dc.description.abstract
Motivation und Ziele: Ein wesentlicher Mechanismus, welcher der erfolgreichen neuronalen Steuerung von Bewegungen zugrunde liegt, ist die Fähigkeit des zentralen Nervensystems (ZNS), Gruppen von Motorneuronen aktivieren bzw.<br />inhibieren zu können welche den jeweiligen Muskelgruppen zugeordnet sind. Unter gewissen Umständen werden jedoch auch Muskelgruppen koaktiviert welche nicht primär zur Ausführung einer bestimmten Bewegungsaufgabe benötigt werden. Eines der Ziele der vorliegenden Studie was es, Muster in der Koaktivierung diverser Beinmuskelgruppen, während der Ausführung einer isolierten, unilateralen, ein-gelenkigen Bewegungsaufgabe, zu untersuchen. Ein weiteres Ziel war die Untersuchung der sensomotorischen Reizleitung auf lumbosakraler Rückenmarksebene, während der Ausführung einer definierten, einseitigen Dorsiflexion auf bestimmtem Kraftlevel, mittels Stimulation spinaler Reflexe. Die Arbeitshypothese war, dass es bei der Erzeugung größerer Kräfte zu verstärken Reflexmodulationen kommt. Diese Modulationen betreffen sowohl Motorneuronen die an der Bewegungsaufgabe beteiligt sind, als auch teilweise außenstehende Motorneuronen die nicht beteiligt sind.<br />Methodik: Sechs freiwillige Probanden (4 Männer und 2 Frauen, Durchschnittsalter 25.0 Jahre ± 3.9 Jahre) ohne Schäden am ZNS, nahmen an der Studie teil.<br />Um die Kraft einer Dorsiflexion des Sprunggelenks, zu messen wurde ein spezieller Kraftmessschuh entwickelt. Elektromyographische Aktivität wurde mittels Ag/AgCl--Oberflächenelektroden von den wichtigsten Beinmuskelgruppen, sowohl ipsi- als auch contralateral aufgezeichnet. In dieser Studie wurden drei experimentelle Paradigmen (A, B und C) durchgeführt.<br />In Paradigma A wurden die Probanden aufgefordert eine Dorsiflexion mit maximaler willentlicher Kontraktion (MWK) von Tibialis Anterior (TA) solange zu halten, bis nur noch 50 % des ursprünglich gemessenen Wertes erreicht werden konnten. Die Versuche fanden im Sitzen statt, wobei das Equipment so eingestellt wurde das Sprunggelenk, Kniegelenk und Hüftgelenk einen Winkel von 90 ° einnehmen konnten. Alle Probanden absolvierten die Messungen beidseitig, jeweils mit und ohne visuellem Feedback (Balkenanzeige der erzeugten Kraft als Prozentsatz von MWK).<br />In Paradigma B hatten die Probanden die Aufgabe kurze aufeinanderfolgende Dorsiflexionen für 6 s zu halten wobei zwischen den Kontraktionen Pausen von 4 s einzuhalten waren. Ein Durchgang begann mit einer Initialkontraktion von 20 % MKW und wurde gefolgt von Kontraktionen mit 40 %, 60 %, 80 % und 100 % MKW. Messungen wurden beidseitig in Bauchlage, im Stehen und im Sitzen durchgeführt, wobei visuelles Feedback bei allen Durchgängen zur Verfügung gestellt wurde.<br />In Paradigma C kam transkutane Rückenmarksstimulation zum Einsatz um sogenannte ,Posterior-Root Muscle' (PRM) Reflexe auszulösen. In allen Durchgängen wurden zuerst fünf unkonditionierte PRM Reflexe im entspannten Zustand stimuliert und aufgezeichnet. Danach wurden weitere fünf konditionierte Reflexe aufgezeichnet, bei denen der Proband eine Dorsiflexion mit vordefiniertem Kraftlevel absolvierte. Messungen wurden beidseitig mit 20 %, 40 %, 60 %, 80 % und 100 % MWK durchgeführt, wobei stets visuelles Feedback zur Verfügung gestellt wurde.<br /> Resultate und Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse der durchgeführten Studie zeigten, dass es mit dem hergestellten Equipment möglich war die erzeugte Kraft, einer einseitigen Dorsiflexion des Sprunggelenks, sachgemäß zu messen. Die korrekte Funktion des Messaufbaus wurde durch die Wiederholung der Versuche von Dimitrijevic et al. (1992) verifiziert. Durch die Messung der erzeugten Kraft, konnte die gewünschte Bewegungsaufgabe standardisiert werden, wodurch ein inter-individueller Vergleich der Ergebnisse der einzelnen Probanden möglich wurde. In der vorliegenden Studie wurden Koaktivierungsmuster der untersuchten Beinmuskeln beschrieben, welche während der Ausführung einseitiger, willentlicher, anhaltender oder unterbrochener Kontraktionen des Sprunggelenkflexors Tibialis Anterior auftraten. In allen sechs Probanden konnten ähnliche Rekrutierungsfolgen, der einzelnen Muskelgruppen, beobachtet werden, was auf einen zentralen ,motor pattern generator' als Quelle der Erregung hindeuten würde.<br />Die Modulationen der PRM Reflexe, aufgrund der Dorsiflexion des Sprunggelenks, reflektierten die funktionellen Rollen (Flexor und Extensor) der betrachteten Muskelgruppen. Verstärkte Reflexantworten waren grundsätzlich im aktivierten Tibialis Anterior als auch im synergistisch wirkenden ipsilateralen Quadriceps zu finden, wohingegen Antworten im antagonistischen Triceps Surae supprimiert wurden.<br />Die vorliegende Arbeit stellt eine wertvolle Basis für weitere Studien in größerem Maßstab dar, um die zugrundeliegenden Mechanismen der neuronalen Bewegungskontrolle, sowohl in Menschen mit gesundem als auch im veränderten ZNS, besser verstehen zu können.<br />
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