dc.description.abstract
Knochen ist ein komplexes biologisches Material, das als Leichtbau-Nanokomposit-Werkstoff betrachtet werden kann. Es besteht aus einer organischen – Kollagenfibrillen (vor allem Typ I), nicht-kollagene Proteine – einer anorganischen Phase – kohlenstoff-substituiertes Hydroxylapatit (Calciumphosphat) – und Wasser. Evolutionsbiologisch haben sich knöcherne Strukturen einerseits wie Leichtbaukomponenten, also gewichtsoptimiert entwickelt. Andererseits, vereint Knochen als Material gegensätzliche mechanische Eigenschaften wie Steifigkeit und Festigkeit mit Zähigkeit. Diese außerordentliche Fähigkeit wird im Knochengewebe durch die Anordnung der nanoskaligen Bestandteile in eine komplexe hierarchische Struktur, von der Nano- bis zur makroskopischen Längenskala erreicht. Letztendlich, geben die Bestandteile und ihre Anordnung Knochen seine mechanische Schutz- und Stützfunktion. In einem hierarchisch aufgebauten Material, wie Knochen, bestimmen die mechanischen Eigenschaften der einzelnen Bestandteile einer niedrigeren hierarchischen Ebene die mechanischen Eigenschaften der Strukturelemente auf der nächsthöheren hierarchischen Ebene. Um Knochenmechanik zu verstehen, ist es infolgedessen notwendig, die mechanischen Eigenschaften aller Strukturen aller hierarchischen Ebenen und deren Interaktion zu identifizieren und quantifizieren. Obwohl dies experimentell nicht realisierbar ist, können mechanische Untersuchungen kleiner Strukturen durchgeführt werden, um ein besseres Verständnis der Mechanik des Knochenmaterials zu erzielen.Mechanische Prüfungen von ganzen Knochen und kleineren (mm-großen) Knochenproben wurden bereits in vielen Studien seit Anfang der Knochenforschung, vor etwa einem Jahrhundert durchgeführt. Komplementär, ermöglichte die Entwicklung und Anwendung der Rasterkraftmikroskopie Untersuchungen der einzelnen Knochenkomponenten in den letzten Dekaden. Im Vergleich, ist die mechanische Charakterisierung von Knochen auf der Mikroskala, abgesehen von Nanoindentationsexperimenten, aufgrund experimenteller Schwierigkeiten nur spärlich durchgeführt worden. Jedoch ist diese Längenskala sehr interessant. Beispielsweise können hier Beiträge größerer Gewebeporositäten ausgeschlossen werden. Die bedeutendsten Strukturen auf der Mikroebene sind die Knochenlamellen, die auch Fokus dieser Arbeit darstellen. Diese bestehen aus geordneten Schichten von mineralisierten Kollagenfibrillen, mit einer Dicke von 2 – 10 μm, die meistens um vaskuläre (Haverssche) Kanäle konzentrisch angeordnet sind, und somit die Strukturen der nächsten hierarchischen Ebene, der Osteonen, formen. Neueste Entwicklungen experimenteller Techniken für mikromechanische Charakterisierung ermöglichen es miniaturisierte, mikroskopische Knochenproben (Mikrobalken, Mikrosäulen), bestehend aus einzelnen oder mehreren Knochenlamellen zu präparieren und zu testen. Im Vergleich zu technischen Werkstoffen, bringen harte biologische Materialien, insbesondere Knochen, im Kontext der Materialprüfung, eigene Herausforderungen mit sich. Diesen Herausforderungen sind die Studien dieser Arbeit gewidmet.Um die Verlässlichkeit neuer entwickelten Methoden für die mikromechanische Prüfung von Knochengewebe zu untersuchen, wurden in einer ersten Studie Genauigkeit und Messunsicherheitsquellen bei der Probenvorbereitung und Prüfung untersucht, da diese in bestehenden Studien noch nicht behandelt worden sind. Hier wurden Finite Elemente (FE) Simulationen von Mikrobalken und experimentelle Validierung mittels Biegeversuchen an Mikrobalken aus Silizium durchgeführt. Es stellte sich heraus, dass die Genauigkeit des Erwartungswertes aus Biegeversuchen an Si Mikrobalken innerhalb 24 % gegeben ist, allerdings können Fehler aufgrund geometrischer Unsicherheiten so groß wie 50 % werden. Außerdem, können die Randbedingungen der getesteten Mikroproben zu strukturellen, zusätzlich zu materiellen Deformationsmechanismen führen.Eine andauernde Herausforderung bei der mikromechanischen Prüfung von Knochen ist die vollständige Hydrierung der Proben. Daher wurde in einer zweiten Studie der Effekt des Hydrierungszustandes auf das mikromechanische Verhalten des kortikalen Knochengewebes untersucht. Dafür wurde ein Rasterkraftmikroskop-basiertes Versuchsprotokoll entwickelt, das Biegungs-Messungen an vollständig hydrierten Mikrobalken ermöglicht. Mikrobalken aus humanem kortikalen Knochen, bestehend aus einer einzelnen Knochenlamelle wurden somit nicht-destruktiv, sowohl in Luft als auch hydriert in wässriger Lösung unter Biegung getestet. Die gemessenen Biegemoduli der rehydrierten Proben waren um bis zu 5 fach niedriger als im trockenen Zustand. Zudem, änderte sich das mechanische Verhalten von fast rein linear elastisch auf viskoelastisch. Die Altersspanne der gesunden Spender war 65 – 94 Jahre und ein Trend niedrigerer dissipierter Energie mit steigendem Alter konnte festgestellt werden. Dies allerdings nur im rehydrierten Zustand. Diese Resultate sind indikativ für die Bedeutung von Wasser für die mechanischen Eigenschaften von Knochen, sogar auf der Längenskala einzelner Knochenlamellen.Zuletzt, wurden in einer dritten Studie die potenziellen Veränderungen der mechanischen Eigenschaften von Knochenmaterial auf der lamellaren Ebene aufgrund von Osteoporose untersucht. Ein Protokoll für einen Druckversuch an Mikrosäulen wurde herangezogen um Proben bestehend aus einzelnen Knochenlamellen aus der Kortikalis des Oberschenkelhalses unter Druckbelastung zu testen. Der Oberschenkelhals ist eine relevante Bruchstelle bei osteoporotischen Patienten. Hier wurden Proben von osteoporotischen und gesunden Spender_innen verglichen. Knochenproben von 8 osteoporotischen und 7 gesunden Spender_innen wurden mittels zyklischen partiellen Entlastung unter Druckbelastung getestet. Das Verhalten der Mikrosäulen war viskoelastisch und zeigte Verfestigung, wobei Entlastungsmoduli bis zu 50 GPa erreichten. Es wurden keine signifikanten Unterschiede in den meisten mechanischen Parametern festgestellt, außer einen niedrigeren Entlastungsmodul und höhere Verzerrung bei maximaler Spannung bei der osteoporotischen weiblichen Untergruppe. Diese deutet auf eine mögliche pathologische Veränderung hin. Allerdings, müssen die Resultate, aufgrund limitierter Anzahl von Spender_innen, Probenanzahl und Trockenheit mit Vorsicht behandelt werden.Aus den durchgeführten Studien ergab sich die Einsicht, dass Knochenmaterial, auch auf der Mikroebene, wo Effekte größerer Porositäten vermieden werden können, ein anderes mechanisches Verhalten im Vergleich zu klassischen technischen Werkstoffen aufweist. Dies bringt eigene Herausforderungen und Limitierungen bei der mechanischen Charakterisierung mit sich. Bis heute, ist Knochen meistens als linear elastischer Festkörper betrachtet worden, was streng genommen nur für sehr kleine Deformationen und einen dehydrierten Zustand angenommen werden kann. Im physiologischen, hydrierten Zustand, wird Knochenmaterial zum einen weniger steif (niedrigere Moduli) und zum anderen viskoelastisch. Außerdem, ist Knochen ein lebendes Gewebe, das sich im Laufe von Alterung und Pathologien ändern kann, wobei Änderungen auf jeder hierarchischen Ebene stattfinden können. Zusätzliche Deformationsmechanismen, die vom Hydrierungszustand und Zusammensetzung abhängen und sich ebenfalls im Laufe von Alterung und Pathologien ändern, könnten der elastischen Deformation von Knochenmaterial überlagert sein und sollten in künftigen Studien miteinbezogen werden. Solche Erkenntnisse können zu einem besseren Verständnis und Design von besseren mechanischen Prüfprotokollen von Knochenmaterial beitragen. Letztendlich würde dies die Entwicklung besserer diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen bei Knochenpathologien unterstützen.
