Stollwitzer, A. (2021). Entwicklung eines Ansatzes zur rechnerischen Bestimmung der Dämpfung von Eisenbahnbrücken mit Schotteroberbau [Dissertation, Technische Universität Wien]. reposiTUm. https://doi.org/10.34726/hss.2021.92244
Für Eisenbahnbrücken stellt der überfahrende Zug eine dynamische Belastung dar, wodurch speziell im Hochgeschwindigkeitsverkehr Brücken zu ausgeprägten Schwingungsantworten angeregt werden können. Die Problematik von übermäßigen und damit in Bezug auf die Gebrauchstauglichkeit als kritisch einzustufenden Brückenschwingungen infolge Zugüberfahrt betrifft vor allem einfeldrige Ei-senbahnbrücken im kurzen und mittleren Spannweitenbereich. Unter Umständen können daraus schwerwiegende negative Konsequenzen für Tragwerk und Schotteroberbau resultieren. Vergleiche zwischen rechnerischen Prognosen der Schwingungsantworten von Eisenbahnbrücken infolge Zug-überfahrt und am Tragwerk durchgeführten Schwingungsmessungen sind jedoch häufig durch erheb-liche Diskrepanzen charakterisiert. Die Diskrepanz zwischen Messung und Rechnung ist auf mehrere Ursachen zurückzuführen, welche einerseits in der Modellbildung der Brücke und des überfahrenden Zuges hinsichtlich Modellierungstiefe und verwendeter Eingangsparameter liegen und andererseits aus den derzeit gültigen normativen Vorgaben resultieren, welche konservative Ansätze in dynami-schen Berechnungen vorschreiben. Diese kumulative Dissertation, welche sich aus vier wissenschaftlichen Aufsätzen und einem voran-gestellten Einleitungsteil zusammensetzt, widmet sich der mechanischen Modellbildung der Brücke, wobei der Schwerpunkt auf die dynamischen Eigenschaften des Schotteroberbaues auf der Brücke gelegt wird. Eine adäquate Berücksichtigung der Steifigkeits- und Dämpfungseigenschaften des Schotteroberbaues in dynamischen Berechnungen erfordert neben einem passenden mechanischen Modell vor allem der Realität entsprechende und präzise Eingangsparameter. Durch ein weites Spekt-rum an zur Verfügung stehenden Modellen des Schotteroberbaues mit teilweise konträren Ansätzen und insbesondere aufgrund von enormen Streuungen bezüglich der modellzugehörigen dynamischen Kennwerte kann nach dem derzeitigen Stand der Forschung jedoch keine realitätsnahe Einheit aus Modell und darauf abgestimmten Kennwerten gegeben werden.Mit dem Ziel, eine wirklichkeitsgetreue Kombination aus Modell und zugehörigen Kennwerten fürden Schotteroberbau zu entwickeln, wurde am Institut für Tragkonstruktionen/Forschungsbereich Stahlbau eine spezielle Versuchsanlage entwickelt, welche eine vom Brückentragwerk getrennte Er-forschung des dynamischen Schotteroberbauverhaltens ermöglicht. Diese Versuchsanlage wurde be-reits im Rahmen vorangegangener Forschungsarbeiten entwickelt, gebaut sowie mehrfachen kon-struktiven Adaptierungen unterzogen. Die Versuchsanlage bildet einen Brückenabschnitt in Stahlbau-weise mit darin befindlichem Schotteroberbau im Maßstab 1:1 nach und stellt den Ausgangspunkt der vorliegenden Dissertation dar.Auf Basis von an der Versuchsanlage durchgeführten Messreihen und verschiedenen dabei gemesse-nen Verschiebungs-, Kraft- und Beschleunigungsverläufen werden mehrere Energiedissipationsmechanismen identifiziert, welche im Schotteroberbau auftreten und dessen Dämpfungseigenschaften fundamental beeinflussen. Die insgesamt drei Energiedissipationsmechanismen können in weiterer Folge mittels Feder-Dämpfer Elementen in mechanische Modelle der Brücke mit unterschiedlichen Detaillierungsgraden implementiert werden.Eine ebenfalls mithilfe der Versuchsanlage erfolgte Bestimmung modellzugehöriger Steifigkeits- undDämpfungskennwerte ergibt, dass die dynamischen Kennwerte des Schotteroberbaues jeweils einer signifikanten Abhängigkeit unterliegen, innerhalb dieser jedoch nur einer geringen Streuung. Damit kann letztendlich eine hinreichend genaue Angabe von Modell und Kennwerten gegeben werden. Als Teilergebnis dieser Dissertation stehen mehrere mechanische Modelle der Brücke mit unterschiedli-chen Detaillierungsgraden und darauf abgestimmten dynamischen Kennwerten zur Verfügung, wel-che für dynamische Berechnungen herangezogen werden können.Ausgehend von den entwickelten Brückenmodellen kann in weiterer Folge anhand von Energiebe-trachtungen ein Berechnungsansatz hergeleitet werden, welcher es ermöglicht, die Dämpfung von Eisenbahnbrücken – ausgedrückt über das Lehr’sche Dämpfungsmaß – rechnerisch zu bestimmen. Ein Vergleich dieses neuen Berechnungsansatzes mit aus Messdaten identifizierten Dämpfungsmaßen von Bestandsbrücken offenbart eine ausgesprochen gute Übereinstimmung zwischen Rechnung und Messung und verifiziert damit dessen Anwendbarkeit. Letztendlich wird durch die erstmals mögliche rechnerische Bestimmung des Dämpfungsmaßes eine evidenzbasierte Alternative zu den konservativ ausgelegten normativen Vorgaben vorgestellt. Dadurch werden Potentiale eröffnet, die zu einer Mi-nimierung der nach wie vor in der ingenieurpraktischen Brückendynamik bestehenden Diskrepanz zwischen Messung und Rechnung beitragen.
