Toth, S. (2022). Offene Heterotopien. Über den Paradigmenwechsel der Überwachung und dessen Einfluss auf die Architektur am Fallbeispiel des Grauen Hauses [Diploma Thesis, Technische Universität Wien]. reposiTUm. https://doi.org/10.34726/hss.2023.74660
Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit dem Paradigmenwechsel der Überwachung und dessen Einfluss auf die Architektur. Nach einem theoretischen Abriss über die Begrifflichkeit der Überwachung wird das Panopticon behandelt. Jeremy Benthams architektonischer Entwurf des Bewachenden und Überwachten fungiert als Schnittstelle zwischen Architektur und Überwachung. Michel Foucault sieht in diesen der Macht zugrundeliegenden Größen die Basis für eine Disziplinargesellschaft und die Idee der Heterotopien. Diese beschreiben nach Foucault verschiedene gesellschaftliche Abläufe, die durch unterschiedliche Einschließungsmilieus, u.a. das Gefängnis, unterteilt sind. Aus dieser philosophischen These entwickelt Gilles Deleuze die Kontrollgesellschaft, die den Paradigmenwechsel im Diskurs der Überwachung einleitet. Als Inbegriff von Disziplinierung und Kontrolle gilt das Gefängnis, weshalb eine Übersicht von Gefängnissen in Österreich dargestellt wird. Unter diesen wird als Fallbeispiel das größte Gefängnis Österreichs vorgestellt: das Graue Haus in Wien.Die Justizanstalt Josefstadt wird in weiterer Folge als Beispiel für die Kausalität und Charakteristik von Strafe behandelt. Das Graue Haus erscheint nach der genannten philosophischen und architekturtheoretischen Analyse als praktisches Fallbeispiel. Nach der Abhandlung der Historie des Grauen Hauses werden aktuelle Entwicklungen in Selbigem untersucht.Diese Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen Tendenzen des Fallbeispiels legt im letzten praktischen Entwurfsteil der Masterarbeit drei unterschiedliche Szenarien dar. Mit dem Szenario Generalsanierung werden die aktuellen Pläne der Sanierung des Grauen Hauses, die im Zeitraum der nächsten zehn Jahre ausgeführt werden sollen, kritisch hinterfragt. Das Szenario Masterplan Glacis geht von einer Verlegung der Justizanstalt an einen entwicklungsfähigeren Standort aus und stellt das Potential für die Entwicklung eines städtebaulichen Brennpunktes dar. Im letzten Szenario der Offenen Heterotopien wird eine Neuinterpretation von Foucaults Idee der Einschließungsmilieus in einen architektonischen Entwurf umgewandelt.Die Idee der Offenen Heterotopien, die in dieser Arbeit sowohl theoretisch als auch architektonisch neu eingeführt wird, zeigt am Fallbeispiel des Grauen Hauses, inwiefern der geschlossene Heterotopie des Gefängnisses zu einem permeablen Teil des Stadtgefüges weiterentwickelt werden kann. Der überwachte Raum wird durch den Entwurf der Offenen Heterotopie transformiert, sodass dieser nun nicht mehr zwingend an den physischen Raum gebunden ist. Letztlich wird der untersuchte Paradigmenwechsel der Überwachung in einen architektonischen Kontext gefasst: die Offene Heterotopie ermöglicht ein Umdenken des Verhältnisses von Architektur und Überwachung und zeigt einen Neuentwurf am Fallbeispiel des Grauen Hauses, der systemische Entlastung und Menschlichkeit vereint.
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This master thesis deals with the paradigm shift of surveillance and its influence on architecture. After a theoretical outline on the concept of surveillance, there is an coverage of the panopticon: Jeremy Bentham‘s architectural design of the guardian and the guarded functions as an intersection between architecture and surveillance. Michel Foucault locates the basis for a disciplinary society and the idea of heterotopias in these magnitudes underlying power. According to Foucault, these describe various social processes that are subdivided by different environments of confinement, including the prison. From this philosophical thesis Gilles Deleuze develops the concept of the control society, which introduces the paradigm shift of surveillance. The prison is the epitome of disciplining and control, which is why an overview of prisons in Austria is introduced. Among these, the largest prison in Austria is presented as a case study: the Grey House in Vienna.This prison also known as Justizanstalt Josefstadt is treated below as an example of the causality and characteristics of punishment. According to the above-mentioned philosophical and architectural-theoretical analysis, the Grey House appears as a practical case study. After giving attention to the history of the Grey House, relevant current developments surrounding the prison are examined.The examination of the current tendencies concerning the case study leads to the practical design part of the master‘s thesis which introduces three different scenarios. The scenario General Renovation critically examines the current plans for the renovation of the Grey House, which is to be carried out over the next ten years. The scenario Masterplan Glacis assumes a relocation of the prison to a more viable location and presents the potential for the development of an urban focal point. In the final scenario of Open Heterotopias, a reinterpretation of Foucault‘s idea of enclosure milieus is transformed into an architectural design.The idea of Open Heterotopias, which is newly introduced in this work both theoretically and architecturally, uses the case study of the Grey House to show to what extent the closed heterotopia of the prison can be further developed into a permeable part of the urban structure. The monitored space is transformed by the design of the Open Heterotopia so that it is no longer necessarily bound to physical space. Ultimately, the examined paradigm shift on surveillance is placed in an architectural context: the Open Heterotopia enables a rethinking of the relationship between architecture and surveillance and shows a new design using the case study of the Grey House, which combines systemic relief and humanity.
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Abweichender Titel nach Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers