Horlitz, S. (2021). Strategien der Dekommodifizierung. In A. Holm & C. Laimer (Eds.), Gemeinschaftliches Wohnen und selbstorganisiertes Bauen (pp. 111–122). TU Wien Academic Press. https://doi.org/10.34727/2021/isbn.978-3-85448-044-0_9
Gegenwärtig kann von einer Renaissance der Eigentumsfrage in der kritischen
Stadtforschung gesprochen werden. Die vielfältigen Debatten – von der Boden- und
Immobilienspekulation in urbanen Zentren über das Landgrabbing im Agrarsektor
bis zur fortgesetzten Privatisierung und Inwertsetzung vormals öffentlicher Dienstleistungen
und Güter – schärfen den Blick auf Eigentum als gesellschaftlich treibende
Kraft (Nuss: 2019, Zeller: 2004). Die damit verbundenen Fragen des Ein- bzw.
Ausschlusses, der Verteilungsungerechtigkeiten und Verknappung von Ressourcen,
aber auch die demokratietheoretischen Probleme, die eine Konzentration von
Eigentum und ökonomischer Macht hervorrufen, sind zentrale Themen gegenwärtiger
stadtpolitischer Debatten. Das vermeintlich dingliche Eigentum zeigt sich hier,
anders als im Alltagsverständnis, nicht als Sache oder Objekt, sondern als soziales
Verhältnis, als – in den Worten des Rechtswissenschaftlers David Friedmann (2000) –
ein Bündel von Rechten und Berechtigungen, das die Beziehungen und das Handeln
zwischen Menschen, Institutionen und Gütern regelt. Das im Eigentumsrecht formalisierte
soziale Verhältnis besteht jedoch nicht per se, sondern ist durch die Dynamiken
von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur bestimmt und als grundsätzlich
veränderbar zu denken.
Im Kontext der gegenwärtigen Eigentumsdebatten gibt es eine Reihe verschiedener
Ansätze der Konzeptualisierung von Alternativen. Diese reichen von der
Analyse neuer Möglichkeiten der Profitbegrenzungen (beispielsweise durch eine neue
Wohnungsgemeinnützigkeit), der Forderung nach der Besteuerung (und damit der
Umverteilung) sogenannter leistungsloser Gewinne aus der Schaffung von Planungs- und
Baurecht über die Bestrebungen zur Rekommunalisierung vormals privatisierter
Dienste und Liegenschaften bis zur Suche nach einem anderen theoretischen Rechts- und
Eigentumsverständnis, beispielsweise in der Commonsforschung.
Zu dieser Suchbewegung möchte dieser Text mit der Analyse verschiedener
nicht gewinnorientierter Eigentumsmodelle einen Beitrag leisten. Ihm liegt
die Annahme zugrunde, dass eine dauerhafte soziale Orientierung von
Grund und Boden sowie der darauf befindlichen Nutzungen nicht auf individueller
Ebene möglich ist, sondern nur durch die Schaffung kollektiver
marktferner Strukturen und entsprechender Sicherungs- bzw. Kontrollmechanismen
erreicht werden kann.