dc.description.abstract
Der beträchtliche Anstieg des Ressourcenverbrauchs im Laufe des vergangenen Jahrhunderts und die damit verbundenen Umweltprobleme, haben sich zur einer der größten globalen Herausforderungen unseres Zeitalters entwickelt. Die entscheidende Rolle, die Wechselwirkungen zwischen Ressourcen für die Bemühungen um nachhaltigere Produktions- und Konsummuster spielen, wird zunehmend erkannt. Trotzdem fokussieren Materialflussanalysen (MFAs) derzeit häufig auf eine einzelne Substanz oder differenzieren nur sehr grob zwischen verschiedenen Materialien. In der vorliegenden Dissertation wird eine Methode zur simultanen MFA mehrerer Substanzen entwickelt, wobei der Güterlayer, der die Gesamtmasse jedes im System befindlichen Flusses angibt, als verbindendes Element dient. Die Methode wird anhand einer Fallstudie des österreichischen Phosphor- (P) und Stickstoff- (N) Systems getestet. P und N sind ein hervorragendes Beispiel für zwei stark miteinander verwobene Stoffe und spiegeln die Herausforderungen nachhaltigen Ressourcenmanagements gut wider: Einerseits sind sowohl P als auch N essenzielle Nährstoffe und deshalb für die Sicherstellung globaler Ernährungssicherheit unerlässlich. Emissionen von P und N sind jedoch einer der Hauptgründe für aquatische und terrestrische Eutrophierung und können, im Fall von N auch zu Luftverschmutzung und Klimawandel beitragen. Während Bedenken zur Ressourcenknappheit und Qualität von P zunehmen, weist die Gewinnung von N-Dünger aus atmosphärischem N2 mittels Haber-Bosch Prozess einen äußerst hohen Energieverbrauch auf. Die gekoppelte MFA bestätigt die engen Verbindungen zwischen dem P und N System in Österreich. Darüber hinaus zeigt eine Analyse verschiedener Maßnahmen, die von der derzeitige weitgehend lineare Nutzung hin zu mehr Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit führen sollen, zahlreiche Synergien und Zielkonflikte auf. Diese treten sowohl zwischen den beiden Nährstoffen, als auch zwischen einzelnen Maßnahmen auf, wobei Synergien deutlich überwiegen. Durch die Kopplung steigt die Modellkomplexität jedoch stark an; die Detailliertheit in der natürliche und industrielle Prozesse dargestellt werden, gewährleistet zwar eine gute Repräsentativität der Wirklichkeit, beeinträchtigt aber die Vergleichbarkeit zu anderen Studien, sowie die Erweiterung des Modells auf weitere Substanzen. Deshalb wird in einem zweiten Schritt eine mehrschichtige MFA-Struktur entwickelt, die auf der obersten Ebene einen gemeinsamen Referenzrahmen für die Analyse verschiedener Regionen, Substanzen und Skalen bereitstellt und weitergehende Detaillierung in Subsystemen ermöglicht. Der größte Vorteil dieser Struktur liegt in dem hohen Grad an Transparenz. Die Zuordnung von Flüssen und Prozessen realer, komplexer Systeme zu den aggregierten Flüssen und Systemen des generischen Systems erfordert immer subjektive Entscheidungen. Besonders in Systemen wie dem in dieser Dissertation untersuchten P-N Haushalt in Österreich, in denen Biomasseflüsse eine bedeutende Rolle spielen, können mehrere gleichwertige Interpretationen bezüglich der Unterscheidung von Kuppelprodukten und Nebenprodukten, sowie zwischen natürlichen und industriellen Prozessen bestehen. Solche unvermeidbaren Mehrdeutigkeiten treten auch bei anderen Evaluierungsmethoden wie der Ökobilanz oder Kreislaufwirtschafts-Indikatoren auf, in der mehrschichtigen MFA-Struktur treten sie jedoch explizit zu Tage, was die Systemvergleichbarkeit erhöht. MFA stellt nur den ersten Schritt in der Evaluierung von Ressourcensystemen dar; um den Grad der Nachhaltigkeit der derzeitigen Ressourcennutzung zu beurteilen oder adäquate Maßnahmen für künftiges Management zu entwickeln, muss sie von einer Auswertungs- oder Designphase begleitet werden. Dafür stehen bereits ausgereifte Methoden wie die Ökobilanzierung oder Umweltverträglichkeitsstudien zur Verfügung und werden beständig weiterentwickelt. Diese Methoden bedürfen jedoch großer Mengen an Daten und Ressourcen, weshalb einfache und anschauliche Indikatoren für überblicksmäßige Bewertungen und öffentliche Kommunikation oft bevorzugt werden. Zwei solcher Indikatoren werden im dritten Teil der Dissertation eingehender untersucht: Circularity (C), die den Anteil des Recycling am gesamten Systemdurchsatz quantifiziert, und Substance Concentration Efficiency (SCE) ein auf der statistischen Entropie (H) beruhender Indikator, der den Grad, zu dem eine Substanz im System konzentriert oder verdünnt wird, misst. Die Analyse wird wieder am Fallbeispiel des österreichischen P-N Systems durchgeführt. Auch in dieser Untersuchung stellt die Definition einer gemeinsamen Referenzgrundlage einen entscheidenden Schritt dar. Beide Indikatoren weisen die höchsten Verbesserungspotentiale bei einer Kombination verschiedener Maßnahmen auf. Während jedoch Maßnahmen, die auf veränderte Konsumgewohnheiten und Emissionsreduktionen abzielen, in Bezug auf SCE effektiver erscheinen, wird bei C Recycling stärker gewichtet. Aufgrund der besseren Erfassung von Dematerialisierung und Änderungen in der Prozesseffizienz, scheint SCE für die meisten Anwendungsfälle der aussagekräftigere Indikator zu sein. Trotzdem sollten die Grenzen eines einfachen, überblicksmäßigen Indikators darin, die Nachhaltigkeit des Systems ganzheitlich widerzuspiegeln, nie außer Acht gelassen werden. Abschließend kann festgehalten werden, dass es für die in dieser Dissertation vorgestellte gekoppelte MFA auf Basis eines generischen Referenzrahmens zwei Anwendungsbereiche gibt: Einerseits kann sie in eine ganzheitliche Bewertung, die neben physischen Masseflüssen auch Umweltauswirkungen, sowie ökonomische und soziale Aspekte miteinbezieht, integriert werden. Andererseits kann sie für erste, indikative Bewertungen ohne hohen Daten- und Ressourcenaufwand genutzt werden. In beiden Fällen kann sie wertvolle Einblicke in die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Ressourcen liefern und zum besseres Verständnis nachhaltiger Managementpraktiken beitragen.
de