Kognitive Verzerrungen (cognitive biases) sind systematische Abweichungen von normativen Kriterien die oft zu Fehlern bei Beurteilungen oder Entscheidungen führen (Sander and Scherer, 2009). Sie sind für Psychologen nicht neu - Forscher in den Bereichen der sozialen Kognition (vgl. z.B. Fiske and Taylor, 2007) oder der Attributionstheorie (vgl. z.B. Heider, 1958) haben identifiziert, dass Personen...
Kognitive Verzerrungen (cognitive biases) sind systematische Abweichungen von normativen Kriterien die oft zu Fehlern bei Beurteilungen oder Entscheidungen führen (Sander and Scherer, 2009). Sie sind für Psychologen nicht neu - Forscher in den Bereichen der sozialen Kognition (vgl. z.B. Fiske and Taylor, 2007) oder der Attributionstheorie (vgl. z.B. Heider, 1958) haben identifiziert, dass Personen nicht immer logisch oder rational handeln wenn sie Urteile oder Entscheidungen in Bezug auf andere Personen formulieren (vgl. Aronson et al., 2010). Seitdem Herbert Simon 1978 und Daniel Kahneman 2002 den Wirtschaftsnobelpreis bekamen, hat die Forschung sowie die öffentliche Wahrnehmung von kognitiven Verzerrungen und dem Gebiet der verhaltensorientierten Finanzierungslehre (Behavioral Finance) rapide zugenommen. Die Onlineplattform Wikipedia (2011) listet gegenwärtig mehr als 90 bekannte kognitive Verzerrungen auf. Von allen diesen Verzerrungen befindet Kahneman selber, dass die Effekte der Selbstüberschätzung (overconfidence) am Schwersten wiegen (Hubbard, 2009, S. 102).<br />Diese Dissertation hat das Ziel herauszufinden, ob Selbstüberschätzung als Verhaltensneigung und der damit verwandte Dispositionseffekt (disposition effect) nicht nur gemessen, sondern auch vorhergesagt werden können, sowie ob Frühwarnsignale dieser Neigungen erkannt werden können. Ein Experimentalmarkt wird hier verwendet um Daten für die Analyse der Verhaltensverzerrungen zu generieren. Es wird ein Online Vorhersagemarkt (prediction market) auf die Europäische Fussballeuropameisterschaft 2008 aufgesetzt. Daraus generieren 340 Teilnehmer fast 50,000 Transaktionen. Die Effizienz und die Vorhersagequalität werden analysiert, um Verhaltensverzerrungen unter experimentellen Bedingungen zu erforschen. Die Effizienz dieses Marktes kann bestätigt werden, obwohl viele der Teilnehmer Verhaltensverzerrungen aufweisen. Mögliche Selbstüberschätzung der Teilnehmer auf dem Experimentalmarkt, sowie die Gründe für Selbstüberschätzung und potentielle Konsquenzen davon im Handelsverhalten werden erforscht. Zwei Masszahlen für die Erkennung von Selbstüberschätzung werden entwickelt - ein Selbstüberschätzungsindex (overconfidence index, OCI), sowie eine Masszahl der Portfoliodiversifikation (degree of diversification, DoD).<br />Weiters werden mögliche Verbindungen zwischen Selbstüberschätzung und Handlesstrategien untersucht. Selbstüberschätzung (sowie auch Selbstunterschätzung) kann mit Charaktereigenschaften in Verbindung gebracht werden und ist während des gesamten Investitionsexperiments zu beobachten. Dies bildet die Basis für Methoden um Selbstüberschätzung bereits ex-ante, vor Eintritt der Realisation, zu erkennen. Für die Analyse der Zusammenhänge zwischen ex-ante und Realisation von Selbstüberschätzung werden die statistische Methoden multiple Regression, Faktorenanalyse und Korrespondenzanalyse eingesetzt. Darauf aufbauend werden Vorschläge für die Vorhersage von möglicher Selbstüberschätzung im Handel oder Investment für Risikomanagementzwecke erarbeitet. Weiters werden in der vorliegenden Arbeit Tests zur Messung des Dispositionseffekts, auf Basis von Daten aus dem Vorhersagemarkt sowie aus Echtdaten auf einem realen Wechselkurs (FX) Markt, durchgeführt. Es wird gezeigt, dass der Dispositionseffekt sowohl auf dem Experimentalmarkt wie auch auf dem echten FX Markt mit Selbstüberschätzung verbunden ist. Die vorliegenden Untersuchungen zeigen, dass der Dispositionseffekt sowohl bei Amateurinvestoren am Experimentalmarkt, als auch bei professionellen Händlern am realen FX Markt zu beobachten ist. Der Effekt ist bei den Amateuren stärker zu beobachten als bei den professionellen Händlern, bei denen der Effekt pro Portfolio unterschiedlich stark ausfällt.<br />Zusätzlich werden Tests für Selbstüberschätzung ausserhalb der Finanzwelt durch-geführt. Die Resultate zeigen, dass die Erkennung und das Management von Verhaltensverzerrungen nicht auf die Finanzwelt beschränkt ist. Tests auf Selbstüberschätzung bei Technikstudenten und professionellen Zivilingenieuren zeigen, dass Verhaltensverzerrungen in der Technik ebenso wie in der Finanzwelt präsent sind. Schliesslich wird der Risikomanagementprozess dargestellt und eine Indikation ge-geben, wo die Erkenntnisse der vorhergehenden Kapitel im Risikomanagement angewendet werden können. Die Resultate der Untersuchungen bezüglich Selbstüberschätzung und dem Dispositionseffekt führen zu der Erkenntnis, dass beim Aufsetzen von Risikomanagementprozessen Acht gegeben werden muss, dass individualisierte Ansätze zur Limitierung von Transaktionen implementiert werden, anstatt wie bisher meist auf generellen Einheitswerten basierende Ansätze. Es kann aus der Analyse dieser kognitiven Verzerrungen abgeleitet werden, dass Systeme und Prozesse für die Vorhersage und für Frühwarnindikationen von Verlusten aus verhaltensorientierten Verzerrungen anders aufgebaut werden müssen als in der bisherigen Praxis der Risikomanagementprozesse. Informationen zur Erkennung von Verhaltensbiases müssen entweder aus Längsschnittdaten bestehen, das heisst aus dem Vergleich von ex-ante Daten mit ex-post Realisationen bei der Untersuchung von Selbstüberschätzung, oder aus Echtzeitdaten mit begleitendem Monitoring bei der Erkennung des Dispositionseffektes.
