützung von „Articulation Work“ fokussiert. Sie be- schreiben damit erstmals Anforderungen an die technische Unterstützung von „Ar- ticulation Work“ und Möglichkeiten zu deren Umsetzung. Bannon und Schmidt (1993) (II) zeigen in diesem Sammelwerk die ersten Ergebnisse des COMIC-Projektes (Rodden, 1995) und erwähnen dabei in einzelnen Beiträgen „Articulation Work“ als ein im Bereich der CSCW zu berücksichtigendes Konzept. Corbin und Strauss (1993) (I) beschäftigen sich mit der Festlegung von Interaktions- modalitäten in kooperativer Arbeit durch „Articulation Work“ und detaillieren dabei das Verständnis von expliziter „Articulation Work“, indem sie mögliche Zeit- punkte des Auftretens sowie Schritte bei deren Durchführung nennen. Strauss (1993) (I) fasst im Rahmen einer umfassenderen Arbeit zur Entwicklung einer „Theory of Action“ seine Überlegungen zur Rolle und Ausgestaltung von „Arti- culation Work“ zusammen und würdigt diese kritisch. Konkrete Maßnahmen zur Unterstützung oder Ermöglichung von „Articulation Work“ sind aber auch hier nicht vorhanden. Bowers (1994) (III) ist Editor eines COMIC-Deliverables (Rodden, 1995), in dem zum ersten Mal auf die in (Schmidt und Simone, 1996) ausformulierten Anforderungen zur technischen Unterstützung von „Articulation Work“ eingegangen wird. Lenoir (1994) (IV) erwähnt „Articulation Work“ (konkret die Arbeit von Fujimura (1987)) als Beispiel der Verknüpfung unterschiedlicher wissenschaftlicher Arbeits- kontexte, geht aber dann nicht näher auf „Articulation Work“ ein. Schmidt (1994) (III) rephrasiert im Wesentlichen (Schmidt, 1990) mit Fokus auf den Aspekt der kooperativen Arbeit (und nicht der Computerunterstützung derselben). Er detailliert darin die Artikulationsnotwendigkeiten bei kooperativer Arbeit, führt jedoch hinsichtlich der Unterstützung von „Articulation Work“ keine zusätzlichen Anforderungen ein. Schmidt et al. (1995) (III) basiert wie (Schmidt, 1994) auf (Schmidt, 1990), leitet je- doch inhaltlich bereits zu der oben im Detail behandelten Arbeit von Schmidt und Simone (1996) über. Grinter (1995) (II) beschreibt die Verwendung von Konfigurations-Management-Systemen zur Koordination von Softwareentwicklungs-Prozessen. Sie bezieht sich dabei am Rand auf „Articulation Work“ (via (Schmidt und Bannon, 1992)), führt diesen Aspekt aber nicht näher aus. Diese Arbeit bildet jedoch die Grundlage für die hin- sichtlich der Unterstützung von „Articulation Work“ relevantere Arbeit derselben Autorin (Grinter, 1996). 480 A.2. Relevante Literatur Simone et al. (1995) (III) konkretisieren die in Schmidt und Simone (1996) beschrie- bene Notation zur Spezifikation von Koordinationsmechanismen in CSCW-Systemen und bereiten damit den Weg zur technischen Unterstützung von „coordinating pre- defined work“, die in (Divitini und Simone, 2000) umfassend beschrieben ist. Grinter (1996) (III) betrachtet die Rolle von „Articulation Work“ im Kontext der Soft- wareentwicklung und zeigt anhand zweier qualitativer empirischer Studien die Aus- wirkungen eines computerbasierten Configuration Management Systems bei der kooperativen Erstellung von Software. Schmidt und Simone (1996) (I, III) entwickeln in ihrer Arbeit ein generisches Vorge- hen zur Konzeption von technischer Unterstützung von „Articulation Work“. Auf- bauend auf früheren Arbeiten der Autoren (z.B. (Schmidt, 1990) und (Schmidt und Bannon, 1992)) formulieren die Autoren eine Notation zur Spezifikation von CSCW-Systemen, die auf der Unterstützung von „Articulation Work“ aufbauen. Bannon und Bødker (1997) (II) beschreiben die Verwendung von „Common Informa- tion Spaces“ im Kontext von CSCW und identifizieren die Artikulations-Bedürfnisse, die im Rahmen der Verwendung derselben auftreten können. Die Autoren gehen nicht näher auf die Umsetzung oder Unterstützung dieser konkreten Ausprägungen von „Articulation Work“ ein. Fjuk et al. (1997) (I, III) versuchen, die Konzepte von „Articulation Work“ durch eine Abbildung auf die Konzepte der „Activity Theory“ zu konkretisieren. Die Autoren geben dabei neben der Erweiterung der konzeptuellen Grundlagen auch mögliche Ansatzpunkte für die Unterstützung durch rechnerbasierte Werkzeuge an. Fjuk und Dirckinck-Holmfeld (1997) (II) verwendet die Ansätze von Strauss (1993), um die Interaktion in computerbasierten kooperativen Lernumgebungen (also in CSCL16-Systemen) zu betrachten. Sie verwendet dabei „Articulation Work“ als Analysedimension (als jener Teil des Arbeitsablaufs, in dem Interaktion zwischen den Lernenden vorrangig auftritt), gehen jedoch nicht näher auf deren Unterstüt- zung ein. Simone und Bandini (1997) (IV) beschreiben ein System zur Generierung von Awa- reness in kooperativen Anwendungen und erwähnen dabei am Rande „Articulation Work“, als einen Aspekt, bei dessen Unterstützung das System interessant sein könnte. Simone und Divitini (1997) (III) berichten über den aktuellen Stand der Entwick- lung bei der technischen Unterstützung von Koordinationsmechanismen in CSCW- Systemen. Sämtliche hier enthaltenen Ergebnisse werden umfassender in (Divitini und Simone, 2000) dargestellt. Kling und Star (1998) (II) beschreiben „Articulation Work“ als einen Aspekt, dessen Unterstützung bei der Gestaltung von „human centered (computer) systems“ zu 16Computer Supported Cooperative Learning 481 A.2. Relevante Literatur berücksichtigen ist. Sie gehen jedoch nicht unmittelbar auf die mögliche Form der Unterstützung ein. Carstensen und Schmidt (1999) (III) führen Aspekte von (Schmidt und Simone, 1996) genauer oder aus einem anderen Betrachtungswinkel aus, fügen aber dem Ver- ständnis von „Articulation Work“ bzw. deren Unterstützung keine neuen Aspekte hinzu. Schmidt und Simone (1999) (III) betonen basierend auf (Schmidt und Simone, 1996) den dynamischen Charakter von „Articulation Work“, die in einem Arbeitsablauf je nach Kontext unterschiedliche Ausprägungen annehmen kann. Sie fordern eine Berücksichtigung dieser Dynamik in technischen Werkzeugen zur Unterstützung von „Articulation Work“, fügen aber den Ausführungen von (Schmidt und Simone, 1996) keine fundamental neuen Anforderungen hinzu. Die Autoren leiten mit die- ser Arbeit über zu der erstmals in Simone et al. (1999) vorgestellten technischen Implementierung des in den vorgegangenen Publikationen konzipierten Werkzeugs. Simone et al. (1999) (III) stellen als Umsetzung der in (Schmidt und Simone, 1996) aufgestellten Forderungen zur Unterstützung von „ArticulationWork“ durch CSCW- Systeme den „Reconciler“ vor, ein auf auf Java und CORBA17 basierendes Software- Modul, das den globalen Kontext und Zustand eines (digitalen) Arbeitsobjektes bei dessen Bearbeitung durch ein Individuum offenlegt und dadurch die Entwick- lung einer gemeinsamen Sicht auf geteilt benutzte Objekte ermöglicht und die Vermeidung von Konflikten unterstützt. Der „Reconciler“ ist damit ein techni- sches Werkzeug zur Unterstützung von „situated Articulation Work“, die Arbeit detailliert jedoch lediglich die in (Schmidt und Simone, 1996) genannten Unter- stützungsaspekte um diese technisch implementierbar zu machen. Suchman (1999) (II) beschäftigt sich mit „invisible work“ in denen Arbeitsartefakte an die tatsächlichen Erfordernisse des jeweiligen Arbeitskontext angepasst werden („design-for-use“). Sie argumentiert für die Anerkennung (also Sichtbarmachung) dieser Arbeit durch die Entwicklung expliziter Design-Praktiken, geht aber nicht näher auf deren Ausgestaltung ein. Star und Strauss (1999) (III) verfassen die einzige Arbeit, in der Strauss selbst Stel- lung zur Unterstützung von „Articulation Work“ im Generellen und der Unterstüt- zung durch Computersysteme im Speziellen Stellung nimmt. Die Autoren würdi- gen die Argumente und Forderungen aus (Schmidt und Simone, 1996) kritisch und argumentieren gegen „Sichtbarkeit von Arbeit um jeden Preis“. „Articulati- on Work“ bedingt nicht notwendigerweise die vollständige Offenlegung aller Ar- beitsaspekte sondern geht immer nur soweit wie für eine Wiederaufnahme bzw. Aufrechterhaltung der produktiven Arbeit notwendig. Als Konsequenz fordern sie CSCW-Systeme, die – zusätzlich zu den von Schmidt und Simone (1996) formu- lierten Anforderungen – die Kontrolle über die Sichtbarkeit der eigenen Arbeit bei 17Common Object Request Broker Architecture 482 A.2. Relevante Literatur den arbeitenden Individuen belassen (und stärken damit die Anforderung, die be- reits von Schmidt und Bannon (1992) aufgestellt wurde, von Schmidt und Simone (1996) jedoch nicht explizit berücksichtigt wurde). Berg und Timmermans (2000) (II) beschreiben „Articulation Work“ im Kontext von „order and disorder“ in kooperativen Arbeitssituationen (konkret im medizinischen Sektor). „Articulation Work“ ist dabei eine Ausprägung von „disordered work“, im dem Sinne, dass sie nicht vorgegebenen Regeln gehorcht bzw. zur Anwendung kommt, wenn spezifizierte, routinierte Arbeit („ordered work“) nicht mehr funk- tioniert. Die Autoren gehen jedoch nicht auf eine mögliche Unterstützung von „Articulation Work“ oder „ordered work“ ein. Divitini und Simone (2000) (III) stellen ein System zur Unterstützung von etablierter kooperativer Arbeit in Form eines adaptiven Workflow-Systems vor, dessen Ver- halten durch die Durchführung von „Articulation Work“ beeinflusst werden kann bzw. die Durchführung derselben unterstützt. Schmidt und Simone (2000) (III) führen im Kontext von CSCW die bereits in (Schmidt und Simone, 1996) entwickelten Konzepte nochmals weiter und zeigen, dass bei „Articulation Work“ die Grenze zwischen der Herstellung von „mutual awareness“ (als Bezeichnung einer ad-hoc durchgeführten Abstimmung) und der Verwendung „coordinative artifacts and protocols“ (als Ausprägung eine Koordination von eta- blierten Arbeitsprozessen) fließend ist. Sie fordern als Folge, dass eine technische Unterstützung beide Arten von „Articulation Work“ unterstützen muss, detaillie- ren oder verändern aber die konkreten Anforderungen aus (Schmidt und Simone, 1996) nicht weiter. Simone (2000) (II) beschreibt die Rolle von „classification schemes“ für CSCW, die der Klassifikation von Domänenkonzepten zugrunde liegen. Anhand mehrerer Fall- studien beschreibt die Autorin die lokale, informelle und emergente Bildung von Klassifikations-Schemata in Gruppen. Sie argumentiert letztlich dafür, dass diese Schema-Bildung Teil von „Articulation Work“ ist und unterstützt werden muss, um eventuell auftretende Inkonsistenzen zwischen den Schemata einzelner Grup- pen oder Individuen zu vermeiden. Letztlich beschreibt die Autorin, dass das in (Simone et al., 1999) vorgestellte System diese Anforderung erfüllen kann. Christensen (2001) (II) beschäftigt sich mit „Articulation Work“ in Arbeitssituatio- nen, in die mobil arbeitende Individuen involviert sind und konzentriert sich auf jene Arbeits-Aspekte, die spezifisch für derartige Situationen zusätzlich zu artiku- lieren sind. Er identifiziert diese Aspekte im Rahmen einer Studie und beschreibt ausschließlich den Status quo ohne konkrete Unterstützung-Maßnahmen anzufüh- ren. Weiterführende Arbeiten zu diesem Ansatz sind nicht publiziert. Fuchs et al. (2001) beschreiben die technische Unterstützung von „Articulation Work“ in (verteilten) Gruppen mittels CSCW-Technologie. Die Autoren präsentieren ein 483 A.2. Relevante Literatur konkret umgesetztes System, das eine Reihe von Werkzeugen zur Unterstützung von „Articulation Work“ bietet. Raposo et al. (2001) (III) stellen ein konzeptuelles Framework vor, das die Koordina- tion von voneinander abhängigen Aufgaben in Gruppen erlauben soll und damit „Articulation Work“ mit dem Ziel „coordination of predefined work“ unterstüt- zen soll. Dabei schlagen die Autoren eine Struktur vor, die es erlaubt, für eine Abhängigkeit zwischen Aufgaben unterschiedliche Koordinationsstrategien festzu- legen, die dann kontextabhängig ausgewählt werden können. Das Framework wird in (Raposo und Hugo, 2002) weiter konkretisiert und dessen Umsetzung in einem technischen System beschrieben. Simone und Sarini (2001) (II, III) entwickeln die Ansätze hinsichtlich der Unterstüt- zung der Bildung von „classification schemes“ aus (Simone, 2000) weiter und kon- zentrieren sich dabei auf deren Adaptierung an konkrete Arbeitssituationen. Sie führen dabei aber keine neuen Aspeke hinsichtlich der Unterstützung von „Arti- culation Work“ ein. Bossen (2002) (II) baut auf der Arbeit von (Bannon und Bødker, 1997) zu „Com- mon Information Spaces“ auf und identifiziert im Rahmen einer Fallstudie im medizinischen Bereich Gestaltungsparameter, in deren Rahmen auch „Articulati- on Work“ als in unterschiedlichen Ausprägungen zu unterstützendes Phänomen genannt wird, ohne näher auf die Implikationen dieser Forderung einzugehen. Davenport (2002) (II, III) beschreibt „Articulation Work“ als eine Form von „alltägli- chem Wissensmanagment“, mit Hilfe dessen beteiligte Individuen im Arbeitspro- zess lernen und ihre Kompetenzen erweitern („situated learning“). Anhand einer Fallstudie zeigt sie, dass das Konzept der „Communities of Practice“ (Wenger, 1998) und deren Methoden geeignet sind, diese Form von „Articulation Work“ zu unterstützen. Die Autorin deutet die Möglichkeit einer Unterstützung durch rechnerbasierte Werkzeuge an, führt diese Idee aber nur am Rande aus. Herrmann et al. (2002) (II, III) beschäftigen sich mit Modellen von soziotechnischen Arbeitsprozessen und zeigen auf, dass zu deren (kooperativen Erstellung) „Articu- lation Work“ notwendig ist. Mark et al. (2002b) (II) stellen eine Kurzfassung des in (Mark et al., 2002a) ausführ- lich beschriebenen Tests des „Reconciler“-Systems vor. Mark et al. (2002a) (II) beschreiben einen ersten Test des „Reconciler“-Systems und zeigen, dass das Werkzeug tatsächlich bei der Entwicklung eines gemeinsamen Sichtweise über die Arbeitsdomäne betragen kann. Raposo und Hugo (2002) beschäftigen sich aufbauend auf (Raposo et al., 2001) mit der Konkretisierung des Frameworks zur Unterstützung der Koordination von Auf- gaben, die in gegenseitiger Abhängigkeit stehen. Die Autoren bereiten damit das 484 A.2. Relevante Literatur Feld für die technische Umsetzung des Frameworks, die in (Raposo et al., 2004) beschrieben wird. Sarini und Simone (2002a) (III) beschäftigen sich mit „recursive Articulation Work“, also jener Form, deren Gegenstand selbst wiederum „Articulation Work“ ist. Die Autoren leiten Anforderungen an die Unterstützung dieser Form von „Articulation Work“ ab und zeigen die konkrete Umsetzung als Teil des „Reconciler“-Systems. Sarini und Simone (2002b) beschreiben in Form einer Kurzfassung die wesentlichen Konzepte und Implementierungsansätze des „Reconciler“-Systems. Schmidt (2002) (IV) beschäftigt sich konzeptuell mit der Unterstützung von Awareness in CSCW-Systemen und erwähnt dabei am Rande, dass Awareness oft ein wichtiger Aspekt von „Articulation Work“ ist. Simone (2002) (IV) beschreibt die im Rahmen des „Reconciler“-Projektes durchge- führte Arbeit im Kontext von Wissensmanagement und „Organizational Memo- ries“18. Sie zeigt, in welchen Aspekten Berührungspunkte zwischen Wissensma- nagment und CSCW bestehen und weist auf mögliche Unterstützungsleistungen hin. Auf „Articulation Work“ wird nur im Zusammenhang mit dem im Wissens- management relevanten Abgleich von Ontologien verwiesen, der als „Articulation Work“ gesehen werden kann. Eschenfelder (2003) (II) beschreibt eine qualitative Studie über das Management von content-zentrierten Websites und zieht „Articulation Work“ (in Bezugnahme auf das von Corbin und Strauss (1993) beschriebene Verständnis) als das der Analyse zugrundeliegende Framework heran. Die Autorin zeigt im zweiten Teil der Arbeit auf, wie Content Management Systeme den Verwaltungsprozess unterstützen kön- nen, geht aber nicht weiter auf „Articulation Work“ ein. Olesen und Markussen (2003) (IV) beschreiben die Veränderung des Arbeitsablaufs der Rezeptausstellung in einem Krankenhaus durch Einführung eines technischen Systems, das die elektronische Verschreibung von Medikamenten erlaubt. Die Au- toren verfolgen dabei einen kulturwissenschaftlichen Ansatz und weisen lediglich in der Einleitung auf „Articulation Work“ als eine bei der Umstellung des Arbeits- ablaufs notwendige Tätigkeit hin. Sarini (2003) (III) fasst die konzeptuellen Grundlagen, die Implementierung und den Test des „Reconciler“-Systems in Form seiner Dissertation zusammen. Er führt dabei jedoch keine nicht bereits in früheren Publikationen veröffentlichten Argu- mente oder Anforderungen ein. Gerson (2004) (III) beschreibt die Verwendung von „Reconciliation Mechanisms“ zur Auflösung von Problemen in der Zusammenarbeit bei räumlich verteilt durchge- führter Arbeit. Diese „Reconciliation Mechanisms“ sind vorrangig organisationale oder soziale Maßnahmen, die die Zusammenarbeit verbessern bzw. wieder möglich 18für einen Überblick zu diesem Themengebiet siehe (Maier, 2008) 485 A.2. Relevante Literatur machen. Ein expliziter Bezug zu „Articulation Work“ wird nicht hergestellt, aus- gehend von der Beschreibung sind „Reconciliation Mechanisms“ aber ein Mittel zur Durchführung von „Articulation Work“. Gerson gibt exemplarisch vier dieser Mechanismen an (z.B. „shared ressource pools“ oder „participant review“), ohne jedoch deren detaillierte Ausgestaltung einzugehen. Jørgensen (2004) (III) beschreibt die Verwendung von „interaktiven“ Prozessmodellen in organisationalen Arbeitsprozessen und die Veränderung dieser Prozesse durch Modellierungsvorgänge. Dabei bezeichnet er den Modellierungsvorgang als „Arti- culation Work“. „Interaktive“ Prozesse sind dabei solche, die wissensintensiv sind, im Vorhinein spezifiziert werden können und deren konkreter Ablauf erst zum Zeit- punkt der Ausführung festgelegt wird (was jenen Arbeitsabläufen entspricht, die als „problematic“ oder „non-routine“ bezeichnet werden). Der Autor entwickelt im Rahmen der Arbeit eine Methodik zur Modellierung derartiger Prozesse und ein technisches Werkzeug, dass die Erstellung und Instanzierung dieser Modelle unterstützt bzw. ermöglicht. Raposo et al. (2004) decken in ihrer Arbeit zur (technischen) Unterstützung koope- rativer Arbeit explizit alle Zeitpunkte ab, in denen „Articulation Work“ auftre- ten kann („pre-articulation“, „coordination“, „post-articulation“). Sie schlagen zur Koordination formalisiert festgeschriebene „Commitments“ vor, die in der „pre- articulation“-Phase definiert werden und während der „post-articulation“ evalu- iert werden. Damit decken die Autoren auch „recursive Articulation Work“ (Sarini und Simone, 2002a) ab. In der Arbeit wird im wesentlichen der vorgeschlagene Formalismus und dessen konzeptuelle Anwendung dargestellt. Færgemann et al. (2005) (I, II) beschreiben „Articulation Work“ in Arbeitsprozessen, die unterschiedlich große Personenkreise umfassen, die verschieden stark mitein- ander vertraut sind. Die Autoren leiten auf ihren empirischen Beobachtungen vier unterschiedliche Arten von „Articulation Work“ ab, die sich jeweils in der Größe ihres Durchführungskontexts (d.h. des Teilnehmerkreises) unterscheiden. Sie be- schreiben die Charakteristika dieser Arten von „Articulation Work“, gehen aber nicht auf deren Unterstützung ein (wobei sie andeuten, dass eine technische Un- terstützung jeweils unterschiedlich ausfallen muss, bezeichnen dies jedoch als eine offene Forschungsfrage). Hasu (2005) (II, IV) beschreibt die Einbindung neuer (computer-basierter) Werkzeuge in Arbeitsabläufe durch technische Laien (konkret die Verwendung eines neuen, komplexen medizinischen Gerätes durch Neurologen). Sie klassifiziert die im Zuge dessen anfallenden Aktivitäten als „invisible Articulation Work“. Sie geht im Üb- rigen darauf ein, wie derartige Prozesse durch ethnogaphische Forschung erfasst werden können, die Unterstützung von „Articulation Work“ selbst wird aber nicht weiter thematisiert. 486 A.2. Relevante Literatur Hampson und Junor (2005) (II) beschreiben die Arbeit im interaktiven (d.h. hier te- lemediengestützten) Kundenservice als „Articulation Work“. Die Autoren führen eine Klassifikation von unterschiedlichen Arten von Arbeitsabläufen ein, um ihren Fokus abzugrenzen. In der Folge beschreiben sie die im Rahmen des „interactive customer service“ auftretende Phänomene, deren konkrete Ausprägunen und die Reaktionen der Kundenbetreuer. Sie legen dar, welche Rolle „Articulation Work“ in diesem Kontext spielt, gehen dabei aber nicht darauf ein, wie diese Abläufe unterstützt werden können. Cabitza et al. (2006) (III) entwickeln den „Reconciler“-Ansatz weiter und wenden ihn unter Bezugnahme auf Færgemann et al. (2005) auf „globale Articulation Work“ an. Sie entwickeln dabei ein konzeptuelles Framework, das (wie im Falle des „Reconciler“- Ansatzes) auf Artefakten als Artikulations-Objekten beruht und geben eine Me- thodik an, wie derartige Artefakte entwickelt werden können (im Sinne der „recur- sive Articulation Work“). Die vollständige Umsetzung sowie eine Evaluierung des Konzepts stand zum Zeitpunkt der Publikation der Arbeit noch aus. Crabtree et al. (2006) (II, III) zeigen die Relevanz von „Articulation Work“ in Situa- tionen, in denen Personen einander Hilfestellungen geben. Die Autoren beschreiben dabei Situationen, in denen die Hilfestellung „remote“ (d.h. aus der Entfernung) erfolgt. Sie zeigen, welche Artikulationsprozesse dabei regelmäßig auftreten und leiten Anforderungen an eine mögliche Unterstützung für derartige Arbeitspro- zesse ab. Obwohl grundsätzlich relevant für die Unterstützung von „Articulation Work“, bleibt diese Arbeit hinsichtlich der Anforderungen jedoch relativ abstrakt und unspezifisch. Kaghan und Lounsbury (2006) (II, III) (bzw. der ebenfalls vorliegende ausführliche- re Preprint (Kaghan und Lounsbury, 2004)) zeigen mit kulturwissenschaftlichem Hintergrund, wie organisationale Artefakte (also Ergebnisse bzw. Gegenstände von Arbeit) kooperativ erstellt, verwendet und angepasst werden und in der Folge die mit ihnen verbundene Arbeit widerspiegeln. Die Autoren bedienen sich dabei einer Fallstudie aus dem Bereich des Technologietransfers zwischen Universitäten und Wirtschaft, wo Verträge als Artefakte bzw. die Vertragsverhandlung als relevanter Arbeitsablauf im Detail betrachtet werden. „Articulation Work“ kommt dabei im Rahmen der Vertragsanbahnung („arranging deals“) zum Einsatz. Allgemein hat „Articulation Work“ hier das Ziel, ein erreichtes gemeinsames Verständnis so in einem Artefakt abzubilden, dass dieses von den Beteiligten als Repräsentant der vereinbarten Zusammenarbeit akzeptiert wird. Die Autoren nehmen wie Daven- port (2002) Bezug auf „Communities of Practice“ als wesentliches Konzept bei der Entwicklung dieser Artefakte. Baker und Millerand (2007) (I, II) beschreiben, wie „Articulation Work“ im Rahmen des Designs von „information infrastructure“ (als Bezeichnung von Systemen, die Verwaltung und strukturierte Manipulation von Information erlauben) zur An- 487 A.2. Relevante Literatur wendung kommt. Die Autoren beziehen sich auf eine von ihnen durchgeführte em- pirische Studie und fassen aufgrund ihrer Erkenntnisse den Begriff „Articulation Work“ so breit, dass er nicht nur die Abstimmung der eigentlichen Arbeitsabläu- fe umfasst, sondern etwa auch die Aushandlung eines gemeinsamen Verständnisse über den Aufbau der Arbeitsdomäne. Cabitza und Sarini (2007) (IV) beschreiben die Verwendung von „dokumentatischen Artefakten“ und deren Computer-Unterstützung im medizinischen Bereich. Die Autoren gehen dabei nur in einem Nebensatz explizit auf „Articulation Work“ ein, die Arbeit dient aber gemeinsam mit Cabitza et al. (2006) als Grundlage der weiteren Entwicklungen zur Unterstützung von „Articulation Work“, die in (Cabitza und Simone, 2009a) beschrieben wird. Convertino et al. (2008) (IV) beschreiben, wie in kooperativen Arbeitsprozessen ein gemeinsames Verständnis der Arbeitsdomäne („common ground“) entwickelt wer- den kann und in weiterer Folge eine einfachere Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Individuen ermöglicht. Die Autoren beziehen sich aber nur im Rahmen der in der Arbeit beschriebenen empirischen Studie am Rande auf „Articulation Work“. Larsen und Bardram (2008) (II) beschreiben, wie in kooperativen Arbeitsprozessen Information über die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der beteiligten In- dividuen ausgetauscht wird. Aus der vorgestellten empirischen Studie leiten die Autoren ab, dass – trotz fortgeschrittener technischer Möglichkeiten – die Ab- stimmung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten in kooperativer Arbeit in synchronen Anwendungsszenarien zu einem besseren Ergebnis führt als in asyn- chronen Settings. Cabitza et al. (2008) (IV) betrachtet die Ausführungen aus Cabitza und Sarini (2007) aus Perspektive des Wissensmanagement und bildet damit ebenso die Grundlage für die in (Cabitza und Simone, 2009a) vorgestellte technische Lösung vor. „Arti- culation Work“ als Konzept wird hier nicht explizit angesprochen. Cabitza und Simone (2009a) (III) schlagen „active artifacts“ als Mittel zur Unter- stützung von „Articulation Work“ zwischen „Communities“ im Arbeitsablauf (im Sinne von „coordinating predefined work“) vor. „Active artifacts“ können dabei nicht nur Information tragen, sondern auch auf ihren aktuellen Kontext reagie- ren und selbständig aktiv Information vermitteln. Dabei führen die Autoren auch ein Konzept an, wie das Verhalten derartiger „active artifacts“ spezifiziert werden können. Hinsichtlich der Unterstützung von „Articulation Work“ ist die Arbeit als technische Detaillierung und Verfeinerung der in Cabitza et al. (2006) bereits vorgestellten Konzepte zu sehen. Cabitza und Simone (2009b) (III) stellen die in Cabitza et al. (2006) vorgeschlagene und in (Cabitza und Simone, 2009a) eingesetzte Sprache zur Spezifikation von Koordinations-Artefakten in „global Articulation Work“ im Detail vor. Diese ba- 488 A.2. Relevante Literatur siert im Wesentlichen auf der Formulierung von ECA-Regeln, die im operativen Betrieb die Grundlage der Koordinations-Unterstützung bilden. Cabitza et al. (2009) (II) stellen eine empirische Studie zur Motivation des in (Cabitza und Simone, 2009a) vorgestellten Systems vor und zeigen dessen unterstützende Wirkung bei der Durchführung von „Articulation Work“. Betrachtet man diese Arbeiten in ihrer Gesamtheit, so zeigt sich die historische Ent- wicklung der Forschung zum Thema „Articulation Work“ oder unter Verwendung der- selben. Vor allem wird ein starker Bezug zur Konzeption von CSCW-Systemen sichtbar, in deren Kontext ein Großteil der verfügbaren Arbeiten verfasst wurden. Zudem sind auch Gruppen von Publikationen zu erkennen, die im gleichen Kontext publiziert wur- den und sich nur in Einzelaspekten unterscheiden. Abbildung A.1 auf Seite 490 zeigt diese Zusammenhänge. Beginnend mit den Arbeiten von Strauss in der linken oberen Ecke ist vertikal die zeitliche Dimension der Publikation von Arbeiten zu Artikulation Work aufgetragen. Die Seitenbreite wird zur thematischen Gruppierung der Publikationen verwendet. Die Pfeile zwischen Publikationen bzw. Publikationsgruppen stellen einen inhaltlichen Bezug dar. Die Publikationen am Endpunkt des Pfeils nehmen dabei Bezug auf jene, die sich am Ausgangspunkt des Pfeils befinden. Am linken Rand der Darstellung sind die Arbeiten zu finden, die im soziologischen Kontext verfasst wurden. Die meisten der dort angesiedelten Publikationen sind Grund- lagenarbeiten, die den Begriff „Articulation Work“ und dessen konzeptuellen Kontext erörtern oder anhand von Fallstudien das Auftreten von „Articulation Work“ zeigen. Im Zentrum der Darstellung steht die größte Gruppe von Arbeiten, die im Kontext von CSCW verfasst wurde. Die Arbeiten, die sich auf CSCW beziehen, haben dabei zum Teil die Ableitung für Anforderungen an eine technische Unterstützung von „Articula- tion Work“ zum Ziel, der Rest der Arbeiten beschäftigt sich eher mit der technischen Umsetzung der Unterstützung. Jene Publikationen, die eher ersterer Gruppe zuzuord- nen sind, sind eher links angeordnet, die technisch orientierten Publikationen befinden sich eher rechts. Die Entfernung zur Mittelachse hat dabei keine Aussagekraft, sondern ist nur einer übersichtlichen Anordnung geschuldet. Innerhalb der CSCW-Gruppe gibt es zwei bedeutende Sub-Gruppen, die untereinan- der in Beziehung stehen. Einerseits ist die Gruppe von Publikationen zu nennen, die im Rahmen des COMIC-Projektes 1992-1995 entstanden sind (Rodden, 1995). In diesem Projekt wurde die Grundlage der Berücksichtigung von „Articulation Work“ als The- ma von CSCW gelegt. Bereits im Rahmen des COMIC-Projektes beginnend, publiziert die Gruppe um Simone Arbeiten zur konkreten technischen Umsetzung der Unterstüt- zung durch computerbasierte Werkzeuge. Die Implementierungen, auf die dabei immer wieder Bezug genommen wird, werden als „Ariadne“ (für den Koordinierungsaspekt von 489 A.2. Relevante Literatur Abbildung A.1.: Literatur zu Articulation Work im Kontext 490 A.2. Relevante Literatur „Articulation Work“) „Reconciler“ (für den Awareness-Aspekt von „Articulation Work“) bezeichnet, was auch als Namensgeber dieser Gruppe von Arbeiten herangezogen wurde. Weiter rechts am oberen Rand der Abbildung befinden sich Arbeiten, die „Articulation Work“ im Kontext der Software-Entwicklung betrachten. Dies sind die ersten Arbeiten, die eine konkrete Anwendung der Konzepte um „Articulation Work“ außerhalb der So- ziologie bzw. der Community um Strauss zeigen. Die Unterstützung von „Articulation Work“ ist hier nur teilweise Gegenstand der Betrachtung, wo sie aber angesprochen wird, ist sie entsprechend der Anwendungsdomäne eher technisch orientiert. Ganz rechts sind jene Arbeiten zu finden, die auf „Articulation Work“ Bezug neh- men, jedoch nicht einer der bisher beschriebenen Gruppen zuzuordnen sind. Hier fin- den sich Publikationen, die vor philosophischem, organsationswissenschaftlichem Hin- tergrund oder mit Bezug zum Wissensmanagement verfasst wurden. Herauszugreifen ist hier die Arbeit von Jørgensen (2004), der die Rolle von Modellen (konkret konzeptuellen Modellen von Arbeit) bei der Durchführung von „Articulation Work“ betrachtet und da- mit erstmals einen konkreten Unterstützungsbezug zwischen „Artikulation Work“ und der Domäne der Organisationswissenschaften herstellt (was wiederum für die Betrach- tung von „Articulation Work“ im organisationalen Kontext von Interesse ist). Insgesamt ist in der Abbildung ein starker Schwerpunkt auf die technische Unterstüt- zung von Arbeit, konkret „Articulation Work“, zu erkennen. Dieser Schwerpunkt wurde sowohl konzeptuell als auch technisch ab Beginn der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts bis etwa 2005 ausführlich bearbeitet. In den letzten Jahren treten verstärkt Fallstudien auf, die einen Bezug zu „Articulation Work“ herstellen, jedoch nur bedingt auf deren Unterstützung eingehen. 