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Bone is a complex biological material, that can be considered as a lightweight nanocomposite consisting of an organic phase – collagen fibrils (mostly type I), noncollagenous proteins – and an inorganic phase – carbon-substituted hydroxyapatite (a calcium-phosphate mineral) – as well as water. It has been designed by nature, partially optimized for minimum total weight, to reconcile opposing mechanical properties such as stiffness and strength with toughness. This remarkable versatility is achieved by organization of its constituents into a complex hierarchical structure, from the nano- up to the macroscale, which ultimately enables bone to fulfill its mechanical protective and supporting function. In a hierarchically structured material, such as bone, the material properties of individual components at a lower hierarchical level determine the material properties of structures at the next, higher hierarchical level. Consequently, to fully understand bone mechanics, identification and quantification of the mechanical properties of all structures on every hierarchical level and the way these interact with each other is necessary. Though experimentally not entirely feasible, mechanical investigations of smaller structural levels can be performed to better our understanding of bone material and tissue.Mechanical testing of whole bones and smaller bone samples has been performed in many studies since the beginning of bone research, about a century ago. On the other hand, atomic force microscopy (AFM) has enabled studying individual bone components at the nanoscale in recent decades. However, mechanical characterization of bone tissue at the microscale, where contributions of larger tissue porosities can be avoided, has been comparatively scarce, except for nanoindentation, due to experimental challenges. In cortical bone, the prominent structures at the lower microscale are bone lamellae, which are the main focus of the present thesis. These are ordered layers of mineralized collagen fibrils, 2 – 10 μm in thickness, typically arranged in concentrical manner around vascular (Haversian) canals to create the structures of the next hierarchical level, the osteons. Recent developments in experimental techniques for micromechanical characterization have made it feasible to prepare and test miniature, microscopically sized bone specimen (microbeams, micropillars) comprised of single or several bone lamellae. Compared to engineering materials, hard biological tissues, and specifically bone, pose challenges in the context of micromechanical testing, some of which, as detailed below, were addressed in the studies of this thesis.To investigate the reliability of newly developed methods for micromechanical testing, the accuracy and sources of uncertainties regarding sample preparation and testing were considered in a first study, since these issues have not been discussed in previous studies. Finite element (FE) simulations of microbeam structures and experimental validation with bending of silicon microbeams were performed. It was found that the accuracy of the expected value from bending of Si microbeams was within 24 %, but errors from geometrical uncertainties can be as high as 50 %. Furthermore, boundary constraints of the tested micro-samples may lead to structural, in addition to material deformation mechanisms.A remaining challenge in micromechanical testing of bone is full sample hydration. Therefore, the effect of hydration state of cortical bone tissue on micromechanical behaviour was investigated. For this an AFM based microbeam bending testing protocol was developed, enabling measurements of fully submerged and wet samples. Human cortical bone microbeams comprised of a single lamella were bent nondestructively both in air and submerged in aqueous solution. Bending moduli were found to reduce up to 5 times upon rehydration and moreover, mechanical response changed from almost purely linear elastic to viscoelastic. The age range of healthy donors was 65 – 94 years and a trend of lower dissipated energy with increasing age was observed, but only in the rehydrated state. These findings are suggestive of the importance of water for the mechanical properties of bone even at the length scale of individual lamellae.Last but not least, changes of bone material at the lamellar level due to osteoporosis were investigated. A protocol for micropillar compression was employed to test micropillars machined from single lamellae from the cortical portion of the femoral neck, as a specific fracture site of osteoporotic donors, which compared samples to age-matched donors. Bone samples from 8 osteoporotic and 7 control donors were compressed in a cyclic partial unloading manner. Micropillars showed viscoelastic, strain hardening behavior with unloading moduli reaching up to 50 GPa. No significant differences in most mechanical parameters were observed, except for lower unloading modulus and higher strain at max. stress for the osteoporotic female donor subgroup. However, results are not fully conclusive, due to limitations of low donor number and testing in not fully submerged, i.e. rehydrated state.From the performed studies it becomes evident, that bone material, even at the microscale, where contributions of larger tissue porosities can be avoided, displays a different mechanical behavior compared to engineering materials, which brings specific challenges and limitations for mechanical characterization. So far, bone has mostly been considered as a linear elastic solid, which can be assumed only for very small deformations and a dehydrated state. However, in physiological, hydrated state bone transitions into a mechanically different material exhibiting lower moduli and viscoelastic behavior. Furthermore, bone is a living tissue that changes with ageing and pathology, whereby such changes can be implicated on every hierarchical level. Additional deformation mechanisms dependent on hydration state and composition, that are altered in the course of ageing and pathology could be overlayed with elastic deformation of bone material and should be considered in future studies. These insights should contribute towards a better understanding and design of mechanical testing of bone material, which would ultimately support the development of better diagnostic and treatment tools in the case of bone pathologies.
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