dc.description.abstract
Das größte Problem in der Chemotherapie ist, dass gängige Krebstherapeutika nicht zwischen gesunden Zellen und Tumorzellen unterscheiden können. Daher wird versucht, durch den gezielten Transport von Wirkstoff in die Tumorzelle, das therapeutische Ergebnis sowie die Sicherheit von Arzneimitteln zu verbessern. Trotz unbestreitbarer Fortschritte ist die erhöhte „off-target“-Toxizität, also die erhöhte Konzentration von Wirkstoff außerhalb des Tumorgewebes durch unspezifische Wirkstoffverteilung, bei vielen therapeutischen Ansätzen ein großes Problem. Eine vielversprechende Methode zur Bewältigung dieses Problems ist die Verwendung von „Prodrugs“, also Wirkstoffen deren Toxizität vorübergehend maskiert und idealerweise erst wiederhergestellt wird, nachdem die Prodrug das gewünschte Ziel (Tumorzelle) erreicht hat. Dabei ist die effiziente und exklusive Aktivierung solcher Prodrugs an der gewünschten Stelle essenziell für eine erfolgreiche Anwendung. Am häufigsten werden Prodrugs durch pH-, enzym- und redox-sensitive Systeme aktiviert, um die in Krebszellen vorherrschenden atypischen Bedingungen auszunutzen. Diese Aktivierungsstrategien weisen jedoch eine niedrige Selektivität auf, und setzen den Wirkstoff häufig fälschlicherweise in gesunden Zellen frei, welche zu einer erhöhten Toxizität außerhalb der Zielzelle und somit zu unerwünschten Nebenwirkungen führt. Die in den letzten Jahren entwickelten bioorthogonalen Eliminationen stellen aufgrund ihrer schnellen Reaktionskinetik, hohen Chemoselektivität und Biokompatibilität eine vielversprechende chemische Transformation für eine effiziente und sichere Prodrug-Aktivierung dar.Im Rahmen dieser Arbeit wurde die bioorthogonale Pd-katalysierte Entschützung von allylcarbamoyl (alloc)-geschützten Prodrugs zur gezielten Aktivierung in Tumorzellen verwendet. Die Prodrug und der Pd-Katalysator wurden in poly(lactat-co-glykolsäure)-b-polyethylen glykol (PLGA-PEG) Nanopartikel eingeschlossen. Solche Nanopartikel können als vielseitige Transporter verwendent werden, welche die eingeschlossenen Moleküle mit verbesserter Biokompatibilität und Bioverfügbarkeit durch den Blutkreislauf transportieren und die Schädigung von gesundem Gewebe und Organen durch unerwünschte Interaktion mit dem Wirkstoff begrenzen. Darüber hinaus können Nanopartikel die Biodistribution von Wirkstoffen verbessern, da sie sich bevorzugt in Tumorzellen aufgrund des „verbesserten Permeabilitäts- und Retentionseffekts“ (EPR-Effekt) akkumulieren. Die Inkubation von Zellen mit den Prodrug-enthaltenden Nanopartikel führte zu einer 10 4-fach reduzierten Cytotoxizität als der ursprüngliche Wirkstoff Monomethyl-Auristatin E (MMAE), ein extrem potenter antimitotischer Wirkstoff. Durch Zugabe von Pd-Katalysator konnte die Prodrug komplett gespalten und somit die Toxizität von MMAE wieder erreicht werden. Dennoch war das therapeutische Fenster in den durchgeführten Tierversuchen nur gering. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass sowohl Pd-Aktivator als auch Prodrug in nano-enkapsulierter Form verabreicht wurden und daher dasselbe Biodistributionsprofil aufweisen. Dadurch kommt in gesunden Organen wie z.B.: der Lunge und der Leber, in denen sich Nanopartikel aufgrund unspezifischer Wechselwirkungen akkumulieren, zu einer unerwünschten Prodrug-Aktivierung.Daher erfolgte in einer zweiten Strategie die bioorthogonale Prodrug-Aktivierung durch eine Diels- Alder Cycloadditon mit inversem Elektronenbedarf (IEDDA) und anschließender Pyridazin-Eliminierung („click-to-release“) zwischen 3-OH-funktionalisierten trans-Cyclooctenen (rTCO) und 