dc.description.abstract
Batterie-Energiespeichersysteme (BESS) auf Basis von Li-Ionen-Technologie gelten als mögliche Anbieter von Diensten im zukünftigen Stromversorgungssystem. Obwohl die Preise für Li-Ionen-Akkus kontinuierlich sinken, ist es heute immer noch schwierig, mit der Ausübung eines einzigen Dienstes Rentabilität zu erzielen. Der Mehrzweckbetrieb von BESS, um ein sogenanntes “valuestacking” von Diensten zu erreichen, ist daher ein stark diskutiertes Thema in der aktuellen Forschung und Fachliteratur. Mehrfach wurde bereits nachgewiesen, dass ein solcher Mehrzweckbetrieb das Potential birgt, die Rentabilität von BESS enorm zu steigern. Die vorliegende Arbeit untersucht einen solchen Mehrzweckbetrieb und konzentriert sich dabei auf drei Aspekte. Der erste Aspekt betrifft die Charakterisierung von BESS anhand von Messungen, die an einem realen BESS durchgeführt werden, dessen Konstruktion wissenschaftlich begleitet wurde. Der zweite Aspekt betrifft die Identifizierung von Diensten, für die BESS geeignet sind, und eine detaillierte Untersuchung ausgewählter Dienste. Diese detaillierten Untersuchungen basieren auf der Betrachtung der entsprechenden rechtlichen und technischen Anforderungen, Simulationen in Matlab/Simulink und DIgSILENT PowerFactory sowie auf Feldtests, welche für jeden der ausgewählten Dienste am BESS-Teststandort durchgeführt wurden. Der dritte Aspekt betrifft die Untersuchung und mögliche Implementierung eines Mehrzweckbetriebs. Der Mehrzweckbetrieb eines BESS kann in zwei Teile unterteilt werden: die operative Planungsphase und der Echtzeitbetrieb. Während die operative Planungsphase bereits in einigen Studien untersucht wurde, ist die Überführung in einen Echtzeitbetrieb ein selten behandeltes Thema. Aus diesem Grund werden in der vorliegenden Arbeit Konzepte zur Implementierung eines Echtzeit-Mehrzweckbetriebs diskutiert und die Methode der dynamischen Priorisierung vorgeschlagen, die Zielkonflikte während eines Mehrzweckbetriebs löst. Darüber hinaus wird ein Mehrzweckbetrieb für vier ausgewählte Dienste durch Simulation in Matlab/Simulink untersucht und der vorteilhafte Einfluss eines Mehrzweckbetriebs auf die erzielbaren Erlöse nachgewiesen. Zur Charakterisierung von BESS werden mehrere entscheidende Indikatoren zusammengefasst, die zur Erstellung und Parametrierung von Simulationsmodellen benötigt werden. Es wird ein geeignetes Testverfahren vorgeschlagen, mit dem Indikatoren wie die Spannungskurve, der Wirkungsgrad des Umrichters, der tatsächliche Energiegehalt, die tatsächliche Kapazität oder Verluste mithilfe eines einzelnen Tests gemessen werden können. Dieses Testverfahren eignet sich zur Überwachung dieser Indikatoren, indem es nach bestimmten Zeiträumen erneut ausgeführt wird, und liefert dadurch vergleichbare Messergebnisse über die gesamte Lebensdauer des BESS. Aus allen für BESS geeigneten Diensten werden die Dienste Primärregelreserve/Frequency Containment Reserve (FCR), Energiearbitrage, synthetische Schwungmasse, dynamische Netzstützung und Schwarzstart/Inselbildung ausgewählt, um diese detailliert zu betrachten. Insbesondere für FCR werden weiterführende Untersuchungen durchgeführt, die nicht nur das Verhalten bei der Erbringung von FCR analysieren, sondern auch das Verhalten des SoC-Managements, das erforderlich ist, um eine kontinuierliche Bereitstellung von FCR sicherzustellen. Durch die Untersuchung der sogenannten “Freiheitsgrade” für FCR als Methode zur Beeinflussung des SoC ohne die Notwendigkeit von Markttransaktionen wird gezeigt, dass ihre Verwendung den für das SoC-Management erforderlichen Energiebedarf erheblich reduziert. Darüber hinaus wird ein Algorithmus vorgeschlagen, der eine wesentliche Reduktion der Verluste ermöglicht, die während der Bereitstellung von FCR auftreten. Mehrere Messergebnisse von Feldtests illustrieren den erfolgreichen Betrieb zur Bereitstellung von FCR, eines entsprechenden SoC-Managements und des vorgeschlagenen Verfahrens zur Reduktion von Verlusten, welche alle mit dem untersuchten realen BESS implementiert wurden. Für die