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For railway bridges, the crossing train represents a dynamic load which may lead bridges to respond with excessive vibrations, especially during high-speed traffic. These critical bridge vibrations from train crossings mainly affect single-span railway bridges with small and middle spans. Under certain circumstances, they may result in serious negative consequences for the supporting structure and the ballast superstructure. Comparisons between calculated predictions of the vibration responses of rail-way bridges due to train crossings and vibration measurements carried out on the supporting structure frequently show considerable discrepancies. Such discrepancies between measurement and calcula-tion are due to several reasons: on the one hand they are linked to the mechanical modelling of both the bridge and the crossing train with regard to the modelling depth and input parameters used; on the other hand, they are a result of the currently applicable normative specifications, which prescribe conservative approaches in dynamic calculations. This cumulative dissertation consists of four scientific articles and a preceding introductory chapterand addresses the mechanical modelling of the bridge. Its focus lies on the dynamic properties of the ballasted track on the bridge. Adequate consideration of the stiffness and damping properties of the ballast superstructure in dynamic calculations requires a suitable mechanical model and, above all, precise input parameters which correspond to reality. However, the current state of research does not provide for a realistic combination of model and model-related characteristic values. This lack is due not only to the wide array of available models of the ballasted track with at times contradictory ap-proaches, but particularly to the enormous scattering of model-related dynamic characteristic values.To generate a realistic combination of model and associated characteristic values for the ballast su-perstructure, researchers at the Institute for Structural Engineering/Steel Construction Research De-partment developed a special large-scale test facility which allows for targeted research of the dy-namic properties of the ballasted track independent of the supporting structure. This highly specialised test facility replicates a section of ballasted track located on the bridge on a scale of 1:1. The facility was developed, built, and subjected to multiple adaptations in the course of previous research work and forms the starting point of this dissertation.Several series of measurements carried out on the test facility and various displacement and acceler-ation curves measured in the process enable the distinct identification of a total of three energy dissi-pation mechanisms which occur in the ballasted track and which fundamentally influence its damping properties. Using spring-damper elements, the energy dissipation mechanisms can subsequently be implemented into mechanical models of the bridge with different levels of detail. The determination of model-related stiffness and damping parameters carried out using the test facility shows that each of the dynamic parameters is subject to one significant dependency, while there are only minimal variances within these dependencies. Thus, this provides sufficiently accurate specification of model and related parameters. A partial result of this dissertation are several mechanical models of the bridge with different levels of detail and corresponding dynamic characteristic values, which can be used for dynamic calculations.Relying on such bridge models developed this way, it is subsequently possible to derive a calculationapproach based on energy analyses, which allows to mathematically determine the damping factor of railway bridges - expressed via Lehr's damping measure. A comparison of this new calculation ap-proach with damping factors of existing bridges identified from measurement data reveals a very high concurrence between calculation and measurement and thus serves to verify its applicability. Finally, this pioneering possibility to calculate the damping factor offers an evidence-based alternative to the conservatively interpreted normative specifications. Furthermore, this opens up potentials which con-tribute to minimising the discrepancies between measurement and calculation, which still exist in practical calculation of bridge dynamics.