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Ein kleiner Raum, drei künstlerische Positionen. In drei verschiedenen Medien, vor dem Hintergrund völlig unterschiedlicher Prozesse und Arbeitsweisen fordern die Werke Betrachter:innen auf, ihre Gemeinsamkeiten wie auch Kontraste auszuloten. Sowohl motivisch als auch in ihrer Formsprache lassen sich zwischen den skulpturalen, zeichnerischen und malerischen Arbeiten Bezüge herstellen, die sich eher als feines, unregelmäßiges Netz entspinnen, denn einem zentralen roten Faden folgen.
Allen drei Positionen liegt dabei zu einem gewissen Grad das Prinzip der Aneignung zugrunde - im Bilderstrudel der Gegenwart scheint dies geradezu unausweichlich, ist Kunst doch gleichermaßen von ihrer Umgebung geprägt, als sie ihr Ausdruck verleiht. Die Referenzen mögen popkultureller oder auch altmeisterlicher Natur sein, doch bleiben Motive selten eindeutig lesbar. Sie werden stets weiterentwickelt - anstatt nur im postmodernen Sinn als Zitat-Versatzstücke ineinander geschoben zu werden - und changieren oftmals zwischen mannigfaltigen Bedeutungsebenen. Dabei entwickelt jede:r Betrachter:in naturgemäß eigene Assoziationen, so beginnt mein Kopfkino buchstäblich im Film:
Im Glanz der Katastrophe sonnt sich Kirsten Dunst als Justine in Lars von Triers Melancholia unter dem nächtlichen Mondlicht im Wissen um einen heranrasenden, zerstörerischen Planeten. Die weiße Kugel taucht in den untitled Graphitzeichnungen immer wieder auf, nicht zuletzt in ihrem Format selbst, und spendet klares, kühles Licht. Als Mond ebenso wie als modernistische Lampe wabert sie durch die minutiös gezeichneten Bildwelten, die mal unbelebt sind, mal von einer tierähnlichen Figur bewohnt werden, die in ihrer Comicartigkeit der sublimen geometrischen Badezimmerkulisse einen Loriot'schen Twist verleiht.
Das Motiv der Kugel, des Balls, ist auch Bezugspunkt der Shackle Balls, die zeichnerische Feinheit wird jedoch abgelöst vom plastischen Formungsprozess, der durch einen ähnlich minutiösen Politurvorgang mithilfe eines Teelöffels beschlossen wird. Wie verbeulte Bowlingkugeln oder alte Sportbälle wirken die Skulpturen, denen durch die Aufknüpfung an Seilen ein morbides Moment eingehaucht wird, das ihre cartooneske Ausgangsform von ball and chain zur Personifikation umdeutet. Sie thronen mal hoch oben unter der Decke oder werden, einem Vogel im Nest gleich, am Boden positioniert.
Dass auch den nahezu abstrakten malerischen Werken motivische Vorlagen von Fotografien zugrunde liegen, mag ebenso überraschen, wie der gefinkelte Arbeitsprozess, der vollendeten Bildern wie i*0273 (Future Garden I) vorangeht. Es sind zufällige, oftmals verwischte digitale Fotos, die soziale Momente einfangen und mittels handelsüblichen Tintenstrahldrucken und Kleister auf Leinwand übertragen werden, wo sich die Farbe verselbstständigt. Wie flüchtige Erinnerungen ins Gedächtnis schreiben sich die Motive in die Kleisterschicht ein - lesbar bleiben sie nur mehr für den Künstler.
Sie vollziehen dabei den umgekehrten Prozess der Shackle Balls, deren glattpolierte Oberfläche sich jeglichen Spuren des Herstellungsprozesses verweigert, wo nur die Handabdrücke der Künstlerin als persönliche Einschreibung bleiben und als Dellen und Ausbeulungen nicht nur von Abnutzung zeugen, sondern neue, anthropomorphe Formen evozieren. In der Entfremdung der digitalen Bilder verschwimmen solche Assoziationen, das Auge wird mit einer Ungewissheit konfrontiert, die sich an manchen brüchigen, fast surrealistisch anmutenden Stellen auch in den gezeichneten untitleds widerspiegelt, den streng durchkomponierten Kulissen zum Trotz.
Gemein ist den drei Künstler:innen dabei neben ihrem ähnlich geprägten Blick auf ihre Umwelt die handwerkliche Präzision, die sich sowohl in den titelgebenden, spezifischen Oberflächenbehandlungen als auch in klaren Formen ausdrückt - eingebettet in eine digitale Bilderwelt, von der sie ebenso zehren wie von analogem Erleben. Das mag kitschig klingen, wären da nicht diese zarten Brechungen: ironische Momente und eine gewisse lakonische Leichtigkeit im Umgang mit jenen allgegenwärtigen Bildern.
Text:
Kathrin Heinrich
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