Fricko, N. (2016). Einfluss der Belüftung von Faulschlamm auf dessen chemisch-physikalische Eigenschaften [Diploma Thesis, Technische Universität Wien]. reposiTUm. https://doi.org/10.34726/hss.2016.37481
Der bei der biologischen Abwasserreinigung anfallende Überschussschlamm wird in größeren kommunalen Kläranlagen vermehrt anaerob stabilisiert. Bei erhöhter Temperatur im anaeroben Milieu erfolgt die Zersetzung und Autolyse der Biomasse, wodurch Faulgas - ein Gasgemisch aus Kohlenstoffdioxid und Methan - gebildet wird; zuvor in der aeroben Stufe der Belebungsanlage in den Zellen gebundenes Ammonium und Phosphat werden als gelöste Ionen freigesetzt. Das gewonnene Faulgas wird zur Energiegewinnung von thermische und elektrische Energie zur Deckung des Eigenenergiebedarfs (-energieautarke Kläranlage-) herangezogen. Aufgrund des Gleichgewichts zwischen dem Partialdruck eines Gases und dessen Konzentration in der Flüssigkeit wird Kohlenstoffdioxid im Faulschlamm gelöst. Bei Austritt des Faulschlamms gegen Atmosphäre entweicht das Kohlenstoffdioxid teilweise und der pH-Wert des Faulschlamms beginnt zu steigen. Die durch Autolyse freigesetzten Phosphat- und Ammoniumionen fallen mit zweiwertigen Gegenionen - vorrangig Magnesium - als schwerlösliches, kristallines Magnesiumammoniumphosphat (MAP, Struvit) aus und verursachen dadurch in vielen Fällen Inkrustationen, welche durch herkömmliche Reinigungsschritte kaum beseitigt werden können. Zudem gewinnt die Rückgewinnung von Phosphat aus phosphatreichen Abfallprodukten wie etwa Klärschlamm als Konsequenz der Verknappung an mineralischem Phosphat und der sinkenden Qualität der Lagerstätten an wirtschaftlicher Attraktivität und ist bereits Gegenstand zahlreicher Publikationen und Forschungsprojekte. MAP als mineralischer, schwermetallfreier Langzeitdünger spielt hier eine wesentliche Rolle. Im Zuge dieser Diplomarbeit wurde die Fällung von Magnesiumammoniumphosphat aus Faulschlamm durch Belüftung sowie der Einfluss dieser Behandlung auf die Eigenschaften des Schlamms insbesondere hinsichtlich Entwässerbarkeit untersucht. Zu diesem Zweck wurden Batchbelüftungsversuche bei variabler Belüftungsintensität und Fällmittelmenge - als Fällmittel wurde Magnesiumchloridhexahydrat eingesetzt - durchgeführt und bei vorab festgelegten pH-Grenzen die Konzentrationen der für die Fällung relevanten Ionen, die Entwässerbarkeit des Schlammes und der Trockensubstanzgehalt des Rückstandes bestimmt. Um die Messdaten der Entwässerbarkeit zu verifizieren, wurden bei einigen Belüftungsversuchen zusätzlich rheologische Messungen vorgenommen. Zur Festlegung und Optimierung der Rahmenbedingungen einer großtechnischen Erprobung der Faulschlammbelüftung wurde einerseits durch Belüftung über 24 Stunden die optimale Belüftungsdauer und andererseits eine Messung des die Belüftung charakterisierenden kLa-Werts der Apparatur durchgeführt. Um längere Stehzeiten zwischen Belüftung und Entwässerung des Faulschlamms zu simulieren, wurden Proben des belüfteten Faulschlamms über 24 Stunden temperiert gelagert und anschließend die Konzentrationsdifferenz an Gelöstionen und der Trockensubstanzgehalt untersucht. Aufgrund der oben beschriebenen Messungen können folgende zusammenfassende Aussagen getroffen werden: Eine Fällung von Struvit aus