Moosbrugger, F. (2022). Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Ansatz des Bemessungsblockes lt. ONR 24810 anhand eines konkreten Fallbeispiels [Diploma Thesis, Technische Universität Wien]. reposiTUm. https://doi.org/10.34726/hss.2022.100648
Gravitative Naturgefahren, insbesondere Steinschlag, beschäftigt Geologen und Geotechniker schon seit knapp hundert Jahren. Aufgrund ihrer Unberechenbarkeit, hohen Geschwindigkeit und hoher Aufprallenergie stellen Steinschlagprozesse eine ernste Gefährdung, vor allem für Personen, dar. Immer wieder kommt es zu tödlichen Unfällen sowie Beschädigungen an Infrastruktur durch herabstürzende Felsbrocken entlang Straßenabschnitten und Wegen. Erste Ansätze oder analytische Modelle stellen einfache und zeitextensive Methoden für die Ausweisung relativer maximaler Reichweiten von Sturzprozessen dar (vgl. dazu Heim 1932; Hungr und Evans 1988 ;Meißl 1998 , Dorren 2003; Volkwein. A et al. 2011; Melzner et al. 2012 ). Diese Methoden beruhen auf einfachen geometrischen Annahmen bzw. Algorithmen, sodass der Anwender bei den meisten dieser Ansätze sehr wenig Eingangsparameter benötigt (Melzner und Preh 2012). Infolge der hohen Komplexität von Steinschlagprozessen sind mit empirischen Ansätzen die Grenzen von Abschätzungen bald erreicht. Durch moderne Computerprogramme (Prozessmodelle) ist es heutzutage möglich, eine Vielzahl an Steinschlagtrajektoren zu simulieren, um die stochastische Natur des Prozesses zu berücksichtigen. Einen wesentlichen Einfluss auf die Berechnungsergebnisse hat der Eingangsparameter der Blockgröße mit dem der Steinschlagprozess simuliert wird. Die österreichische Richtlinie ONR 24810 bestimmt zu diesem Zweck einen Bemessungsblock aus der Schutthalde von vorhergegangenen Sturzereignissen. In Abhängigkeit der Ereignishäufigkeit und der Ereignisfrequenzklasse ergibt sich der entsprechende Fraktilwert für das Volumen des Bemessungsblockes. Die Bestimmung einer Bemessungsblockgröße und die Bemessung der Schutzmaßnahmen auf Grundlage dieses Blocks ist der in Österreich geltende Stand der Technik. Dieser Ansatz stellt eine starke Vereinfachung dar. Ein alternativer Ansatz ist es, die Berechnungen mittels der gesamten beobachteten Blockverteilung durchzuführen. Mit dem Ansatz der Blockgrößenverteilung lassen sich in weiterer Folge auch unterschiedliche Jährlichkeiten abbilden (Illeditsch und Preh 2020). Ziel dieser Untersuchung war es, die Auswirkungen dieser beiden Berechnungsansätze anhand eines konkreten Fallbeispiels zu untersuchen. Dazu wurden, nach erforderlichen Grundlagenerhebungen und Feldbegehungen, beide Berechnungsansätze mittels Steinschlagsimulationsprogramm Wurf 3D simuliert und die Ergebnisse hinsichtlich Reichweite, Sprunghöhe und kinetischer Energie verglichen. In weitere Folge wurde, auf Basis der Reichweite der Sturzblöcke, sowohl eine Risikoanalyse für den Automobilverkehr als auch für den Radverkehr entlang des untersuchten Straßenabschnittes durchgeführt. Auffällig dabei waren die Unterschiede im Sterberisikos des einspurigen Verkehrs. Das Sterberisiko des Fahrradfahrers, beim Berechnungsansatz Blockgrößenverteilung, war dabei um fast 20% höher als beim Ansatz des Bemessungsblockes lt. ONR 24810. Sowohl die Blockvermessung der Schutthalde als auch Lambert und Nicot 2011) belegen, dass die Ereignishäufigkeit von Steinschlagereignissen mit Blockgrößen kleineren Durchmessers deutlich höher ist. Hinsichtlich der Vulnerabilität des Radverkehrs, für den auch bereits Steine mit geringem Volumen tödlich sind, muss somit der Ansatz des Bemessungsblockes lt. derzeitig gültiger Richtlinie ONR 24810 doch deutliche Abstriche gegenüber dem Ansatz der Blockgrößenverteilung machen. Auf Grundlage der Risikoanalyse wurde ein Schutzmaßnamenkonzept, für den betrachteten Straßenabschnitt, entwickelt. Auch hier sind die Differenzen der beiden Berechnungsansätze deutlich erkennbar. Zur Risikoreduzierung für die Verkehrsteilnehmer entlang des untersuchten Straßenabschnittes wurde für den Berechnungsansatz Bemessungsblock eine einzige Netzreihe als ausreichend bemessen. Gegensätzlich dazu benötigte es zur Risikoreduktion für die Blockgrößenverteilung eine Sicherungskette von drei hintereinander folgenden Schutznetzen. Dies verdeutlicht welcher Vereinfachung die derzeitig gültige Richtlinie, durch den Ansatz des Bemessungsblockes auf Grundlage der Ereignishäufigkeit, unterliegt.
