Fuchs, M. (2020). Die Bedeutung von Nachbarschaften in Wiener Neubaugebieten – am Beispiel der Neu Leopoldau : wie und warum Nachbarschaften gefördert werden (sollten) [Diploma Thesis, Technische Universität Wien]. reposiTUm. https://doi.org/10.34726/hss.2021.86464
Der Wunsch nach Nachbarschaftsbeziehungen kann je nach Position im Lebenszyklus eine ganz unterschiedliche Wichtigkeit im Leben eines Menschens einnehmen. Während der Studierende oder auch viel beschäftigte, sozial gut verknüpfte Vollzeitarbeitende weniger Interesse an nachbarschaftlichen Kontakten und Gemeinschaft im Wohnumfeld hat, suchen besonders Ältere (nach der Berufstätigkeit), Kinder, Eltern in Karenz und neu Zugewanderte den engeren Kontakt mit ihrer Nachbarschaft (vgl. Planet Wissen 2019). Ausgehend von ihrer eingeschränkten Mobilität hoffen diese sozialen Gruppen vermehrt Gleichgesinnte und Unterstützung in ihrer direkten Umgebung zufinden. Bei Älteren wird dieser Wunsch meist durch den Verlust von Kontakten mit Ende der Berufstätigkeit, fehlender Verwandtschaft und dem Drang nach selbstbestimmtem Altern in den eigenen vier Wänden hervorgerufen. Kinder und junge Familien dagegen suchen SpielgefährtInnen und Kontakte zum Austausch und die Möglichkeit der Arbeitsteilung. Neu Zugewanderte finden in der Nachbarschaft erste Kontakte, Informationen zur Umgebung und Schutz vor Einsamkeit. Bei der Auswahl des Wohnortes wird hier auch oft ein Viertel gewählt, das bereits von Verwandtschaft oder Bekannten bewohnt wird und somit auch die Nähe zu Menschen, die dieselbe Sprache sprechen und Heimatgefühl bedeuten könnten. Der demographische Wandel, die steigende Lebenserwartung, niedrige Fertilität, zunehmende Migration und der damit einhergehende Druckauf das Sozial- und Pensionssystem (vgl. WKO2017) erhöht die Bedeutung von Nachbarschaft und Wohnquartieren (vgl. Siebel 2009, 12).Während Nachbarschaft früher Nothilfe und unabdingbare Organisation sowie Zusammenarbeit bedeutete, scheint in der modernen Zeit wenig Platz mehr für nachbarschaftliche Kontakte zu sein. Eveline Althaus (2018) spricht jedoch von einem „regelrechten Revival“ der Nachbarschaft seit den späten 1990er-Jahren. Gesellschaftliche Unsicherheit, sozio-ökonomische Krisen und die unendliche Zahl an Möglichkeiten lösen bei weiten Teilen der Weltbevölkerung oftmals den Wunsch des Rückzugs in Altbewährtes und lokale Interaktionsräume aus (vgl. Althaus 2018, 48). Das Wohnquartier scheint auch hier an Bedeutung zu gewinnen. Doch nicht nur der Raum Nachbarschaft kommt hierbei zum Tragen, sondern auch die sozialen Beziehungen spielen eine wichtige Rolle. Diese Mischung aus zwischenmenschlichen Verbindungen und Raum ermöglicht es Nachbarschaft in der Zeit der postmodernen Stadt eine bedeutende Rolle einzunehmen (vgl. Schnur 2012, 450). Ausgehend von diesen hohen Ansprüchen an Nachbarschaft und Wohnumgebung sowie gleichzeitig der hohen Bedeutung dieser Faktoren muss die Frage aufgeworfen werden, wie ein Nachbarschaftsgefüge entsteht und, ob dieses (räumlich) geplant und/ oder angeleitet werden kann und muss. Diese Themenauseinandersetzung rückt besonders in den Fokus wenn die aktuelle Bauentwicklung in der Stadt Wien beobachtet wird: Die Wiener Stadtplanung und –entwicklung hat mit dem STEP 2025 ihren zehn Zielgebieten (vgl. wien.at: Magistrat der StadtWien o.J.) und „Gebieten mit Entwicklungsbedarf“ (Stadtentwicklung Wien, MA18 2014, 66) eine wohnbauintensive Zeit angestoßen, die in einer großen Zahl an neuen Stadtteilen resultiert und auch weiter resultieren wird. Hier wird und werden Wohnen, Arbeit und Freizeit in einem Quartier zusammen gebracht und versucht, mit insgesamt acht Stadtteilmanagements der GB*„Nachbarschaft (zu) stärken“ (Gebietsbetreuung Stadterneuerung o.J.). Die gegenständliche Forschungsarbeit soll anhand der Neu Leopoldau diese Entwicklung aufgreifen und analysieren,was es in den neuen Stadtteilen Wiens wirklich bedeutet, Nachbarschaft zu planen und zu leben.
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The desire for neighbourly relationships can take on a very different importance in a person’s life, depending on their position in the life cycle.While students or even busy, socially well-connected full-time workers are less interested in neighborly contacts and community in their living environment, older people (after their jobs), children, parents on maternity leave and new immigrantsin particular seek closer contact with their neighbourhood (see Planet Wissen 2019). Due to their limited mobility, these social groups hope to find more like-minded people and support in their immediate environment. In the case of olderpeople, this desire is usually caused by the loss of contacts with the end of their professional life, a lack of relatives and the urge to age in their ownfour walls in a self-determined manner. Children and young families, on the other hand, seek playmates and contacts for exchange and the possibility of a division of labor. New immigrants find first contacts in the neighborhood, information about the environment and protection from loneliness.When choosing a place to live, they often choose a neighborhood that is already inhabited by relatives or acquaintances and thus the proximity to people who speak the same language could mean a sense of home. Demographic change, rising life expectancy, low fertility, increasing migration andthe resulting pressure on the social security and pension system (see WKO 2017) increase the importance of neighborhoods and residential quarters (see Siebel 2009, 12). While neighbourhood used to mean emergencyaid and indispensable organization and cooperation, there seems to be less room for neighborly contacts in modern times. However, Eveline Althaus (2018) speaks of a “real revival” of neighbourhood since the late 1990s. Social insecurity, socio-economic crises, and the infinite number of possibilities often trigger a desire among large parts of the world’s population to retreat to old established and local spaces of interaction (48). Here, too, the residential quarter seems to be gaining in importance. However, it is not only the neighbourhoodspace that comes into play here; social relationships also play a major role. This mixture of interpersonal connections and space enables neighborhoods to play an important role in the era of the postmodern city (see Schnur 2012, 450).Based on these high demands on neighbourhood and living environment and, at the same time, the high importance of these factors, the question must be raised as how a neighbourhood structure is created and whether it can and must be(spatially) planned and/or guided. This topic is especially in focus when the current building development in the city of Vienna is observed: With the Urban Development Plan 2025, its ten target areas (cf. wien.at: City of Vienna Municipal Department o.J.) and “Areas with Development Needs” (Stadtentwicklung Wien, MA18 2014, 66), Vienna’s urban planning and development has initiated aresidential-intensive period that has resulted and will continue to result in a large number of new districts. Here, living, work and leisure time are and will be combined in a single neighbourhood and an attempt is being made to “strengthen the neighbourhood” (Gebietsbetreuung Stadterneuerung o.J.) with a total of eight district managers. This research project is to take up this developmenton the basis of the Neu Leopoldau and analyses what it really means to plan and live in the new districts and neighbourhoods of Vienna.
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Abweichender Titel nach Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers