dc.description.abstract
Die Streuung von Wellen ist in der Natur allgegenwärtig und für Anwendungen oft nachteilig, da sie verhindert, dass eine Welle ihre Form und Ausbreitungsrichtung beibehält. Mit den rasanten technologischen Fortschritten des letzten Jahrzehnts und der Entwicklung so genannter räumlicher Lichtmodulatoren ist jedoch eine Vielzahl neuer Möglichkeiten zur Steuerung von Licht und damit ein ganz neues Forschungsgebiet entstanden. Die Möglichkeit, die einfallende Wellenfront in Phase und Amplitude präzise zu steuern und gleichzeitig die ausgehende gestreute Welle zu messen, hat die Bestimmung einer der zentralen Größen der Streutheorie ermöglicht: die Streumatrix.In dieser Arbeit nutzen wir die in der experimentell zugänglichen Streumatrix gespeicherte Information, um optimale Wellenfronten für bestimmte Aufgaben zu erzeugen, die die typischerweise nachteiligen Effekte, die durch das Vorhandensein einer komplexen Streuumgebung verursacht werden, überwinden. Durch die Verall- gemeinerung des bekannten Konzepts der Eisenbud-Wigner-Smith-Zeitverzögerung, das in der Kernstreutheorie entwickelt wurde, zeigen wir, dass ein entsprechender verallgemeinerter Wigner-Smith-Operator Wellenzustände liefert, die optimal für die Mikromanipulation geeignet sind. Genauer gesagt zeigen wir, dass die Verwen- dung verschiedener parametrischer Ableitungen der Streumatrix im verallgemeiner- ten Operator zu Wellenfronten führt, die eine wohldefinierte Kraft, ein Drehmoment oder einen radialen Druck auf ein Zielobjekt ausüben oder sogar eine wohldefinierte Menge an Intensität in ihm speichern. Das in dieser Arbeit vorgestellte Konzept ba- siert auf einem einfachen Eigenwertproblem und funktioniert für beliebig komplex geformte Ziele, die sogar tief in ein ungeordnetes Medium eingebettet sein können. Darüber hinaus stützt es sich ausschließlich auf die Kenntnis der in der Streuma- trix kodierten Fernfeldinformationen und benötigt keine lokalen Informationen in der Umgebung des Zielobjekts. Zur Untermauerung unseres Konzepts führen wir außerdem Experimente in einem Mikrowellen-Wellenleiter durch, die unsere theo- retischen Erkenntnisse bestätigen.Durch Nutzung der in der Streumatrix gespeicherten Informationen zeigen wir außerdem, wie die Auswirkungen der Streuung überwunden werden können, indem wir Lichtzustände finden, die bei der Ausbreitung durch ein stark streuendes Medi- um das gleiche Ausgangsfeld (bis auf eine globale Amplitude und Phase) erzeugen wie bei der Ausbreitung durch Luft. Wir bezeichnen solche Zustände als streuungs-invariante Moden und zeigen, dass – obwohl diese Zustände intuitiv sehr selten zu sein scheinen – eine ganze Menge von ihnen aus einem einfachen verallgemeiner- ten Eigenwertproblem gewonnen werden kann. Darüber hinaus ist das Konzept der streuungsinvarianten Moden nicht auf die Ausbreitung durch ein stark streuendes Medium und Luft beschränkt, sondern kann auf zwei beliebige Arten von Medien angewendet werden. Zusätzlich zu numerischen Simulationen untermauern wir das untersuchte Konzept auch mit experimentellen Messungen im optischen Bereich. Wir zeigen auch numerisch, dass diese streuungsinvarianten Moden einen gewissen Grad an Korrelation mit ballistischem Licht innerhalb ungeordneter Medien beibe- halten und somit auch zur Verbesserung aktueller Bildgebungsverfahren verwendet werden können.Für einige Anwendungen ist die Streuung nicht nachteilig, sondern sogar unerläss- lich. Ein Beispiel dafür sind Strukturen, die sich die Absorption von Licht zunutze machen, wie etwa Solarzellen, bei denen das Hauptziel darin besteht, die Absorp- tion zu maximieren, indem die Verweildauer des Lichts in der Struktur maximiert wird. Obwohl es eine spezifische Wellenfront mit einer maximalen Verweildauer in einem gegebenen Medium gibt, wurde auf dem Gebiet der stochastischen Random Walks gezeigt, dass die mittlere Zeit oder Weglänge von Trajektorien für isotrope Beleuchtung unabhängig von allen Random-Walk-Parametern ist, die den Diffusi- onsprozess charakterisieren, und nur von der Geometrie des Systems abhängt. Un- ter Verwendung des Konzepts der Eisenbud-Wigner-Smith-Zeitverzögerung wurde theoretisch gezeigt, dass diese bemerkenswerte Invarianzeigenschaft auch für Wellen im ballistischen und diffusiven sowie im lokalisierten Regime gilt. In dieser Arbeit gehen wir einen Schritt weiter und verifizieren diese Invarianzeigenschaft experi- mentell in allen Transportregimen der Unordnungsstreuung. Unter Verwendung ei- nes Mikrowellen-Wellenleiters zeigen wir sowohl experimentell als auch numerisch, dass diese Invarianzeigenschaft sogar in Bandlückenstrukturen wie photonischen Kristallen gilt, in denen die interferierende Natur der Welle zu einer totalen Unter- drückung der Transmission in einem bestimmten Frequenzbereich führt. Außerdem untersuchen wir den Einfluss von Dissipation auf die mittlere Weglänge sowohl im schwachen als auch im starken Absorptionsregime.Zuletzt führen wir ein lokalisiertes absorbierendes Element in einem stark streuen- den System ein und zeigen, dass wir die in der Streumatrix gespeicherte Amplituden- und Phaseninformation nutzen können, um eine andere spezielle Art von optimalem Zustand zu erzeugen. Konkret zeigen wir, dass wir eine einfallende Wellenfront er- zeugen können, die an einem lokalisierten Absorber in einem ungeordneten Medium perfekt absorbiert wird, indem wir die Form und die Frequenz der einfallenden Wel- lenfront sowie die Absorptionsstärke des verlustbehafteten Elements genau anpas- sen. Basierend auf dem Effekt der kohärenten perfekten Absorption, der in einfachen eindimensionalen Systemen eingeführt wurde, demonstrieren wir diesen Effekt numerisch in zweidimensionalen komplexen Streuumgebungen und realisieren ihn zum ersten Mal experimentell im Mikrowellenbereich.
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