Tóth, B. (2021). Modellierung des Fahrgastverhaltens für die Simulation von Fahrgastwechsel bei Metrofahrzeugen in der Software Anylogic [Diploma Thesis, Technische Universität Wien]. reposiTUm. https://doi.org/10.34726/hss.2021.93486
Aufgrund der steigenden Fahrgastzahlen müssen die Kapazitäten öffentlicher Verkehrsnetze gesteigert bzw. optimiert werden. Im innerstädtischen Verkehr, insbesondere in U-Bahn-Systemen, werden die Fahrzeugfolgen immer dichter und Zeitpuffer immer niedriger, die mit einem Verlust der Robustheit des Systems gegen kleine zeitliche Abweichungen verbunden ist. Während die Fahrzeit zwischen zwei Haltestellen in der Regel nicht mehr wesentlich reduziert werden kann, gibt es aufgrund der häufigen Stationsaufenthalte bei der Haltezeit und insbesondere bei deren Hauptkomponente, der Fahrgastwechselzeit, noch Optimierungspotenzial, um die Anfälligkeit des Systems hinsichtlich Verspätungen zu reduzieren und den Fahrplan zu stabilisieren. Das Verhalten der Fahrgäste während des Fahrgastwechsels hat einen großen Einfluss auf die Entstehung von Verspätungen, die sich als Folgeverspätungen auf andere Züge und im ungünstigsten Fall auf die ganze Linie auswirken können. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Modellierbarkeit von Fahrgastwechsel in U-Bahnen in der Simulationssoftware Anylogic. Um Auswirkungen unterschiedlicher Parameter bereits während der Planung zu erkennen, soll der Fahrgastwechsel simulationstechnisch abgebildet werden. Im ersten Schritt wurde eine Literaturrecherche bezüglich der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Fahrgastwechselzeit in einer Metrostation vonseiten der Fahrgäste, des Fahrzeugs und der Station durchgeführt und anschließend ihre Abbildbarkeit im Rahmen einer agentenbasierten Modellierung im ausgewählten Softwareprodukt Anylogic analysiert. Es wurde ein agentenbasiertes Modell mit hoher Parametrierbarkeit und zwei Simulationsmodi (stationspezifische und linienspezifische Simulation) konzipiert. Die freien Parameter wurden basierend auf den verfügbaren Daten aus der wissenschaftlichen Literatur kalibriert. Da einer der wichtigsten Parameter für die Kalibrierung des Modells, die Gehgeschwindigkeit während des Fahrgastwechsels, nicht zur Verfügung stand, wurde eine eigene empirische Datenerhebung in der Wiener U-Bahn durchgeführt und die so gesammelten Daten (Videoaufnahmen) anschließend zweckmäßig ausgewertet. Das Modell wurde hinsichtlich der Gehspurenwahl, Ein- und Ausstiegszeiten, Türleistungsfähigkeiten sowie Sitz- und Stehplatzauslastung validiert. Es zeigte sich, dass das Modell die Realität in den meisten Fällen sehr gut abbildet. Bezüglich der Eignung des Softwareprodukts für dieses Einsatzgebiet konnte festgestellt werden, dass die Simulation von Fahrgastwechsel an der Grenze der Fähigkeiten von Anylogic liegt und dem Programm in vielen Fällen gerade die Informationen vorgegeben werden müssen, deren Erhebung von der Simulation erwartet werden würde, wie beispielsweise die Beliebtheit und Auslastung unterschiedlicher Innenraumgestaltungen. Es konnte festgestellt werden, dass Personenströme in Anylogic basierend auf einem sehr einfachen Bewegungsmodell simuliert werden. Psychologische Effekte im menschlichen Verhalten (beispielsweise die Sitzplatzwahl oder die Verteilung am Bahnsteig), wie sie insbesondere bei einem Fahrgastwechsel eine große Rolle spielen, sind dem Programm nicht bekannt. Die Modellierung der sehr komplexen menschlichen Verhaltensformen ist nur teilweise möglich und mit hohem Programmierungsaufwand verbunden. Insbesondere die Abbildung der gehaltenen, anisotropen persönlichen Distanz der Fahrgäste, die den Fahrgaststrom wesentlich beeinflusst, ist mit dem Bewegungsmodell von Anylogic nicht möglich. Als potenzielles Einsatzgebiet der Software wird die Simulation von Fahrgastströmen innerhalb des Fahrzeugs und am Bahnsteig während des Fahrgastwechsels identifiziert. Dabei kann die Auswirkung ungünstig angeordneter Hindernisse, wie beispielsweise Haltestangen oder Sitze, auf den Fahrgaststrom erkannt werden. Unterschiedliche Fahrzeuglayouts können bezüglich der resultierenden Fahrgastströme verglichen werden. Das Modell ist durch die in dieser Arbeit gezeigten Methoden erweiterbar, beispielsweise um die Auswirkung von Bahnsteigtüren zu simulieren, sowie auf andere Fahrzeuglayouts adaptierbar. Dadurch können zukünftige Schienenfahrzeuge bereits während der Konzeptionsphase besser auf die Gegebenheiten der Infrastruktur und des Fahrgastpublikums abgestimmt werden. Dies trägt auch zur Steigerung der Effizienz des öffentlichen Verkehrs und in der Folge zur Kundenzufriedenheit bei.