Faulschlamm durch Belüftung erscheint technisch möglich; die erzielbare Endkonzentration an Phosphat im Schlamm ist ausschließlich von der eingesetzten Menge an Magnesiumchloridhexahydrat und dem EndpH-Wert abhängig; ein Einfluss der Belüftungsintensität konnte nicht nachgewiesen werden. Auch bei äquimolarem Fällmitteleinsatz bleibt aufgrund des pH-abhängigen Löslichkeitsprodukts von MAP Phosphat im Schlamm gelöst. Eine Bilanzierung der Ionen wurde exemplarisch für einen Versuch durchgeführt - diese weist auf die Beteiligung eines weiteren, im Faulschlamm in relevanter Konzentration vorkommenden Reaktionspartners - höchstwahrscheinlich Eisen - hin, da nur so die systematisch auftretende Differenz zwischen Erdalkaliionen und Phosphat erklärt werden kann. Der bezogen auf Phosphat erhöhte Verbrauch an Ammonium kann auf das pH- und temperaturabhängige Gleichgewicht zwischen Ammoniak und Ammonium zurückgeführt werden - ein Teil des flüchtigen Ammoniaks wird durch die Belüftung ausgetrieben. Die erforderliche Belüftungsdauer zur Erreichung des gewünschten pH-Werts sank mit steigender Belüftungsintensität, jedoch stieg auch die verbrauchte Luftmenge an. Es konnten bei steigendem Fällmitteleinsatz sinkende Belüftungszeiten beobachtet werden, welche auf eine Verbesserung des kLa-Werts der Belüftung durch die erhöhte Salzkonzentration im Faulschlamm und die dadurch verringerte Blasenkoaleszenzneigung zurückgeführt werden. Der für die Wirtschaftlichkeit der Faulschlammbelüftung entscheidende Faktor ist zweifellos die deutliche Verbesserung der Entwässerbarkeit des Schlammes. Eine Tendenz hinsichtlich des Fällmitteleinsatzes oder der Belüftungsintensität konnte nicht beobachtete werden - im Mittel verringerte sich der Massenanteil des Rückstandes um 4%m absolut. Durch die Belüftung scheint es zum Abbau von extrazellulären, polymeren Substanzen (EPS) - ein die Bakterien zu Schutz- und Speicherzwecken umgebendes Hydrogel - zu kommen, welche ansonsten die Entwässerbarkeit des Schlammes begrenzt. Da unabhängig vom sinkenden Massenanteil eine Steigerung des Trockensubstanzgehalts des Rückstandes festgestellt wurde, konnte die Möglichkeit der erhöhten Verfrachtung von Feststoff in den Überstand verworfen werden. Der Trockensubstanzgehalt des Rückstandes steigt mit der eingesetzten Menge an Fällmittel überproportional an; dies wird einerseits auf die erhöhte Masse an kristallisierten Fällungsprodukten im Schlamm und andererseits auf denaturierende und osmotische Effekte der durch das Fällmittel in den Schlamm eingebrachten Chlorid- und Magnesiumionen zurückgeführt. Bei längerer Belüftung konnte zwar ein weiterer, signifikanter Anstieg des pH-Werts und sinkende Phosphatkonzentrationen festgestellt werden, jedoch wurde auch biologische Aktivität der autotrophen Bakterien - erkennbar am sinkenden Ammoniumgehalt - beobachtet, welche nach Erreichen eines pH-Maximums und etwa 6 Stunden Belüftungsdauer - abhängig von der Belüftungsintensität - einsetzte. Die Entwässerbarkeit eines länger belüfteten Schlamms verschlechterte sich deutlich, da aufgrund des Bakterienwachstums erneut EPS gebildet wurde. Die optimale Belüftungszeit ist daher vor dem Einsetzen biologischer Aktivität anzusetzen und korreliert mit dem Erreichen eines schwach ausgeprägten pH-Maximums. Zu