Candan, A. (2023). Sterben in der Fremde. Haus des Abschieds für die islamische Diaspora in Wien [Diploma Thesis, Technische Universität Wien]. reposiTUm. https://doi.org/10.34726/hss.2023.95069
Konfessioneller Friedhof; islamische Glaubensrichtungen; Zentralfriedhof; Wien
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Denominational cemetery; Muslim faith; Zentralfriedhof; Vienna
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Abstract:
Die Migrationsbewegungen des 20. Jahrhunderts in Europa führten zu Veränderungen der Lebensrealität unterschiedlicher Kulturen. Die gesellschaftliche Änderung schafft einen neuen Dialog, insbesondere mit der Diaspora muslimischen Glaubens: Die Ankunft der ersten Generation an Zuwandernden liegt bereits 60 Jahre her. Diese ist gegenwärtig mit dem Thema Tod und dem Sterben in der Fremde konfrontiert. Entschied sich die erste Generation nach dem Tod eines Angehörigen noch öfters für eine Überführung in die Heimat, sehen die meisten der zweiten und dritten Generation keine Rückkehr mehr in das Geburtsland ihrer Eltern vor. Mit der Zeit stieg das Bedürfnis der Diaspora nach selbstbestimmten Räumen für Kultur und Religion: Die neue islamische Architektur wird in Europa im Zuge dessen jedoch oft auf formale architektonische Elemente wie das Minarett und die Kuppel reduziert. Dabei werden gegenwärtige Entwicklungen in der Religion und Dynamiken, die sich in der zweiten und dritten Generation vollziehen, außer Acht gelassen. Es ist daher längst überfällig, das Gespräch auf einer neuen Ebene zu suchen, in einem kreativen Diskurs, abseits vom unfruchtbaren Formenstreit. Die Suche nach neuen Ausformulierungen von neuen Ritualen birgt indes Möglichkeiten für die Religion, Architektur und die Gesellschaft der Zukunft.Ziel der vorliegenden Diplomarbeit ist, einen Raum zu schaffen, der nicht nur aus dem Bedürfnis nach Trauerverarbeitung heraus entspringt, sondern auch dazu dient, der Diaspora-Gesellschaft in Europa einen identitätsstiftenden Ort und die Anteilnahme an einem öffentlichen Raum zu ermöglichen. Sie setzt somit eine Inklusion voraus und verleiht Menschen mit ‚hybrider Identität‘ eine neue Sprache und Autonomie, welche beide Kulturen vereint – im wörtlichen und bildlichen Sinne. Die Erzählung dieses Prozesses gliedert sich in drei Teile. Grundthemen sind das Wechselspiel mit dem architektonisch Vorhandenen und dem, was neu hinzukommt.Der erste Teil analysiert das ‚Nahe‘ und in Wien Vorgefundene – den Wiener Zentralfriedhof und seine bauliche Struktur. Die geometrisierte Landschaft gibt der Entwurfsaufgabe das Koordinatensystem vor. Der Fokus liegt dabei nicht nur auf den Bauten, die als Fragmente auf dem großen Gelände stehen, sondern auch auf den Wegen und der Vegetation.Der zweite Teil behandelt das Abschiedszeremoniell und die sakrale islamische Architektur. Diese geben den Rahmen für die rituellen Abläufe und die erforderlichen Räumlichkeiten für einen wür-devollen Abschied an. Der dritte Teil behandelt die Synthese der Kulturen und wie der Islam durch adhoce Strukturen und Adaption seine Architektur in Europa weiterschrieb. Prägender Auslöser für die Entwurfsaufgabe sind sowohl meine eigenen Erfahrungen als Angehörige der zweiten Generation, als auch der Kontakt mit Beisetzungen in der Fremde. Auf diese Weise entsteht eine Synergie aus der nahen, sowie der entfernten Kultur und der dualistischen Gefühlswelt der Diaspora. Vor diesem Hintergrund wird die Gestaltung eines Hauses für das Abschiedszeremoniell und eine Ruhestätte für die islamischen Glaubensrichtungen entwickelt. Dieses Trauerhaus soll für ein neues Bedürfnis Raum schaffen, welches bei der Errichtung des Friedhofs noch nicht absehbar war. Auf diese Weise entsteht eine Weitererzählung von Grund und Figur, was den Zentralfriedhof und die Stadt Wien mit kontinuierlichen Erweiterungen als lebendiges Palimpsest auszeichnet.
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The migration in the 20th century in Europe led to changes in the life for many. The societal changes are accompanied by new confrontations, especially for Muslims in the Diaspora. It has been 60 years since the arrival of the first generation of immigrants. They are now confronted with the topic of death. While the first generation often decided to return home after their death, most of the second and third generations do not plan to return to their parents’ homeland. The Islamic architecture in Europe, however, is still often reduced to formal elements such as the minaret and the dome. Current developments in religion and dynamics that take place in the second and third genera-tion are ignored. It is therefore long overdue to seek dialogue on a new level, in a creative dis-course, away from the fruitless dispute over forms. The search for new formulations hold many possibilities for the religion, architecture and the society of the future.The aim of this diploma thesis is to create a space that not only arises from a need, but also serves to give the diaspora society in Europe a place that creates identity and enables partici-pation in public space. It thus presupposes inclusion and gives those with a ‘hybrid identity’ a new language and autonomy that unites both cultures - literally and figuratively.The narrative of this process is divided into three parts. The basic themes are the interplay be-tween the existing architectural structure and that which is new. The first part analyses the ‚pre-sent‘: the central cemetery of Vienna and its structure. The geometric landscape provides the coordinate system for the design task. The focus is not only on the buildings, which stand as fragments on the large site, but also on the paths and the vegetation.The second part deals with the ritual sequences of the farewell ceremony and sacred Islamic architecture that have retained their validity over centuries. These provide the framework for the ritual processes and the necessary premises for a dignified farewell.The third part deals with the synthesis of cultures and how Islam continued to write their archi-tecture in Europe through adhoc structures and adaptations. The key triggers for the design task are both my own experiences as a member of the second generation and my contact with burials abroad. In this way, a synergy is created between the given, as well distant culture and the dualistic emotional world of the diaspora. Against this background, the design of a house for the farewell ceremony and a resting place for the Islamic faiths creates space for a new need that was not prevalent when the cemetery was built. In this way, a further narrative of ground and figure is created, which characterizes the central cemetery and the city of Vienna with continuous expansion as a living palimpsest.
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Abweichender Titel nach Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers