dc.description.abstract
Motivation. Pneumokokken sind Bakterien, die schwere Krankheiten wie Lungenentzündung, Blutvergiftung, Hirnhautentzündung und Mittelohrentzündung verursachen können. Betroffen sind vor allem Kinder und alte Menschen, da deren Immunsysteme häufig nicht stark genug sind, die Erreger abzuwehren. Als Therapie wird Penicillin verwendet, was vor allem in den USA zu weitreichenden Resistenzen geführt hat. Weiters steht ein Impfstoff zur Verfügung, der für Kleinkinder unter 24 Monaten aber unwirksam ist. Im Jahr 2001 brachte der US-Pharmakonzern Wyeth einen neuen Impfstoff, genannt PCV-7, auf den Markt, der auch an Kleinkinder unter 24 Monaten verabreicht werden kann, dessen Nutzen in dieser Arbeit untersucht werden soll.<br />Ziel. Ziel dieser Arbeit ist zunächst, einerseits ausführliche Datenrecherche zu betreiben, um die Verbreitung von Pneumokokken sowie Ansteckungen, Genesungen und Krankheitsausbrüche detailliert zu erfassen und zu verstehen, andererseits ein agentenbasiertes Epidemiemodell zu entwickeln, mit dem sich die Wirklichkeit möglichst gut abbilden lässt.<br />Danach sollen verschiedene Impfstrategien auf das Modell angewendet, ihre Langzeitfolgen untersucht und möglichst genau erklärt werden.<br />Eckdaten zu Pneumokokken und dem PCV-7-Impfstoff. Der springende Punkt ist, dass es insgesamt über 90 Arten von Pneumokokken, die Stämme oder Serotypen genannt werden, gibt, die alle unterschiedlich häufig auftreten, wobei eine Person zu einem Zeitpunkt nur mit maximal einem einzigen Serotyp infiziert sein kann. Der PCV-7 schließt sieben häufige Serotypen ein, die insgesamt etwa 70% aller Träger betreffen. In der Literatur konnten bisher keine vergleichbaren Epidemiemodelle, die sich mit konkurrierenden Krankheitserregern beschäftigen, gefunden werden.<br />Wesentlich ist, dass ein signifikanter Teil der Bevölkerung infiziert ist, während es nur in Einzelfällen zu Erkrankungen kommt. In der Regel wird der Erreger nach einiger Zeit vom Immunsystem ohne Symptome wieder abgestoßen. Als problematisch erweisen sich Ergebnisse unterschiedlicher klinischer Studien zu Trägerraten und Tragezeiten, die teils drastisch voneinander abweichen. Zusätzlich stehen zuverlässige österreichische Krankenhausdaten aus den Jahren 2001 bis 2007 zur Verfügung, die belegen, dass Kinder und alte Personen wesentlich häufiger erkranken als Jugendliche und Erwachsene unter 65 Jahren.<br />Genau zu untersuchen sind vor allem zwei in der Literatur sehr umstrittene Effekte. Zum Einen ist dies Herdenimmunität, welche das Phänomen bezeichnet, dass nicht geimpfte Personen durch eine Impfaktion profitieren, indem sie selbst seltener angesteckt werden, da sie nun häufiger auf gesunde Personen treffen. Zum anderen ist dies die Serotypenverschiebung, die bedeutet, dass geimpfte Personen künftig häufiger mit Serotypen angesteckt werden, gegen die sie nicht immun sind, was global ein Aufkommen von schwachen Serotypen, die nicht durch den PCV-7 abgedeckt werden, zur Folge hat.<br />Struktur des Modells. Das Modell gliedert sich in drei Teile. Im Bevölkerungsmodell werden Agenten mit Alter, Geschlecht und Infektionsstatus definiert. Die Altersverteilung entspricht der österreichischen Bevölkerungsstruktur im Jahr 2007, um die unterschiedlichen altersabhängigen Erkrankungshäufigkeiten darstellen zu können. Im Sozialmodell werden Kontakte zwischen Personen nach verschiedenen Gesichtspunkten, die vereinfachte reale Sozialstrukturen darstellen, simuliert. Im Infektionsmodell werden Ansteckungen berechnet, zu denen es kommen kann, wenn Träger auf andere Personen treffen. Weiters werden Träger wieder gesund, sobald gewisse Voraussetzungen erfüllt sind.<br />Analyse des Modells. Das Modell liefert nach einigen Verbesserungen sowohl für Simulation einzelner als auch zweier konkurrierender Erreger sehr stabile Ergebnisse. Es zeigt sich, dass sich die Trägerraten auf stabile Niveaus begeben, die von den Modellparametern, aber nicht von den Startwerten abhängen. Gewünschte Situationen, die die Wirklichkeit beschreiben sollen, lassen sich durch Einstellung der Parameter einfach und sehr genau anpassen. Eine Kernaussage ist, dass sich die Trägerraten zweier konkurrierender Erreger anhand der Trägerraten, die sie im konkurrenzlosen Fall einnehmen, abschätzen lassen. Dadurch lassen sich einige auftretende Phänomene gut erklären.<br />Impfstrategien. Verschiedene Impfstrategien zeigen Rückgänge der Trägerraten von geimpften Personen um 40% bis 60% und von ungeimpften Personen um 1% bis 10%. Der Rückgang der Trägerrate von ungeimpften Personen, auch Herdenimmunität genannt, ist umso stärker, je größer die Streuung bezogen auf das Alter und je höher die Anzahl der geimpften Personen sind. Die Grenzen der Impfung mit einem globalen Rückgang der Träger um 30% werden im Fall aufgezeigt, in dem die durch den PVC-7 abgedeckten Serotypen aussterben. Stärkere Senkungen der Trägerraten sind aufgrund von Serotypenverschiebungen nicht möglich.<br />
de