Brückl, E., Hochwartner, R., & Zöhling, S. (2022). Der seismische Herdmechanismus von Gewinnungssprengungen. BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte, 167(6), 260–271. https://doi.org/10.1007/s00501-022-01233-3
Seit 2018 werden die seismischen Signale der Gewinnungssprengungen im Steinbruch Dürnbach/Hohe Wand/Niederösterreich mit Stationen des Macroseismic Sensor Netzwerkes beobachtet und aus den Messdaten Magnituden als Maß für die Quellstärken der jeweiligen Sprengungen bestimmt. Gleichzeitig werden spreng-technisch relevante Parameter in einer Datenbank mitgeführt. Der vorliegenden Untersuchung liegen die Daten aus den Jahren 2019, 2020 und 2021 zugrunde. Die Mittelwerte der Magnituden für die drei, im Abbau verwendeten Sprengschemata beschreiben die beobachteten Quellstärken geringfügig besser als der lineare Zusammenhang von Magnitude und dem Logarithmus der maximalen Lademenge pro Zündstufe (Lmax). Im Abbaugebiet wurden auch drei seismische Sprengungen zum ausschließlichen Zweck der Erzeugung seismischer Wellen abgetan. Die Magnituden der seismischen Sprengungen lagen lediglich im Bereich der Gewinnungssprengungen mit gleicher Lmax und nicht, wie erwartet, deutlich darüber. Die offensichtliche Bedeutung des Sprengschemas und die letztgenannte Beobachtung veranlasste uns zu einem Überdenken des seismischen Herdmechanismus von Gewinnungssprengungen.
Einzelkraft und Kräftepaar stellen die beiden in der Seismologie etablierten Herdmechanismen dar. Beispiele für Einzelkraft als Quelle bilden Fallgewichte, Vibratoren oder Bergstürze. Kräftepaare sind bei seismischen Sprengungen, unterirdischen Nuklearexplosionen oder Erdbeben wirksam. Wir veranschaulichen den in der Theorie gesicherten Sachverhalt, dass der Betrag der Kräfte beim Herdmechanismus „Kräftepaar“ wesentlich höher sein muss als bei einer Einzelkraft mit gleicher Quellstärke. Für den Herdmechanismus einer Gewinnungssprengung gelangen wir zu folgendem Modell: Unmittelbar nach der Detonation des Sprengstoffs wirkt eine Gewinnungssprengung als seismische Sprengung mit dem Herdmechanismus „Kräftepaar“. Mit dem Erreichen der Zugfestigkeit des Gebirges und der Abtrennung der zu gewinnenden Gesteinsmasse wechselt der Herdmechanismus von Kräftepaar auf Einzelkraft. Dabei erhöht sich die seismische Quellstärke der Gewinnungssprengung bei annähernd gleichbleibenden Kräften etwa um den Faktor 102. Der Rückstoß, den das abgesprengte und stark beschleunigte Gebirge nach dem Prinzip „actio + reactio = 0“ auf die Bruchwand ausübt, wirkt nun als seismische Quelle im Sinne einer Einzelkraft. Die Wirksamkeit des Herdmechanismus „Einzelkraft“ im Vergleich zu Kräftepaar macht verständlich, dass die zur ausschließlichen Erzeugung seismischer Wellen konzipierten seismischen Sprengungen keine höheren seismischen Quellstärken liefern als die Gewinnungssprengungen. Über die Modellierung der Wurf- und Ablagerungsphase des Hauwerks gelangen wir zu repräsentativen Werten der in der Beschleunigungsphase erlangten Geschwindigkeiten v1 für die drei Sprengschemata. Wir zeigen, dass der Impuls, den die abgesprengte Gesteinsmasse in dieser kurzen Beschleunigungsphase gewinnt, der seismischen Quellstärke der Gewinnungssprengung entspricht und die Magnitude bestimmt. Der Impuls folgt aus dem Produkt von Abschlagsmasse pro Zündstufe mit der Geschwindigkeit v1 und stellt eine beobachtbare Größe dar.
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Since 2018 seismic signals generated by production blasts in the quarry Dürnbach/Hohe Wand/Lower Austria have been recorded by Macroseismic Sensor Network stations. Magnitudes are derived from this data as a measure of the seismic source strength of particular blasts. In parallel, parameters relevant for blasting engineering are fed into a database. This dataset encompassing the years 2019, 2020, and 2021 is used in the presented study. Average magnitude values for the three different blasting patterns used for extraction describe the observed strength slightly better than the commonly used relation between magnitude and the logarithm of the maximum blasting charge per ignition time lag (Lmax). In addition to the production blasts, three seismic blasts were ignited in the working area of the quarry. The aim of these seismic shots was solely the generation of seismic energy. However, contrary to expectation, the magnitudes of the seismic shots only reached the same level as the extraction blasts with a similar charge with respect to Lmax. The apparent importance of the blasting pattern for the seismic source strength and the experience made with the seismic shots motivated us to reconsider the focal mechanism of production blasts.
Single force and force couple represent the two well-established seismic source mechanisms in seismology. Weight drop, vibrators, or landslides are examples of single force seismic sources. Force couples are effective in the generation of seismic waves radiated from seismic blasts, underground nuclear explosions, and earthquakes. It follows from the theory of seismic sources that the force couple mechanism needs substantially higher force magnitudes than the single force mechanism to radiate the same level of seismic energy. We illustrate this essential result in a demonstrative way. We propose the following focal mechanism for a production blast: Immediately after the detonation, an extraction blast works as a seismic shot according to the force couple source mechanism. The source mechanism changes from force couple to single force when the tensional strength of the rock mass is exceeded and the blasting round is cut from the coherent rock mass behind. The seismic source strength of the production blast is thereby increased by two orders of magnitude. The backstroke exerted by the blasted and highly accelerated rock mass to the quarry face behind acts as a single force seismic source according to the principle “actio + reactio = 0”. The mode of operation of the focal mechanism single force compared to force couple explains why the seismic source strength of seismic blasts does not exceed that of extraction blasts. We attain representative values of the velocity v1, which the blasted rock mass attains during the initial acceleration phase for the three blasting patterns, by modelling the throw and deposition phase. We show that the impulse gained by the blasted rock mass during this very short acceleration phase corresponds to the seismic source strength of the production blast and determines the seismic magnitude. The impulse is the product of blasted rock mass per ignition time lag multiplied by the velocity v1 gained during the short acceleration phase after detonation. It is a principally observable physical quantity.
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Science Branch:
Sonstiges Umweltingenieurwesen, Angewandte Geowissenschaften Sonstige und Interdisziplinäre Geowissenschaften