synthetische Schwungmasse liegt ein Schwerpunkt auf der Untersuchung des Verhaltens möglicher Implementierungen auf der Grundlage von netzfolgenden und netzbildenden Umrichterdesigns. Mithilfe von Electromagnetic Transient (EMT)-Simulationen werden zwei Ansätze unter Verwendung dieser Umrichterdesigns untersucht und verglichen. Auf Basis des netzfolgenden Ansatzes wurde der Dienst einer synthetischen Schwungmasse am realen BESS implementiert. Da die Netzfrequenz als Steuergröße für einen netzfolgenden Ansatz einer synthetischen Schwungmasse dient, ist die Qualität der Frequenzmessung von entscheidender Bedeutung dafür, wie genau das Verhalten einer realen Schwungmasse imitiert werden kann. Entsprechende Feldtests konzentrieren sich auf die Messung des Verhaltens der synthetischen Schwungmasse mit dem Ziel, ein mögliches Testverfahren zum Nachweis der Funktionsfähigkeit einer synthetischen Schwungmasse im Rahmen einer Präqualifikation zu beleuchten. Zur Untersuchung der dynamischen Netzstützung werden EMT- und Root Mean Square (RMS)-Simulationsmodelle erstellt, die einen geeigneten Strombegrenzungsalgorithmus berücksichtigen. Während das in Matlab/Simulink erstellte EMT-Simulationsmodell das genaue Zeitverhalten eines Umrichters bei Fehlern gemäß den aktuellen Gridcodes reproduzieren kann, stellt das in DIgSILENT PowerFactory erstellte RMS-Simulationsmodell eine Vereinfachung der EMT-Version dar, welches in das Modell eines Netzabschnitts integriert ist und für Berechnungen zur Planung entsprechender Feldtests verwendet wird. Die Messergebnisse dieser Feldtests werden verwendet, um das Gridcode-konforme Verhalten des BESS hinsichtlich der dynamischen Netzstützung basierend auf erzwungenen symmetrischen sowie unsymmetrischen Kurzschlüssen zu validieren. Zudem werden diese Messergebnisse verwendet, um das Gridcode-konforme Verhalten hinsichtlich der Anforderungen an die Fault-Ride Through-Fähigkeit zu validieren. Die Durchführung eines Schwarzstarts und der Betrieb eines Inselnetzabschnitts, eines sogenannten Microgrids, werden ebenfalls mithilfe eines Feldtests am realen BESS demonstriert. Die entsprechende Vorbereitung dieses Feldtests erfolgt mit Hilfe von EMT-Simulationen. In den Feldtests werden ein erfolgreicher Schwarzstart eines Microgrids demonstriert und die dynamischen Fähigkeiten des nachfolgenden Betriebs des Microgrids über Wirk- und Blindleistungssprünge untersucht. Darüber hinaus werden Windkraftanlagen während der Feldtests mit dem Insel-Microgrid synchronisiert, um die Möglichkeiten eines Inselbetriebs mit Unterstützung von regenerativen Einspeiseanlagen zu studieren, welcher eine länger andauernde Versorgung eines Microgrids während einer Störung des überlagerten Netzes ermöglichen könnte. Eine frequenzbasierte Steuerkurve wird vorgeschlagen und getestet, um die Leistung der Windkraftanlagen zu begrenzen und damit eine Überlastung bzw. Überladung des BESS zu verhindern. In Bezug auf den Mehrzweckbetrieb von BESS wird ein neuartiges mathematisches Gerüst vorgeschlagen, in dem mehrere Dienste und ihre Interaktion unter Berücksichtigung des Konzepts der dynamischen Priorisierung zur Behandlung von Konflikten beschrieben werden. Es werden verschiedene Anwendungen vorgestellt, um das Verhalten des Konzepts unter normalen und außer gewöhnlichen Netzbedingungen zu demonstrieren. Der Mehrzweckbetrieb von BESS wird mittels Langzeitsimulation in Matlab/Simulink für die Dienste FCR, Energiearbitrage, Blindleistungsbereitstellung und SoC-Management untersucht. Die entsprechenden Ergebnisse belegen die Steigerung der erzielbaren Einnahmen durch die gleichzeitige Erbringung dieser Dienste im Vergleich zu ihrer alleinigen Bereitstellung. Da die gleichzeitige Bereitstellung auch mit einer erhöhten Belastung des BESS verbunden ist, wird berücksichtigt, dass ein Kompromiss zwischen steigenden Einnahmen und der Begrenzung der Auswirkungen auf die zyklische Alterung getroffen werden muss, um durch einen Mehrzweckbetrieb eine entsprechende Rentabilität zu erzielen.
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