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The rising number of passengers in dense traffic areas demands an efficient public transport system. In urban transportation, especially subways are operating close to capacity limit due to the high frequency of trains and decreasing time buffers, which makes the system very sensitive even to small disturbances on the schedule, increasing the risk of losing timetable stability. While the travel time between two stations mostly cannot be further reduced, due to the frequent stops there is a significant potential for shortening the dwell time through optimizing the passenger changeover process to improve timetable stability and network efficiency. A train’s dwell time is determined by the interaction between passengers, vehicle, and the subway infrastructure (platform with obstacles). The behaviour of passengers during the boarding and alighting process can significantly contribute to delays, which might have a negative impact the following trains or, in worst case, even the whole metro line. This thesis deals with the agent-based modelling and simulation of passenger changeover in subway systems using the simulation software Anylogic. To investigate the effect of different parameters on the dwell time during the design phase of a subway system or construction of a new metro vehicle, the passenger changeover should be depicted in a software programme. Following an extensive literature research on the human factors such as age and mobility impairment as well as vehicle and station influencing factors, the possibility of integrating these parameters into an agent-based model in the chosen software product Anylogic was evaluated. An agent-based model with high degree of parameterisability and two different simulation modes (station-specific and line-specific simulation) was built. The parameters were calibrated based on the data available in the scientific literature. As one of the most important parameters for the calibration, the walking speed of passengers during the changeover process in the station was still unknown, an empiric data collection in the Vienna U-Bahn (subway) was carried out and the collected data from video recordings were statistically evaluated. The model was validated regarding the proportions of chosen patterns during the boarding and alighting processes, boarding and alighting time and correlation between seat and standing place utilization. Results indicate that in most cases the simulation depicts the passenger changeover very realistically. Regarding the suitability of the software Anylogic for this field of use, it can be identified that the simulation of passenger changeover is on the limits of the product’s capabilities. In many cases, virtually the exact information must be provided to the programme as an input, which would be interesting as an output, for example the evaluation of the attractivity/utilization of seats or areas in different vehicle interior layouts. It is found that pedestrian flows are simulated based on a very simple motion model. Human behaviour based on psychological effects (for example seat preferences or distribution of the passengers on the platform) is not implemented in the software, even though these factors play a significant role during passenger changeover. Modelling of the very complex human behaviour and decision-making is limited and associated with high coding efforts. Especially the reproduction of the anisotropic personal space of the passengers, which influences the passenger flow patterns, is not possible using the basic social force model built in Anylogic. In conclusion, the simulation of passenger flows within the vehicle and on the platform during passenger changeover was identified as a potential area of use of the software. As a result, the effects of unfavourably placed obstacles, for example stanchions, handrails, or seats, can be identified and different vehicle layouts can be compared regarding the resulting passenger flow rates. The model introduced in the present diploma thesis is extendable, for instance to simulate effects of platform screen doors on the dwell time. Furthermore, using similar techniques showed in this study, the model can be adapted to other vehicle layouts, such that future metro vehicles can be optimized during design phase with an additional focus on the features of the given infrastructure and the needs of the passengers, which results in a higher passenger satisfaction.
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Abweichender Titel nach Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers