Purkarthofer, E. (2013). Niemand wusste genau, worauf man sich einließ : die Auswirkungen der EU-Mitgliedschaft auf die österreichische Planung und ihre AkteurInnen [Diploma Thesis, Technische Universität Wien]. reposiTUm. https://resolver.obvsg.at/urn:nbn:at:at-ubtuw:1-77641
Vor inzwischen mehr als 18 Jahren trat Österreich der Europäischen Union bei und der Mitgliedsstatus wirkt seither auf fast alle Bereiche der Politik und Verwaltung in Österreich. Im Zuge der vorliegenden Arbeit werden Veränderungen für die Planungsdisziplin und ihre AkteurInnen untersucht, im Überblick dargestellt und bewertet. Da Raumplanung eine Querschnittsmaterie ist, die viele sektorale Bereiche umfasst und inhaltlich verbindet, wirkt die Europäische Union auf mehreren Ebenen der Planung in Österreich. Zur Strukturierung der Arbeit wurden vier Einflussbereiche festgelegt, die sich inhaltlich und in ihrer juristischen und formalen Umsetzung unterscheiden: Strategien und Policy Papers, Regional- und Strukturpolitik, Sektorpolitiken mit Raumrelevanz sowie Planungsverständnis und Planungskultur. Die rechtlich unverbindlichen europäischen und österreichischen Strategiepapiere setzen sich vorwiegend mit den Themen Raumentwicklung, Wachstum und Beschäftigung auseinandersetzen, legen die Ziele der Kohäsionspolitik fest und bilden so einen übergeordneten Bezugsrahmen für nationale und regionale Planungsprozesse, der allerdings kaum quantitative Wirkungen zeigt. Die Regional- und Strukturpolitik hingegen artikuliert sich über eine Vielzahl an Programmen, die unterschiedliche Ziele verfolgen, starken Raumbezug haben und im Zuge derer Projekte mit europäischen und nationalen Mitteln gefördert werden. Die raumrelevanten Sektorpolitiken sind in sich sehr unterschiedlich. Während die Umwelt-politik fast ausschließlich über Richtlinien, die von der EU beschlossen werden und in österrei-chisches Recht integriert werden müssen, aktiv wird, basiert die Agrarpolitik auf Förderungen und ist in ihrer Umsetzung daher der Regionalpolitik ähnlich. Die Verkehrspolitik wiederum enthält sowohl rechtliche Vorgaben als auch strategische Komponenten (z.B. Transeuropäische Netze), die mit der Vergaben von finanziellen Mitteln einhergehen. Der europäische Kontext und Diskurs zeigt auch Effekte auf die österreichische Planungskultur. Diese ergeben sich sowohl aus Veränderungen von individueller Handlungsorientierung, Interaktionsorientierung und Akteurskonstellation als auch aus einem veränderten institutionellen Handlungsrahmen. Methodisch basiert die Arbeit einerseits auf der Analyse bestehender Literatur, wobei hier sowohl Evaluierungen und Bewertungen einzelner Programme als auch Publikationen zum Einfluss der EU im Allgemeinen Berücksichtigung fanden, und andererseits auf 20 leitfadengestützten Interviews, in denen Expertinnen und Experten der österreichischen Planungslandschaft zu ihren Erfahrungen und Meinungen zur Europäischen Union befragt wurden. Die Arbeit kommt zu der Erkenntnis, dass sechs Aspekte der Planung in Österreich maßgeblich durch die EU beeinflusst wurden. Institutionell haben vor allem die Bundesebene sowie regionale bzw. lokale PlanungsakteurInnen an Bedeutung gewonnen, da sich neue Planungseinheiten etablierten, die nicht mit den Gebietskörperschaften ident sind. Die EU stärkte auch die strategische Komponente der österreichischen Planung, da einerseits Strategiepapiere entwickelt wurden und andererseits die Planungssicherheit durch mehrjährige Förderperioden erhöht wurde. Auch finanzielle und rechtliche Veränderungen haben sich eingestellt, wenngleich deren langfristige Effekte für die Planung relativ gering sind. Daneben änderten sich auch praktische Aspekte der Planung mit dem Beitritt zur Europäischen Union: So ist auf der einen Seite eine enorme Komplexitätssteigerung der Abwicklung von Förderprogrammen und -projekten zu verzeichnen, auf der anderen Seite wurde dadurch ein Qualitätsschub der Planungsdisziplin ausgelöst und die Professionalisierung ihrer AkteurInnen vorangetrieben. Nicht zuletzt zeichnen sich Effekte bezüglich der Einstellungen und Werthaltungen der PlanerInnen ab, die als verstärkt internationales Denken zusammengefasst werden können.