1,2,4,5-Tetrazinen (Tz). Im Gegensatz zu Pd-Verbindugen können Tetrazine als stabile Aktivatoren ohne Einhüllung in Nanopartikel verwendet werden. Darüber hinaus können Tetrazine leicht mit niedermolekularen Liganden modifiziert werden, welche spezifisch an bestimmten, auf Tumorzellen überexprimierten, Rezeptoren binden können. Diese Liganden werden aufgrund ihrer Polarität und geringeren Molekülgröße renal ausgeschieden, weshalb eine Anreicherung durch unspezifische Akkumulierung überwiegend in den Nieren und der Blase erfolgt. Diese entwickelten Tetrazin-Ligand-Konjugate wurden als neue bioorthogonale Aktivatoren verwendet. Die bisher verwendete alloc-geschützte Prodrug wurde durch eine rTCO-maskierte Prodrug ersetzt, welche wieder in PLGA-PEG Nanopartikeln eingeschlossen wurde. Diese hergestellte Nano-Prodrug wies eine ähnlich verringerte Cytotoxizität, als die alloc-geschützte Prodrug, auf. Es wird vermutet, dass das Problem erhöhter unspezifischer Prodrug-Aktivierung in Leber und Lunge dadurch behoben werden kann, indem die Prodrug-Nanopartikel (TCO-maskierter Wirkstoff) und der bioorthogonale Aktivator (Tz-Ligand-Konjugat) unterschiedliche Biodistributionsprofile aufweisen. Dadurch sollen TCO und Tetrazin nur in den Tumorzellen miteinander reagieren und auch nur dort den Wirkstoff freisetzen können („Double Targeting“).In ersten Zellexperimenten wurde eine selektive Prodrug-Aktivierung in Tumorzellen erreicht, die in einem hohen Ausmaß Ligand-bindende Rezeptoren exprimieren, während bei Zellen ohne Ligand-bindende Rezeptoren (Negativkontrolle) kein Effekt beobachtet wurde. Aufgrund der begrenzten chemischen Effizienz der angewendeten bioorthogonalen „click-to-release“ Reaktion konnte die Toxizität des verwendeten Wirkstoffes MMAE nicht vollständig erreicht werden. Daher wurden neue Tz- und TCO-Verbindungen entwickelt, um die Reaktionsgeschwindigkeit der bioorthogonalen Aktivierung und die Ausbeute der Wirkstoffreisetzung zu verbessern.Es wurde ein rTCO mit anelliertem Benzen ([benzo] rTCO) entwickelt, welches eine höhere IEDDA-Reaktivität und verbesserte chemische Effizienz aufwies, leider aber unter physiologischen Bedingunen nicht ausreichend stabil war. Ebenfalls hergestellte 3-Aminotetrazine zeichneten sich durch einen enormen Anstieg (bis zu 700-fache Erhöhung für 3-Acetamidotetrazine) der IEDDA-Reaktivität nach Umwandlung in das entprechende 3-Amidotetrazin (z.B: nach Konjugation zu einem Liganden) aus. Dennoch reagieren diese Tetrazine zu langsam mit rTCOs, um für die Aktivierung von Prodrugs in vivo verwendet werden zu können. Abschließend werden in dieser Arbeit (Aryl-OH)-Tetrazine vorgestellt. Diese neue Klasse von Tetrazinen kann dank ihrer außergewöhnlichen Kombination aus sehr hoher IEDDA-Reaktivität und effizienter Freisetzung des Wirkstoffes entscheidend für die Entwicklung verbesserter Prodrug-Aktivierungen sein. In Zellversuchen konnte durch die Herstellung neuer Aktivatoren mit (Aryl-OH)-Tetrazinen eine effiziente Aktivierung der rTCO-Prodrug ermöglicht werden, welche zu einem 10 3-fachen Anstieg der Cytotoxizität nach Zugabe des (Aryl-OH)-Tz-Ligand-Konjugates führte. Diese vielversprechende Prodrug-Aktivierung soll auch in Tiermodellen weiter untersucht werden, um dadurch neue Erkenntnisse für eine effizientere Prodrug-Aktivierung zu gewinnen, und in weiterer Folge verbesserte Chemotherapien mit weniger Nebenwirkungen für den Patienten, zu ermöglichen. Im Rahmen dieser Arbeit wurden neue Erkenntnisse gewonnen, welche eine wichtige Grundlage für die weitere Entwicklung von effizienteren und selektiveren Prodrug-Aktivierungen in Tumorzellen sein können.
de
dc.description.abstract
The main issue in chemotherapy is that common cancer therapeutics cannot differentiate between healthy cells and tumor cells. Drug targeting holds great promise to enhance the therapeutic outcome of clinical treatments by improving site-specificity and safety of drugs. Despite undeniable advances, off-target toxicity remains one of the key challenges for successful targeted drug delivery. A promising method to tackle this challenge is the utilization of prodrugs. In this approach, the toxicity is temporarily masked and ideally restored after the prodrug reaches its desired target. A key challenge thereby is the efficient and exclusive activation of such prodrugs at the desired site. Most commonly prodrugs are activated by pH-, enzyme-, and redox-sensitive systems to take advantage of the atypical environments within cancer cells. However, such triggered release systems lack selectivity and stability, and often release their cytotoxic payload erroneously in healthy cells, leading to increased off-target toxicity and undesired side effects. In recent years, bioorthogonal bond cleavage reactions have emerged as promising concept for an efficient and safe prodrug activation, due to their fast reaction kinetics, high chemoselectivity and biocompatibility. In this thesis, the bioorthogonal Pd-catalyzed deprotection of alloc-caged drugs was applied for targeted activation of these prodrugs in tumor cells. Therefore, the alloc-prodrug and Pd catalyst were encapsulated in poly(lactic-co-glycolic acid)-b-polyethylene glycol (PLGA-PEG) nanoparticles (NPs), which have been proven as versatile nanocarriers, transporting the encapsulated payload through the bloodstream with improved biocompatibility and bioavailability, and reduced damage to healthy tissue and organs than its non-encapsulated counterparts. In addition, nanoparticles can improve the biodistribution of drugs by preferable accumulation of nanostructures in tumor cells due to the enhanced permeability and retention effect (EPR-effect). Treating cells with these alloc-prodrug nanoparticles alone showed a 10 4-fold less cytotoxicity compared to the parent drug monomethyl auristatin E (MMAE), a highly potent antimitotic agent. The toxicity of MMAE could be completely restored by co-treatment of prodrug with Pd catalyst. Nevertheless, the therapeutic window was only modest, which presumably is a result that Pd-NPs and prodrug-NPs exhibit the same biodistribution profile, resulting in undesired prodrug activation in healthy organs such as the liver or the lungs.Thus, we utilized the inverse electron-demand Diels-Alder (IEDDA) pyridazine elimination (click-to-release) between 3-OH functionalized release trans-cyclooctenes (rTCO) and 1,2,4,5-tetrazines (Tz) for targeted prodrug activation in tumor cells. In contrast to Pd catalysts, Tz can be used without encapsulation as stable and non-toxic activators and furthermore can easily be attached to small-molecule ligands that selectively bind to tumor-associated receptors. These ligands are mainly renally excreted, thus resulting in a non-specific accumulation predominantly in the kidneys and the bladder. The alloc-caged MMAE prodrug was replaced with an rTCO-MMAE conjugate which exhibited similar reduced cytotoxicity upon administering in its PLGA-PEG encapsulated form. Problems related to nonspecific distribution of nanoparticle-targeted prodrug and ligand-targeted activator can be circumvented as the non-specific accumulation of nano-prodrug and activator occurs in different regions, resulting in release of cytotoxic drug only in their area of overlap, that is, tumor cells (double-targeted prodrug activation). First in vitro experiments achieved a selective prodrug activation in cancer cells upon targeting tumor-associated receptors by stepwise treatment of cells with Tz-activator and TCO-caged drug. In contrast, no effect was observed in cancer cells which did not express the ligand-targeted receptor. However, the toxicity of the parent drug could not be fully restored by intracellular bioorthogonal activation due to the limited chemical efficiency of the applied click-to-release reaction. Thus, new Tz and TCO compounds were designed to improve the kinetics and performance of the bioorthogonal click-to-release, and to ultimately enhance the efficiency of this prodrug activation. Within this thesis, the development of benzo-fused rTCOs ([benzo]rTCO) is shown, which exhibit improved IEDDA kinetics and release efficiency but also limited stability under physiological conditions. 3-Aminotetrazines were developed that revealed a tremendously increased (up to 700-fold increase for 3-acetamidotetrazines) IEDDA reactivity upon conversion into their corresponding 3-amidotetrazines (e.g. through conjugation with small-molecule ligands). However, their IEDDA reactivity is still too low for in vivo prodrug activation. Within this thesis novel aryl-OH tetrazines were introduced, a new class of tetrazines which can become groundbreaking for prodrug action, thanks to their exceptional combination of ultrafast IEDDA kinetics and quantitative release upon reaction with rTCOs. By preparing (aryl-OH)-tetrazine-ligand conjugates, a selective Tz-triggered cytotoxicity “turn-on” (10 3-fold) was achieved in cancer cells upon targeting tumor-associated receptors. Hereafter, this promising double-targeted (nanoparticle- and ligand-based targeting) prodrug strategy will be further investigated in animal models, exploring its full potential (also exploiting the EPR-effect) to provide more efficient and safe cancer therapies with significantly reduced side effects for the patient. In summary, manifold contributions to the field of targeted bioorthgonally triggered prodrug activation in tumor cells are presented within this thesis.
en