Knoll, B. (2006). Verkehrs- und Mobilitätserhebungen : Einführung in Gender Planning [Dissertation, Technische Universität Wien]. reposiTUm. https://resolver.obvsg.at/urn:nbn:at:at-ubtuw:1-16243
Die Dissertation beschäftigt sich mit den Zusammenhängen von Gender - "dem sozialen Geschlecht" - und Planung. Ziel ist es die Relevanz und Bedeutung von Gender in planerisch tätigen Organisationen, in Planungsdiskursen sowie in Planungsprozessen aufzuzeigen. Die Genderperspektive einzunehmen bedeutet einerseits die bestehenden Geschlechterverhältnisse und Hierarchien zu thematisieren und andererseits aktiv an einer Veränderung hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beizutragen. Im Kapitel "Gendertheoretische Positionierungen" werden die feministisch-theoretischen Grundlagen vorgestellt, auf denen die Arbeit aufbaut. In einem Überblick werden die Entwicklungslinien der feministischen Planung nachgezeichnet, wobei der Schwerpunkt auf der Neuen Frauenbewegung seit den 1970er Jahren im deutschsprachigen Raum liegt. Das Kapitel "Gender / Planning" zeigt auf, dass Planung immer eingebettet in den bestehenden Geschlechterverhältnissen, Geschlechterzuschreibungen und -konstruktionen unserer Gesellschaft stattfindet. Planung wird von Menschen gemacht und diese bewegen sich innerhalb von Organisationen, sind in und durch Organisationen, wie Schulen und Universitäten, Fachhochschulen ausgebildet, arbeiten in öffentlichen Verwaltungen, in Verbänden, in Unternehmen, in politischen Organisationen. Mit Hilfe einer quantitativen Gender Analyse der AkteurInnen jener Organisationen, die in Österreich verkehrsplanerische Maßnahmen konzipieren, planen und umsetzen, wird das ungleiche Geschlechterverhältnis zahlenmäßig deutlich. Geschlecht bildet sich in Organisationen nicht nur durch das biologische Geschlecht der AkteurInnen ab, sondern Geschlechterkonstruktionen sind in internen Abläufen, in der Arbeitskultur, in der Art und Weise, wie Frauen und Männer wahrgenommen werden, eingeschrieben.<br />Planung passiert immer eingebettet im fachlichen Diskurs, Lehrmeinungen, so genannte Planungsgrundsätze, Planungsmoden aber auch die Ideen und Visionen der "großen Meister" haben Einfluss auf die Planung. Gerade im planerischen Fachdiskurs gibt es eine Vielzahl von Annahmen, in denen Geschlechterkonstruktionen oft implizit ("Wir planen ja für alle Menschen") - manchmal auch explizit ("Die Kinderwagenrampen für die Frauen") eingeschrieben sind. Schematisch und konzeptuell wird herausgearbeitet, wie die Genderperspektive in die Planung eingebracht werden kann, um dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit näher zu kommen. Im Kapitel "Verkehrs- und Mobilitätserhebungen" werden am Beispiel der Haushaltsbefragung geschlechtsspezifische Zuschreibungen und eingeschriebene Geschlechterkonstruktionen aufgedeckt. Die feministische Analyse zeigt, dass sich nicht erst in den Auswertungen und Interpretationen der Daten sondern bereits im Fragebogen Vereinfachungen und Verkürzungen finden, die wesentliche Aspekte des Mobilitätsverhaltens vor allem von Menschen, die Betreuungspflichten gegenüber anderen Personen im Alltag wahrnehmen, ausblenden. So werden durch die gängigen Methoden der Mobilitätserhebung kurze Wege, Begleitwege und komplexe Wegeketten nicht adäquat erhoben.<br />Nebenbei-Wege, wie auf dem Weg zum Arbeitsplatz noch schnell in die Reinigung, sind wesentlicher Teil der Alltagsmobilität, kommen aber in den Auswertungen durchwegs nicht vor. In den Kategorien, die bei den so genannten "Wegezwecken" zur Auswahl stehen, spiegeln sich patriarchale Lebensentwürfe wider: Wege, die mit Haus- und Versorgungsarbeit zusammenhängen, sind verkürzt dargestellt bzw. ganz ausgeblendet. Die gesellschaftliche Arbeit, die aufgrund der herrschenden Geschlechterordnung tendenziell Frauen zugewiesen wird, bleibt unsichtbar und kommt in den Auswertungen nicht vor. Auf die Wechselwirkungen zwischen Siedlungsstrukturen bzw.<br />Infrastrukturangeboten und Verkehrsgeschehen wird bei Auswertungen und Prognosen in der Regel ebenfalls nicht eingegangen.<br />Der Verkehrsplanung stehen somit nicht alle relevanten planerischen Grundlageninformationen zur Verfügung. Diesem Defizit kann durch die Methode "Wegenetz-Analysen mit den Alltagswege-Plänen" entgegen gesteuert werden, einer gendersensiblen Methode zur Erhebung der Alltagsmobilität von Menschen, kombiniert mit der Erfassung von baulich-räumlichen Strukturen. Sie liefert Informationen zur geschlechterspezifischen Alltagsmobilität und auch mehr Informationen zu den Hintergründen der Mobilität von Menschen und zeigt, dass Mobilität vielfältig ist und dass täglich viele Wege mit ganz unterschiedlichen und oft kombinierten Wegezwecken von Menschen zurückgelegt werden.<br />Anhand von exemplarischen Beispielen in einem innerstädtischen Gebiet in Wien werden die vielfältigen Mobilitätsmuster und Wegeketten von Frauen, Männern und Jugendlichen auf Plänen visualisiert und im eigentlichen Sinne nachgezeichnet.
