dc.description.abstract
Radfahrer*innen, die sich an Autos vorbeischlängeln, geschnitten und angehupt werden. Fußgänger*innen, die bei kurzen Ampelphasen über Straßen hetzen und sich in der nächsten verkehrsberuhigten Zone über dieschattenspendenden Bäume freuen. Lärm und visuelle Eindrücke, die an uns herandrängen und bis zum Ziel an unseren Gemütern haften bleiben. Aktive Mobilität ist mehr als eine Fortbewegung, die dem Zweck dient, um von Anach B zu kommen. Sie ist zugleich gesund und gefährlich, befreiend und restriktiv, alltäglich und freizeitlich, entspannend und nervenaufreibend. Es ist ein Auf und Ab, ein Wechselbad, nicht nur der positiven Emotionen, sondern auch des Stresses. Stress und Emotionen werden insbesondere im Zuge der Reurbanisierung vermehrt diskutiert. Es geht um Wohlbefinden, Stressfreiheit und im weitesten Sinne (mentale) Gesundheit der städtischen Bevölkerung in ihrem Alltag und in ihrer Fortbewegung. Gerade Menschen, die sich mit dem Rad oder zu Fuß bewegen, haben unmittelbar Kontakt zur gebauten Umgebung und den diversen Einflüssen, die auf sie wirken: Lärm, Hitze, Abgase, andere Menschen und Verkehrsmittel. Aktive Mobilität gewinnt im Zuge der Klimakrise und angestrebten Mobilitätswende an Bedeutung und wurde zum Ziel nachhaltiger Stadt- und Verkehrsplanung. Diese erkennt auch zunehmend die Relevanz der Wechselbeziehung „Mensch–Raum“ und der subjektiven, emotionsbezogenen Faktoren der Mobilität als wesentlichenAspekt des Mobilitätsverhaltens. In der Mobilitätsforschung werden diese Faktoren in Mobilitätserhebungen aufgegriffen. Von Mobilitätstagebüchern, über Befragungen und GPS-Tracking bis hin zur sensorbasierten Erfassung von Emotionen bei der aktiven Mobilität reicht die große Bandbreite, ohne dabei ein umfassendes Bewertungsinstrument erreicht zu haben. Insbesondere letztere, auch Humansensorik genannt, umfasst die Messungphysiologischer Signale mithilfe von Sensoren. Diese physiologischen Signale (wie Änderungen der Hautleitfähigkeit) können Aufschlüsse über ein (negatives) Erlebnis (z. B. beim Zufußgehen oder Radfahren) geben und somit subjektive Erlebnisse quantifizierbar machen. Ein kurzer Stressmoment kann sich physiologisch als ein selbst wenige Sekunden dauerndes Schwitzen zeigen und wird dadurch messbar. Somit wird das Unsichtbare und das Subjektive von Emotionen und Stress sichtbar und objektiv. Diese Messmethoden der Humansensorik sind aber noch weit entfernt vom Einsatz im praktischen (verkehrs-)planerischen Feld. Gründe dafür variieren zwischen unzureichenden technischen Lösungen, hohem Aufwand und der Frage nach der Verlässlichkeit der Daten. Hinzu treten noch ethische und datenschutzrechtliche Anforderungen, die besonderer Aufmerksamkeit und Klärung bedürfen. Dennoch birgt die Methode enorme Potenziale für planerische Prozesse und bringt auf Basis objektiver, evidenzbasierter Daten eine neue Perspektive für die Verkehrsplanung ein. Es stellt sich dennoch die Frage, nachdem alle Daten erfasst, alle Technologien ausprobiert und viele (Human-) Sensoren eingesetzt wurden, was in der Planung anwendbar ist und als Neugestaltung im Raum umgesetzt werden kann, um die aktive Mobilität im Hintergrund der Mobilitätswende zu fördern. Ziel der Arbeit war es u. a., (a) relevante Theorien und Begriffe der Emotionspsychologie, Stadt- und Verkehrsplanung in Bezug auf Stress und Emotionen und deren Genese einzuordnen und zu beschreiben. Emotionen wurden im Kontextdes urbanen Raumes und aktiven Mobilität aus Sicht der Verkehrs- und Stadtplanung sowie der Psychologie beschrieben und eingeordnet. Ein weiteres Ziel bestand darin, (b) die internationale Forschung zum Thema Humansensorik zu analysieren, um u. a. Lücken der Anwendbarkeit als Anknüpfungspunkte der eigenen Forschung zu identifizieren. (c) Methoden der Humansensorik mit Fokus auf die Hautleitfähigkeit wurden aufgezeigt und anhand von Fallbeispielen in eigenen realisierten Forschungsprojekten analysiert. Abschließend wurden (d) die Methode der Humansensorik mit Expert*innen reflektiert und Potenziale für die Planung und Gestaltung von öffentlichen Räumen eruiert (kritische Auseinandersetzung, Chancen, Potenziale, Anwendungsanforderungen).Methodisches Vorgehen: Bei der Arbeit wurde ein Methodenmix angestrebt, der auf einem explorativen Forschungsansatz basiert, da die Arbeit einen neuen oder bislang wenig erforschten Sachverhalt erkundet. Neben der Darstellung der Genese der Humansensorik und einer systematischen Literaturanalyse verdeutlicht die Analyse von zwei Fallstudien inkl. Befragung der Teilnehmer*innen (realisierte Forschungsprojekte, n = 67 und n = 5) die Anwendung im forschungsbezogenen Feld. Als wesentliche qualitative Methode wurden darauf