491 B. Daten der empirischen Untersuchung Die Darstellung der erhobenen Rohdaten der empirischen Untersuchung und deren de- taillierte Auswertung würden an dieser Stelle den Rahmen der Arbeit sprengen. Durch die große Anzahl an Videoaufnahmen, die insgesamt etwa 23 GB1 an Speicherplatz ein- nehmen, ist auch die Beilage eines Datenträgers nicht möglich. Die Rohdaten, die durchgeführten Auswertungen und Transkripte sowie die Skripte der statistischen Tests mit der Software R können via eMail unter stefan@oppl.info angefordert werden. B.1. Verfügbare Rohdaten Zu den Untersuchungen stehen im Einzelnen folgende Rohdaten zur Verfügung: • Evaluierungsblock 1 (siehe auch (Bohninger, 2010)) – Videoaufnahmen der Modellbildung (Detailansicht der Modellierungsoberflä- che) – Fotos der finalen Versionen der erstellten Modelle – Fragebögen der Befragungen der modellierenden Teilnehmer – Fragebögen der Befragungen der interpretierenden Teilnehmer – Fragebögen zur Korrektheit der Interpretation • Evaluierungsblock 2 – Videoaufnahmen der Modellbildung (Detailansicht der Modellierungsoberflä- che inkl. Personen) – Fotos bzw. graphische Abbildungen der finalen Versionen der erstellten Mo- delle 1Gigabyte 492 B.2. Durchgeführte Auswertungen – Tagebücher über den Erstellungsprozess der Seminararbeit (= „Production Work“) aller Teilnehmer – Seminararbeiten (= Ergebnis der „Production Work“) bei Einsatz des hier vorgestelltenWerkzeugs und aus Lehrveranstaltungen mit identischer Aufgaben- und Themenstellung ohne Einsatz von unterstützenden Maßnahmen bei der Durchführung von „Articulation Work“ • Evaluierungsblock 3 – Videoaufnahmen der Modellbildung aus jeweils 2 Perspektiven (Gesamtüber- sicht inkl. Personen sowie Detailansicht der Modellierungsoberfläche) – Graphische Abbildungen der finalen Versionen der erstellten Modelle • Evaluierungsblock 4 (siehe auch (Wahlmüller, 2010)) – Videoaufnahmen der Modellbildung können aus Gründen der Schutzes unter- nehmensinterner Information auf diesem Wege nicht weitergegeben werden. Etwaige Anfragen sind an Patrick Wahlmüller (Kontaktdaten in (Wahlmüller, 2010)) zu richten. – Graphische Abbildungen der finalen Versionen der erstellten Modelle – Fragebögen zur Arbeit mit dem Werkzeug – Fragebögen zu den Auswirkungen der Durchführung von „Articulation Work“ • Evaluierungsblock 5 (siehe auch (Bindreiter, 2010)) – Videoaufnahmen der Modellbildung mittels CMapTools und am Modellie- rungstisch aus jeweils 2 Perspektiven (Gesamtübersicht inkl. Personen sowie Detailansicht der Modellierungsoberfläche) – Graphische Abbildungen der finalen Versionen der erstellten Modelle – Als XML exportierte Repräsentationen der mit CMapTools erstellten Modelle (inkl. Modellierungshistorie) – Fragebögen zur Arbeit mit dem Werkzeug B.2. Durchgeführte Auswertungen Zu den Untersuchungen wurden folgende Auswertungen durchgeführt und archiviert. Die einzelnen Auswertungsmethoden sind auf den folgenden Seiten näher beschrieben. • Evaluierungsblock 1 (siehe auch (Bohninger, 2010)) – Überblicksauswertung aller Anwendungen und Modelle – Deskriptive Parameter aller quantitativ erhobenen Merkmale • Evaluierungsblock 2 493 B.2. Durchgeführte Auswertungen – Überblicksauswertung aller Anwendungen und Modelle – Interaktionsanalyse aller Anwendungen – Deskriptive Parameter aller quantitativ erhobenen Merkmale – Signifikanztests der zur Hypothesenprüfung verwendeten Merkmale • Evaluierungsblock 3 – Überblicksauswertung aller Anwendungen und Modelle – Interaktionsanalyse aller Anwendungen – Deskriptive Parameter aller quantitativ erhobenen Merkmale – Signifikanztests der zur Hypothesenprüfung verwendeten Merkmale • Evaluierungsblock 4 (siehe auch (Wahlmüller, 2010)) – Überblicksauswertung aller Anwendungen und Modelle – Interaktionsanalyse aller Anwendungen – Deskriptive Parameter aller quantitativ erhobenen Merkmale – Deskriptive Parameter der Items der Benutzerbefragung – Signifikanztests der zur Hypothesenprüfung verwendeten Merkmale und Be- fragungsitems – Codierung der zur Hypothesenprüfung verwendeten offenen Items der Benut- zerbefragung • Evaluierungsblock 5 (siehe auch (Bindreiter, 2010)) – Überblicksauswertung aller Anwendungen und Modelle – Interaktionsanalyse aller Anwendungen – Deskriptive Parameter aller quantitativ erhobenen Merkmale – Deskriptive Parameter der Items der Benutzerbefragung – Signifikanztests der zur Hypothesenprüfung verwendeten Merkmale und Be- fragungsitems – Codierung der zur Hypothesenprüfung verwendeten offenen Items der Benut- zerbefragung B.2.1. Überblicksauswertung Die Überblicksauswertung fasst die wesentlichen Eigenschaften des in einer Anwendung erstellten Modells sowie die während der Erstellung aufgetretenen Ereignisse zusam- men. Die Daten wurden in Form einer Openoffice-Tabelle aufbereitet und stehen als 494 B.2. Durchgeführte Auswertungen ODF2-Dateien zur Verfügung. Sie dienen als Grundlage aller weiteren deskriptiven und schließenden statistischen Auswertungen. Die konkrete Ausgestaltung der Tabelle variiert je nach Evaluierungsblock (abhängig von der durchgeführten Modellierungsaufgabe und der im Werkzeug implementierten Funktionalität) leicht, in Abbildung B.1 ist der Raster aus Evaluierungsblock 5 darge- stellt, in dem die höchste Anzahl von Merkmalen erhoben wurden. Die Befüllung der Raster erfolgte auf Basis der angefertigten Video-Aufnahmen der Werkzeuganwendungen. In den Blöcken 3 und 5 wurden die Raster redundant unabhän- gig voneinander von jeweils zwei Personen befüllt. Sofern Abweichungen bei der Aus- wertung der quantitativen Parameter festgestellt wurden, wurde das jeweilige Merkmal durch eine dritte Person geprüft und ggf. entsprechend korrigiert. In den Blöcken 1, 2 und 4 standen nicht ausreichend personelle Ressourcen für eine redundante Auswertung zur Verfügung. B.2.2. Interaktionsanalyse Die Interaktionsanalyse wurde wie in Abschnitt 11.3.5 beschrieben durchgeführt und dokumentiert. Die Dokumentation erfolgte in Textdokumenten, die als ODF-Dateien zur Verfügung stehen. In den Evaluierungsblöcken 3 und 5 wurde die Interaktionsanalyse für jede Werkzeug- anwendung von zwei Personen redundant durchgeführt. In den Blöcken 2 und 4 standen die personellen Ressourcen für eine redundante Auswertung nicht zur Verfügung. In den Fällen, in denen redundant ausgewertet wurde, wurden Transkripte, die nur von einer der auswertenden Personen als relevant identifiziert wurden, von einer dritten Person geprüft und bestätigt bzw. verworfen. B.2.3. Deskriptive Parameter Zur deskriptiven Beschreibung der erhobenen metrischen und ordinalen Merkmale in der Modellbildung und bei der Benutzerbefragung wurden im Wesentlichen folgende Parameter herangezogen: • Stichprobengröße • Mittelwert • Standardabweichung • Boxplot, dieser codiert: – 2.5%-Quantil 2Open Document Format 495 B.2. Durchgeführte Auswertungen                                                    !    "     # $#      !% &#'  ( )*  $+ )*  $+      ,-  ,-  ,- .  /  0  "  1 2   1 2    1 2     1  ' 2  " -     3   4 3 5         3   #   * *    6   1 $  #7   2    6   1 8+   2 *      ,   8                 "'   9    -          "'        :%        " #       (     " #     ,  7  #     /*   ##'     #  "         48 #3      ;  )* <  $"   "'  ,     *      * *'    =      ; #  #   $+        * *       #         * *       # Abbildung B.1.: Raster der Überblicksauswertung 496 B.3. Verwendete Fragebögen – 25%-Quantil – Median – 75%-Quantil – 97.5%-Quantil – Ausreißer (Werte unterhalb des 2.5% und oberhalb des 97.5%-Quantils) Diese Parameter wurden für die Merkmale aller fünf Evaluierungsblöcke berechnet. Teilweise wurden einzelne Merkmale zueinander in Beziehung gesetzt, um eine Nor- mierung bzw. Vergleichbarkeit der Werte über Anwendungen bzw. Evaluierungsblöcke hinweg gewährleisten zu können. B.2.4. Signifikanztests Signifikanztests wurden lediglich für jene Merkmale durchgeführt, die zur Hypothesen- prüfung verwendet wurden. Da die Untersuchungen teilweise Bestandteil von für sich genommen umfangreicher angelegter Untersuchungen im Rahmen von Masterarbeiten waren, sind nicht aller erhobenen Merkmale (vor allem in der Benutzerbefragung) für diese Arbeit von Relevanz. Auswahlkriterien für Signifikanztests und Anmerkungen zu deren Durchführung wurden in Abschnitt 11.3.2 angegeben. Signifikanztests wurden in den Evaluierungsblöcken 2 bis 5 durchgeführt. B.2.5. Codierung offener Items Bei der Auswertung der für die Hypothesenprüfung relevanten offenen Items in der Be- nutzerbefragung der Evaluierungsblöcke 4 und 5 wurde jeweils ein Codierungsschema entwickelt, um inhaltlich identische Antworten zusammenzufassen. Dies wurde wieder- um nicht für alle in den Fragebögen angeführten offenen Items durchgeführt, die diese teilweise Bestandteil von für sich genommen umfangreicher angelegter Untersuchungen im Rahmen von Masterarbeiten waren. B.3. Verwendete Fragebögen Bei der Durchführung der Evaluierungsblöcke 1, 4 und 5 wurden zusätzlich zu den direkt aus der Modellbildung erhobenen Daten auch Benutzerbefragungen mittels Fragebögen durchgeführt. Im Folgenden sind für jeden Evaluierungsblock die verwendeten Frage- bögen angeführt. Zusätzlich werden die Fragebögen hinsichtlich ihrer Relevanz für die untersuchten Hypothesen (siehe Kapitel 12 bis 14) eingeordnet. Die Auswertungen der ausgefüllten Fragebögen sind detailliert (siehe Abschnitt B.1) bzw. aggregiert (siehe Ab- schnitt B.2) in digitaler Form verfügbar. 497 B.3. Verwendete Fragebögen B.3.1. Fragebögen aus Evaluierungsblock 1 Die Abbildungen B.2 bis B.4 zeigen den in Evaluierungsblock 1 verwendeten Fragebogen für die Modellierenden. Die Abbildungen B.5 bis B.6 zeigen den in Evaluierungsblock 1 verwendeten Fragebogen für die interpretierenden Teilnehmer. Abbildung B.7 zeigt den Fragebogen bezüglich der Korrektheit der Interpretation, der durch die Modellierenden ausgefüllt wurde. Abbildung B.8 zeigt den Fragebogen zur Erhebung der Modellierungs- vorkenntnisse. Dieser Fragebogen wurde von allen Teilnehmern ausgefüllt. Der Aufbau der Fragebögen wurde von Bohninger (2010) detailliert beschrieben und begründet. 498 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.2.: Erster Fragebogen für Modellierer in Evaluierungsblock 1 - Seite 1 499 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.3.: Erster Fragebogen für Modellierer in Evaluierungsblock 1 - Seite 2 500 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.4.: Erster Fragebogen für Modellierer in Evaluierungsblock 1 - Seite 3 501 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.5.: Fragebogen für Interpretierer in Evaluierungsblock 1 - Seite 1 502 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.6.: Fragebogen für Interpretierer in Evaluierungsblock 1 - Seite 2 503 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.7.: Fragebogen bezüglich der Korrektheit der Interpretation in Evaluie- rungsblock 1 504 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.8.: Fragebogen bezüglich Modellierungsvorkenntnissen in Evaluierungs- block 1 505 B.3. Verwendete Fragebögen B.3.2. Fragebögen aus Evaluierungsblock 4 Die Abbildungen B.9 bis B.16 zeigen den ersten in Evaluierungsblock 4 verwendeten Fragebogen. Die Abbildungen B.17 bis B.24 zeigen den zweiten in Evaluierungsblock 4 verwendeten Fragebogen. Der Aufbau der Fragebögen wurde von Wahlmüller (2010) detailliert beschrieben und begründet. 506 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.9.: Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 1 507 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.10.: Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 2 508 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.11.: Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 3 509 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.12.: Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 4 510 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.13.: Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 5 511 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.14.: Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 6 512 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.15.: Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 7 513 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.16.: Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 8 514 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.17.: Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 1 515 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.18.: Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 2 516 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.19.: Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 3 517 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.20.: Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 4 518 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.21.: Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 5 519 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.22.: Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 6 520 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.23.: Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 7 521 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.24.: Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 8 522 B.3. Verwendete Fragebögen B.3.3. Fragebögen aus Evaluierungsblock 5 Die Abbildungen B.25 bis B.31 zeigen den in Evaluierungsblock 5 verwendeten Frage- bogen. Der Aufbau des Fragebogens wurde von Bindreiter (2010) detailliert beschrieben und begründet. 523 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.25.: Fragebogen für Evaluierungsblock 5 - Seite 1 524 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.26.: Fragebogen für Evaluierungsblock 5 - Seite 2 525 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.27.: Fragebogen für Evaluierungsblock 5 - Seite 3 526 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.28.: Fragebogen für Evaluierungsblock 5 - Seite 4 527 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.29.: Fragebogen für Evaluierungsblock 5 - Seite 5 528 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.30.: Fragebogen für Evaluierungsblock 5 - Seite 6 529 B.3. Verwendete Fragebögen Abbildung B.31.: Fragebogen für Evaluierungsblock 5 - Seite 7 530 Verzeichnisse 531 Abbildungsverzeichnis 1.1. Forschungsfragen und Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.2. Zusammenhänge zwischen den Kapiteln der Arbeit . . . . . . . . . . . . 12 1.3. Zusammenhang zwischen Zielsetzung und Struktur der Arbeit . . . . . . 18 2.1. Kapitel „Articulation Work“ im Gesamtzusammenhang . . . . . . . . . . 22 2.2. Konzeptualisierung von Arbeitsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.3. Articulation Work im Durchführungskontext . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.4. Abzustimmende Arbeitsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.5. Zusammenhänge zwischen Arbeitsaspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.6. Artikulations-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.7. Mentale Modelle im Kontext der Arbeitsmodellierung . . . . . . . . . . . 62 3.1. Kapitel „Mentale Modelle“ im Gesamtzusammenhang . . . . . . . . . . . 76 3.2. Schemata und mentale Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3.3. Externalisierung mentaler Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3.4. Struktur einer Concept Map . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.5. Mentale Modelle und Articulation Work im Gesamtzusammenhang . . . 96 4.1. Kapitel „Methodik und Anwendungsszenarien“ im Gesamtzusammenhang 98 4.2. Externalisierung mentaler Modelle mittels Strukturlegetechniken und Con- cept Mapping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 5.1. Kapitel „Anforderungen an ein Werkzeug“ im Gesamtzusammenhang . . 115 6.1. Kapitel „Grundlagen der Realisierung und verwandte Arbeiten“ im Ge- samtzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 6.2. Tangible Interfaces in Lernprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 6.3. Bedeutung von Objekten in TUIs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 6.4. Interaktionsmodelle für GUI und TUI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 6.5. Arten von Tangible User Interfaces . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 6.6. Überblick über das MCRit-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 7.1. Kapitel „Eingabe und Interpretation“ im Gesamtzusammenhang . . . . . 173 7.2. Architektur des TUIpist-Framework . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 7.3. Zusammenspiel der Komponenten in TUIpist . . . . . . . . . . . . . . . . 186 532 Abbildungsverzeichnis 7.4. AR Toolkit Marker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 7.5. Visual Codes – Aufbau und Features . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 7.6. ReacTIVision Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 7.7. Überblick über den Aufbau des Werkzeugs – Eingabekomponenten . . . . 197 7.8. An Tokens angebrachte ReacTIVision-Codes zur Identifikation . . . . . . 199 7.9. Arten von Modellierungstokens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 7.10. Rückwand von Container Tokens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 7.11. Geöffnetes Container Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 7.12. Modellelemente – Taxonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 7.13. Einbettbare Tokens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 7.14. Markierung-Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 7.15. Lösch-Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 7.16. Registrierungstoken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 7.17. Snapshot-Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 7.18. History-Token . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 7.19. Softwarearchitektur zur Erkennung von Benutzerinteraktion . . . . . . . 220 8.1. Kapitel „Ausgabe“ im Gesamtzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . 238 8.2. Überblick über den Aufbau des Werkzeugs – Ausgabekomponenten . . . 247 8.3. Softwarearchitektur zur Verwaltung der Ausgabekanäle . . . . . . . . . . 254 8.4. Darstellung von Modellelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 8.5. Darstellung von Verbindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 8.6. Darstellung gerichteter Verbinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 8.7. Darstellung von Containern und eingebetteten Elementen . . . . . . . . . 258 8.8. Markierung von Modellelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 8.9. Darstellung der Modellierungshistorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 8.10. Unterstützung der Wiederherstellung von Modellzuständen . . . . . . . . 262 8.11. Zusammenhänge der Klassen zur Ausgabebehandlung . . . . . . . . . . . 264 9.1. Kapitel „Persistierung“ im Gesamtzusammenhang . . . . . . . . . . . . . 271 9.2. Grundlegende Elemente einer Topic Map . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 9.3. Umfassende Darstellung der Elemente einer Topic Map . . . . . . . . . . 274 9.4. Abgrenzung zwischen Subject und Occurrence in Topic Maps . . . . . . . 275 9.5. Benennung von Topics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 9.6. Beziehungen in der Metamodellbildung in Topic Maps . . . . . . . . . . 279 9.7. Abbildung von Gültigkeitsbereichen durch Scopes . . . . . . . . . . . . . 282 9.8. Abbildung von Modellinformation in Topic Maps . . . . . . . . . . . . . 284 9.9. Definition des Meta-Models (ohne Kardinalitäten) . . . . . . . . . . . . . 287 9.10. Einbindung des Meta-Meta-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 9.11. Ausschitt einer mittels GraphViz visualisierten Topic Map . . . . . . . . 292 9.12. Modellierungshistorie als exportierte Grafik . . . . . . . . . . . . . . . . 295 9.13. Modell-Hierarchie als exportierte Grafik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 533 Abbildungsverzeichnis 10.1. Kapitel „Konzeptuelle Einordnung“ im Gesamtzusammenhang . . . . . . 303 11.1. Kapitel „Überblick über die empirische Untersuchung“ im Gesamtzusam- menhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 12.1. Kapitel „Evaluierung der Verwendbarkeit des Werkzeugs“ im Gesamtzu- sammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 12.2. Dauer der Werkzeugverwendung – Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 363 12.3. Dauer der Werkzeugverwendung – Evaluierungblock 3 . . . . . . . . . . . 364 12.4. Dauer der Werkzeugverwendung – Evaluierungblock 2 . . . . . . . . . . . 365 12.5. Zeitverteilung zwischen den Teilnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 12.6. Verteilung der Benutzereinschätzungen zum kooperativen Modellieren . . 369 12.7. Zusammenhang zwischen Modellgröße und Modellierungsdauer . . . . . . 374 12.8. Verteilung der Anzahl der Fehlerkennungen je Anwendung – Übersicht . 379 12.9. Verteilung der Benutzereinschätzungen zur Wirkung des Werkzeugs . . . 380 12.10.Connectedness in den Evaluierungsblöcken 2 und 3 . . . . . . . . . . . . 389 13.1. Kapitel „Evaluierung der erstellten Modelle“ im Gesamtzusammenhang . 399 13.2. Anzahl der verwendeten Elemente – Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . 408 13.3. Anzahl der verwendeten Verbindungen – Übersicht . . . . . . . . . . . . 409 13.4. Vernetzungsgrad (Verbindungen / Blöcke) – Übersicht . . . . . . . . . . 410 13.5. Gegenüberstellung der Modellgrößen in Evaluierungsblock 5 . . . . . . . 416 13.6. Verteilung der Benutzereinschätzungen zum kooperativen Modellieren . . 422 13.7. Korrekt intepretierbares Modell ohne Verbinder (hierarchisch) . . . . . . 425 13.8. Korrekt intepretierbares Modell ohne Verbinder (ablauforientiert) . . . . 426 13.9. Bei Vernachlässigung der Verbinder nur unvollständig interpretierbares Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 14.1. Kapitel „Evaluierung der durchgeführten Articulation Work“ im Gesamt- zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 14.2. Verteilung der Benutzereinschätzungen zur Verständnisbildung durch das Werkzeug – Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 14.3. Verteilung der Benutzereinschätzungen zur Verständnisbildung durch das Werkzeug – Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 14.4. Verteilung der Benutzereinschätzungen zur Wirkung der Modellbildung auf die Arbeitsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 15.1. Kapitel „Schussbetrachtungen“ im Gesamtzusammenhang . . . . . . . . 