Sommer, J. (2025). Evaluierung des Prototyps einer dynamischen Sitzauflage – Vergleich zweier Sitzsysteme [Diploma Thesis, Technische Universität Wien]. reposiTUm. https://doi.org/10.34726/hss.2025.129662
Die zunehmende Prävalenz sitzender Tätigkeiten hat zur Entwicklung verschiedener präventiver Ansätze geführt. Während Bewegungspausen und Sit-Stand-Workstations nachweislich positive Effekte zeigen, scheitert deren erfolgreiche Implementation häufig an der praktischen Umsetzung im Arbeitsalltag. Eine aktuelle Studie von Channak et al. (2024b) weist nach, dass bereits häufige kleine Haltungsänderungen während des Sitzens das Risiko für Rückenschmerzen um bis zu 84% reduzieren können. Dies unterstreicht die Bedeutung von Lösungen, die Bewegung während des Sitzens fördern, ohne eine bewusste Verhaltensänderung zu erfordern. Eine Sitzauflage, die sich unkompliziert in bestehende Büroumgebungen integrieren lässt, könnte diese Marktlücke ideal schließen.Die vorliegende Arbeit evaluiert eine neu entwickelte dynamische Sitzauflage (Kalibri II), die durch ein System geteilter, luftgefederter Sitzflächen Beckenbewegungen ermöglichen und zu häufigeren Haltungsänderungen animieren soll. Das System stellt eine Weiterentwicklung eines vorherigen Prototyps dar und wurde unter Berücksichtigung der dort gewonnenen Erkenntnisse optimiert.In einer kontrollierten Laborstudie mit 15 Probanden wurde das Bewegungsverhalten auf der Sitzauflage im Vergleich zu einem ergonomischen Bürostuhl mittels dreidimensionaler Bewegungsanalyse untersucht. Die Erfassung erfolgte in einem neu eingerichteten Bewegungsanalyselabor mit acht Hochgeschwindigkeitskameras während standardisierter Bürotätigkeiten. Parallel wurde das subjektive Sitzempfinden durch verschiedene standardisierte Fragebögen systematisch evaluiert, wobei sowohl das allgemeine Komfortempfinden als auch lokale Diskomforterscheinungen zu mehreren Zeitpunkten erfasst wurden.Die Ergebnisse zeigen, dass der Kalibri II zu etwa 12% mehr Haltungsänderungen animiert, wobei dieser Effekt im Beckenbereich mit einer Steigerung von 16% besonders ausgeprägt ist. Ein weiterer signifikanter Unterschied zeigt sich in der Beckenkippung, die auf dem Kalibri II um durchschnittlich 10,6° weniger nach hinten geneigt ist. Während der absolute Bewegungsumfang zwischen den Sitzsystemen keine signifikanten Unterschiede aufweist, zeigt sich eine interessante zeitliche Dynamik im subjektiven Komfortempfinden: Die anfänglich kritischeren Bewertungen des Kalibri II verbessern sich mit zunehmender Nutzungsdauer deutlich, während das Komfortempfinden auf dem Vergleichsstuhl leicht abnimmt.Bemerkenswert sind die ausgeprägten geschlechterspezifischen Unterschiede in der Nutzerakzeptanz sowie ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen Beckenkippung und lokalem Diskomfort. Die geringere Rückneigung des Beckens auf dem Kalibri II korreliert mit etwa 33% niedrigeren Diskomfort-Scores, wobei sich die Bewertungen insgesamt in einem sehr niedrigen Bereich bewegen.Die Studie bestätigt das grundsätzliche Potenzial der entwickelten Sitzauflage als bewegungsförderndes System. Insbesondere die Kombination aus verbesserter Beckenhaltung und erhöhter Bewegungsfrequenz erscheint vielversprechend für die Prävention sitzbedingter Beschwerden. Die Untersuchung identifiziert zudem konkrete Optimierungsmöglichkeiten für die Weiterentwicklung, insbesondere hinsichtlich der gewichtsspezifischen Anpassbarkeit und der Polsterung, die als Basis für weitere Verbesserungen dienen können.
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The increasing prevalence of sedentary work has led to the development of various preventive approaches. While active breaks and sit-stand workstations have proven positive effects, their successful implementation often fails due to practical limitations in daily office routines. A recent study by Channak et al. (2024b) demonstrates that frequent small posture changes during sitting can reduce the risk of back pain by up to 84%. This emphasizes the importance of solutions that promote movement during sitting without requiring conscious behavior changes. A seat overlay that can be easily integrated into existing office environments could ideally fill this market gap.This study evaluates a newly developed dynamic seat overlay (Kalibri II) designed to enable pelvic movements and encourage more frequent posture changes through a system of split, air-cushioned seat surfaces. The system represents an advancement of a previous prototype and has been optimized based on insights gained from that earlier version.In a controlled laboratory study with 15 participants, movement behavior on the seat overlay was compared to an ergonomic office chair using three-dimensional motion analysis. Data collection took place in a newly established motion analysis laboratory with eight high-speed cameras during standardized office tasks. Simultaneously, subjective sitting experience was systematically evaluated through various standardized questionnaires, assessing both general comfort and local discomfort at multiple time points.The results show that Kalibri II encourages approximately 12% more posture changes, with this effect being particularly pronounced in the pelvic region, showing a 16% increase. Another significant difference is manifested in pelvic tilt, which is on average 10.6° less posteriorly tilted on Kalibri II. While the absolute range of motion shows no significant differences between the seating systems, an interesting temporal dynamic emerges in subjective comfort perception: Initially more critical evaluations of Kalibri II improve significantly with continued use, while comfort perception on the comparison chair slightly decreases. Notable are the pronounced gender-specific differences in user acceptance and a demonstrable correlation between pelvic tilt and local discomfort. The reduced posterior pelvic tilt on Kalibri II correlates with approximately 33% lower discomfort scores, although all ratings remain in a very low range overall.The study confirms the fundamental potential of the developed seat overlay as a movement-promoting system. Particularly promising for the prevention of sitting-related complaints is the combination of improved pelvic posture and increased movement frequency. The investigation also identifies specific optimization opportunities for further development, especially regarding weight-specific adaptability and cushioning, which can serve as a basis for future improvements.
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