Röntgenbasierte spektroskopische Methoden spielen eine entscheidende Rolle bei der Materialcharakterisierung, da sie zerstörungsfrei und schnell Informationen über die Zusammensetzung, die Struktur und den chemischen Zustand, wie z.B. die Oxidationsstufe, verschiedener Proben liefern können. Besonders Synchrotron-basierte Methoden sind aufgrund der vorteilhaften Eigenschaften der Synchrotronstrahlung, wie z.B. Möglichkeit der Auswahl bestimmter Energien, hohe Brillianz, Polarisation und Kollimation, mögliche kleine Strahlgröße und hohe Leistung, von einzigartigem Nutzen. Dies ist in vielen Forschungsbereichen wie Physik, Chemie, Biologie und Materialwissenschaften von großer Bedeutung. Insbesondere die Entwicklung neuer Materialien wäre ohne eine gründliche Charakterisierung und Untersuchung dieser Materialien in allen Phasen ihrer Lebensdauer, von der Synthese über die Verwendung bis hin zum Abbau, nicht möglich.Die Röntgenfluoreszenz (X-Ray Fluorescence, XRF) Spektroskopie ist ein wertvolles Werkzeug für die qualitative und quantitative Bestimmung des Elementgehalts in einer Probe, während die Röntgenabsorptions-Feinstrukturspektroskopie (X-Ray Absorption Fine Structure spectroscopy - XAFS spectroscopy) Informationen über den Oxidationszustand, die lokale Koordinationsgeometrie und die Elektronenkonfiguration des untersuchten Elements in der Probe liefern kann. Dabei kann die Probe sowohl kristallin, als auch flüssig oder amorph sein. Zu dieser Methode gehören sowohl die XANES (von englisch: X-Ray Absorption Near Edge Structure)- als auch die EXAFS (von englisch: Extended X-Ray Absorption Fine Structure)-Spektroskopie.Die BAMline bei BESSY II ist ein Strahlrohr für den harten Röntgenbereich von etwa 4 keV bis etwa 60 keV, die u.a. die Möglichkeit für XAFS- und XRF-Spektroskopie bietet. Sie verfügt über zwei Monochromatoren, einen Doppelkristall-Monochromator (DCM) mit einer schmalen Bandbreite ∆E/E von etwa 2 · 10−4, der sich gut für Experimente eignet, bei denen eine hohe Energieauflösung erforderlich ist, wie z.B. bei sequentiellen XAFS-Experimenten, und einen Doppel-Multilayer-Monochromator (DMM) mit einer Bandbreite von etwa 1.7 · 10−2 mit einem wesentlich höheren Photonenfluss, der für XRF-Experimente verwendet wird.Im Gegensatz zu den meisten Strahlrohren an Synchrotronanlagen der dritten Generation hat die BAMline keine feste Endstation, sondern ist sehr flexibel. Die Experimente können an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst werden. Die Experimentiermöglichkeiten werden ständig erweitert und verbessert. Dazu gehört auch die Realisierung neuer Versuchsaufbauten. Es gibt eine wachsende Nachfrage nach Möglichkeiten der zeitaufgelösten Analyse von Prozessen und nach Röntgenbildgebungsverfahren, und diese Arbeit trägt mit der Entwicklung von entsprechenden Methoden zu beiden Feldern bei.Zeitaufgelöste XAFS Spektroskopie kann eingesetzt werden, wenn ein Echtzeit-Monitoring erforderlich ist. Dies nötig sein, um chemische Reaktionen zu untersuchen, Änderungen während eines Syntheseprozesses zu verfolgen oder die Leistung eines Materials unter bestimmten, anwendungsnahen Bedingungen zu bewerten. Verschiedene Strahlrohre auf der ganzen Welt sind auf zeitaufgelöste XAFS Spektroskopie spezialisiert. In der Regel werden hierbei hohe Anforderungen an die Instrumente gestellt, die an einer Mehrzweck- Strahlrohr nicht erfüllt werden können.Ein Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung eines neuen Aufbaus für zeit- und ortsauf- gelöste XAFS-Messungen, basierend auf dem Prinzip der dispersiven XAFS. Bei dieser Methode müssen die Spektren nicht Punkt für Punkt aufgenommen werden, sondern können in einem ‘single shot’ mit Hilfe eines ortsauflösenden Detektors aufgezeichnet werden. Der Aufbau ist stabil, preiswert und einfach einzustellen an verschiedene Ener- gien anzupassen, um verschiedene Elemente zu untersuchen. Ein einfallender Strahl einer gewählten Energiebandbreite fällt auf die Probe, die die unterschiedlichen Energien unterschiedlich stark absorbiert. Der transmittierte Strahl wird anschließend von einem gebogenen Si (111)-Kristall gebeugt. Dadurch werden die verschiedenen Energien räumlich getrennt und können von einem flächenempfindlichen Detektor detektiert werden. Das Intensitätsmuster des aufgenommenen Bildes ist ein direktes Maß für die Absorption in der Probe. Da alle Energien in einem ‘single shot’ aufgezeichnet werden, kann die Aufnahmezeit für ein Spektrum im Vergleich zu herkömmlichen XAFS-Messungen erheblich verkürzt werden. Abhängig vom Photonenfluss und dem erforderlichen Signal-Rausch- Verhältnis (SNR) können XANES- und/oder EXAFS-Spektren mit einer Zeitauflösung von bis zu 1 s aufgenommen werden.Um die Funktionsweise des Aufbaus zu demonstrieren, wurden an der BAMline Kupfer- und Eisen-Referenzfolien gemessen. Die erste Anwendung war die Untersuchung der frü- hen Stadien der Kristallisation von Zink(II)2-Methylimidazolat (ZIF-8).Eine weitere wichtige Technik zur Charakterisierung von Materialien ist die Röntgenbildgebung; dazu gehört die Untersuchung der Elementverteilungen, chemischen Zustände und texturalen Eigenschaften. Die Röntgenbildgebung wird zum Beispiel in der Astrophysik, Biologie, den Materialwissenschaften und zur Untersuchung archäologischer Objekte oder Kunstwerke eingesetzt. Die Bildgebung kann im Scanning-Modus, bei dem die Probe Punkt für Punkt untersucht wird, oder mit Full-field-Methoden durchgeführt werden.Der zweite Teil dieser Arbeit beschreibt die Implementierung einer Methode zur Full field-Röntgenfluoreszenz-Bildgebung mit kodierten Aperturen. Teure und komplizierte Röntgenoptiken, die normalerweise für die Full-field-Bildgebung verwendet werden, werden durch eine kodierte Apertur ersetzt, die aus vielen Löchern in einem für die gewünschte Röntgenstrahlung undurchsichtigem Material besteht. Kodierte Aperturen sind kostengünstig in der Herstellung, einfach in der Handhaung und die Transmission von Photonen ist energieunabhängig. Das Funktionsprinzip ist das gleiche wie bei einer Lochkamera, aber die große Anzahl an Löchern ermöglicht einen höheren Photonenfluss im Vergleich zu einer einzelnen Lochblende oder sogar einer Polykapillaroptik, wodurch die Messzeit verkürzt werden kann.Das Bild wird von einem energieempfindlichen 2D-Detektor, hier einer pnCCD, aufgenommen und besteht aus überlappenden Projektionen des Objekts. Ein Rekonstruktionsschritt wird durchgeführt, um das Objekt zu rekonstruieren und die gewünschte Information, z.B. über die Elementverteilung, zu erhalten. In dieser Arbeit werden verschiedene Rekonstruktionsmethoden vorgestellt: die Dekonvolution, eine iterative Rekonstruktion, ein genetischer Algorithmus und ein auf machine learning basierender Ansatz.Zunächst wurden umfangreiche Simulationen durchgeführt, um die Rekonstruktionsalgorithmen zu entwickeln und zu verbessern. In einem zweiten Schritt wurden verschiedene Proben an der BAMline vermessen und konnten mit verschiedenen Rekonstruktionsmethoden erfolgreich rekonstruiert werden.Die Röntgenbildgebung mit kodierten Aperturen kann überall dort zum Einsatz kommen, wo die Elementverteilung einer Probe untersucht werden soll. Das können z.B. neu entwickelte Materialien wie Hochentropielegierungen (high entropy alloys, HEAs) oder Metallorganische Gerüstverbindungen (metalorganic frameworks, MOFs) sein, aber auch biologische Proben , bei denen die Anreicherung bestimmter Elemente untersucht werden soll, oder Kunstwerke, bei denen Untersuchungen der elementaren Zusammensetzung Hinweise auf die Herkunft geben können.