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The thesis examines the connections between gender and planning.<br />Its objective is to show the relevance and importance of gender in planning organizations and processes. Taking on a gender perspective means discussing existing gender relations and hierarchies on the one hand, and actively contributing to changes towards increasing gender equality on the other hand.<br />The chapter "Positioning Within Gender Theories" introduces the thesis' theoretical foundations. In an overview, I trace the lines of the development of feminist planning with an emphasis on the second wave women's movement in the German-speaking countries since the 1970s.<br />The chapter "Gender / Planning" demonstrates how planning is always embedded within preexisting gender relations, gender attributions and gender constructions in our society. People make the planning, and move within organizations, are educated by and within organizations like schools, universities, and technical colleges, and they work in public administrations, in associations, companies, and political organizations. A quantitative gender analysis of the actors within organizations that design, plan, and realize measures for traffic engineering in Austria clearly exposes the unequal gender relations statistically. Not only the biological sex of the actors is reflected in organizations, but also gender: the body of literature has shown that gender constructions are inscribed in internal processes, in work culture, in the way women and men are perceived within organizations.<br />Planning is always embedded in specialist discourses, doctrines, so-called general principles of planning, fashions of planning, and the ideas and visions of the "great thinkers" also have an impact on planning. In the specialist discourse on planning there are a great number of assumptions into which gender constructions are often implicitly ("We plan for all people"), and at times explicitly ("The stroller ramps for women"), inscribed. In this chapter I will schematically and conceptually elaborate on how a gender perspective can and must be integrated into planning, as well as how gender planning can be realized to come closer to attaining gender equality. In the chapter "Travel and Mobility Surveys" gender attributions and constructions are revealed using the example of a behavioral method: the household survey. The feminist analysis shows that not only the interpretations of the data, but also the questionnaires reveal reductions and simplifications, which veil crucial aspects in the behavior concerning mobility, particularly the behavior of caregivers in their everyday lives. Thus, the common methods of mobility survey do not adequately examine short trips, trips taken to accompany others, or complex combinations of single distances. Even though paths along the way, such as a small detour to the dry cleaners on the way to work, are important parts of everyday mobility, they cannot be found in the analyses. The categories available under so-called "travel purposes" reflect patriarchal life concepts: trips made in connection with domestic work and caregiving are either underrepresented or fully hidden. The social duties predominantly assigned to women based on the prevailing gender order remains invisible and are nowhere to be found in the data interpretation.<br />In most cases, the analyses and interpretations of mobility surveys do not differentiate between genders or life circumstances. In addition, interpretations and prognoses do not usually mention the interdependencies between settlement structures, the infrastructure available, and traffic. The feminist analysis shows that crucial information on people's mobility behavior cannot be surveyed, analyzed, or interpreted with the usual methods. Hence, not all the basic and necessary information is available for traffic and settlement planning.<br />A way to make up for this deficiency is to develop new methods. In an empirical section, I will introduce the method "mapping everyday trips," a gender-sensitive method for surveying people's everyday mobility that combines elements of surveying spatial structures of the built environment. This gender-sensitive method provides gender-specific information on everyday mobility and also conveys background information on people's mobility. It demonstrates the manifold character of mobility and shows that people cover a great number of distances in their everyday lives based on rather different and often combined travel purposes.<br />Using visual representations of the manifold mobility patterns and trip combinations of women, men, and youth in a sample inner-city area of Vienna, I visually map out, and therefore literally trace, their patterns.