E330-04 - Forschungsbereich Finanzwirtschaft und Controlling
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Datum (veröffentlicht):
1-Jul-2022
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Umfang:
23
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Keywords:
Ausfallsraten
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Abstract:
1.
Anhand der Ausfallraten wird die Risikosituation von österreichischen Unter-nehmen in den durch die ‚Covid-19-Pandemie‘ krisengeschüttelten Jahren 2020 und 2021 untersucht. Die Untersuchung basiert auf mehr als 100.000 wirtschaftsaktiven Unternehmen in der Wirtschaftsdatenbank von Creditre-form Österreich. Die empirisch ermittelten Ausfallraten geben somit einen re-präsentativen Einblick in das Ausfallrisiko des österreichischen Unternehmens-sektors.
2.
Die zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie von staatlicher Seite gesetzten außerordentlichen Stützungsmaßnahmen haben Wirkung gezeigt. Die Ausfall-raten der Jahre 2020 und 2021 sind mit 0,76 % und 0,81 % auf historische Tiefst-stände gesunken. Diese Tiefstände geben allerdings ein verzerrtes Bild des künftigen Ausfallrisikos, zumal in den folgenden Jahren derartige Stützungs-maßnahmen nicht mehr vorgesehen sind.
3.
Die deutliche Verringerung der Ausfälle in den Jahren 2020 und 2021 zieht sich quer durch die Branchen und Bundesländer sowie Unternehmen unterschied-lichen Alters und Größe. Die Gegenüberstellung mit den Ausfallraten in den Jahren vor der Covid-19-Pandemie, welche als wirtschaftliches ‚Normalszena-rio‘ bezeichnet wird, zeigt, dass die Ausfallraten zumeist sehr deutlich unter den sich in diesen Jahren ergebenden minimalen Ausfallraten liegen. Die zu-sätzliche Einbeziehung der maximalen und mittleren Ausfallraten im Nor-malszenario ermöglicht ein ‚statistisches Benchmarking‘. Dieses Benchmarking liefert einen guten Orientierungsrahmen, um Ausfallraten in künftig ‚normalen‘ Wirtschaftsjahren, d.h. ohne außerordentliche Stützungsmaßnahmen ab-schätzen zu können.
4.
Bei den Branchen zeigen sich im Jahr 2020 deutliche Rückgänge der Ausfallra-ten bei Großhandel, Unternehmensnahe Dienstleistungen, Einzelhandel, Kon-sumnahe Dienstleistungen, Baugewerbe und Verkehr/Logistik. Im Jahr 2021 gibt es zumeist leichte Veränderungen der Ausfallraten nach oben und unten. Die einzige Ausnahme ist Verkehr/Logistik, wo die Ausfallraten im Jahr 2021 gegen den mittleren Wert (Median) im Normalszenario gehen. Hinsichtlich des grundlegende Risikoprofils hat sich bei den Branchen wenig verändert. Nur Chemie/Kunststoffe hat durch Ausfallraten in Höhe des Minimalwerts den gu-ten zweiten Rang verloren. Bei Konsumgüter/Produktion handelt es sich um die einzige Branche, wo die Minimalraten in beiden Krisenjahren überschritten wurden.
5.
Bei den Bundesländern bleibt das grundlegende Risikoprofil ebenfalls recht stabil, zumal bei allen Bundesländern die Ausfallraten in beiden Jahren unter den Minimalwerten des Normalszenarios liegen. Im Jahr 2021 zeigt sich ein deutliches Ost/Süd/West-Gefälle. In Wien, Niederösterreich und Burgenland stiegen die Ausfallraten im Vergleich zum Vorjahr. In Kärnten und Steiermark
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Mag.
Walter S.A. Schwaiger, MBA
Projects & Publications
TU Wien – Institut für Management-wissenschaften (IMW) – Finanzwirt-schaft und Controlling
Ansprechpartner:
Mag. Gerhard M. Weinhofer
Mitglied der Geschäftsleitung
Creditreform Wirtschaftsauskunftei Kubicki KG
Muthgasse 36-40 (Bauteil 4)
1190 Wien
g.weinhofer@wien.creditreform.at
+43 1 218 62 20-551
Statistical Default Study 2020 & 2021
4 Statistical Default Study 2020 & 2021 | Mai 2022
sind sie gesunken und in Tirol, Vorarlberg, Salzburg und Oberösterreich sind sie von einem niedrigeren Niveau ausgehend ebenfalls tendenziell gesunken.
6.
In den Ausfall-Landkarten (DefaultMaps) von Creditreform, wobei die Bundes-länder, Bezirke und NUTS-3-Regionen farblich kodiert werden, zeigt sich die Wirkung der außerordentlichen Stützungsmaßnahmen durch eine breitflä-chige Verbesserung der Ausfallraten im Jahr 2020 gegenüber den mittleren Ausfallraten im Normalszenario. Im Jahr 2021 werden die Ausfall-Landkarten den Landkarten des Normalszenarios wieder ähnlicher.
7.
Unternehmen aller Altersklassen haben im Jahr 2020 Ausfallraten unterhalb der minimalen Ausfallraten im Normalszenario. Bei den älteren Unternehmen mit 5- und mehrjähriger Existenz bleibt die Ausfallrate in 2021 praktisch unver-ändert. Bei den jüngeren Unternehmen steigen die Ausfallraten, und bei den jüngsten Unternehmen erreicht die Ausfallrate den Minimalwert des Nor-malszenarios. Hinsichtlich der Eigenkapitalquote zeigen sich bei allen Klassen Ausfallraten für Jahr 2020, welche unterhalb der Minimalwerte im Normalsze-nario liegen. Im Jahr 2021 steigen die Ausfallraten nur bei den Unternehmen mit einer positiven Eigenkapitalquote von bis zu 10 % bis zum Minimalwert an.
8.
Zur Bildung rationaler Erwartungen hinsichtlich der ‚Ausfallraten ohne Stüt-zungsmaßnahmen‘ wird ein ökonometrisches Modell verwendet, wobei in den Jahren des Normalszenarios die Ausfallraten gegen die prozentuellen Verän-derungen des Bruttoinlandsprodukts regressiert werden. Im Rahmen einer ‚Ex-post-Prognose‘ werden unter Verwendung dieses Regressionsmodells die ‚erwarteten‘ Ausfallraten bezüglich der in beiden Jahren realisierten BIP-Verän-derungsraten berechneten. Dabei ergibt sich für 2020 und 2021 eine erwartete Ausfallrate von 1,88 % und 1,21 %. Wird von diesen Raten die jeweils realisierte Ausfallrate von 0,76 % und 0,81 % abgezogen, dann ergibt sich die durch die außerordentliche Stützungsmaßnahme entstandene ‚Covid-19-Blase‘ von 1,12 % für 2020 und 0,40 % für 2021. Die starke Reduktion der Covid-19-Blase ergibt sich durch die weitgehende Fortführung von staatlichen Stützungsmaßnah-men bzw. der konjunkturellen Verbesserung im Jahr 2021, womit die realisierte Ausfallrate niedrig gehalten bzw. die erwartete Ausfallrate reduziert wurde.
Bei Fortbestand der konjunkturellen Verbesserung ist zu erwarten, dass sich die gewaltige, im Jahr 2020 entstandene und im Jahre 2021 um ca. 2/3 ge-schrumpfte Co-vid-19-Blase ohne disruptive Einbrüche im Unternehmenssek-tor auflösen wird können. Die Covid-19-Blase ist somit entgegen ursprüngli-cher Befürchtungen nicht spontan geplatzt, sondern wurde durch die fortge-führten Stützungsmaßnahmen und die konjunkturelle Erholung einigermaßen gemäßigt zu 2/3 abgebaut. Aber mittlerweile sind schon wieder neue wirt-schaftliche ‚Gewitterwolken‘ aufgezogen, u.z. insbesondere Lieferengpässe und Arbeitskräftemangel, welche eine Art ‚Long-Covid-Erkrankung‘ darstellen, sowie explodierende Energie- und Rohstoffpreise, der Ukraine-Krieg und seine Folgen, die seit Jahrzehnten höchsten Inflationsraten und die auch in Europa nunmehr anstehenden Zinserhöhungen. Diese Wolken dürften sich in einem erneuten deutlichen Konjunkturrückgang bemerkbar machen und künftige Ausfallraten wieder stark ansteigen lassen.