452 15.2. Gesamtzusammenhang der verwendeten Konzepte . . . . . . . . . . . . . 453 A.1. Literatur zu Articulation Work im Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 B.1. Raster der Überblicksauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 B.2. Erster Fragebogen für Modellierer in Evaluierungsblock 1 - Seite 1 . . . . 499 534 Abbildungsverzeichnis B.3. Erster Fragebogen für Modellierer in Evaluierungsblock 1 - Seite 2 . . . . 500 B.4. Erster Fragebogen für Modellierer in Evaluierungsblock 1 - Seite 3 . . . . 501 B.5. Fragebogen für Interpretierer in Evaluierungsblock 1 - Seite 1 . . . . . . 502 B.6. Fragebogen für Interpretierer in Evaluierungsblock 1 - Seite 2 . . . . . . 503 B.7. Fragebogen bezüglich der Korrektheit der Interpretation in Evaluierungs- block 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 B.8. Fragebogen bezüglich Modellierungsvorkenntnissen in Evaluierungsblock 1 505 B.9. Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 1 . . . . . . . . . . . . 507 B.10.Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 2 . . . . . . . . . . . . 508 B.11.Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 3 . . . . . . . . . . . . 509 B.12.Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 4 . . . . . . . . . . . . 510 B.13.Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 5 . . . . . . . . . . . . 511 B.14.Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 6 . . . . . . . . . . . . 512 B.15.Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 7 . . . . . . . . . . . . 513 B.16.Erster Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 8 . . . . . . . . . . . . 514 B.17.Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 1 . . . . . . . . . . . 515 B.18.Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 2 . . . . . . . . . . . 516 B.19.Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 3 . . . . . . . . . . . 517 B.20.Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 4 . . . . . . . . . . . 518 B.21.Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 5 . . . . . . . . . . . 519 B.22.Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 6 . . . . . . . . . . . 520 B.23.Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 7 . . . . . . . . . . . 521 B.24.Zweiter Fragebogen für Evaluierungsblock 4 - Seite 8 . . . . . . . . . . . 522 B.25.Fragebogen für Evaluierungsblock 5 - Seite 1 . . . . . . . . . . . . . . . . 524 B.26.Fragebogen für Evaluierungsblock 5 - Seite 2 . . . . . . . . . . . . . . . . 525 B.27.Fragebogen für Evaluierungsblock 5 - Seite 3 . . . . . . . . . . . . . . . . 526 B.28.Fragebogen für Evaluierungsblock 5 - Seite 4 . . . . . . . . . . . . . . . . 527 B.29.Fragebogen für Evaluierungsblock 5 - Seite 5 . . . . . . . . . . . . . . . . 528 B.30.Fragebogen für Evaluierungsblock 5 - Seite 6 . . . . . . . . . . . . . . . . 529 B.31.Fragebogen für Evaluierungsblock 5 - Seite 7 . . . . . . . . . . . . . . . . 530 535 Tabellenverzeichnis 6.1. Kategorien von konzeptuellen Arbeiten im Gebiet Tangible User Interfaces157 6.2. Gegenüberstellung der Nomenklatur zur Beschreibung der Elemente eines TUI – Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 6.3. Gegenüberstellung der Nomenklatur zur Beschreibung der Elemente eines TUI – Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 7.1. Gegenüberstellung der Frameworks für video-basierten Input . . . . . . . 192 7.2. Gegenüberstellung der generischen Frameworks . . . . . . . . . . . . . . 195 10.1. Beurteilung des Werkzeugs hinsichtlich des Degree of Coherence . . . . . 315 10.2. Spezifikation des Werkzeug mittels TAC-Schema – Teil 1 . . . . . . . . . 317 10.3. Spezifikation des Werkzeug mittels TAC-Schema – Teil 2 . . . . . . . . . 318 10.4. Einordnung des Systems in die Taxonomie nach Fishkin . . . . . . . . . 321 11.1. Ursprüngliches globales Untersuchungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . 350 11.2. Einfluss der Untersuchungen auf die zu evaluierenden Aspekte . . . . . . 350 12.1. Hypothesen zur Benutzbarkeit des Werkzeugs und deren Bezug zu den Anforderungen an das Werkzeug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 12.2. Stichproben der Evaluierung zur Werkzeugverwendung . . . . . . . . . . 362 12.3. Dauer der Werkzeugverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 12.4. Anzahl der Modelle mit Verbindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 12.5. Befragung Kooperative Modellierung – Itemauswertung . . . . . . . . . . 369 12.6. Anzahl des Einsatzes der Wiederherstellungsfunkion . . . . . . . . . . . . 377 12.7. Fehlfunktionen und Abstürze des Werkzeugs . . . . . . . . . . . . . . . . 378 12.8. Befragung über die Wirkung des Werkzeugs – Itemauswertung . . . . . . 380 12.9. Modellierungszeiten in Abhängigkeit der Modellgröße in Evaluierungs- block 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 12.10.Anzahl der Fehlbedienungen in Evaluierungsblock 2 . . . . . . . . . . . . 387 12.11.Verwendung des Löschtokens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 13.1. Hypothesen zur Anwendung des Instruments und deren Bezug zu den Anforderungen an das Werkzeug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 13.2. Stichproben der Evaluierung zur Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . 408 13.3. Anzahl der bedeutungstragenden Elemente je Modell . . . . . . . . . . . 412 536 Tabellenverzeichnis 13.4. Korrektheit der Modellinterpretation in Evaluierungsblock 4 . . . . . . . 418 13.5. Korrektheit der Modellinterpretation in Evaluierungsblock 5 . . . . . . . 418 13.6. Befragung Kooperative Modellierung im Werkzeugvergleich – Itemaus- wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 14.1. Hypothesen zur Wirkung des Instruments auf die Articulation Work und deren Bezug zu den Anforderungen an das Werkzeug . . . . . . . . . . . 433 14.2. Stichproben der Evaluierung zur Articulation Work . . . . . . . . . . . . 436 14.3. Befragung über die Verständnisbildung bei der Modellierung – Itemaus- wertung Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 14.4. Befragung über die Verständnisbildung bei der Modellierung – Itemaus- wertung Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 14.5. Befragung über die Wirkung der Modellbildung auf die Arbeitsprozesse – Itemauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 14.6. Ergebnis der „Production Work“ in Evaluierungsblock 2 . . . . . . . . . 444 14.7. Ergebnis der „Production Work“ ohne Unterstützung der „Articulation Work“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 15.1. Erfüllung der Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 537 Abkürzungsverzeichnis API Application Interface AWT Abstract Window Toolkit CORBA Common Object Request Broker Architecture CSCL Computer Supported Cooperative Learning CSCW Computer Supported Cooperative Work EAN European Article Number ECA Event-Condition-Action EMF Eclipse Modeling Framework EPK Ereignisgesteuerte Prozesskette GB Gigabyte GEF Graphical Editing Framework (Eclipse-Komponente) GIF Graphics Interchange Format GMF Graphical Modeling Framework (Eclipse-Komponente) GPS Global Positioning System GUI Graphical User Interface HCI Human Computer Interaction HSLT Heidelberger Strukturlegetechnik HTTP Hypertext Transfer Protocol IP Internet Protocol JPEG Joint Photographic Experts Group (File Interchange Format) JRE Java Runtime Environment LCD Liquid Crystal Display (Flüssigkristallanzeige) LED Light Emitting Diode (Leuchtdiode) MaNET Mannheimer Netzwerk-Elaborations-Technik MCRit Model-Control-Representation (intangible and tangible) MCRpd Model-Control-Representation (physical and digital) 538 Abbildungsquellen MVC Model-View-Controller OADI Observe – Assess – Design – Implement OCR Optical Character Recognition ODF Open Document Format OLED Organic Light Emitting Diode OWL Ontology Web Language PMS Process Modelling Success PNG Portable Network Graphics RDBMS Relationales Datenbank Management System RDF Ressource Description Framework RFID Radio Frequency Identification RMI Remote Methode Invocation TAC Token and Constraint TCP Transport Control Protocol TEL Technology Enhanced Learning TUI Tangible User Interface UDP User Datagram Protocol UML Unified Modelling Language URI Uniform Resource Identifier WfMS Workflow-Management-System XML Extensible Markup Language XTM XML Topic Map 539 Abbildungsquellen Dieser Anhang enthält Quellenangaben für alle in dieser Arbeit verwendeten Abbildun- gen, sofern sie nicht vom Autor erstellt wurden. Sofern nicht anders angegeben, sind alle Abbildungen und Fotos Werke des Autors und dürfen nicht ohne ausdrückliche Zustim- mung verwendet werden. Abbildung 2.4 Tabelle über abzustimmende Arbeitsaspekte übernommen von (Schmidt und Simone, 1996) Abbildung 2.5 Abbildung über Zusammenhänge zwischen Arbeitsaspekte übernommen von (Divitini und Simone, 2000) Abbildung 2.6 Abbildung des Artikulations-Prozesses nach (Mi und Scacchi, 1991) über- nommen von ebenda Abbildung 2.7 Abbildung über Mentale Modelle im Kontext der Arbeitsmodellierung übernommen von (Herrmann et al., 2002) Abbildung 3.2 Abbildung über den Zusammenhang zwischen Schemata und Mentalen Modellen übernommen von (Ifenthaler, 2006) Abbildung 3.3 Abbildung über die Externalisierung mentaler Modelle übernommen von (Ifenthaler, 2006) Abbildung 3.4 Abbildung über die Struktur einer Concept Map übernommen von (No- vak und Cañas, 2006) Abbildung 6.2 Taxonomie von Tangible Interfaces im Kontext von Lernprozessen über- nommen von (Marshall, 2007) Abbildung 6.4 Abbildung des MVC- und MCRpd-Modells übernommen von (Ullmer und Ishii, 2000) Abbildung 6.5 Abbildung unterschiedlicher Arten von Tangible User Interfaces über- nommen von (Ullmer et al., 2005) Abbildung 6.6 Abbildung des MCRit-Modells übernommen von (Ishii, 2008) Abbildung 7.4 Bild des AR Toolkit Markers entnommen von www.hitl.washington.edu/ artoolkit/ (Website der Entwickler) Abbildung 7.5 Bild des Visual Code Markers übernommen von (Rohs und Gfeller, 2004) 540 Abbildungsquellen Abbildung 9.4 Foto der Tasse lizenzfrei unter http://www.oldskoolman.de/bilder/ freigestellte-bilder/essen-trinken/kaffee-tasse-freigestellt/, übrige Abbildung eige- ne Darstellung Abbildungen B.2 bis B.31 Abbildungen der verwendeten Fragebögen übernommen von (Bohninger, 2010), (Wahlmüller, 2010) und (Bindreiter, 2010) 541 Publikationen im Kontext dieser Arbeit Oppl und Stary (2005) „Towards Human-Centered Design of Diagrammatic Represen- tation Schemes“: Konferenz-Beitrag (8 Seiten ACM), in der erstmals der Ansatz der semantischen Offenheit in der Prozessmodellierung auf einer Fallstudie heraus argumentiert wird und als Mittel der Abbildung individueller Erklärungsmuster oder mentaler Modelle in Prozessmodellen bezeichnet wird. Oppl (2006) „Towards Intuitive Work Modeling with a Tangible Collaboration Inter- face Approach“: Workshop-Paper (6 Seiten IEEE), das die technologischen Fragen bei der Konzeption eines tangiblen Modellierungswerkzeugs beschreibt und die bei der technischen Umsetzung zu lösenden Probleme aufzeigt. Oppl et al. (2006) „Towards Tangible Work Modeling“: Konferenz-Beitrag (6 Seiten Oldenburg-Verlag), in der die erste Umsetzung des tangiblen Modellierungswerk- zeugs beschrieben wird. Die Argumentation erfolg aus den Arbeiten zur digital augementierem Montessori-Material heraus, welche auf das Anwendungsgebiet der Aufgabenmodellierung abgebildet werden. Der erste Prototyp des Systems und eine Möglichkeit zur digitalen Repräsentation der individuell eingebrachten Infor- mation werden aus technischer Sicht beschrieben. Oppl (2007b) „Spielen Sie noch? – Bausteine im Unternehmenskontext“: Workshop- Paper (4 Seiten Oldenburg-Verlag), dass erstmalig den Gegenstands der Modellbil- dung von Geschäftsprozessen hin zu Arbeitswissen verallgemeinert und den Ansatz aus dem Forschungsgebiet des Organisationalen Lernen heraus argumentiert. Oppl (2007a) „Flexibility of Content for Organisational Learning - A Topic Map Ap- proach“: Master-Arbeit (270 Seiten A4), in der die Repräsentation der Modelle mittels Topic Maps eingeführt wird und deren Notwendigkeit zur erfolgreichen Durchführung von organisationalen Lernprozessen argumentiert wird. Konzeption und Beschreibung der auch in dieser Arbeit zum Einsatz gebrachten Topic-Map- Engine. Oppl und Peherstorfer (2007) „Human Intervention in cross-organizational Process Development“: Konferenz-Beitrag (10 Seiten, A4), der aus einem durchgeführten Projekt heraus für eine humanzentrierte Sichtweise bei der organisationsübergrei- fenden Festlegung von Arbeitsprozessen argumentiert und darin einen Beitrag zur Fundierung dieser Arbeit liefert. 542 Publikationen im Kontext dieser Arbeit Furtmüller und Oppl (2007) „A Tuple-Space based Middleware for Collaborative Tan- gible User Interfaces“: Workshop-Paper (6 Seiten IEEE), in dem eine Middleware zur flexiblen und dynamischen Kopplung der Informationserfassungs-, -interpretations- und -ausgabemöglicheiten am Tabletop Interface beschrieben wird und deren Ein- satz im konkreten Werkzeug umrissen wird. Oppl (2008b) „Graspable Work Modeling“: Konferenz-Beitrag (4 Seiten Oldenburg- Verlag), in dem erstmals die aktuelle Implementierung des Werkzeugs und die Umsetzung des zweiten Hardware-Prototypen beschrieben wird. Dabei wird erst- malig auf die Fundierung des Ansatzes durch „Articulation Work“ verwiesen. Oppl (2008a) „Begreifbare Modellierung von Arbeit“: Workshop-Beitrag (3 Seiten GI LNI), der ebenfalls auf die aktuelle Implementierung des Werkzeugs eingeht und den Mehrwert der tangiblen Interaktionsmöglichkeiten im konkreten Anwendungs- fall argumentiert. Oppl und Stary (2009) „Tabletop Concept Mapping“: Konferenz-Beitrag (8 Seiten ACM), in dem die Verwendung des Werkzeugs zur Durchführung von Concept Mapping beschrieben wird und in dem erstmal empirische Ergebnisse der Werkzeugverwen- dung angeführt sind. Fokus dieser Arbeit war die Modellbildung mit dem Werk- zeug, nicht dessen Einsatz zur Durchführung von „Articulation Work“. Oppl (2009c) „Unterstützung expliziter Articulation Work“: Workshop-Beitrag (4 Sei- ten A4), in der die Wirkung des Werkzeugs im Kontext von techologiegestütztem Lernen (TEL3) betrachtet wird. Oppl (2009a) „A Tabletop Interface to support Concept Mapping“: Workshop-Paper (3 Seiten A4), in dem eine Kurzübersicht über das Werkzeug zum Einsatz im universitären Lern-Kontext gegeben wird. Oppl (2009b) „Konsistente Verwendung von Metaphern als Erfolgskriterium für kom- plexe Tangible User Interfaces“: Workshop-Paper (4 Seiten GI LNI), in dem die Einflussfaktoren auf die Verständlichkeit von Werkzeugen zur Interaktion mit Tan- gible Interfaces an einem konkreten Beispiel konzeptuell erörtert und empirisch belegt werden. Oppl (2009d) „Using a Tangible Tabletop Interface to facilitate Articulation Work“: Workshop-Paper (2 Seiten A4), in dem eine Kurzübersicht über das Werkzeug zum Einsatz in der Unterstützung von „Articulation Work“ wiederum in Lernszenarien gegeben wird. Oppl (2010) „Unterstützung expliziter Articulation Work durch Externalisierung von Arbeitswissen“: Buchbeitrag (25 Seiten A4), in dem das gesamte Forschungsprojekt konzeptuell wie in dieser Arbeit beschrieben argumentiert wird und die Umsetzung des Werkzeugs sowie die ersten empirischen Ergebnisse ausführlich dargestellt wer- den. 3Technology Enhanced Learning 543 Publikationen im Kontext dieser Arbeit Oppl et al. (2010) „Supporting Self-regulated Learning with Tabletop Concept Map- ping“: Buchbeitrag (15 Seiten A4, noch nicht erschienen), in dem das Konzept des hier vorgestellten Werkzeugs mit Ansätzen zur Unterstützung von selbst- gesteuertem Lernen und automatisierten, kontextsensitiven Interventionen in den Lernprozess in Zusammenhang gebracht wird und mögliche Anküpfungspunkte identifiziert werden. 544 Literaturverzeichnis Abecker, A., Bernardi, A., Hinkelmann, K., Kühn, O., und Sintek, M. (1998). Toward a Technology for Organizational Memories. 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August 1980 Familienstand verheiratet mit Sabrina 1 Sohn (Felix, geb. 2008) Staats- bürgerschaft Österreich Eltern Walter Oppl, Politiker Ursula Oppl, Lehrerin Ausbildung seit 2006 Doktoratsstudium der technischen Wissenschaften in Informatik, Technische Universität Wien, Interactive Media Systems Group, Wien. 2005 – 2007 MBA-Aufbaustudium für Angewandtes Wissensmanagement, Johannes Kepler Universität, Linz. 2000 – 2004 Diplomstudium der Informatik, Johannes Kepler Universität, Linz. 1994 – 1999 BHS, HTL-Steyr, Abteilung für Elektronik – Ausbildungszweig Technische Informatik, Steyr. 1990 – 1994 AHS Unterstufe, Bundesgymnasium Werndlpark, Steyr. 1986 – 1990 Volksschule, Volksschule 2 Ennsleite, Steyr. Abschlüsse & Auszeichnungen 2007 Abschluss des Aufbaustudium für Angewandtes Wissensmanagement an der Johannes Kepler Universität Linz mit ausgezeichnetem Erfolg Masterarbeit: Flexibility of Content for Organisational Learning – A Topic Map Ap- proach Akad. Grad: Master of Business Administration (MBA) 2005 Würdigungspreis der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur für her- vorragende Studienleistungen 2004 Abschluss des Diplomstudiums Informatik an der Johannes Kepler Universität Linz mit ausgezeichnetem Erfolg Diplomarbeit: Context-aware Group-Interaction, Institut für Pervasive Computing Akad. Grad: Diplom-Ingenieur (Dipl.-Ing) 2002 – 2004 Dreimaliger Empfänger eines Leistungsstipendiums der Johannes Kepler Universität Linz 1999 Reifeprüfung an der HTL Steyr (Abteilung für Elektronik - Ausbildungszweig Tech- nische Informatik) mit ausgezeichnetem Erfolg Berufliche Erfahrungen seit 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Wirtschaftsinformatik - Communica- tions Engineering, Johannes Kepler Universität Linz. Forschung und Lehre im Bereich der Modellierung, Gestaltung und Implementierung interak- tiver Systeme seit 2007 externer Lehrbeauftragter, FH Campus Steyr, FH OÖ Studienbetriebs GmbH. Lehre in den Gebieten „Einführung IT“, „Mobile Computing“ und „Wissenschaftliches Ar- beiten“ 2003 – 2005 Projektassistent, Institut für Pervasive Computing, Johannes Kepler Universität Linz. Arbeitsgebiete: mobiles Lernen, kontextsensitive Anwendungen für mobile Endgeräte 2003 – 2004 Tutor für die Lehrveranstaltung „Telekooperation“, Institut für Pervasive Com- puting, Johannes Kepler Universität Linz. Studierendenbetreuung, Übungs-Korrektur Sommer 2000 – 2004 2x Rettungssanitäter, OÖ Rotes Kreuz, Bezirksstelle Steyr-Stadt. Sanitäter, Einsatzfahrer Sommer 2000 – 2004 2x Jugendbetreuer, Kinderfreunde OÖ, in Zusammenarbeit in der Jugendwohlfahrt OÖ. Betreuer bei Erholungsferien für Kinder aus schwierigen Verhätnissen Juli – August 1998 Ferialarbeit, Steyr Daimler Puch Engineering Centre – Abteilung für Akustik und Schwingungstechnik, Steyr Daimler Puch (heute: Magna Powertrain). Juli 1997 Ferialpraktikum, Ennskraftwerke AG, Steyr. Juli 1996 Ferialpraktikum, BMD Computer Systemhaus, Steyr. Präsenzdienst September 1999 - April 2000 Sanitätsgehilfe, Salzburg and Kirchdorf. Projekte MobiLearn Projektmitarbeiter, nationales Projekt in der NML-Initiative – www.mobilearn.at, Institut für Pervasive Computing – JKU Linz, 2003-2004. Entwicklung von mobil einsetzbaren Lernunterlagen zum Thema „Pervasive Computing“, As- sistenz der Projektleitung ONE SmartSpace Projektmitarbeiter, Industrie-Kooperation mit Fa. One (Mobilfunk-Anbieter), 2004- 2005, Institut für Pervasive Computing – JKU Linz. Entwicklung und Implementierung von „smart living“- Szenarien im persönlichen Wohnumfeld SiLiCon CON Projektmitarbeiter, Industrie-Kooperation mit Siemens Corporate Technology München, 2003-2005, Institut für Pervasive Computing – JKU Linz. Entwicklung und Implementierung von Anwendungsszenarien für kontext-sensitive Applikatio- nen, Vorbereitung und Durchführung von Technologietransfer-Workshops CrossWork Projektmitarbeiter, EU-Projekt (FP6 IST) – www.crosswork.info, 2005-2006, Insti- tut für Wirtschaftsinformatik – Communications Engineering – JKU Linz. operative Leitung der lokalen Arbeitsgruppe, Erhebung der Beschaffungs- und Vernet- zungsprozesse der Industriepartner SUddEN Projektmitarbeiter, EU-Projekt (FP6 IST) – www.sudden.biz, 2006-2008, Institut für Wirtschaftsinformatik – Communications Engineering – JKU Linz. Erhebung der Beschaffungs- und Vernetzungsprozesse und der Industriepartner, Mitarbeit an der Entwicklung von Ansätzen zum Profiling und zur Entwicklung von Netzwerk-Kompetenzen bei SMEs. Sprachkenntnisse Deutsch Fließend Muttersprache Englisch Fließend in Wort und Schrift IT-Kenntnisse Betriebssysteme Windows, GNU/Linux, Mac OS X System- administration GNU/Linux (Debian, Ubuntu) Bürosoftware MS Office (Word, Excel, Powerpoint, Access), Openoffice (gesamte Suite), iWork (gesamt Suite), LaTeX Software- entwicklung Detailkenntnisse: Java, C, C++, Grundkenntnisse: PHP, Bash Scripting, Objective C Verteilte Systeme Apache Webserver, Kryptographisch gesicherte Kommunikationskanäle (SSH, OpenPGP, . . . ), CMS- und CSCW-Werkzeuge (Nuxeo, Typo3, CalDAV, MediaWiki, Wordpress, . . . ) Geschäfts- prozess- management ARIS Business Architect (Modellierung, Simulation), JCOM1 Suite (Modellierung, Simulation, Ausführung), BPMN (Modellierung) Publikationen Abschlussarbeiten S. Oppl. Context-aware Group-Interaction. Master’s thesis, University of Linz, Department for Pervasive Computing, September 2004. S. Oppl. Flexibility of Content for Organisational Learning - A Topic Map Approach. Master’s thesis, University of Linz, May 2007. Zeitschriftenbeiträge C. Stary and S. Oppl. Konsistente Navigation in stationären und mobilen web-basierten Lehr- & Lern-Umgebungen. Zeitschift für e-learning, 2(4), November 2007. Buchbeiträge S. Oppl. Unterstützung expliziter Articulation Work durch Externalisierung von Arbeitswissen. In M.F. Peschl and H. Risku, editors, Kognition und Technologie im kooperativen Lernen, Vienna University Press, pages 33–56. Vandenhoeck & Ruprecht, May 2010. S. Oppl, P. Peherstorfer, and C. Stary. The User Perspective, Automotive Industry Use Cases. In N. Mehandjiev and P. Grefen, editors, Dynamic Business Process Formation for Instant Virtual Enterprises, Advanced Information and Knowledge Processing, chapter 9, 11. Springer, 2010. S. Oppl, C. Steiner, and D. Albert. Supporting Self-regulated Learning with Tabletop Concept Mapping. In Interdisciplinary approaches to technology-enhanced learning. to appear, 2010. Konferenzbeiträge A. Ferscha, C. Holzmann, and S. Oppl. Context awareness for Group Interaction Support. In Proceedings of the 2nd International Workshop on Mobility Management and Wireless Access Protocols (MobiWAC ’04), pages 88–97. ACM Press New York, NY, USA, September 2004. A. Ferscha, C. Holzmann, and S. Oppl. Team Awareness in Personalized Learning Environments. In Proceedings of MLearn 2004, July 2004. S. Oppl and C. Stary. Towards Human-Centered Design of Diagrammatic Representation Schemes. In A. Dix and A. Dittmar, editors, Proceedings of the 4th International Workshop on Task Models and Diagrams for User Interface Design (TAMODIA 2005), pages 55–62. ACM Press New York, NY, USA, September 2005. S. Oppl and G. Weichhart. Requirements for Collaborative Process Design. In Andreas Auinger, editor, Workshop-Proceedings der 5. fachuebergreifenden Konferenz Mensch und Computer 2005, volume 197 of books@ocg.at, pages 15–22. OCG, September 2005. S. Oppl. Towards Intuitive Work Modeling with a Tangible Collaboration Interface Approach. In Proceedings of WETICE ’06. IEEE Press, June 2006. S. Oppl, C. Stary, and A. Auinger. Towards Tangible Work Modeling. In Proceedings of Mensch und Computer 2006, pages 400–405. Oldenburg Wissenschaftsverlag, September 2006. C. Stary, E. Stary, and S. Oppl. Inclusive Design of Ambient Knowledge Transfer. In Proceedings of 9th ERCIM Workshop ’User Interfaces For All’. Springer, September 2006. G. Weichhart, C. Stary, and S. Oppl. Modelling of Complex Supply Networks. In Proceedings of WETICE ’06, pages 265–268. IEEE Press, June 2006. F.G. Furtmüller and S. Oppl. A Tuple-Space based Middleware for Collaborative Tangible User Interfaces. In Proceedings of WETICE ’07. IEEE Press, June 2007. S. Oppl. Spielen Sie noch? - Bausteine im Unternehmenskontext. In T. Paul-Stueve, edi- tor, Workshop-Proceedings der 7. fachübergreifenden Konferenz Mensch und Computer 2007. Verlag der Bauhaus-Universität Weimar, September 2007. S. Oppl and P. Peherstorfer. Human Intervention in cross-organizational Process Development. In Proceedings of the 4th International Conference on Knowledge Management (ICKM 2007), August 2007. S. Oppl. Begreifbare Modellierung von Arbeit. In Workshop-Proceedings der 8. fachüber- greifenden Konferenz Mensch und Computer 2008. logos Verlag, 2008. S. Oppl. Graspable work modeling. In Proceedings of Mensch und Computer 2008. Oldenbourg Verlag, 2008. M. Neubauer, S. Oppl, and C. Stary. Towards Intuitive Modeling of Business Processes: Prospects for Flow- and Natural-Language-Orientation. In Proceedings of Tamodia 2009. Springer, September 2009. S. Oppl. Konsistente Verwendung von Metaphern als Erfolgskriterium für komplexe Tangible User Interfaces. In Workshop-Proceedings der 9. fachübergreifenden Konferenz Mensch und Computer 2009, September 2009. S. Oppl. Using a Tangible Tabletop Interface to facilitate Articulation Work. In Pierre Dillenbourg and Chia Shen, editors, Proceedings of the STELLAR Alpine Rendez-Vous Workshop on Tabletops for Education and Training. STELLAR, December 2009. S. Oppl and C. Stary. Tabletop concept mapping. In Proceedings of the 3rd International Conference on Tangible and Embedded Interaction (TEI ’09). ACM Press, February 2009. Sonstiges G. Weichhart, S. Oppl, and T. Waefler. Flexible and responsive cross-organisational Interoper- ability. In M. Taisch and K.D. Thoben, editors, Advanced Manufacturing - an ICT and Systems Perspective, pages 158–170. Network of Excellence on Intelligent Manufacturing Systems, Oc- tober 2005. M. Neubauer, C. Stary, and S. Oppl. Towards topic map-based e-learning environments (poster). In Proceedings of TMRA 2009, November 2009. S. Oppl. A Tabletop Interface to support Concept Mapping. In Proceedings of EduMedia 2009. Salzburg Research, May 2009. S. Oppl. Unterstützung expliziter Articulation Work – Statement of Interest for Participation in the Session on disruptive or seamless HCI in eLearning. In Proceedings of IATEL (Interdisci- plinary approaches to technology-enhanced learning). TU Darmstadt, June 2009. Lehre Johannes Kepler Universität Linz WS 2005/06 Übung Prozess- und Kommunikationsmodellierung (2 SWS) Kompetenztraining Communications Engineering (2 SWS) SS 2006 Übung Communications Engineering (2 SWS) Seminar Communications Engineering (2 SWS) WS 2006/07 Übung Prozess- und Kommunikationsmodellierung (2 SWS) Seminar Communications Engineering (2 SWS) SS 2007 Übung Communications Engineering (2 SWS) Seminar Communications Engineering (2 SWS) WS 2007/08 Übung Prozess- und Kommunikationsmodellierung (2 SWS) Seminar Communications Engineering (2 SWS) SS 2008 Übung Communications Engineering (2 SWS) Seminar Communications Engineering (2 SWS) WS 2008/09 Übung Prozess- und Kommunikationsmodellierung (2 SWS) Seminar Communications Engineering (2 SWS) SS 2009 Übung Prozess- und Kommunikationsmodellierung (2 SWS) Übung Communications Engineering (2 SWS) Seminar Wissensmanagement (2 SWS) SS 20010 Übung Prozess- und Kommunikationsmodellierung (2 SWS) Seminar Communications Engineering (2 SWS) FH OÖ – Campus Steyr SS 2007 Vorlesung Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten (1 SWS) 2x Übung IT Introduction 2 - Software Development (2 SWS) – Unterricht in Englisch WS 2007/08 Vorlesung Mobile Computing (1 SWS) Übung IT Introduction 1 (2 SWS) – Unterricht in Englisch SS 2008 2x Übung IT Introduction 2 - Software Development (2 SWS) – Unterricht in Englisch WS 2007/08 Vorlesung Mobile Computing (1 SWS) Vorlesung Mobile Computing (1 SWS) – Unterricht in Englisch Übung IT Introduction 1 (2 SWS) – Unterricht in Englisch SS 2009 Übung IT Introduction 2 - Software Development (2 SWS) – Unterricht in Englisch WS 2007/08 Vorlesung Mobile Computing (1 SWS) Vorlesung Mobile Computing (1 SWS) – Unterricht in Englisch Vorlesung IT Introduction 1 (1 SWS) – Unterricht in Englisch Übung IT Introduction 1 (2 SWS) – Unterricht in Englisch SS 2009 Übung IT Introduction 2 - Software Development (2 SWS) – Unterricht in Englisch Diplom- und Masterarbeiten (Mitbetreuung) Stefan Berger-Schützender and Gernot Hammerle. Konzeption und Implementierung eines Infor- mationsportals anhand der Communications Engineering Webseite. Master’s thesis, University of Linz, April 2007. Eva Doppelhammer. Prototypische Integration von Semantic Web-Technologien in einem Wiki. Master’s thesis, University of Linz, June 2007. Florian Georg Furtmüller. Implementierung eines Frameworks für berührbare Benutzungss- chnittstellen. Master’s thesis, University of Linz, February 2007. Sara Bartos. Inquiry-based learning in virtuellen Lernumgebungen. Master’s thesis, University of Linz, October 2008. Thomas Feiner. Modelleditor auf Basis dynamischer Metamodelle zur Unterstützung partizipa- tiver Modellerfassung und -reflexion. Master’s thesis, University of Linz, April 2008. Manuela Maier. Organizational Memories - Konzepte und Realisierungen. Master’s thesis, University of Linz, June 2008. Matthias Neubauer. Abbildung generischer Modelle auf Topic Maps. Master’s thesis, University of Linz, March 2008. Armin Sanders. Ein Portalentwicklungszyklus dargestellt anhand der Neukonstruktion der Seiten "Aufbaustudium Angewandtes Wissensmanagement" und "Zentrum für Wissensmanagement". Master’s thesis, University of Linz, October 2008. Günter Seiringer. Entwicklung eines Editors für die Erstellung und Visualisierung von Topic Maps. Master’s thesis, University of Linz, March 2008. Georg Mayrhauser. Abbildung der Content Struktur einer eLearning-Plattform auf Semantische Netze. Master’s thesis, University of Linz, 2010. Patrick Wahlmüller. Evaluation eines Werkzeugs zur Unterstützung von Articulation Work in der Praxis. Master’s thesis, University of Linz, May 2010. Bachelorarbeiten Christoph Rampetsreiter. Potential der elektronischen Datenübertragung mittels XML im B2B Laborbereich. bachelor thesis, FH OÖ - Campus Steyr, 2009. Nicole Reitmayr. Dezentrales Dokumentenmanagement mittels ECM. bachelor thesis, FH OÖ - Campus Steyr, 2009. Interessen Sonstige Ausbildungen und Befähigungsnachweise • Lenkerberechtigung Klasse A und B • Amateurfunklizenz CEPT 1 • Sanitätsgehilfe (Rettungssanitäter mit Berufsberechtigung) • Einsatzfahrerberechtigung • Hochschuldidaktischer Lehrgang an der Johannes Kepler Universität Linz • Lehrgang „Gruppen führen und leiten“, Fa. OE-263 • Lehrgang für Führungskräfte in Non-Profit-Organisationen, Kinderfreunde OÖ, u.a. Ausbildung in Projektmanagement, Rhetorik, Führungskompetenz • Segelschein Klasse A Ehrenamtliche Tätigkeiten seit 2009 Kindergruppenarbeit, Eltern-Kind-Zentrum Bärentreff, Steyr. Leitung einer Vater-Kind-Gruppe seit 1999 Rettungssanitäter, OÖ Rotes Kreuz – Bezirksstelle Steyr Stadt. Sanitäter, Einsatzfahrer 1996 – 2004 Jugendgruppenarbeit, Kinderfreunde Bezirk Steyr und Land OÖ. Landesvorsitzender der Roten Falken OÖ, Mitglied im Landesvorstand der Kinderfreunde OÖ 1994 – 1999 Schülervertreter, HTL Steyr. u.a. Schulsprecher-Stv. Sonstige Freizeitaktivitäten • Landschafts- und Makrofotografie • Nordic Walking • Skilauf Der eine fragt: Was kommt danach? Der andre fragt nur: Ist es recht? Und also unterscheidet sich der Freie von dem Knecht. Theodor Storm