E264-01 - Forschungsbereich Zeichnen und visuelle Sprachen
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Datum (veröffentlicht):
20-Nov-2020
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Veranstaltungsname:
Praktiken des Erbens. Metaphern, Materialisierungen, Machtkonstellationen 2020
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Veranstaltungszeitraum:
18-Nov-2020 - 19-Nov-2020
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Veranstaltungsort:
Weimar / Berlin, Deutschland
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Keywords:
Erinnerungskultur; Umstrittenes Erbe
de
Difficult Heritage
en
Abstract:
Es gibt ein bauliches Erbe, vor dem Institutionen der öffentlichen Hand regelrecht Angst zu haben scheinen.
Braunau 2020:
Die Jury des von der Bundesimmobiliengesellschaft geladenen Architekturwettbewerbs entscheidet sich für den Entwurf von Marte.Marte Architekten. Deren Illustration spricht Bände: Ein blondes Mädchen lässt Drachen steigen vor dem nun in den unschuldigen Zustand des 17. Jahrhunderts zurückrenovierten Geburtshaus Hitlers. Laut einem Zeitungsbericht hätten sich die Bewohner*innen Braunaus allerdings für einen ganz anderen Entwurf ausgesprochen. Auch in den 2018 von Architekturstudierenden der TU Wien am Ort durchgeführten Projekten war nichts zu spüren von der angeblichen Müdigkeit der örtlichen Bevölkerung sich mit dem Thema zu befassen.
Nürnberg 2020:
Am ehemaligen Reichsparteitagsgelände sollen Zeppelintribüne und -feld in den nächsten Jahren um mindestens 80 Millionen Euro "trittfest" gemacht werden, damit ebenfalls in eine weiße "Lösung" münden. Zivilgesellschaftliche Aktivitäten, z.B. von BauLust, einem Verein für Architektur und Öffentlichkeit, eine öffentliche Diskussion zu initiieren, wurden von der Stadt Nürnberg, der Eigentümerin des Geländes, bestenfalls geduldet. Der herausragende Umgang mit der NS-Vergangenheit wurde dagegen als besonderes Asset in den Bewerbungsprozess zur Europäischen Kulturhauptstadt 2025 eingebracht. Von der Jury wurde allerdings die fehlende aktuelle wie internationale Auseinandersetzung kritisiert.
Lehrveranstaltungen mit Architekturstudierenden an beiden Orten zeigten, dass in den zuständigen öffentlichen Stellen eine sehr eindimensionale Vorstellung von der Rolle von Gestaltung bei der zeitgenössischen Ausformung von NS-Erinnerungsorten vorherrscht. Diese soll eine eindeutige, öffentliche Diskussionen vermeidende Lösung hervorbringen - Heilung sozusagen.
Demgegenüber steht meine These, dass eine geänderte Rolle von Architektur und Kunst bei der gestalterischen Ausformulierung von Erinnerungsorten helfen könnte, partizipative und inklusive Projekte zu entwickeln, die die Diskussion an als "schwierig" wahrgenommenen Erinnerungsorten aktiv fördern statt zu verhindern suchen. Ein geänderter Fokus würde die "Schwierigkeit" als positive Herausforderung sehen statt als Wunde, die es zu heilen gilt. Design als kritisches Instrument des Erinnerns statt als Erfüllung vorformulierter Ansprüche. Dafür müssten die Erinnerungorte aber dezidiert als öffentlicher Raum aufgefasst werden. Architekt*innen und Künstler*innen wären aufgerufen die Aufgabenstellungen kritisch zu hinterfragen statt beruhigende Lösungen bereitzustellen.
Identitäten werden durch konkrete Bezugnahmen auf Vergangenheit geformt. Diese Bezugnahme auf Vergangenheit, die von materieller oder auch immaterieller Gestalt sein kann, lässt sich als Praxis des Erbens begreifen. Allerdings wird diese Erbepraxis nicht durch stabile Erbebeziehungen geprägt, sondern stellt einen öffentlichen und konfliktdurchzogenen Aneignungsprozess dar. Mit einer Perspektivierung der ‚Praktiken des Erbens‘ sollen nun eben nicht die konkreten ‚Erinnerungsorte‘ (Pierre Nora), sondern die unterschiedlichsten sozialen und institutionalisierten Praktiken sowie die kulturellen Techniken der Bezugnahme auf Vergangenheit und Konstitution von Identität thematisiert werden.
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Forschungsschwerpunkte:
Urban and Regional Transformation: 10% Development and Advancement of the Architectural Arts: 90%