diesem Zeitpunkt ist auch die Verbesserung der Entwässerbarkeit am stärksten ausgeprägt. Die Daten der rheologischen Messungen untermauern die getroffenen Annahmen hinsichtlich der Entwässerbarkeit des Faulschlammes; die Viskosität des Schlammes sinkt mit steigendem pH-Wert ab. Die dynamische Viskosität einer Flüssigkeit ist maßgeblich für die Dimensionierung von Rohrleitungen und Pumpen; da es sich bei Faulschlamm um ein strukturviskoses, thixotropes Fluid mit ausgeprägter Fließgrenze handelt, kann die dynamische Viskosität nicht einfach als Zahlenwert ermittelt werden - vielmehr ist sie von der Scherrate - - abhängig. Für die mathematische Beschreibung der gemessenen Fließkurven wurden Approximationsfunktionen nach Ostwald-de Waele und Herschel-Bulkley verwendet. Anhand der ermittelten Parameter wurde die dynamische Viskosität bei einer Scherrate - =500 1/s errechnet. Im Schnitt ergab sich eine Verringerung der dynamischen Viskosität des Faulschlamms pro 0,2 pH-Einheiten um 0,47-0,54 mPas, abhängig vom Approximationsmodell. Es konnte eine ausgeprägte Rücklösung von Phosphat bei temperierter Lagerung über 24 Stunden beobachtet werden. Steigender Fällmitteleinsatz führt zu einer Reduktion der Rücklösung - relativ und absolut. Während sich bei keinem oder geringem Einsatz von Magnesiumchloridhexahydrat etwa 50 mg/l Phosphat rücklösten, waren es bei äquimolarer Fällmittelmenge nur noch 20 mg/l. Der beobachtete Anstieg der Erdalkaliionen deckt in keiner Weise die Rücklösung von Phosphat während der Lagerung ab; das Ansteigen der Phosphatkonzentration bei Lagerung muss folglich auf die Rücklösung der Fällungsprodukte des unbekannten, mit Eisen angenommen Reaktionspartners beruhen. Die höhere chemische Affinität der Fällung von Phosphat mit Magnesium gegenüber jener mit Eisen macht den sinkenden Anteil an rückgelöstem Phosphat bei steigendem Einsatz von Magnesiumchloridhexahydrat erklärbar. Bei Lagerung reduziert sich die durch vorhergehende Belüftung erzielte Verbesserung der Entwässerbarkeit wieder um etwa 2%m absolut; folglich sind Stehzeiten zwischen Schlammbelüftung und maschineller Entwässerung möglichst zu vermeiden. Bei über 24 Stunden hinausgehender Lagerung konnte keine darüberhinausgehende signifikante Verschlechterung der Eigenschaften festgestellt werden. Eine exakte Vorausberechnung der Eigenschaften des belüfteten und gelagerten Schlamms aufgrund des pH-Werts ist nicht möglich, eine näherungsweise Abschätzung hingegen sehr wohl. Die Einsparung an Entsorgungskosten aufgrund der besseren Entwässerbarkeit macht eine Faulschlammbelüftung für Kläranlagenbetreiber wirtschaftlich attraktiv. Unter Berücksichtigung der Kosten für äquimolare Mengen an Fällmittel, Belüftung und Erwärmung des Schlamms kann von einem Einsparungspotential von einigen hundert Euro pro Tag für eine kommunale Kläranlage mittlerer Größe (etwa 1000 m3 Faulschlamm pro Tag) ausgegangen werden; die Abschätzung berücksichtigt jedoch nicht die Reduktion der Wartungskosten aufgrund reduzierter Inkrustationsbildung auf Apparaten und sonstiger Ausrüstung noch die Abschreibung der Betriebsanlagen.
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Zusammenfassung in englischer Sprache Abweichender Titel nach Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers