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Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht eine denkmalgeschützte Scheune in Münschecker, einem kleinen Dorf im Osten Luxemburgs. In Luxemburg gelten Bauwerke als denkmalgeschützt, wenn ihnen aufgrund ihrer historischen, kulturellen, architektonischen oder sozialen Bedeutung ein besonderer Wert zugesprochen wird. Das Denkmalschutzgesetz, welches sowohl auf nationaler als auch auf kommunaler Ebene umgesetzt wird, unterscheidet dabei vier Formen des Kulturerbes: das Architektonische, das Archäologische, das Mobile und das Immaterielle. Sie alle unterliegen bestimmten Regeln, die Veränderungen, Restaurierungen oder Abrisse regulieren – mit dem Ziel, ihre Integrität und Authentizität zu bewahren und sie auch für kommende Generationen erlebbar zu machen. Doch was genau bewahren wir, wenn wir ein Gebäude unter Schutz stellen? Geht es nur um seine physische Substanz – oder nicht vielmehr um die gelebte Geschichte, die sozialen Beziehungen und die Traditionen, die es über Generationen hinweg geprägt haben? Der Denkmalschutz konzentriert sich oft auf die materielle Erhaltung, doch dabei droht verloren zu gehen, was ein Gebäude wirklich ausmacht: sein Wandel, seine Nutzung und die Bedeutungen, die ihm von seinen Bewohnern und seiner Umgebung zugeschrieben wurden. Indem wir es in einem vermeintlichen Originalzustand fixieren, riskieren wir, jene lebendige Dimension auszublenden, die es erst zu einem echten Zeugnis der Vergangenheit macht. Ein genauerer Blick auf die Werte, die dem Konzept des Denkmalschutzes zugrunde liegen, eröffnet eine neue Perspektive und ermöglicht eine umfassendere Definition von Kulturerbe. Die Analyse der historischen Entwicklung der Scheune hilft, ihren Ursprung, ihre Evolution und ihre Rolle als architektonischer Typus zu verstehen. Es wird klar, dass Scheunen historisch gesehen nicht nur landwirtschaftliche Bauwerke waren, sondern auch die Beziehung zwischen Mensch, Tier und Landschaft vermittelten. Sie sind ein Zeugnis des Wandels. Ihre Entwicklung über die Zeit hinweg spiegelt sich wandelnde wirtschaftliche, technologische und kulturelle Werte wider. Dennoch reduziert die gängige Denkmalpflege sie oft auf ihr äußeres Erscheinungsbild und betrachtet sie als statische Relikte, ohne ihre ursprünglichen, dynamischen Funktionen ausreichend zu berücksichtigen. Wenn wir Kulturerbe nicht als erstarrten Zustand, sondern als aktiven Prozess begreifen, stellt sich die Frage: Wie können wir Räume gestalten, die historische Bedeutung bewahren und zugleich heutigen Anforderungen gerecht werden? Dieses Projekt versteht sich als eine kritische Auseinandersetzung mit der konventionellen Denkmalpflege und schlägt einen alternativen Ansatz vor: die Neubelebung der Scheune als aktiven Bestandteil des heutigen Lebens. Anstatt sie zu einem starren Denkmal zu machen, wird ihr ursprünglicher Charakter als wandelbare, beständige Hülle wiederbelebt – ein Raum, der sich mit den Jahreszeiten verändert und in dem sich die Vielfalt vergangener Nutzungen widerspiegelt. Der Erhalt wird dabei nicht nur als Bewahrung von Erinnerung verstanden, sondern als ein lebendiges Ökosystem, das sich kontinuierlich weiterentwickelt. Der Entwurf schafft einen Raum, in dem die Beziehung zwischen Mensch und Natur nicht nur spürbar, sondern bewusst gefördert wird. Die Scheune bleibt ein Zeugnis des Wandels – nicht nur als Relikt der Vergangenheit, sondern als Ort, der sich mit der Zeit entwickelt und weiterlebt.
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