aufbauend leitfadengestützte Expert*innen-Interviews realisiert. Dabei lag ein Fokus auf der Rolle von Emotionen und Stress in Forschung und Praxis sowie auf der Anwendbarkeit der Humansensorik in (Verkehrs-) Planungsprozessen. Die Ergebnisse lassen sich entlang der Ziele wie folgt zusammenfassen: A. Emotionen und Stress sind in der Verkehrsplanung nach wie vor ein Randthema, gewinnen aber zunehmend an Bedeutung. Neue (nachhaltige) Fortbewegungsmittel und die Bedeutung der aktiven Mobilität als Beitrag zur Mobilitätswende eröffnen neue Fragestellungen zu den subjektiven, emotionalen Faktoren der Mobilität, die bisher nur rudimentär betrachtet wurden. Humansensorik – entstanden vor ca. 10 Jahren – setzt als neue Forschungsrichtung daran an und bietet das Potenzial, Emotionen und Stress, die von physiologischen Daten abgeleitet wurden, in Verbindung mit der gebauten Umwelt in die Verkehrsplanung einzubinden. Dennoch besteht die Herausforderung der unklaren Begrifflichkeiten und der unzureichend integrierten Theorien der einzelnen Disziplinen. B. Bei der Analyse des nationalen und internationalen Felds zu Humansensorik lässt sich feststellen, dass bisherige Studien Grenzen aufweisen, wobei bereits eine deutliche Genese von den ersten Vorhaben zu bemerken ist. Dies lässt auch Rückschlüsse auf eine künftige Entwicklung zu. Folgende Limitationen lassen sich erkennen: a) keine Zufallsauswahl der Teilnehmer*innen, b) geringe Stichprobengröße, c) keine medizinisch zertifizierten Wearables, d) keine ergänzenden Nutzer*innen-Befragungen und e) keine bzw. intransparente ethische Abklärung. Darüber hinaus lassen sich eine unzureichende analytische Tiefe und Potenzialausschöpfung der Methode feststellen. C. Die zwei untersuchten Fallbeispiele (FB) konnten die in der Literaturanalyse identifizierten Lücken teilweise aufgreifen und Schwerpunkte auf die Nutzer*innen, die Visualisierung und die ethischen Belange legen. Dahingehend wurde inFB 1 – mit dem Ziel, kritische Stellen entlang des Fußwegs zu identifizieren – u. a. erkannt, dass a) die Präsentation der Ergebnisse über eine Visualisierungsplattform, die verschiedene Datenquellen (u. a. Stressdaten) zusammenführt, für das Forschungsteam und auch für praktische Planer*innen als nützlich erachtet wurde, b) beim Vergleich der verschiedenen Datenquellen manche konsistent sind aber nicht immer übereinstimmen, c) sich überwiegend gehaffine, gut gebildete Teilnehmer*innen bereit erklärt haben, bei den Feldtests mitzumachen und d) Wearables am Handgelenk von den Teilnehmer*innen als weniger störend betrachtet wurden, als der Brustgurt. Daraus lässt sich schlussfolgern,dass diese eher akzeptiert werden. In FB2 wurde die Anwendbarkeit der tragbaren Geräte für Kinder getestet, um ggf. verkehrssicherheits relevante Mängel am Schulweg aufzuzeigen. Dahingehend wurde u. a. erkannt, dass a) die Wearables grundsätzlich für Kinder geeignet sind und die Datenerfassung möglich ist und b) diese von Eltern und Kindern selbstständig bedient werden können, aber c) u. a. aufgrund der geringen Stichprobe keine verkehrsplanerischen Handlungsanforderungen aus den Daten ableitbar waren. Darüber hinaus konnten d) die ethischen Belange umfassend geklärt werden. D. Die Expert*innen-Interviews verdeutlichten, dass Mehrwert und Chancen der Humansensorik gesehen werden, insbesondere in der „Sichtbarmachung“, der Objektivität der Daten und der möglichen Vergleichbarkeit. Humansensorik kann von der zunehmenden Bedeutung der aktiven Mobilität profitieren, sowie von mehr massentauglichen Wearablesund dem Bedarf an einer höheren Datendichte für planerische Entscheidungen. Die konzeptionelle Verschneidung der Humansensorik mit einem Planungsprozess zeigt, dass die Methode der Humansensorik in verschiedenen Schritten anknüpfen kann. So bieten sich unter anderem die Erhebung von Mängeln, die Identifikation von kritischen Stellen inder Fuß- und Radinfrastruktur und die Vorher- Nachher-Untersuchung von infrastrukturellen Planungen an. Wesentliche Anwendungsbereiche der Methode werden insbesondere in der Verkehrssicherheit gesehen. Doch die Humansensorik ist von einem praktischen Einsatz noch weit entfernt und es bedarf noch Grundlagen- bzw. anwendungsbezogene Forschung sowie interdisziplinäre Zusammenarbeit. Damit Daten aus der Humansensorik eine stärkere Berücksichtigung in der Planung finden, müssen (seitens Nutzer*innen, Praxis) die Akzeptanz erhöht, die Anwendung der Technologie, die Schnittstellen zum Smartphone und die Zugänglichkeit der Daten (auf Forscher*innenseite) vereinfacht sowie der Zugang zu den Wearables erleichtert werden (günstiger, praktischer, „mainstream tools“ auf Nutzer*innenseite). Es wird sich zeigen müssen, inwiefern das Thema der Humansensorik in der Forschungslandschaft präsent bleibt, sich etabliert und sich die Diffusion in die Verkehrsplanung gestaltet
de
dc.description.abstract
Cyclists that weave past cars, get cut off and honked at. Pedestrians that rush across streets at short traffic lights and appreciate the shady trees in the nearest traffic-calmed zone. Noise and visual impressions that rush up to us and stayin our minds until we reach our destination. Active mobility is more than mobility that serves the purpose of getting from point A to point B. It is both healthy and dangerous, liberating and restrictive, mundane and recreational, relaxing andnerve-wracking. It is an up and down, a roller coaster, not only of positive emotions but also of stress.Stress and emotions are increasingly the subject of research, particularly within the scope of reurbanisation.Reurbanisation concerns well-being, freedom from stress and, in the broadest sense, the (mental) health of the urban population in their everyday life and in their mobility. Cyclists and pedestrians, in particular, have direct contact with thebuilt environment and the diverse influences that affect them: noise, heat, emissions, other people and means oftransport. Active mobility is gaining importance in the wake of the climate crisis and the desired mobility turnaround,and has become the goal of sustainable urban and transportation planning. The latter is also increasingly recognising the relevance of the interaction between people and space, as well as the subjective, emotion-related factors of mobilityas an essential aspect of mobility behaviour. In mobility research, these factors are taken up in mobility surveys. From mobility diaries, surveys and GPS tracking, to sensor-based recording of emotions in active mobility, a wide range of methods has been used, without resulting in the creation of a comprehensive assessment tool. The latter, also called“human sensory assessment”, involves the measurement of physiological signals using sensors. These physiological signals (such as changes in skin conductance) can provide information about a (negative) experience (e.g., walking orcycling) and thus make subjective experiences quantifiable. A brief moment of stress can show up physiologically as asweat lasting but a few seconds, thus becoming measurable. In this way, the invisible and the subjective aspects of emotions and stress become visible and objective. However, these measurement methods of “human sensory assessment” are still far from being used in the practical (transportation) planning field. Reasons for this vary from insufficient technical solutions, the high effort required and the question of data reliability. In addition, there are ethicaland data protection requirements that need particular attention and clarification. Nevertheless, the method holds enormous potential for planning processes and brings a new perspective to transportation planning on the basis of objective, evidence-based data. After all the data has been collected, all technologies have been tried, and many(human) sensors have been used, the question remains: What is applicable in planning and can be implemented as are design in space to promote active mobility in the background of the mobility transition?The aims of the work were, among others, (a) to classify and describe relevant theories and concepts of emotion psychology, urban and transport planning in relation to stress and emotions and their genesis. Emotions were described and classified in the context of urban space and active mobility from the perspective of traffic and urban planning and psychology. A further goal was (b) to analyse international research on the topic of “human sensory assessment” inorder to identify, among others, gaps in applicability as a starting point for own research. (c) Methods of “human sensoryassessment” with a focus on skin conductivity were presented and analysed on the basis of case studies (own, realisedresearch projects). Finally, (d) the method of “human sensory assessment” was reflected with experts and potentials with regard to the planning and design of public spaces (critical examination, chances, potentials, application requirements) Methodological approach: The work aimed to employ a mix of methods based on an explorative research approach,given that the work explores a novel or, thus far, little-researched issue. In addition to the presentation of the genesisof “human sensory assessment” and a systematic literature analysis, the analysis of two case studies including interviews with participants (realised research projects, n = 67 and n = 5) illustrates the application in the research-related field.As