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Gravitational natural hazards, especially rockfall, have preoccupied geologists and geotechnical engineers for almost a hundred years. Due to their unpredictability, high speed and high impact energy, rockfall processes pose a serious hazard, especially to people. Fatal accidents as well as damage to infrastructure by falling boulders along road sections and paths occur again and again. First approaches or analytical models represent simple and time-extensive methods for the designation of relative maximum ranges of fall processes (cf. Heim 1932; Hungr and Evans 1988; Meißl 1998, Dorren 2003; Volkwein. A et al. 2011; Melzner et al. 2012). These methods are based on simple geometric assumptions or algorithms, so the user needs very few input parameters for most of these approaches (Melzner and Preh 2012). As a result of the high complexity of rockfall processes, the limits of estimations are soon reached with empirical approaches. Nowadays it is possible, through modern computer programs (process models), to simulate a large number of rockfall trajectories to account for the stochastic nature of the process. The input parameter of the block size with which the rockfall process is simulated has a significant influence on the calculation results. For this purpose, the Austrian guideline ONR 24810 determines a design block from the debris pile of previous fall events. Depending on the event frequency and the event frequency class, the corresponding fractilevalue for the volume of the design block is obtained. The determination of a design block size and the design of protective measures based on this block is the state of the art in Austria. This approach represents a severe simplification. An alternative approach is to perform the calculations using the entire observed block distribution. With the block size distribution approach, different annualities can subsequently be mapped (Illeditsch and Preh 2020). The aim of this study was to investigate the effects of these two calculation approaches using a concrete case study. For this purpose, after necessary basic surveys and field inspections, both calculation approaches were simulated using the rockfall simulation program Wurf 3D. The results were compared with respect to range, jump height and net energy. Subsequently, based on the range of the falling blocks, a risk analysis was carried out for both automobile traffic and bicycle traffic along the investigated road section. The differences in the mortality risk of the single-lane traffic were striking. The mortality risk of the cyclist, with the calculation approach block size distribution, was almost 20% higher than with the approach of the design block according to ONR 24810. Both the block measurement of the scree slope and Lambert and Nicot (2011) prove that the event frequency of rockfall events with block sizes of smaller diameter is significantly higher. Regarding the vulnerability of bicycle traffic, for which even small stones are fatal, the approach of the design block according to the currently valid guideline ONR 24810 must make significant concessions compared to the approach of the block size distribution. Based on the risk analysis, a protective measure concept was developed for the road section under consideration. The differences between the two calculation approaches are clearly visible. In order to reduce the risk for the road users along the examined road section, a single row of nets was considered sufficient for the calculation approach design block. In contrast to this, a safety chain of three consecutive safety nets was required for risk reduction for the block size distribution. This illustrates the simplification of the currently valid guideline due to the approach of the design block based on the event frequency.