dc.description.abstract
Das Verständnis von Wachstum und Rückgang von Bevölkerungsgruppen in der Natur, sowie Wechselwirkungen zwischen Populationen sind schon lange von Interesse, und einfache mathematische Konzepte zur Beschreibung dieser Phänomene wurden schon vor Jahrzehnten aufgezeichnet.<br />VOLTERRA und LOTKA waren unter den ersten, die sich mit der mathematischen Beschreibung von Interaktionen zwischen mehreren Spezies auseinandersetzten. Ihre Werke wurden hauptsächlich in den 1920er und 1930er Jahren veröffentlicht und behandeln eine Reihe von Modellen zur Beschreibung von Räuber-Beute-Beziehungen und Zwei-Spezies-Konkurrenzsystemen. Seit ihren bahnbrechenden Arbeiten gab es viele andere namhafte Beiträge auf dem Gebiet der mathematischen Ökologie.<br />Kritiker dieser historischen Modelle vertreten oft die Auffassung, dass diese Modelle zu unrealistisch seien und bestimmte biologische Merkmale, wie Umwelteinflüsse, nicht berücksichtigen würden. Dem ist entgegenzuhalten, dass man das Wirkungsgefüge eines Ökosystems mit seinen Tausenden von Komponenten zwar bewundern kann, dass es sich aber nur schwer modellieren lässt. Auch schon die Analyse von Wechselwirkungen zwischen zwei Arten kann sehr kompliziert sein, weil sie oft über mehrere zwischengeschaltete Arten wirken.<br />Aber die Bedeutung und Stärke dieser klassischen Modelle liegen nicht in der Genauigkeit der Vorhersagen oder in ihrem Realismus, sondern sie zeichnen sich wegen ihrer Einfachheit und fundamentalen Erkenntnisse aus.<br />Obwohl die Gleichungen, auf die in dieser Diplomarbeit eingegangen wird, im Vergleich zu den in der Natur existierenden komplexen Beziehungen extreme Vereinfachungen sind, ist es dennoch möglich, durch die Auseinandersetzung mit diesen Modellproblemen einen gewissen Einblick in die ökologischen Grundprinzipien zu erlangen.<br />Das einfachste Räuber-Beute-Modell zwischen zwei Arten, welches auch unter dem Namen Lotka-Volterra-Modell bekannt ist, werde ich in Kapitel 2 vorstellen und analysieren.<br />Zwei Arten stehen dabei in einem Räuber-Beute-Verhältnis, wenn das Wachstum der einen Art, des sogenannten Räubers, von der anderen Art, der sogenannten Beute, begünstigt wird, während die Beutepopulation in ihrem Wachstum von der Räuberpopulation beeinträchtigt wird.<br />Der italienische Mathematiker Vito VOLTERRA stellte im Jahre 1926 dieses einfache Differentialgleichungsmodell auf, als ihm die Frage gestellt wurde, weshalb in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg der Anteil der Raub fische in der Adria deutlich höher und der der Beute fische deutlich niedriger war als in den Jahren zuvor, obwohl der Fischfang während des Krieges weitgehend unterbrochen wurde. Aufgrund dieses eingeschränkten Fischfangs würde man einen Anstieg des Fischertrags erwarten, doch VOLTERRA konnte mit seinem etwas naiven Räuber-Beute-Modell diesen rätselhaften biologischen Trend beschreiben.<br />Dieses Modell wurde als Lotka-Volterra-Modell bekannt, da ungefähr zur selben Zeit Alfred J. LOTKA dieselben Gleichungen herleitete, um eine hypothetische chemische Reaktion mit periodischem Verhalten der chemischen Konzentrationen zu beschreiben.<br />Im darauffolgenden Kapitel werden einige Erweiterungen bzw. Modifi kationen dieses sehr einfachen Modells vorgestellt, um etwas realistischere Modelle zur Beschreibung von Räuber-Beute-Beziehungen zu erhalten.<br />Diese Modi fikationen ergeben sich, indem man die Annahmen hinsichtlich der Wachstumsrate der jeweiligen Population verändert, von linearen hin zu nichtlinearen Raten.<br />In der Literatur gibt es oft unterschiedliche Defi nitionen der Lotka-Volterra-Gleichungen, nicht immer wird darunter das einfachste Räuber-Beute-Modell verstanden, welches in Kapitel 2 behandelt wird.<br />Josef HOFBAUER und Karl SIGMUND zum Beispiel betrachten in ihrem Buch "Evolutionstheorie und dynamische Systeme" ein allgemeineres Modell, welches nicht nur Räuber-Beute-Beziehungen beschreibt, sondern auch Konkurrenz und symbiotische Wechselwirkungen zwischen den Populationen zulässt, und bezeichnen dieses als allgemeine Lotka-Volterra-Gleichungen. Durch diesen allgemeineren Ansatz kann man Zusammenhänge zu anderen biomathematischen Bereichen, wie Spieldynamik und Populationsgenetik, herstellen, worauf in Kapitel 4 eingegangen wird.<br />Das Ziel dieser Arbeit ist, einerseits auf Basis des einfachen Lotka-Volterra-Systems möglichst realitätsnahe Modelle für eine Räuber-Beute-Beziehung in der Ökologie zu erhalten, und andererseits mithilfe dieser Gleichungen Zusammenhänge zu anderen biomathematischen Gebieten herzustellen und somit das Potential dieses einfachen Systems voll auszuschöpfen.
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