an essential qualitative method, guideline-based interviews with experts were realised. Their focus lay on the role of emotions and stress in research and practice, as well as on the applicability of “human sensory assessment” in (transportation) planning processes.The results can be summarised along the objectives as follows:A. Emotions and stress remain a marginal issue in transportation planning, but are gaining importance. New (sustainable) means of transport and the importance of active mobility as a contribution to the mobility turnaround openup new questions on the subjective, emotional factors of mobility, which have thus far only been consideredrudimentarily. “Human sensory assessment” – a field which emerged about 10 years ago – addresses these issues asa new research direction and bears the potential to bring emotions and stress derived from physiological data inconnection with the built environment into transportation planning. Nevertheless, the process faces the challenges of unclear terminology and insufficiently integrated theories across disciplines.B. Analysing the national and international field on “human sensory assessment”, it can be observed that previousstudies show limitations, with a clear genesis already noticeable from the initial projects. This also allows conclusionsto be drawn about future developments. The following limitations can be identified: a) no random selection of participants,b) small sample size, c) no medically certified wearables, d) no supplementary user surveys and e) lack of orintransparent ethical clarification. In addition, it is possible to identify insufficient analytical depth and exploitation of the method’s potential.C. The two case studies examined were able to partially address the identified gaps in the literature review and focuson users, visualisation and ethical concerns. In this regard, FB 1 – with the goal of identifying critical locations on thefootpath – recognised, among other things, that a) the presentation of results via a visualisation platform, which brings together different data sources (including stress data) was considered useful for the research team and also for practicalplanners, b) when comparing the different data sources, some are consistent but do not always agree, c) participants who agreed to take part in the field tests were mostly affluent and well-educated, and d) wearables on the wrist were considered less annoying than the chest strap by the participants. Therefore, it can be concluded that they are more likely to be accepted.In FB2, the applicability of the wearable devices for children was tested in order to identify any traffic safety-relateddeficiencies on their way to school. In this regard, the study recognised, among other things, that a) the wearables are fundamentally suitable for children and that data collection is possible and that b) they can be operated independently by parents and children, but c) no traffic planning action requirements could be derived from the data, for example, due to the small sample. In addition, d) ethical concerns could be fully addressed.D. The expert interviews made clear that the added value and opportunities of “human sensory assessment” are seen,especially as regards visualisation, data objectivity and potential comparability. “Human sensory assessment” can benefit from the increasing importance of active mobility, as well as from more wearables suitable for mass use and theneed for higher data density for planning decisions. The conceptual intersection of “human sensory assessment” witha planning process shows that the method can tie in with different steps. For example, possible applications include thesurvey of deficiencies, the identification of critical points in the pedestrian and bicycle infrastructure and the before andafter examination of infrastructural planning. Major applications of the method are seen particularly in traffic safety.However, “human sensory assessment” is still far from being used in practice, and basic or applied research as well as interdisciplinary collaboration is still needed. In order for data from “human sensory assessment” to be taken into greater account in planning, its acceptance must be increased (on the part of users, practice), the technology, smartphoneinterfaces and data accessibility must be simplified (on the researchers’ side), and access to wearables must be madeeasier (cheaper, more practical, “mainstream tools” on the users’ side). It remains to be seen to what extent the topicof “human sensory assessment” will remain present in the research landscape, establish itself and diffuse into transportplannin
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