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Cognitive biases are systematic deviations from normative criteria that often lead to errors in judgment (Sander and Scherer, 2009). They are not new to psychologists - researchers in the fields of social cognition (see e.g. Fiske and Taylor, 2007) or attribution theory (see e.g. Heider, 1958) have identified that people are not always logical or rational when forming judgments about others (see A...
Cognitive biases are systematic deviations from normative criteria that often lead to errors in judgment (Sander and Scherer, 2009). They are not new to psychologists - researchers in the fields of social cognition (see e.g. Fiske and Taylor, 2007) or attribution theory (see e.g. Heider, 1958) have identified that people are not always logical or rational when forming judgments about others (see Aronson et al., 2010). However, since Herbert Simon and Daniel Kahneman won the Nobel Memorial Prize in Economics in 1978 and 2002 respectively, research and public awareness of cognitive biases and the field of behavioral finance have expanded rapidly. The online platform Wikipedia (2011) currently lists more than 90 known cognitive biases. Of all these biases, Kahneman himself considers the effects of overconfidence to be the most catastrophic (Hubbard, 2009, p. 102).<br />This dissertation aims to find out whether the behavioral biases overconfidence and the related disposition effect can not only be measured, but also whether and how they can be forecast or whether early signs of these biases can be detected. An experimental market is used to generate data for analysis of behavioral biases. An online prediction market was set up on the European soccer championships 2008, and 340 participants generated almost 50,000 trades. The efficiency and prediction quality of the market is analyzed in order to research behavioral biases under experimental conditions. The efficiency of the market is established despite many of the participants being prone to behavioral biases. Overconfidence on the experimental prediction market and the reasons for overconfidence and potential consequences in trading behavior are explored. Two measures for detecting overconfidence are developed, an overconfidence index (OCI), and a degree of diversification (DoD) measure. Further, potential connections between overconfidence and trading strategies are investigated, and overconfidence (and conversely, underconfidence) is found to be related to character and to be prevalent throughout the investment experiment. This forms the basis for finding ways of pre-detecting overconfidence.<br />Statistical procedures such as multiple regression, factor analysis and correpondence analysis are used for this task. Suggestions are made on how to predict potential overconfidence when trading or investing for risk management purposes. Analysis is performed to test for the disposition effect on data from the prediction market as well as on data from a real foreign exchange (FX) market. It is shown that the disposition effect is related to overconfidence on both the experimental market and the real FX market.<br />This research finds that even though the disposition effect is larger on the experimental market made up of investment amateurs, it is still present for professionals on the real FX market, albeit in lower intensity and in different strength for different portfolios. Tests for overconfidence outside the financial world are performed. The results show that recognition and management of behavioral biases is not restricted to finance, rather tests for overconfidence in engineering students and professionals show that behavioral biases are just as prevalent in a technical field as in finance. Finally, the risk management process is discussed and an indication of where the insights from the previous chapters can be applied to risk management is provided. The results on overconfidence and the disposition effect lead to the insight that when setting up risk management processes care should be taken to devise individualized approaches rather than generally devising limiting strategies of the one-size-fits-all type. It can be derived from the analysis of these cognitive biases that any systems and processes for prediction and early warning of losses due to behavioral biases must be structured differently from existing risk management processes. Information for detection of behavioral biases must either be of a longitudinal nature, i.e. comparisons of ex-ante data with ex-post realizations in the case of the overconfidence bias, or real-time analyses and monitoring in the case of the disposition effect.